IAS-Verordnung — FAQ

Brüssel, den 13. Februar 2001

(vgl. IP/01/200)

Was ist ein internationaler Rechnungslegungsgrundsatz? Wer legt ihn fest?

Die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze (International Accounting Standards – IAS) werden vom IASC (International Accounting Standards Committee) ausgearbeitet und verabschiedet. Dieser Ausschuss wurde in den 70er Jahren von Berufsverbänden der Industrieländer gegründet. Es gibt 41 IAS und 25 Interpretationen, die auf etwa 1300 Seiten niedergelegt sind. Die Rechnungslegungsgrundsätze orientieren sich an den Bedürfnissen der Anleger.

Das Sekretariat des IASC befindet sich in London. Im Mai 2000 billigte die International Federation of Accountants (IFAC) eine neue Struktur für das Hauptorgan des IASC (IASC-Board). Das neue Board setzt sich aus 14 Vertretern verschiedener nationaler Rechnungslegungsorgane zusammen (davon fünf aus Europa: zwei aus dem UK und je einer aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz). Die Board-Mitglieder sind am 25. Januar 2001 bestellt worden. Den Vorsitz führt Sir David Tweedie, der frühere Vorsitzende des britischen Accounting Standards Board. Das neue IASC-Board soll im April 2001 erstmals zusammentreten. Ihm zur Seite steht ein Standards Advisory Council mit 30 Mitgliedern, die sowohl geographisch als auch hinsichtlich der beruflichen Zusammensetzung eine breite Repräsentativität gewährleisten. Der Advisory Council trifft regelmäßig mit dem IASC-Board zusammen, um ihn in prioritären Fragen zu beraten und über die Auswirkungen vorgeschlagener Normen auf die Bilanzierenden und die Adressaten von Jahresabschlüssen zu informieren.

Was ändert sich durch die IAS-Verordnung? Hat die Globalisierung nicht ohnehin schon viele europäische Unternehmen zur Anwendung der IAS veranlasst?

Von der Verordnung sind etwa 7000 börsennotierte Unternehmen in der EU unmittelbar betroffen. Sie werden ihre konsolidierten Abschlüsse spätestens 2005 nach den IAS erstellen müssen. Derzeit wenden in der EU nur 275 börsennotierte Unternehmen die IAS an.

Bisher haben sieben Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien und Luxemburg) ihren börsennotierten Unternehmen ausdrücklich erlaubt, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den IAS zu erstellen.

Welche technischen Veränderungen und welche Kosten wird die Verordnung nach sich ziehen?

Der Übergang von den nationalen Rechnungslegungsvorschriften zu den IAS bedeutet einen erheblichen Schulungsaufwand sowohl für die Rechnungslegungsbranche als auch für Unternehmen, die die IAS zum ersten Mal anwenden. Um für 2005 gerüstet zu sein, muss jetzt mit den Vorbereitungen begonnen werden.

Der Übergang zu den IAS bedeutet auch zusätzliche Kosten, vor allem im ersten Jahr der Anwendung. Diese Investition wird sich jedoch langfristig bezahlt machen. Mehr Transparenz und eine bessere Vergleichbarkeit der Finanzausweise werden sich für die Unternehmen letztlich in geringeren Kapitalkosten niederschlagen. Dies wird zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beitragen.

Warum müssen die IAS auf EU-Ebene extra anerkannt werden, wenn der IASC hohen Qualitätsansprüchen genügt?

Die IAS müssen auf EU-Ebene extra anerkannt werden, weil es weder politisch noch rechtlich möglich ist, eine private Organisation, in der die EU keinen Einfluss hat, vorbehaltlos und unwiderruflich mit der Ausarbeitung und Verabschiedung von Rechnungslegungsnormen zu betrauen. Außerdem wird mit der Festlegung der für börsennotierte Unternehmen künftig verbindlichen Rechnungslegungsgrundsätze die erforderliche Rechtssicherheit geschaffen. Gleichzeitig muss geprüft werden, ob die IASC-Standards mit den politischen Zielen der EU vereinbar sind. Da das EU-Anerkennungsverfahren eine gewisse Eigendynamik entwickeln wird, ist zu erwarten, dass die vom IASC verabschiedeten neuen Standards auch für die EU akzeptabel sein werden.

Wie wird die Anerkennung der IAS auf EU-Ebene praktisch vonstatten gehen?

