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Preisbindung eingeführter Bücher

Das Verbot für Importeure deutschsprachiger Bücher, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, stellt eine Behinderung des freien Warenverkehrs dar, die nicht gerechtfertigt werden kann.

Die österreichische Regelung über die Preisbindung für deutschsprachige Bücher sieht vor, dass der Verleger oder Importeur verpflichtet ist, einen Letztverkaufspreis festzusetzen und diesen bekannt zu machen, und dass der Importeur den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten darf.
Nach dieser Regelung ist der Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft für die
Veröffentlichung der Letztverkaufspreise zuständig, an die die Buchhändler beim Verkauf deutschsprachiger Bücher in Österreich gebunden sind.

Die LIBRO Handelsgesellschaft mbH betreibt 219 Filialen in Österreich; 80 % der von ihr vertriebenen Bücher stammen aus dem Ausland.

Ab August 2006 begann LIBRO, auf der Grundlage der in Deutschland praktizierten Preise im Inland den Verkauf von in Deutschland verlegten Büchern zu Preisen zu bewerben, die unter den für Österreich festgesetzten Mindestpreisen liegen.
Der Fachverband beantragte beim zuständigen österreichischen Gericht eine einstweilige Verfügung, mit der LIBRO aufgetragen werden sollte, eine solche Werbung zu unterlassen. Das Erstgericht gab diesem Antrag statt, da es der Auffassung war, dass das österreichische System der Preisbindung, selbst wenn es eine Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle, „aus kulturellen Gründen und zur Erhaltung der Medienvielfalt gerechtfertigt“ sei. Diese Entscheidung wurde durch das Rekursgericht bestätigt.

Insoweit erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass nach ständiger Rechtsprechung jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt.

Hingegen sind nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten beschränken oder verbieten, nicht geeignet, eine Behinderung dieses Handels zu begründen, sofern sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten in der gleichen Weise berühren.

Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass sich die österreichischen Vorschriften zwar auf die Modalitäten des Verkaufs der Bücher beziehen, sie jedoch mit der Verpflichtung für Importeure, den im Verlagsstaat praktizierten Preis nicht zu unterschreiten, den Absatz inländischer Bücher und den von Büchern aus anderen Mitgliedstaaten nicht in der gleichen Weise berühren.

Die fragliche Regelung sieht nämlich eine weniger günstige Behandlung für deutschsprachige Bücher aus anderen Mitgliedstaaten als für inländische Bücher vor, da sie österreichische Importeure und ausländische Verleger daran hindert, Mindestpreise für den Einzelhandel anhand der Merkmale des Einfuhrmarktes festzulegen, wohingegen es österreichischen Verlegern freisteht, für ihre Erzeugnisse Mindestpreise für den Letztverkauf auf dem inländischen Markt in dieser Weise selbst festzulegen.

Solche Vorschriften stellen daher eine Beschränkung des freien Warenverkehrs dar. Der Gerichtshof führt weiters aus, dass diese Beschränkung nicht gerechtfertigt ist. Er hebt insbesondere hervor, dass der Schutz von Büchern als Kulturgut als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen werden kann, das geeignet ist, Maßnahmen zu rechtfertigen, die den freien Warenverkehr beschränken, sofern mit ihnen das gesetzte Ziel erreicht werden kann und sie nicht über das hinausgehen, was für die Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kann das Ziel des Schutzes von Büchern als Kulturgut durch für den Importeur weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden, beispielsweise dadurch, dass ihm oder dem ausländischen Verleger erlaubt wird, einen Verkaufspreis für den österreichischen Markt festzusetzen, der den Besonderheiten dieses Marktes Rechnung trägt.
Folglich hat der Gerichtshof entschieden, dass die österreichische Regelung, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt, die durch das Gemeinschaftsrecht nicht gerechtfertigt werden kann.

