Bombe, die noch nicht explodiert ist

Zypries fordert europäisches Vorgehen gegen Google Books

Der Wettbewerbsfähigkeitsrat der Europäischen Union hat sich heute in Brüssel mit dem Thema „Google Books“ befasst. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen, um die anderen Mitgliedstaaten für die Auswirkungen von Google Books und des US-amerikanischen „Google Book Settlement“ auf die Rechte europäischer Schriftsteller und Verlage zu sensibilisieren. Ergebnis der Ratsdebatte war eine Bitte der Mitgliedstaaten an die Kommission, sich des Themas anzunehmen.

„Das Vorgehen von Google bei der Digitalisierung von Büchern ist nicht akzeptabel. Es ist mit den Grundsätzen des europäischen Urheberrechts nicht zu vereinbaren. Bei uns in Europa ist die Zustimmung des Urhebers einzuholen, bevor ein Werk digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht wird. Ich halte es für dringend erforderlich, dass der Rat ein klares politisches Signal sendet, um zu verhindern, dass Google die in den USA digitalisierten Werke ohne Einverständnis der Rechtsinhaber in Europa öffentlich zugänglich macht,“ erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Google hat in den USA ohne vorherige Zustimmung der Rechtsinhaber Bücher aus US-amerikanischen Bibliotheken eingescannt. Die digitalen Kopien nutzt Google für den Aufbau einer Datenbank, der sogenannten „Google Buchsuche“. Mit Hilfe dieser Datenbank werden einem Internetnutzer eine Ansicht der Titelseite und in den meisten Fällen auch kurze Ausschnitte aus den Büchern angezeigt, sogenannte „snippets“. Unter den gescannten Büchern befindet sich auch eine Vielzahl von Büchern europäischer Rechtsinhaber.

Eines der Hauptprobleme in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass das Urheberrecht unter anderem den Autoren helfen soll, finanzielle Vorteile aus ihren Werken zu ziehen. Bei Google werden in erster Linie wissenschaftliche Werke eingesehen. Romane werden selten ausschnittsweise gelesen und andere — eher austauschbare — Inhalte wie sie in Ratgebern, Kochbücher etc. zu finden sind, gibt es auf zahllosen Websites wie Sand am Meer. Da lohnt sich die Suche in Google-Books nicht. In Romane wird allenfalls hineingelesen — aber wenn das Buch den Leser interessiert, muss er es doch kaufen, es sei denn, er will nicht den Fortgang der Geschichte kennen. Bei den wissenschaftlichen Werken sind die meisten Autoren zwar ebenso wie die anderen Autoren an einer finanziellen Leistung für ihr Werk interessiert. Diese fällt aber in aller Regel — Urheberrecht hin, Urheberrecht her — zumeist sehr bescheiden aus. Die meisten wissenschaftlichen Autoren sind froh, wenn sie keinen Druckkostenzuschuss bezahlen müssen, damit ihr Werk überhaupt veröffentlicht wird. Für diese Autoren hat Google-Books eher Vorteile, denn so können ihre Texte wenigstens gelesen werden. Die Alternative ist das Untertauchen der Bücher in einigen Bibliotheken.

Amerikanische Autoren- und Verlegerverbände haben wegen der Verletzung von Urheberrechten gegen Google in den USA geklagt. Bei dieser Klage handelt es sich um eine Sammelklage — die sogenannte „class action“ –, die das deutsche Recht nicht kennt. Die Entscheidung bei einer „class action“ wirkt nicht nur für die Parteien des Rechtsstreits, sondern für alle Mitglieder einer „class“, also für alle Autoren und Verlage, die von Googles Vorgehen betroffen sind. Der Rechtsstreit soll durch einen Vergleich – der allerdings noch am 7. Oktober 2009 vom Gericht abschließend gebilligt werden muss – beigelegt werden. Der angestrebte Vergleich würde auch europäische Autoren und Verlage betreffen.

Den Wirkungen des Vergleichs können sich die Urheber und Verlage nur dadurch entziehen, dass sie bis zum 4. September 2009 ihren Austritt aus dem Vergleich erklären. Damit behalten sie auch das Recht, selbst Klage gegen Google zu erheben. Unabhängig vom Austritt können sie bis zum 4. September 2009 Einwände gegen den Inhalt des Vergleichs vorbringen und Änderungen beantragen.

„Die Diskussion über Google Books muss in einer der nächsten Ratssitzungen fortgeführt werden. Wir haben die EU-Kommission gebeten, sich zwischenzeitlich des Themas anzunehmen. Sie sollte das Projekt „Google Books“ und die Auswirkungen des in den USA geschlossenen Vergleichs überprüfen, sowohl unter urheberrechtlichen als auch unter kulturpolitischen und kartellrechtlichen Aspekten. Brüssel muss gegebenenfalls weitere Maßnahmen zum Schutz der Rechtsinhaber einleiten. Googles Vorgehen ist nämlich nicht nur urheberrechtlich bedenklich, sondern kann sich auch auf die Medienkonzentration und die kulturelle Vielfalt in Europa auswirken“, betonte Zypries.

Googles Vorgehen ist in der Tat — trotz einiger Vorteile — problematisch. Jedoch ist der Rückschritt zur Literaturverknappung auch nicht die richtige Lösung, weil davon weder die Leser noch die Autoren profitieren.

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