Archiv der Kategorie: Steuerrecht

Post – MwSt: Verfahren gegen Deutschland verschärft

Im Streit um MwSt-Befreiungen für Postdienste hat die EU-Kommission die
letzte Phase des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland eingeleitet. Zu diesem Zwecke verschickte sie eine so genannte mit Gründen versehene Stellungnahme an die Bundesrepublik. Auch gegen Schweden und Großbritannien wurden die Verfahren verschärft. Das Vereinigte Königreich und Deutschland befreien alle oder die meisten von den ehemaligen Postmonopolen angebotenen Postdienstleistungen von der Mehrwertsteuer. Schweden befreit Postdienste nicht von der Mehrwertsteuer. Werden die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften nicht entsprechend geändert, kann die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

„Als Hüterin der Verträge muss die Europäische Kommission sicherstellen, dass die EU-Rechtsvorschriften in der gesamten Gemeinschaft in einheitlicher Weise angewendet werden“, erläuterte László Kovács, EU-Kommissar für Steuern und Zölle. „Die MwSt-Befreiung für Postdienste ist noch in den EU-Rechtsvorschriften verankert und sollte so angewendet werden, dass Wettbewerbsverzerrungen zwischen ehemaligen Monopolen und neuen Marktteilnehmern möglichst vermieden werden, so dass sämtliche Wirtschaftsbeteiligten in ganz Europa Postdienste anbieten können“.

Mit diesem Vorgehen reagiert die EU-Kommission auf eine Reihe ihr vorliegender Beschwerden. Möglicherweise ist es die von mehreren Mitgliedstaaten angewandte Mehrwertsteuerbefreiung, die einen wirksamen Wettbewerb im Postsektor am stärksten behindert. Bei der Umsetzung der MwSt-Richtlinie[1] haben diese Mitgliedstaaten alle oder die meisten von den ehemaligen Postmonopolen erbrachten Postdienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit. Dies geschah mit der Begründung, dass diesen Anbietern besondere Verpflichtungen im Hinblick auf die Bereitstellung der universalen Postdienste übertragen wurden. Andere Postanbieter müssen für ihre Dienste die MwSt erheben. Paradoxerweise sind es gerade diejenigen Anbieter (ehemalige Monopole), welche von dem Steuervorteil auf ihrem nationalen Markt profitieren und nun ihr Angebot europaweit ausbauen wollen, die sich über die ungleiche steuerliche Behandlung auf diesen neuen Märkten beschweren.

Die EU-Kommission argumentiert, dass im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit auf den Postmärkten unterschiedliche Steuerauflagen zu Wettbewerbsverzerrungen führen müssen und nur bei der strikten Bereitstellung der universalen Postdienste gerechtfertigt sind. Wenn ehemalige Monopole aus kommerziellen Gründen – insbesondere zur Abschreckung anderer Anbieter – einigen Großkunden Konditionen anbieten, die nicht für die breite Öffentlichkeit gelten, so sollten diese Dienste genauso besteuert werden wie die ihrer Konkurrenten.

Während eine gemeinsame Auslegung der geltenden Vorschriften erforderlich ist, hält es die Kommission immer noch für notwendig, die aus den 70er Jahren stammenden Mehrwertsteuervorschriften zu modernisieren, um mit der Entwicklung des Europäischen Postmarktes im neuen Jahrhundert Schritt zu halten.

EuGH erklärt Steuerregelung zur Gewinnverschiebung für rechtswidrig

Im Urteil vom 12. September 2006 hat der EuGH eine britische Regelung für rechtswidrig erklärt, die sich gegen konzerninterne Gewinnverschiebungen aus Steuergründen richtet. Nach der britischen Regelung wird der Gewinn beherrschter ausländischer Gesellschaften, die mit dem Ziel gegründet wurden, in den Genuss einer günstigen Steuerregelung im Ausland zu kommen, der Muttergesellschaft zugerechnet.

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-196/04 — Cadbury Schweppes plc & Cadbury Schweppes Overseas Ltd / Commissioners of Inland Revenue:

Die Britischen Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften können nur auf rein künstliche steuerliche Gestaltungen Anwendung finden. Bei der Prüfung, ob eine beherrschte ausländische Gesellschaft einer wirklichen Tätigkeit nachgeht, müssen die nationalen Behörden objektive und von dritter Seite nachprüfbare Anhaltspunkte und nicht nur subjektive Überlegungen berücksichtigen.

Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs werden die Gewinne einer ausländischen Gesellschaft, deren Kapital zu mehr als 50 % von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft gehalten wird und die als beherrschte ausländische Gesellschaft (kurz: BAG) bezeichnet wird, der inländischen Gesellschaft zugerechnet und bei dieser besteuert, wenn der ausländische Steuersatz weniger als drei Viertel des im Vereinigten Königreich geltenden Steuersatzes beträgt. Die von der BAG entrichtete Steuer wird bei der inländischen Gesellschaft angerechnet. Dieses System bewirkt, dass die inländische Gesellschaft den Unterschiedsbetrag zwischen der im Ausland entrichteten Steuer und der Steuer zu zahlen hat, die angefallen wäre, wenn die BAG im Vereinigten Königreich ansässig gewesen wäre.

Von der Anwendung dieser Rechtsvorschriften gibt es eine Reihe von Ausnahmen, u. a. dann, wenn die BAG 90 % ihrer Gewinne an die inländische Gesellschaft ausschüttet oder wenn der „Motivtest“ bestanden wird. Um in den Genuss der letztgenannten Ausnahme zu kommen, muss eine Gesellschaft nachweisen, dass es weder Hauptziel der Umsätze, die zu den Gewinnen der BAG geführt haben, noch hauptsächlicher Existenzgrund der BAG war, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch einen Abfluss von Gewinnen herbeizuführen.

Hintergrund der Entscheidung

Die Cadbury Schweppes plc ist die Muttergesellschaft des Cadbury-Schweppes-Konzerns, dessen Geschäftsbereich im Getränke- und Süßwarensektor angesiedelt ist. Zum Konzern gehören u. a. zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury Schweppes Treasury Services (kurz: CSTS) und die Cadbury Schweppes Treasury International (kurz: CSTI), die beide im International Financial Services Centre (kurz: IFSC) in Dublin, Irland, niedergelassen sind, wo der Steuersatz im Jahr 1996 10 % betrug. Die Aufgabe dieser beiden Gesellschaften besteht darin, Geldmittel zu beschaffen und sie dem Konzern zur Verfügung zu stellen. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts wurden beide nur deshalb in Dublin errichtet, um unter die günstige Steuerregelung des IFSC und nicht unter bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs zu fallen.

Im Jahr 2000 verlangten die Commissioners of Inland Revenue (britische Steuerbehörde) in der Ansicht, dass die Rechtsvorschriften über BAG auf die beiden irischen Gesellschaften anwendbar seien, von der Cadbury Schweppes einen Körperschaftsteuerbetrag von 8 638 633,54 Pfund Sterling für die von der CSTI 1996 erzielten Gewinne.

Dagegen erhob die Cadbury Schweppes Klage bei den Special Commissioners of Income Tax, mit der sie geltend machte, dass die Rechtsvorschriften über BAG insbesondere im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Die Special Commissioners möchten vom Gerichtshof wissen, ob das Gemeinschaftsrecht Rechtsvorschriften wie denen über BAG entgegensteht.

Die Methode

Bei diesen Gesellschaften handelt es sich oft um Konstrukte, deren zentrales Anliegen die Verschiebung von Gewinnen ist.

Von der im Ausland angesiedelten Gesellschaft wird an die in einem Hochsteuerland liegende Mutter- bzw. Konzerngesellschaft Kapital gegen Zinszahlungen gestellt. Die Muttergesellschaft verbucht die Zinszahlungen als Verluste und verringert so den Gewinn. Zugleich werden die Zinsen bei der ausländischen Tochter als Gewinne mit dem im Ausland geltenden niedrigeren Steuersatz besteuert. Das gleiche Modell funktioniert bspw. auch mit konzerninternen Versicherungsgesellschaften oder Tochtergesellschaften, die Inhaber von Marken oder Patenten sind, die gegen Lizenzzahlungen der Mutter zur Nutzung überlassen werden.

Die Gewinne der Tochter können im Rahmen der Bestimmungen der Mutter-Tochter-Richtinie steuerfrei an die Muttergesellschaft ausgeschüttet werden. Werden so beispielsweise zehn Millionen Euro als Zinsen (Lizenzgebühren, Versicherungsprämien etc.) von einer Gesellschaft in einem Staat mit einem Steuersatz von 30 % an eine Tochtergesellschaft in einem Staat mit einem Steuersatz von 10 % gezahlt, verringert sich der Gewinn im Stat der Muttergesellschaft um zehn Millionen Euro und zugleich erhöht sich der Gewinn im Staat der Tochtergesellschaft um 10 Millionen Euro. Im Staat der Muttergesellschaft wären drei Millionen Euro Steuern zu zahlen, im Staat der Tochtergesellschaft fällt nur eine Millionen Euro an. Die Konstruktion bringt also zwei Mililionen Euro.

Bereits in der EuGH-Entscheidung Lankhorst-Hohorst (EuGH, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst) wurde ein von der OECD (Thin Capitalization Report, 1987) anerkanntes und in zahlreichen Staaten angewandtes Prinzip zur Vermeidung der Verschiebung von Gewinnen in ein Niedrig-Steuerland als gemeinschaftsrechtswidrig verworfen. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch hier die britische Regelung für gemeinschaftswidrig erklärt wurde.