In der Rechtssache C–531/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 13. November 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 29. November 2007, in dem Verfahren

Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft
gegen
LIBRO Handelsgesellschaft mbH

erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter K. Schiemann, P. Kuris, L. Bay Larsen und der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Fachverbands der Buch- und Medienwirtschaft, vertreten durch die Rechtsanwälte B. Tonninger und E. Riegler,
  • der LIBRO Handelsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Prantl,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und G. Thallinger als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A.-L. Vendrolini als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Sauer und B. Schima als Bevollmächtigte,
  • der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch N. Fenger und F. Simonetti als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 18. Dezember 2008

folgendes Urteil

  1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 Abs. 1 EG, 10 EG, 28 EG, 30 EG, 81 EG und 151 EG.2
  2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft (im Folgenden: Fachverband) und der LIBRO Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: LIBRO) wegen Unterlassung der Werbung für den Verkauf von Büchern im Inland zu Preisen, die die nach dem Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern (BGBl. I Nr. 45/2000, im Folgenden: BPrBG) festgesetzten Preise unterschreiten.

    Nationales Recht
    Das BPrBG3

  3. § 1 BPrBG lautet:
    "Dieses Bundesgesetz gilt für den Verlag und den Import sowie den Handel, mit Ausnahme des grenzüberschreitenden elektronischen Handels, mit deutschsprachigen Büchern und Musikalien. Es zielt auf eine Preisgestaltung ab, die auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels Bedacht nimmt."
  4. § 3 BPrBG bestimmt:
    "(1) Der Verleger oder Importeur einer Ware im Sinne des § 1 ist verpflichtet, für die von ihm verlegten oder die von ihm in das Bundesgebiet importierten Waren im Sinne des § 1 einen Letztverkaufspreis festzusetzen und diesen bekannt zu machen.
    (2) Der Importeur darf den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis oder den von einem Verleger mit Sitz außerhalb eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) für das Bundesgebiet empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten.
    (3) Ein Importeur, der Waren im Sinne des § 1 in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu einem von den üblichen Einkaufspreisen abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, kann entgegen Abs. 2 den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Preis, im Fall von Reimporten den vom inländischen Verleger festgesetzten Preis, im Verhältnis zum erzielten Handelsvorteil unterschreiten.

    (5) Zum nach Abs. 1 bis 4 festgesetzten Letztverkaufspreis ist die für die Ware im Sinne des § 1 in Österreich geltende Umsatzsteuer hinzuzurechnen."
  5. § 5 BPrBG sieht vor: "(1) Letztverkäufer dürfen bei Veräußerung von Waren im Sinne des § 1 an Letztverbraucher den nach § 3 festgesetzten Letztverkaufspreis höchstens bis zu 5 v. H. unterschreiten.
    (2) Letztverkäufer dürfen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Unterschreitung des Letztverkaufspreises im Sinne des Abs. 1 nicht ankündigen.
    (3) Die Verpflichtung nach Abs. 1 gilt nicht für Waren im Sinne des § 1, deren Letztverkaufspreis vor mehr als 24 Monaten zum ersten Mal gemäß § 4 bekannt gemacht wurde und deren Lieferzeitpunkt länger als sechs Monate zurückliegt.
    … "

    Das herkömmliche Sammelreverssystem

  6. Wie insbesondere aus der Vorlageentscheidung und den Erklärungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften hervorgeht, hatten die deutschen und österreichischen Verleger und Buchhändler bis zum 30. Juni 2000 eine Reihe von Standardverträgen geschlossen, die das Sammelreverssystem von 1993 bildeten. Dieses System betraf die Festsetzung des Verkaufspreises deutschsprachiger Bücher und beruhte im Wesentlichen auf der Verpflichtung der Buchhändler, den vom Verleger festgesetzten Ladenpreis einzuhalten.7
  7. Der Sammelrevers wurde der Kommission mitgeteilt, die am 22. Januar 1998 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte erließ und anschließend in einer Stellungnahme vom 8. Februar 2000 das Ausscheiden der österreichischen Verleger sowie die Beseitigung jeglicher grenzüberschreitender Wirkungen bis spätestens 30. Juni 2000 verlangte. Die anmeldenden Parteien unterbreiteten daher am 31. März und 10. Mai 2000 eine geänderte Version des Sammelrevers, die die Auflösung der Verträge der österreichischen Verleger und Buchhändler vorsah, die damit aus diesem System förmlich ausgeschieden sind. Die Kommission erteilte für das neue System ein Negativattest (Sache COMP/34.657 — Sammelrevers [ABl. 2000, C 162, S. 25]), in dem sie das Fehlen spürbarer Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Handel feststellte.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

