Kommission gibt grünes Licht für den Bau eines neuen Kernkraftwerks in Finnland

Nach den Bestimmungen des Euratom-Vertrags hat die Europäische Kommission den Bau eines neuen Kernkraftwerks in Finnland befürwortet und ihre Stellungnahme den finnischen Behörden übermittelt. Dieses Kernkraftwerk ist das erste, das nach über einem Jahrzehnt in der Europäischen Union in Auftrag gegeben wird.

Gemäß dem Euratom-Vertrag müssen der Europäischen Kommission alle Pläne für größere Neuinvestitionen in die Kernenergie gemeldet werden. Die Kommission bewertet dann die vorgeschlagene Investition und teilt dem Mitgliedstaat ihren Standpunkt mit.

Der Bau wird 2005 beginnen, und das Werk wird 2009 seinen Betrieb aufnehmen. Es wird über eine Stromerzeugungskapazität von 1600 MWe verfügen. Mit ihrer Befürwortung dieser Investition nahm die Kommission zur Kenntnis, dass das Projekt der Befriedigung neuer Nachfrage in Finnland dienen und alternde, mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke ersetzen soll.

Das neue Kraftwerk sollte daher die Sicherheit und Vielfalt der Energieversorgung sowohl in der Region wie auch auf europäischer Ebene verbessern. „Dieses Projekt zeigt, dass die Kernenergie eine attraktive wirtschaftliche Option bleibt, wenn sie ordentlich verwaltet wird“, meint Loyola de Palacio, die für ihre positive Einstellung gegenüber der Nuklearenergie bekannte Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. „Außerdem zeigt es, dass die Kernenergie zur Bekämpfung des Klimawandels und damit wesentlich zur nachhaltigen Entwicklung beitragen kann. Wie die Europäische Kommission in ihren neueren Vorschlägen für Rechtsvorschriften anerkennt, ist die Kernenergie eine annehmbare Option, falls Lösungen für die Entsorgung ihre Abfälle gefunden werden können und ein hoher Grad an Sicherheit aufrechterhalten werden kann“.

Da das Problem radioaktiver Abfälle für die Zukunft der Kernenergie so wichtig ist, nahm die Kommission besonders zur Kenntnis, das Finnland über ein wohl definiertes und entwickeltes Programm für die langfristige Entsorgung seiner abgebrannten Kernbrennstoffe und radioaktiven Abfälle verfügt. Wesentlich war hier die vom finnischen Parlament ratifizierte Entscheidung der finnischen Regierung über die Wahl eines Standorts für die Lagerung der abgebrannten Brennstoffe. Auch nahm die Kommission sehr wohl zur Kenntnis, dass es in Finnland einen Fonds für die Entsorgung nuklearer Abfälle gibt, der alle Haftungsansprüche abdeckt, die nach Ablauf der Betriebsdauer des neuen Kraftwerks bleiben werden.

Was den wirtschaftlichen Aspekt betrifft, so hatte das Unternehmen auch darauf hingewiesen, dass das neue Kernkraftwerk Strom zu niedrigeren Kosten erzeugen dürfte als die mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerke und zur Sicherstellung einer stabilen und vorhersehbaren Versorgung und entsprechender Preise beitragen sollte.

Das Projekt erhält keine Beihilfen vom finnischen Staat. Schließlich und weil das neue Kernkraftwerk die Vermeidung von Millionen von Tonnen an CO2-Emissionen bedeuten würde, dürfte es Finnland dabei helfen, seine Verpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll zu erfüllen.

In Deutschland scheint trotz des jüngsten Vorstoßes der Union derzeit bei den existierenden Unternehmen kein Interesse an dem Neubau eines Atomkraftwerkes zu bestehen. Die Stromindustrie sieht derzeit keinen Anlass, den Atomausstieg aufzukündigen.

Ein Sprecher des Stromversorgungskonzerns Vattenfall sagte am Donnerstag gegenüber dem Tagesspiegel: „Der Energiekonsens gilt. Es gibt keine Schubladenpläne“. Der Neubau von Atomkraftwerken, wie ihn jüngst Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und der stellvertretende Unions-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz gefordert hatten, sei kein Thema.

Werner Brink, Präsident des Stromverbands VDEW, versicherte in diesem Zusammenhang: „Es gab vor 30 Jahren einen breiten politischen Konsens, in die Kernenergie einzusteigen. Es gab vor einigen Jahren einen Konsens, aus der Kernenergie auszusteigen. Die Branche steht zu der Vereinbarung. Es gilt das Primat der Politik.“ Auch der Energiekonzern RWE will am vereinbarten Ausstieg festhalten. „Wir haben klar den politischen Willen zum Ausstieg akzeptiert und werden uns daran halten“, sagte Konzern-Sprecher Bill Mac Andrews in Essen.

Der Grünen-Vorsitzende Bütikofer erinnerte daran, dass die Unionspolitiker sich mit ihren Plädoyers für den Atom-Wiedereinstieg „gegen 80 Prozent der Bevölkerung stellen“.

Ob allerdings im Rahmen der Befolgung des Koyotoprotokolls und dem Emmissionshandel, der zum 1. Januar 2005 beginnen soll, sich einzelne Staaten Standortvorteile aus der Nutzung von Kernenergie erhoffen, ist noch nicht absehbar. Schließlich soll mit dem Emmissionshandel die Nutzung von Kohlendioxid eingeschränkt werden. Nach der Feststellung der EU-Kommissarin für die Umwelt, Margot Wallström, besteht bei der Kommission der Eindruck, dass viele der eingereichten Pläne der EU-Mitgliedstaaten eine zu hohe Zahl an Handelszertifikaten genehmigt. Seit Januar 2004 seien die Preise für die Zertifikate um fast 50 % gefallen. Dementsprechend sei der Anreiz zum Energiesparen gering.

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