Entscheidung

Der Gerichtshof erinnert daran, dass es Gesellschaften oder Personen verwehrt ist, sich missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften zu berufen. Der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, reicht für sich allein jedoch nicht aus, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit zu schließen. Die Entscheidung der Cadbury Schweppes, die CSTS und die CSTI eingestandenermaßen mit dem Ziel in Dublin anzusiedeln, in den Genuss einer günstigen Steuerregelung zu kommen, stellt daher an sich keinen Missbrauch dar und schließt nicht aus, dass die Cadbury Schweppes sich auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Rechtsvorschriften über BAG die inländischen Gesellschaften je nach dem Besteuerungsniveau für die von ihnen beherrschte Gesellschaft unterschiedlich behandeln. Diese unterschiedliche Behandlung führt zu einem Steuernachteil für die inländische Gesellschaft, auf die die Rechtsvorschriften über BAG anwendbar sind. Die Rechtsvorschriften über BAG beschränken somit die Niederlassungsfreiheit im Sinne des Gemeinschaftsrechts, indem sie für im EU-Ausland angesiedelte Tochtergesellschaften nachteilige Regelungen vorsehen, die für im Inland angesiedelte Gesellschaften nicht gelten.

Zu den möglichen Rechtfertigungen für solche Rechtsvorschriften stellt der Gerichtshof fest, dass eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, gerechtfertigt sein kann, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die allein dazu dienen, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen, und wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

Einige der im britischen Recht vorgesehenen Ausnahmen entlasten eine Gesellschaft in Situationen, in denen es ausgeschlossen erscheint, dass eine rein künstliche Gestaltung allein zu steuerlichen Zwecken vorliegt (z. B. die Ausschüttung von 90 % der Gewinne einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft oder die Entfaltung von Handelstätigkeiten durch die BAG). Zur Anwendung des „Motivtests“ stellt der Gerichtshof fest, dass es für den Schluss auf eine rein künstliche Gestaltung nicht ausreicht, dass das Streben nach Erleichterung der Steuerlast Anlass zur Gründung der BAG und zum Tätigen von Umsätzen zwischen dieser und der inländischen Gesellschaft war. Für die Feststellung des Vorliegens einer solchen Gestaltung ist außer einem subjektiven Element erforderlich, dass aus objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkten, die die inländische Gesellschaft insbesondere zum Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der BAG in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausstattung liefert, hervorgeht, dass die Gründung einer BAG nicht mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt, d. h. mit einer tatsächlichen Ansiedlung, deren Zweck darin besteht, im Aufnahmemitgliedstaat wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Es obliegt den Special Commissioners, zu prüfen, ob der Motivtest so ausgelegt werden kann, dass damit solche objektiven Kriterien berücksichtigt werden. In diesem Fall müssten die Rechtsvorschriften über BAG als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden. Bedeuten dagegen die Kriterien, auf denen dieser Test beruht, dass eine inländische Gesellschaft unter diese Rechtsvorschriften fällt, selbst wenn keine objektiven Anhaltspunkte für eine rein künstliche Gestaltung vorliegen, so wären die Rechtsvorschriften gemeinschaftsrechtswidrig.

Die offene Frage

Der EuGH hält zwar formelhaft weiterhin daran fest, dass die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen dürften, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Sie können sich nicht missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften berufen. Jedoch darf, so der EuGH, einem Gemeinschaftsangehörigen nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren (RdNr. 35 f. des Urteils)

So will der EuGH nationale Maßnahmen als gerechtfertigt ansehen, wenn die Maßnahme sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen. Wann dies aber der Fall sein kann, bleibt völlig im Dunkeln. Die Fälle, in denen eine Gesellschaft künstlich Gewinne aus dem Mitgliedstaat, in dem diese erzielt worden seien, in einen Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau verlagert, fallen jedenfalls nicht darunter. Ein solcher Fall ist bislang kaum vorstellbar.

Nach dem Urteil bestehen durchgreifende Zweifel, ob die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung im deutschen Steuerecht (§§7–14 Außensteuergesetz [AStG]) im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

12. September 2006(*)

„Niederlassungsfreiheit • Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften • Einbeziehung der Gewinne beherrschter ausländischer Gesellschaften in die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft”

In der Rechtssache C-196/04 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von den Special Commissioners of Income Tax, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 29. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2004, in dem Verfahren
Cadbury Schweppes plc und
Cadbury Schweppes Overseas Ltd
gegen
Commissioners of Inland Revenue