  8. Der Fachverband ist für die Veröffentlichung der Verkaufspreise, an die die Buchhändler nach § 3 Abs. 1 BPrBG beim Verkauf deutschsprachiger Bücher in Österreich gebunden sind, und für die Überwachung, dass die Einzelhändler in der Werbung für diese Bücher den Letztverkaufspreis einhalten, zuständig.
  9. LIBRO betreibt 219 Filialen in Österreich. 80 % der von ihr vertriebenen Bücher stammen aus dem Ausland.10
  10. Ab August 2006 begann LIBRO, auf der Grundlage der in Deutschland praktizierten Preise im Inland den Verkauf von in Deutschland verlegten Büchern zu Preisen zu bewerben, die unter den für Österreich festgesetzten Mindestpreisen liegen.11
  11. Der Fachverband beantragte beim Erstgericht eine einstweilige Verfügung, mit der LIBRO aufgetragen werden sollte, eine solche Werbung zu unterlassen. Das Erstgericht gab diesem Antrag statt, da es der Auffassung war, dass das österreichische System der Preisbindung, selbst wenn es eine gegen Art. 28 EG verstoßende Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle, "aus kulturellen Gründen und zur Erhaltung der Medienvielfalt gerechtfertigt" sei. Diese Entscheidung wurde durch eine Entscheidung des Rekursgerichts bestätigt.12
  12. LIBRO wandte sich hiergegen mit Revisionsrekurs. In seiner Vorlageentscheidung stellt der Oberste Gerichtshof fest, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Preisregelungen, insbesondere in den Urteilen vom 10. Januar 1985, Association des Centres distributeurs Leclerc und Thouars Distribution (229/83, Slg. 1985, 1), und vom 3. Oktober 2000, Échirolles Distribution (C–9/99, Slg. 2000, I-8207), die Frage noch nicht beantwortet habe, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen das Gemeinschaftsrecht einem nationalen Preisbindungssystem wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehe. Außerdem führt er aus, dass das österreichische Schrifttum hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit dieses Systems mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts unterschiedlicher Auffassung sei.13
  13. Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1. Ist Art. 28 EG dahin auszulegen, dass er an sich der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegensteht, die lediglich Importeure von deutschsprachigen Büchern verpflichten, für die in das Inland eingeführten Bücher einen Letztverkäufer bindenden Verkaufspreis festzusetzen und bekannt zu machen, wobei der Importeur den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis oder den von einem Verleger mit Sitz außerhalb eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) für das Inland empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten darf, aber eine Ausnahme für den Fall besteht, dass der Importeur, der in einem Vertragsstaat des EWR zu einem von den üblichen Einkaufspreisen abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Preis — im Fall von Reimporten den vom inländischen Verleger festgesetzten
    Preis — im Verhältnis zum erzielten Handelsvorteil unterschreiten darf?

    2. Bei Bejahung der ersten Frage:
    Ist die an sich Art. 28 EG — allenfalls auch aufgrund einer in die Warenverkehrsfreiheit eingreifenden Verkaufsmodalität — widersprechende nationale gesetzliche Buchpreisbindung nach Frage 1, deren Zweck ganz allgemein mit einer gebotenen Bedachtnahme "auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels" umschrieben ist, nach Art. 30 EG oder Art. 151 EG etwa vor dem Hintergrund eines Allgemeininteresses an der Förderung der Buchproduktion, einer Titelvielfalt zu geregelten Preisen und einer Vielfalt an Einzelhändlern — trotz des Mangels an empirischen Daten, die belegen könnten, dass sich das Mittel einer gesetzlichen Buchpreisbindung eigne, die damit angestrebten Ziele zu erreichen — gerechtfertigt?