Die Verordnung sieht die Einsetzung eines neuen EU-Mechanismus vor, der die IAS prüfen und zur Anwendung innerhalb der EU freigeben sollen. Der auf politischer Ebene angesiedelte Regelungsausschuss für die Rechnungslegung wird nach den Komitologie-Regeln der EU arbeiten. Nur beratende Funktion hat hingegen der Technische Ausschuss für die Rechnungslegung, der den Regelungsausschuss fachlich unterstützen wird. Der Regelungsausschuss, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem die Kommission den Vorsitz führt, nimmt die IAS auf Vorschlag der Kommission an oder lehnt sie ab.

Vorbereitet werden die Arbeiten von dem Technischen Ausschuss, dem ausschließlich Sachverständige angehören. Dieser Ausschuss wird als privatwirtschaftliche Initiative unter dem Namen "EFRAG" (European Financial Reporting Advisory Group) von den Marktteilnehmern mit besonderem Interesse an der Rechnungslegung (einschließlich Bilanzierenden, Anwendern, Angehörigen der Rechnungslegungsbranche und nationalen Normenorganisationen) eingesetzt.

Die hochqualifizierten Sachverständigen des Technischen Ausschusses werden die Anwendung der IAS im europäischen Rechtskontext fachlich begleiten. Der Ausschuss wird aktiv an der Ausarbeitung internationaler Rechnungslegungsnormen mitwirken und in der EU die Standpunkte zu den verschiedenen IAS koordinieren. Der Ausschuss soll noch im ersten Halbjahr 2001 eingesetzt werden, d. h. kurz nachdem das neue IASC-Board seine Tätigkeit aufgenommen hat (ab 1. April 2001). In diesem Ausschuss ist die Kommission als Beobachter vertreten.

Der Regelungsausschuss wird wie folgt verfahren:

Die Kommission schlägt dem Ausschuss die Annahme (oder Ablehnung) eines bestimmten IAS vor.

Dem Vorschlag liegt ein Bericht der Kommission bei, in dem der betreffende Rechnungslegungsgrundsatz beschrieben und seine Vereinbarkeit mit den geltenden Rechnungslegungsrichtlinien sowie seine Eignung als europäische Rechnungslegungsnorm geprüft wird.

Der Regelungsausschuss nimmt dann innerhalb eines Monats zu dem Kommissionsvorschlag Stellung. Es gelten dieselben Abstimmungsregeln wie im Rat (d. h. qualifizierte Mehrheit).

Stimmt der Ausschuss dem Vorschlag der Kommission zu, trifft die Kommission die erforderlichen Vorkehrungen, damit der Rechnungslegungsgrundsatz in der Europäischen Union angewendet werden kann.

Gibt der Ausschuss keine oder eine ablehnende Stellungnahme ab, kann die Kommission den Technischen Ausschuss mit der Frage befassen oder die Angelegenheit vor den Rat bringen.

Das Europäische Parlament wird gemäß den Komitologie-Vorschriften für Regelungsausschüsse über die Arbeiten des Regelungsausschusses unterrichtet. Das Parlament kann einschreiten, wenn die Kommission seiner Meinung nach ihre Befugnisse überschritten hat.

Was passiert, wenn ein IAS als ungeeignet für die Anwendung innerhalb der EU befunden wird?

Die Kommission hat bereits die Übereinstimmung der bestehenden IAS und Interpretationen des Standing Interpretations Committee (SIC) mit der Vierten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (78/660/EWG) und der Siebenten Richtlinie über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG) geprüft. Es wurden nur geringfügige Abweichungen festgestellt (vgl. IP/96/1132). Diese werden im Zuge der für den Zeitraum 2001-2002 geplanten Aktualisierung dieser Richtlinien beseitigt.

Dass neue IAS oder Interpretationen als für die Anwendung in der EU ungeeignet eingestuft werden, ist wenig wahrscheinlich. Das Anerkennungsverfahren dient nämlich vor allem dazu, dem IASC den Standpunkt der Europäischen Union bereits in einem sehr frühen Stadium zu vermitteln. Sollten dennoch Probleme auftreten, werden sie zuerst auf technischer Ebene angegangen.

Was ist mit den KMU und den nicht notierten Unternehmen?

Da börsennotierte KMU ihren konsolidierten Abschluss wie andere notierte Unternehmen nach den IAS erstellen müssen, müssen auch sie sich auf die Umstellung vorbereiten. Die meisten KMU sind allerdings nicht an der Börse notiert, so dass ihnen die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze freisteht, wenn ihr Mitgliedstaat diese Option vorsieht.