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann und A. Rosas sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, G. Arestis und A. Borg Barthet Generalanwalt: P. Léger, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2005, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Cadbury Schweppes plc und der Cadbury Schweppes Overseas Ltd, vertreten durch J. Ghosh, Barrister, und J. Henderson, Adviser,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, sowie von M. Lester und D. Ewart, Barristers,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Fraguas Gadea und M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Mercier als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von R. L. Nesbitt und A. Collins, SC, sowie von P. McGarry, BL,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato,
  • der zyprischen Regierung, vertreten durch A. Pantazi als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. de Menezes Leitão als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse und I. Willfors als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Mai 2006 folgendes

Urteil

  1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG.
  2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich die Cadbury Schweppes plc (im Folgenden: CS) und die Cadbury Schweppes Overseas Ltd (im Folgenden: CSO) zum einen und die Commissioners of Inland Revenue zum anderen wegen der Besteuerung der letztgenannten Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne gegenüberstehen, die 1996 von der Cadbury Schweppes Treasury International (im Folgenden: CSTI), einer im International Financial Services Centre Dublin (Irland) (im Folgenden: IFSC) niedergelassenen Gesellschaft des Cadbury–Schweppes–Konzerns, erzielt wurden.Nationales Recht
  3. Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland unterliegt eine in diesem Mitgliedstaat im Sinne des genannten Rechts ansässige Gesellschaft (im Folgenden: ansässige Gesellschaft) dort mit ihren Welteinkünften der Körperschaftsteuer (Corporation Tax). Diese Welteinkünfte umfassen die Gewinne, die von den Zweigniederlassungen oder Agenturen erzielt werden, über die die ansässige Gesellschaft ihre Aktivitäten außerhalb des Vereinigten Königreichs abwickelt.
  4. Im Gegensatz hierzu werden bei der ansässigen Gesellschaft grundsätzlich nicht die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften im Zeitpunkt der Erzielung dieser Gewinne besteuert. Auch werden bei ihr nicht die von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich ausgeschütteten Dividenden besteuert. Dagegen sind die an die ansässige Gesellschaft von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland ausgeschütteten Dividenden von der ansässigen Gesellschaft zu versteuern. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bestimmt das Steuerrecht des Vereinigten Königreichs allerdings, dass der ansässigen Gesellschaft eine Steuergutschrift in Höhe der Steuer gewährt wird, die von der ausländischen Tochtergesellschaft anlässlich der Erzielung der Gewinne entrichtet wird.
  5. Die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs über beherrschte ausländische Gesellschaften sehen eine Ausnahme von der allgemeinen Regel vor, nach der bei der ansässigen Gesellschaft nicht die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften anlässlich der Erzielung dieser Gewinne besteuert werden.
  6. Diese Rechtsvorschriften finden sich in den Sections 747 bis 756 und in den Anhängen 24 bis 26 des Gesetzes von 1988 über die Einkommen- und Körperschaftsteuer (Income and Corporation Taxes Act 1988) und sehen vor, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft — nach der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung der genannten Vorschriften (im Folgenden: Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften) ist dies eine ausländische Gesellschaft, deren Kapital zu mehr als 50 % von der ansässigen Gesellschaft gehalten wird — dieser ansässigen Gesellschaft zugerechnet und bei dieser besteuert werden, wobei die von der beherrschten ausländischen Gesellschaft in deren Ansässigkeitsstaat entrichtete Steuer angerechnet wird. Werden diese Gewinne dann in Form von Dividenden an die ansässige Gesellschaft ausgeschüttet, so gilt die von dieser im Vereinigten
    Königreich auf die Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaft entrichtete Steuer als zusätzliche, von der beherrschten ausländischen Gesellschaft im Ausland entrichtete Steuer und berechtigt zu einer Steuergutschrift, die auf die von der ansässigen Gesellschaft für diese Dividenden geschuldete Steuer anzurechnen ist.
  7. Die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sind dann anzuwenden, wenn die beherrschte ausländische Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat einem „niedrigeren Besteuerungsniveau” unterliegt, was nach diesen Vorschriften der Fall ist, wenn sich die von dieser Gesellschaft entrichtete Steuer in dem betreffenden Geschäftsjahr auf weniger als drei Viertel der Steuer beläuft, die im Vereinigten Königreich für die zu versteuernden Gewinne, wie diese zum Zweck einer Veranlagung in diesem Mitgliedstaat ermittelt worden wären, gezahlt worden wäre.
  8. Die Besteuerung, die sich aus der Anwendung der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, ist mit einer Reihe von Ausnahmen verbunden. Nach der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung dieser Vorschriften findet die Besteuerung in den folgenden Fälle nicht statt:
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft praktiziert eine „akzeptable Ausschüttungspolitik”; das bedeutet, dass ein bestimmter Prozentsatz (90 % im Jahr 1996) ihrer Gewinne binnen 18 Monaten nach ihrer Erzielung ausgeschüttet und bei einer ansässigen Gesellschaft besteuert wird.
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft geht im Sinne der genannten Rechtsvorschriften „steuerbefreiten Tätigkeiten” nach; hierunter fallen z. B. bestimmte Handelsaktivitäten, die von einer Niederlassung aus betrieben werden.
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft erfüllt die „Voraussetzung der Börsennotierung”; das bedeutet, dass sich 35 % der Stimmrechte im freien Verkehr befinden, die Tochtergesellschaft an einer anerkannten Börse notiert ist und ihre Anteile dort gehandelt werden.
    • Die zu versteuernden Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaft übersteigen nicht 50 000 GBP (De–minimis–Ausnahme).
  9. Die Besteuerung nach den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ist auch dann ausgeschlossen, wenn der so genannte „Motivtest” bestanden wird. Dieser umfasst zwei kumulative Anforderungen.
  10. Zum einen muss, wenn die Umsätze, die zu den Gewinnen der beherrschten ausländischen Gesellschaft im fraglichen Geschäftsjahr geführt haben, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich im Vergleich zu den Steuern nach sich gezogen haben, die ohne die genannten Umsätze angefallen wären, und wenn diese Minderung eine gewisse Schwelle überschreitet, die ansässige Gesellschaft beweisen, dass die Steuerminderung nicht das Hauptziel oder eines der Hauptziele dieser Umsätze war.
  11. Zum anderen muss die ansässige Gesellschaft beweisen, dass der Existenzgrund der beherrschten ausländischen Gesellschaft im fraglichen Geschäftsjahr nicht hauptsächlich oder nicht unter anderem hauptsächlich darin lag, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch Abfluss von Gewinnen herbeizuführen. Nach den Rechtsvorschriften liegt ein Abfluss von Gewinnen dann vor, wenn mit guten Gründen angenommen werden kann, dass die Einnahmen einer im Vereinigten Königreich ansässigen Person zugeflossen und bei ihr besteuert worden wären, falls es die beherrschte ausländische Gesellschaft oder eine verbundene, nicht im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft nicht gegeben hätte.
  12. In dem Vorabentscheidungsersuchen wird außerdem angegeben, dass die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs 1996 eine Liste von Staaten veröffentlicht haben, in denen unter bestimmten Bedingungen eine beherrschte ausländische Gesellschaft gegründet werden und ihren Geschäften nachgehen kann und dabei davon auszugehen ist, dass sie die Voraussetzungen dafür erfüllt, nicht unter die Besteuerung nach den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften zu fallen.Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage
  13. Die CS, eine ansässige Gesellschaft, ist die Muttergesellschaft des Cadbury–Schweppes–Konzerns, der sich aus Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, in anderen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten zusammensetzt. Zu diesem Konzern gehören insbesondere zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury Schweppes Treasury Services (im Folgenden: CSTS) und die CSTI, deren Kapital die CS mittelbar über eine Reihe von Tochtergesellschaften und letztlich über die CSO hält.
  14. Für die im IFSC niedergelassenen CSTS und CSTI galt zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ein Steuersatz von 10 %.
  15. Die CSTS und die CSTI beschaffen Geldmittel und stellen diese den Tochtergesellschaften des Cadbury–Schweppes–Konzerns zur Verfügung.
  16. Der Vorlageentscheidung zufolge ersetzte die CSTS eine ähnliche Struktur, zu der eine Gesellschaft mit Sitz auf Jersey gehörte. Sie sei in Verfolgung von drei Zwecken gegründet worden: Erstens sei es darum gegangen, ein Steuerproblem zu lösen, das sich für kanadische Steuerpflichtige gestellt habe, die Inhaber von Vorzugsaktien der CS gewesen seien, zweitens darum, zu vermeiden, die Zustimmung der Behörden des Vereinigten Königreichs für Auslandsdarlehen einholen zu müssen, und drittens darum, nach der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) die Quellensteuer auf innerhalb des Konzerns ausgeschüttete Dividenden zu verringern. Nach der Vorlageentscheidung hätten diese drei Ziele erreicht werden können, wenn die CSTS gemäß den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs gegründet worden wäre und sich in diesem Mitgliedstaat niedergelassen hätte.
  17. Die CSTI ist eine Tochtergesellschaft der CSTS. Das vorlegende Gericht führt aus, sie sei in Irland gegründet worden, um zu vermeiden, dass bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs über Devisen Anwendung fänden.
  18. Nach der Vorlageentscheidung steht fest, dass die CSTS und die CSTI zu dem alleinigen Zweck in Dublin errichtet wurden, die Gewinne, die mit den Aktivitäten der internen Finanzierung des Cadbury–Schweppes–Konzerns in Zusammenhang stehen, in den Genuss der steuerlichen Regelungen des IFSC kommen zu lassen.
  19. In Anbetracht des auf die im IFSC niedergelassenen Gesellschaften anwendbaren Steuersatzes unterlagen die Gewinne der CSTS und der CSTI einem „niedrigeren Besteuerungsniveau” im Sinne der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften. Was das Geschäftsjahr 1996 anbelangt, so waren die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs der Auffassung, dass keine der Voraussetzungen dafür, von der durch die genannten Vorschriften vorgesehenen Besteuerung abzusehen, in Bezug auf diese Tochtergesellschaften gegeben sei.