    Bei Verneinung der ersten Frage:
    Ist die nationale gesetzliche Buchpreisbindung nach Frage 1 mit den Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG, Art. 10 EG und Art. 81 EG vereinbar, obgleich sie zeitlich und sachlich nahtlos an die vorangegangene vertragliche Bindung der Einzelhändler an die von Verlegern festgesetzten Preise für Verlagserzeugnisse (Sammelreverssystem 1993) anschloss und dieses vertragliche System ersetzte?

    Zu den Vorlagefragen

  14. Da der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens die Einfuhr von Büchern aus einem anderen Mitgliedstaat durch LIBRO betrifft, haben sich die Antworten des Gerichtshofs auf die Frage zu konzentrieren, ob die Bestimmungen des EG-Vertrags über den innergemeinschaftlichen Handel denen des BPrBG über die Einfuhr deutschsprachiger Bücher aus einem anderen Mitgliedstaat entgegenstehen.

    Zur ersten Frage

  15. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 28 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Preisregelung für eingeführte Bücher wie der in § 3 Abs. 2, 3 und 5 BPrBG enthaltenen entgegensteht.
  16. Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 28 EG anzusehen ist (vgl. insbesondere Urteil vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5).
  17. Hingegen ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, eine solche Behinderung zu begründen, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nämlich nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut (vgl. Urteile vom 24. November 1993, Keck und Mithouard, C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097, Randnrn. 16 und 17, und vom 10. Februar 2009,
    Kommission/Italien, C-110/05, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 36).
  18. Nach Auffassung des Fachverbands und der österreichischen, der deutschen sowie der französischen Regierung errichtet die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eine auf inländische und eingeführte Bücher unterschiedslos anwendbare Verkaufsmodalität, die für Letztere keine ungünstigere Behandlung vorsehe, da sie die Verpflichtung zur Festsetzung eines Letztverkaufspreises für alle deutschsprachigen Bücher unabhängig von deren Herkunft festlege.
  19. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Die Vorlagefrage bezieht sich nämlich nicht auf § 3 Abs. 1 BPrBG, der die Verpflichtung der Verleger und Importeure regelt, einen Letztverkaufspreis für die inländischen und die eingeführten Bücher festzulegen, sondern auf die Abs. 2 und 3 dieses Paragrafen, die allein für eingeführte Bücher gelten.
  20. Soweit sich eine nationale Buchpreisregelung wie die in § 3 BPrBG nicht auf die Merkmale dieser Erzeugnisse bezieht, sondern nur die Modalitäten betrifft, unter denen sie verkauft werden dürfen, ist sie als Regelung über Verkaufsmodalitäten im Sinne des Urteils Keck und Mithouard anzusehen. Wie sich aus diesem Urteil ergibt, fällt eine solche Verkaufsmodalität nur dann nicht unter das in Art. 28 EG vorgesehene Verbot, wenn sie die in Randnr. 17 des vorliegenden Urteils aufgeführten Voraussetzungen erfüllt.
  21. Insoweit ist festzustellen, dass § 3 Abs. 2, wie die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde hervorgehoben haben, mit dem Verbot für österreichische Importeure deutschsprachiger Bücher, den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer zu unterschreiten, eine ungünstigere Behandlung für eingeführte Bücher vorsieht, da er österreichische Importeure und ausländische Verleger daran hindert, Mindestpreise für den Einzelhandel anhand der Merkmale des Einfuhrmarktes festzulegen, wohingegen es österreichischen Verlegern freisteht, für ihre Erzeugnisse Mindestpreise für den Letztverkauf auf dem inländischen Markt in dieser Weise selbst festzulegen.
  22. Daher ist eine solche Vorschrift als eine gegen Art. 28 EG verstoßende Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung anzusehen, weil sie für eingeführte Bücher eine unterschiedliche Regelung trifft, die bewirkt, dass Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Association des Centres distributeurs Leclerc und Thouars Distribution, Randnr. 23).
