Verhaltenskodex zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die Europäische Kommission schlägt einen Verhaltenskodex vor, um Doppelbesteuerung infolge von Verrechnungspreiskorrekturen zu vermeiden.

Die Europäische Kommission hat einen Verhaltenskodex vorgeschlagen, der darauf abzielt, die Doppelbesteuerung von Unternehmen bei konzerninternen Transaktionen zu vermeiden. Der Vorschlag, der auf den Arbeiten des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums basiert, würde für diejenigen Fälle gelten, in denen die Steuerverwaltung eines EU-Mitgliedstaats den steuerbaren Gewinn eines Unternehmens aus grenzüberschreitenden konzerninternen Transaktionen nach oben berichtigt, z. B. durch Korrektur der Verrechnungspreise.

Der Verhaltenskodex soll gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten das Schiedsübereinkommen von 1990 (90/436/EWG) wirksamer und einheitlicher anwenden. Außerdem soll er Verfahrensregeln enthalten, z. B. betreffend den Beginn der Fristen für die Bearbeitung der Beschwerden, die Tätigkeit des Beratenden Ausschusses, der eingesetzt werden muss, wenn die Mitgliedstaaten sich nicht innerhalb von zwei Jahren über die Beseitigung der Doppelbesteuerung einigen können, und den Steueraufschub während der Streitbeilegung. Der Verhaltenskodex soll auch die Empfehlung enthalten, dass die Mitgliedstaaten die Streitbeilegung gemäß ihren bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen nach den Regeln des Kodex‘ durchführen. Das Schiedsübereinkommen ist derzeit nicht in Kraft, weil das Protokoll zu seiner Verlängerung noch nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.

„Der vorgeschlagene Verhaltenskodex soll gewährleisten, dass die Streitbeilegungsverfahren der EU besser funktionieren und die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen im Binnenmarkt wirksam beseitigen“, erklärte der für Steuern zuständige Kommissar, Frits Bolkestein. „Ich muss jedoch die Mitgliedstaaten, die die Verlängerung des Schiedsübereinkommens noch nicht ratifiziert haben, dringend auffordern, so rasch wie möglich die notwendigen Schritte einzuleiten, da das Übereinkommen bis zur vollständigen Ratifizierung nirgendwo in der EU angewandt werden kann.“

Der erste Bericht des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums enthält Schlussfolgerungen und Empfehlungen in Form eines Verhaltenskodex, der dazu beitragen soll, dass die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten das Schiedsübereinkommen von 1990 (90/436/EWG) und die Verständigungsverfahren der Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten einheitlicher anwenden.

Der Entwurf des Verhaltenskodex, den die Kommission nun dem Rat zur Annahme unterbreitet, soll für folgende Aspekte gemeinsame Verfahren festlegen:

  • Beginn des Dreijahreszeitraums, innerhalb dessen ein Unternehmen, das nach einer Verrechnungspreiskorrektur doppelt besteuert wird, seinen Fall einer zuständigen Behörde unterbreiten kann;
  • Beginn des Zweijahreszeitraums, innerhalb dessen die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten sich darauf verständigen sollten, wie die Doppelbesteuerung des Antragstellers zu beseitigen ist;
  • Durchführung des Verständigungsverfahrens (praktisches Vorgehen während des Verfahrens, Transparenz und Beteiligung des Steuerpflichtigen);
  • praktische Modalitäten für die zweite Phase des Schiedsverfahrens (beratender Ausschuss), die folgt, wenn sich die Steuerverwaltung nicht innerhalb des Zweijahreszeitraums einigen können, und
  • Aufschub der Steuerhebung, solange die grenzübergreifenden Streitbeilegungsverfahren anhängig sind.

Der vorgeschlagene Verhaltenskodex wäre eine politische Verpflichtung, die die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten nicht berühren und sich auf die Kompetenzen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft nicht auswirken würde.

Hintergrund

Im Oktober 2001 schlug die Kommission eine zweigleisige Strategie zur Beseitigung der steuerbedingten Hindernisse vor, die derzeit verhindern, dass grenzüberschreitend tätige Unternehmen den vollen Nutzen aus dem Binnenmarkt ziehen (vgl. IP/01/1468). Ein zunehmendes Problem ist die Doppelbesteuerung, die erfolgen kann, wenn ein EU-Mitgliedstaat den steuerbaren Gewinn, den ein Unternehmen mit grenzüberschreitenden konzerninternen Transaktionen erzielt, nach oben korrigiert und der Mitgliedstaat des verbundenen Unternehmens den steuerbaren Gewinn dieses Unternehmens nicht entsprechend nach unten anpasst. Häufig tritt dieser Fall ein, wenn eine Steuerverwaltung aus steuerlichen Gründen die konzerninternen Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen berichtigt, um sie den Preisen anzupassen, die ihrer Ansicht nach zwischen unabhängigen Unternehmen vereinbart worden wären. Die Steuerverwaltungen verwenden auf diesen Bereich ihrer Tätigkeit immer mehr Ressourcen; die Unternehmen hingegen weisen darauf hin, dass die Befolgung der Verrechnungspreisleitlinien der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) und deren jeweiliger Auslegung durch die EU-Mitgliedstaaten kompliziert und kostenaufwendig ist. Sie beklagen außerdem die umfassenden Dokumentationspflichten, die manche Steuerverwaltungen ihnen auferlegen.

Das Schiedsübereinkommen und die Verständigungsverfahren gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen der Mitgliedstaaten sollen Streitigkeiten im Falle der Doppelbesteuerung beilegen, aber die praktische Durchführung dieser Verfahren unterscheidet sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Überdies ist das Schiedsübereinkommen seit dem Jahr 2000 außer Kraft, weil das Protokoll über seine Verlängerung nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.

Deshalb müssen die Unternehmen gegenwärtig auf die Streitbeilegungsbestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen zurückgreifen, die im Unterschied zum Schiedsübereinkommen eine Verständigung über die Beseitigung der Doppelbesteuerung nicht zwingend vorschreiben.

Das Gemeinsame EU-Verrechnungspreisforum, das die Kommission im Juli 2002 einsetzte, um diese Probleme zu untersuchen, besteht aus jeweils einem Experten aus den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten, zehn Fachleuten aus der Wirtschaft und einem Vorsitzenden. Vertreter der Beitrittsländer und der OECD nehmen als Beobachter teil. Das Forum wird Anfang 2005 den nächsten Bericht über seine Arbeit vorlegen.

Der Bericht und der Verhaltenskodex können im vollen Wortlaut unter folgender Adresse abgerufen werden:
http://europa.eu.int/comm/taxation_customs/whatsnew.htm

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