  20. Daher verlangten die Commissioners of Inland Revenue aufgrund der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften mit Entscheidung vom 18. August 2000 von der CSO einen Körperschaftsteuerbetrag von 8 638 633,54 GBP für die Gewinne der CSTI im zum 28. Dezember 1996 abgeschlossenen Geschäftsjahr. Der Steuerbescheid betrifft nur die von der CSTI erzielten Gewinne, da die CSTS im gleichen Geschäftsjahr mit Verlust abschloss.
  21. Am 21. August 2000 erhoben die CS und die CSO bei den Special Commissioners of Income Tax, London, Klage gegen diesen Steuerbescheid. Vor diesem Gericht trugen sie vor, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften gegen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG verstießen.
  22. Das vorlegende Gericht legt dar, dass es sich einer Reihe von Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf die bei ihm anhängige Rechtssache gegenübersehe.
  23. Erstens wirft es die Frage auf, ob die CS die vom EG–Vertrag eingeräumten Grundfreiheiten missbraucht habe, indem sie Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu dem alleinigen Zweck gegründet und mit Kapital ausgestattet habe, in den Genuss eines im Vergleich zu dem des Vereinigten Königreichs günstigeren Steuersystems zu gelangen.
  24. Zweitens fragt es sich, ob unter den Umständen des vorliegenden Falles, vorausgesetzt, dass die CS wirklich nur die genannten Freiheiten wahrgenommen hat, die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als eine Beschränkung dieser Freiheiten oder als eine Diskriminierung angesehen werden müssen.
  25. Für den Fall, dass die genannten Rechtsvorschriften als Beschränkung der vom Vertrag gewährleisteten Freiheiten anzusehen sein sollten, fragt sich das vorlegende Gericht drittens, ob eine solche Beschränkung verneint werden kann, wenn die CS nicht mehr Steuern zu zahlen hat, als die CSTS und die CSTI entrichtet hätten, wären sie im Vereinigten Königreich niedergelassen. Das vorlegende Gericht stellt sich außerdem die Frage, ob es von Bedeutung ist, dass sich zum einen die Regeln für die Ermittlung der Steuerschuld in Bezug auf die Einkünfte von CSTS und CSTI in mancher Hinsicht von den normalerweise auf die Tochtergesellschaften der CS im Vereinigten Königreich anwendbaren Regeln unterscheiden und dass zum anderen die Verluste einer beherrschten ausländischen Gesellschaft nicht von den Gewinnen einer anderen solchen Gesellschaft oder den Gewinnen der CS und ihrer Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich abgezogen werden können, während ein solcher Abzug zugelassen worden wäre, wenn die CSTS und die CSTI im Vereinigten Königreich niedergelassen wären.
  26. Für den Fall, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als Diskriminierung angesehen werden, fragt sich das vorlegende Gericht viertens, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens mit der Gründung von Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich durch die CS oder aber mit der Gründung von Tochtergesellschaften durch diese in einem Mitgliedstaat zu vergleichen ist, in dem kein niedrigeres Besteuerungsniveau im Sinne dieser Rechtsvorschriften besteht.
  27. Für den Fall, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als diskriminierend oder als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit erachtet werden, fragt sich das vorlegende Gericht fünftens, ob diese Rechtsvorschriften sich mit Gründen der Bekämpfung der Steuerumgehung rechtfertigen lassen, da sie darauf abzielten, die Verringerung oder den Abfluss von im Vereinigten Königreich der Steuer unterliegenden Gewinnen zu verhindern, und gegebenenfalls, ob diese Rechtsvorschriften in Anbetracht ihres Zweckes und der Befreiung verhältnismäßig sind, in deren Genuss die Gesellschaften kommen können, die anders als die CS im Rahmen des Motivtests den Beweis zu erbringen vermögen, dass sie keine Steuerumgehung beabsichtigen.
  28. Aufgrund all dieser diversen Überlegungen haben die Special Commissioners of Income Tax, London, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Stehen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG nationalen Steuervorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, die unter bestimmten Umständen vorsehen, dass eine im betreffenden Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft wegen der Gewinne einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft, die dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt, steuerlich belastet wird?Zur Vorlagefrage
  29. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG nationalen Steuervorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen, dass eine Muttergesellschaft in Ansehung der Gewinne besteuert wird, die eine beherrschte ausländische Gesellschaft erzielt hat.
  30. Diese Frage ist in dem Sinne zu verstehen, dass sie sich auch auf Artikel 48 EG bezieht, der den in Artikel 43 EG genannten natürlichen Personen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, für die Anwendung der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit gleichstellt.
  31. Nach ständiger Rechtsprechung fallen nationale Vorschriften in den sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. April 2000 in der Rechtssache C–251/98, Baars, Slg. 2000, I–2787, Randnr. 22, und vom 21. November 2002 in der Rechtssache C–436/00, X und Y, Slg. 2002, I–10829, Randnr. 37).