Langfristig dürften KMU, die sich international um Kapital bemühen, jedoch einen Vorteil darin sehen, die IAS anzuwenden, auch wenn sie nicht an der Börse notiert sind.

Inwieweit werden die IAS weltweit angewandt?

Die meisten Börsen der Welt akzeptieren Finanzausweise, die auf der Grundlage der IAS erstellt worden sind. Die International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) empfahl im Jahr 2000 die Anwendung der IAS für die Notierung an Auslandsbörsen. Dennoch gibt es nach wie vor einige lösungsbedürftige Probleme. Auf der Grundlage der IAS erstellte Abschlüsse werden in den USA und Kanada nicht für die Börsennotierung akzeptiert.

Die Annahme der IAS als europäische Rechnungslegungsnormen wird die Autorität dieser Normen weltweit zweifellos erhöhen.

Wie lässt sich die Anwendung der IAS verbessern?

Ein effizienter Kapitalmarkt kann nur dann entstehen, wenn für eine einheitliche Anwendung der IAS gesorgt wird. Unternehmen, die die IAS anwenden, kommen den Normen nicht immer in vollem Umfang nach. Das muss sich ändern.

Zunächst bedarf es gemeinsamer Leitlinien für die Anwendung der IAS. Dies ist in erster Linie Aufgabe des Standards Interpretation Committee, der Auslegungshilfen für die ordnungsgemäße Anwendung der IAS erarbeitet. Gegebenenfalls könnten diese Leitlinien auf EU-Ebene durch das Anerkennungsverfahren ergänzt werden.

Des weiteren müssen die Abschlüsse ordnungsgemäß geprüft werden. Hier ist der Abschlussprüfer gefragt, der bescheinigen muss, dass die Abschlüsse ordnungsgemäß erstellt worden sind. Um EU-weit eine hohe Prüfungsqualität zu gewährleisten, hat die Kommission 1998 eine Mitteilung mit den prioritären Maßnahmen in diesem Bereich herausgegeben. Letztes Jahr hat die Kommission darüber hinaus eine Empfehlung zu den Qualitätssicherungssystemen für die Abschlussprüfung erlassen (vgl. IP/00/1327). Im EU-Ausschuss für Fragen der Abschlussprüfung laufen derzeit Arbeiten zu Prüfungsstandards, zum Prüfungsbericht und zur Unabhängigkeit.

Zum Schutz der Anleger ist ferner eine externe Aufsicht erforderlich. Den Wertpapier-Aufsichtsbehörden kommt eine entscheidende Bedeutung zu, wenn es darum geht sicherzustellen, dass börsennotierte Unternehmen den Rechnungslegungsanforderungen nachkommen.

Die Kommission setzt ihre Hoffnung in die im FESCO (Forum of European Securities Commissions) vertretenen Aufsichtsbehörden, um ein gemeinsames Konzept für die Durchsetzung der Rechnungslegungsnormen zu entwickeln und umzusetzen. FESCO beabsichtigt, einen ständigen Unterausschuss einzusetzen, der sich insbesondere mit der Durchsetzbarkeit von Rechnungslegungsnormen befassen soll.

Was ist mit den US-GAAP? Können Unternehmen aus der EU die US-GAAP weiter anwenden?

Die US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards (Generally Accepted Accounting Principles – GAAP) werden derzeit von etwa 300 Unternehmen zur Erstellung ihrer Abschlüsse verwendet. In den meisten Fällen wurden die GAAP als Vorbereitung auf die Börseneinführung in den USA oder zur leichteren Mobilisierung ausländischen bzw. amerikanischen Kapitals oder ausländischer Investoren verwendet. Nach 2005 werden sie jedoch ihre Konzernabschlüsse nach Maßgabe der IAS erstellen müssen.

Die IAS bieten ihnen Finanzinformationen in derselben hohen Qualität wie die US-GAAP mit dem zusätzlichen Vorteil, dass die IAS mit einer wirklich internationalen Perspektive konzipiert wurden und nicht einem bestimmten nationalen Umfeld nachgebildet sind. Die Kommission hofft und erwartet, dass die US Securities and Exchange Commission (SEC) in naher Zukunft die von EU-Emittenten erstellten Finanzausweise akzeptieren wird, ohne eine Abstimmung mit den US-GAAP zu verlangen.

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