  23. Die deutsche Regierung hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sämtliche Erwägungen zu beschränkenden Wirkungen der österreichischen Regelung jeder Grundlage entbehrten, weil in Wirklichkeit die Einfuhr von Büchern aus Deutschland nach Österreich den österreichischen Markt ganz überwiegend abdecke und der österreichische Markt für deutschsprachige Bücher gegenüber dem deutschen Markt nicht als eigenständig betrachtet werden könne. Tatsächlich bestehe ein einheitlicher Markt, in dem es keinen Wettbewerb zwischen den in diesen beiden Mitgliedstaaten verkauften unterschiedlichen Ausgaben desselben Buches gebe, da der Preisunterschied im Einzelhandel äußerst gering sei.
  24. Diese im Übrigen nicht bestrittenen Angaben können nicht berücksichtigt werden. Denn selbst wenn unterstellt würde, dass die Verlage deutschsprachiger Bücher, insbesondere die mit Sitz in Deutschland, nicht benachteiligt werden durch die österreichische Preisregelung für eingeführte Bücher, die ihnen erlaubt, sowohl die auf dem österreichischen Markt praktizierten Preise zu kontrollieren als auch sich zu vergewissern, dass diese Preise nicht niedriger als diejenigen im Verlagsstaat sind, ließe sich trotz der genannten Erwägungen nicht ausschließen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Beschränkung der Konkurrenzfähigkeit österreichischer Importeure bewirkt, die im Gegensatz zu österreichischen Verlegern, die ihre unmittelbaren Konkurrenten sind, auf ihrem Markt nicht frei tätig werden können.
  25. Der Fachverband und die österreichische Regierung unterstreichen darüber hinaus, dass die Freiheit, den Letztverkaufspreis festzusetzen, jedenfalls dadurch gewährleistet werde, dass der Importeur gemäß § 3 Abs. 3 BPrBG den vom ausländischen Verleger praktizierten Preis unterschreiten könne, wenn eine solche Ermäßigung dem vom Importeur erzielten Handelsvorteil entspreche und der Letztverkäufer gemäß § 5 BPrBG einen Rabatt von 5 v. H. auf den nach § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes festgesetzten Preis gewähren könne.
  26. LIBRO hebt demgegenüber hervor, dass es für die Importeure unmöglich sei, den beim Einkauf erzielten Vorteil und damit den Rabatt nach § 3 Abs. 3 BPrBG zu berechnen, da die Preise der Bücher vor deren Vermarktung nicht zu erfahren seien, weil, wie die Generalanwältin ausgeführt hat, die Preise, zu denen Groß- oder Einzelhändler die Bücher von deutschen Verlegern einkauften, regelmäßig Geschäftsgeheimnisse seien.
  27. Hierzu ist festzustellen, dass die Möglichkeit von Rabatten nach dieser Bestimmung nicht, wie dies von der österreichischen Regierung geltend gemacht wird, als eine Form der Kompensation angesehen werden kann, die es dem Importeur erlaubt, alle im Ausfuhrstaat erzielten Vorteile nach einer eigenen Preispolitik bei den Einzelhandelspreisen weiterzugeben. Ein Importeur, der wie LIBRO Bücher in großen Mengen einkauft, kann trotz dieser Rabattbestimmung für die Gesamtheit der eingeführten Bücher nicht frei Preise festsetzen, die niedriger als diejenigen im Verlagsstaat sind. Er kann den Rabatt nämlich nur auf die Bücher anwenden, die er zu einem günstigeren Preis bezogen hat.
  28. Ebenso wenig kann aus der Möglichkeit des Letztverkäufers, nach § 5 Abs. 1 BPrBG den von Verlegern und Importeuren festgesetzten Preis um 5 v. H. zu unterschreiten, die sowohl für den Verkauf von in Österreich verlegten Büchern als auch für den Verkauf von eingeführten Büchern gilt, gefolgert werden, dass das BPrBG allen Unternehmen auf den verschiedenen Handelsstufen die Freiheit einräumt, den Preis nach Österreich eingeführter deutschsprachiger Bücher festzulegen, weil diese Möglichkeit nur den Zeitpunkt des Verkaufs an den Endverbraucher betrifft und § 5 Abs. 2 BPrBG es nicht gestattet, eine solche Unterschreitung zu bewerben. Der bekannt gegebene Preis bleibt also der nach § 3 BPrBG festgesetzte.
  29. Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 28 EG darstellt.