  32. Im vorliegenden Fall betreffen die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften den Fall, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Gewinne von Tochtergesellschaften mit Sitz außerhalb des Vereinigten Königreichs besteuert werden, an denen eine ansässige Gesellschaft eine Beteiligung hält, die ihr die Kontrolle über diese Gesellschaften einräumt. Die Vorschriften sind daher im Hinblick auf die Artikel 43 EG und 48 EG zu prüfen.
  33. Sofern die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und Irland vortragen, beschränkende Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit und auf die Kapitalverkehrsfreiheit haben, sind derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen jedenfalls keine eigenständige Prüfung der genannten Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Artikel 49 EG und 56 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C–36/02, Omega, Slg. 2004, I–9609, Randnr. 27).
  34. Bevor die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften im Hinblick auf die Artikel 43 EG und 48 EG geprüft werden, ist auf die vorab vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage zu antworten, ob es einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu dem alleinigen Zweck gründet und mit Kapital ausstattet, in den Genuss eines dort geltenden günstigeren Steuersystems zu gelangen.
  35. Zwar dürfen die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Sie können sich nicht missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften berufen (Urteile vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 115/78, Knoors, Slg. 1979, 399, Randnr. 25, vom 3. Oktober 1990 in der Rechtssache C–61/89, Bouchoucha, Slg. 1990, I–3551, Randnr. 14, und vom 9. März 1999 in der Rechtssache C–212/97, Centros, Slg. 1999, I–1459, Randnr. 24).
  36. Doch darf einem Gemeinschaftsangehörigen, sei er nun eine natürliche oder eine juristische Person, nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C–364/01, Barbier, Slg. 2003, I–15013, Randnr. 71).
  37. Was die Niederlassungsfreiheit betrifft, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, für sich allein nicht ausreicht, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung dieser Freiheit zu schließen (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 27, und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C–167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I–10155, Randnr. 96).
  38. Der Umstand, dass die CS sich im vorliegenden Fall dafür entschieden hat, die CSTS und die CSTI eingestandenermaßen mit dem Ziel im IFSC anzusiedeln, in den Genuss der günstigen Steuerregelung zu kommen, die eine solche Niederlassung verschafft, begründet demnach, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die belgische Regierung sowie in der Sitzung die zyprische Regierung betont haben, als solcher keinen Missbrauch. Dies schließt daher nicht aus, dass sich die CS auf die Artikel 43 EG und 48 EG berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 18, und Inspire Art, Randnr. 98).
  39. Es ist daher zu prüfen, ob die Artikel 43 EG und 48 EG der Anwendung von Rechtsvorschriften wie denjenigen über die beherrschten ausländischen Gesellschaften entgegenstehen.
  40. Nach ständiger Rechtsprechung fallen zwar die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (Urteile vom 29. April 1999 in der Rechtssache C–311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I–2651, Randnr. 19, vom 7. September 2004 in der Rechtssache C–319/02, Manninen, Slg. 2004, I–7477, Randnr. 19, und vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache C–446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, I–10837, Randnr. 29).c
  41. Mit der Niederlassungsfreiheit, die Artikel 43 EG den Gemeinschaftsangehörigen zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Niederlassung für dessen eigene Angehörige festgelegten umfasst, ist gemäß Artikel 48 EG für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. insbesondere Urteile vom 21. September 1999 in der Rechtssache C–307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I–6161, Randnr. 35, Marks & Spencer, Randnr. 30, und vom 23. Februar 2006 in der Rechtssache C–471/04, Keller Holding, Slg. 2006, I–0000, Randnr. 29).
  42. Auch wenn die Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, so verbieten sie es doch auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C–264/96, ICI, Slg. 1998, I–4695, Randnr. 21, und Marks & Spencer, Randnr. 31).
  43. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften die ansässigen Gesellschaften je nach dem Besteuerungsniveau für die Gesellschaft, an der sie eine die Kontrolle über diese Gesellschaft einräumende Beteiligung halten, unterschiedlich behandeln.
  44. Denn wenn die ansässige Gesellschaft eine beherrschte ausländische Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet hat, in dem diese einem niedrigeren Besteuerungsniveau im Sinne der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften unterliegt, so werden die von einer solchen beherrschten Gesellschaft erzielten Gewinne kraft dieser Rechtsvorschriften der ansässigen Gesellschaft zugerechnet, die in Bezug auf diese Gewinne besteuert wird. Wenn die beherrschte Gesellschaft dagegen im Vereinigten Königreich oder in einem Staat, in dem sie nicht einem niedrigeren Besteuerungsniveau im Sinne der genannten Rechtsvorschriften unterliegt, gegründet worden ist und besteuert wird, so sind diese Rechtsvorschriften nicht anwendbar und wird nach dem Körperschaftsteuerrecht des Vereinigten Königreichs die ansässige Gesellschaft unter derartigen Umständen nicht in Bezug auf die Gewinne der beherrschten Gesellschaft zur Steuer herangezogen.