    Zur zweiten Frage

  30. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob bei Bejahung der ersten Frage eine nationale Preisregelung für eingeführte Bücher wie die in § 3 Abs. 2, 3 und 5 BPrBG enthaltene, die nach § 1 dieses Gesetzes "auf eine [Buchp]reisgestaltung ab[zielt], die auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels Bedacht nimmt", nach den Art. 30 EG und 151 EG gerechtfertigt ist.
  31. Die österreichische Regierung führt aus, dass es ohne eine solche Regelung eines gebundenen Mindestpreises für eingeführte deutschsprachige Bücher zu einer Preissenkung bei den an ein breites Publikum gerichteten Büchern käme, die zu einem Verlust der Gewinnspannen führte, die durch den Verkauf dieser Art von Büchern erzielt würden. Ein solcher Verlust hätte zur Folge, dass die Produktion und der Vertrieb von inhaltlich anspruchsvolleren, aber wirtschaftlich unattraktiven Titeln nicht mehr finanziert werden könnten und dass die kleinen Buchhändler, die normalerweise ein großes Sortiment solcher Titel führten, durch die großen Buchhändler, die vor allem kommerzielle Erzeugnisse führten, vom Markt verdrängt würden. Außerdem stelle diese Regelung in einem Markt wie dem österreichischen, der durch eine sehr geringe Konzentration des Buchhandels und durch eine große Einfuhr aus Deutschland gekennzeichnet sei, ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung dieser zwingenden Ziele des
    Allgemeininteresses dar.
  32. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die vom vorlegenden Gericht angeführten Ziele wie der Schutz der Bücher als Kulturgut keinen Rechtfertigungsgrund für einfuhrbeschränkende Maßnahmen im Sinne von Art. 30 EG darstellen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Association des Centres distributeurs Leclerc und Thouars Distribution, Randnr. 30). Der Schutz der kulturellen Vielfalt fällt generell nämlich nicht unter den "[Schutz] des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" im Sinne von Art. 30 EG.
  33. Zudem kann, wie die Generalanwältin ausgeführt hat, Art. 151 EG über die Tätigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kultur nicht als gemeinschaftsrechtlicher Rechtfertigungsgrund für nationale Maßnahmen auf diesem Gebiet, die den innergemeinschaftlichen Handel behindern können, geltend gemacht werden.
  34. Dagegen kann der Schutz von Büchern als Kulturgut als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen werden, das geeignet ist, Maßnahmen zu rechtfertigen, die die Freiheit des Warenverkehrs beschränken, sofern mit ihnen das gesetzte Ziel erreicht werden kann und sie nicht über das hinausgehen, was für die Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
  35. Wie die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde ausgeführt haben, kann das Ziel des Schutzes von Büchern als Kulturgut allerdings durch für den Importeur weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden, beispielsweise dadurch, dass ihm oder dem ausländischen Verleger erlaubt wird, einen Verkaufspreis für den österreichischen Markt festzusetzen, der den Besonderheiten dieses Marktes Rechnung trägt.
  36. Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine nationale Regelung, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, weder durch Art. 30 EG oder Art. 151 EG noch durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.
  37. Angesichts der Antwort auf die ersten beiden Fragen ist die dritte Frage des vorlegenden Gerichts nicht zu beantworten.

    Kosten

  38. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

  1. Eine nationale Regelung, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 28 EG dar.
  2. Eine nationale Regelung, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, kann weder durch Art. 30 EG oder Art. 151 EG noch durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.

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