  45. Diese unterschiedliche Behandlung führt zu einem Steuernachteil für die ansässige Gesellschaft, auf die die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften anwendbar sind. Selbst wenn man nämlich, wie es die Regierungen des Vereinigten Königreichs sowie die dänische, die deutsche, die französische, die portugiesische, die finnische und die schwedische Regierung vorschlagen, den etwaigen, vom vorlegenden Gericht angeführten Umstand berücksichtigt, dass eine solche ansässige Gesellschaft für die Gewinne einer in den Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften fallenden beherrschten ausländischen Gesellschaft keine höheren Steuern entrichtet, als für diese Gewinne angefallen wären, wenn sie von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich erzielt worden wären, so ändert dies nichts daran, dass bei Anwendung derartiger Rechtsvorschriften die ansässige Gesellschaft für Gewinne einer anderen juristischen Person zur Steuer herangezogen wird. Dies geschieht jedoch nicht bei einer ansässigen Gesellschaft, die eine im Vereinigten Königreich besteuerte Tochtergesellschaft hat oder deren Tochtergesellschaft mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats keinem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt.
  46. Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sowie Irland und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften geltend machen, sind die unterschiedliche steuerliche Behandlung, die sich aus den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, und der daraus resultierende Nachteil für ansässige Gesellschaften mit einer in einem anderen Mitgliedstaat einem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegenden Tochtergesellschaft dazu geeignet, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch solche Gesellschaften zu behindern, indem diese davon abgebracht werden, eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat zu gründen, zu erwerben oder zu behalten, in dem diese einem solchen Besteuerungsniveau unterliegen würde. Hierin besteht somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Artikel 43 EG und 48 EG.
  47. Eine solche Beschränkung ist nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber außerdem die Beschränkung geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (Urteile vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C–250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I–2471, Randnr. 26, vom 11. März 2004 in der Rechtssache C–9/02, De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I–2409, Randnr. 49, sowie Marks & Spencer, Randnr. 35).
  48. Die Regierung des Vereinigten Königreichs, unterstützt von der dänischen, der deutschen, der französischen, der portugiesischen, der finnischen und der schwedischen Regierung, trägt vor, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften den Kampf gegen eine besondere Form der Steuerumgehung bezweckten, die darin bestehe, dass eine ansässige Gesellschaft künstlich Gewinne aus dem Mitgliedstaat, in dem diese erzielt worden seien, dadurch in einen Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau verlagere, dass sie dort eine Tochtergesellschaft gründe und dass sie Rechtsgeschäfte tätige, die hauptsächlich dazu bestimmt seien, eine solche Verlagerung zugunsten dieser Tochtergesellschaft herbeizuführen.
  49. Insoweit geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass ein Vorteil, der aus der relativ geringen steuerlichen Belastung einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Muttergesellschaft gegründet worden ist, resultiert, als solcher dem letztgenannten Mitgliedstaat nicht das Recht gibt, diesen Vorteil durch eine weniger günstige steuerliche Behandlung der Muttergesellschaft auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 21; vgl. auch analog Urteile vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C–294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I–7447, Randnr. 44, und vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C–422/01, Skandia und Ramstedt, Slg. 2003, I–6817, Randnr. 52). Die Notwendigkeit, einen Steuerausfall zu vermeiden, gehört weder zu den in Artikel 46 Absatz 1 EG genannten Gründen noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C–136/00, Danner, Slg. 2002, I–8147, Randnr. 56, und Skandia und Ramstedt, Randnr. 53).
  50. Auch ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Umstand allein, dass eine ansässige Gesellschaft eine Zweitniederlassung, wie etwa eine Tochtergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat gründet, nicht die allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen und keine die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigende Maßnahme rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI, Randnr. 26, vom 26. September 2000 in der Rechtssache C–478/98, Kommission/Belgien, Slg. 2000, I–7587, Randnr. 45, X und Y, Randnr. 62, und vom 4. März 2004 in der Rechtssache C–334/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I–2229, Randnr. 27).
  51. Eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI, Randnr. 26, vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C–324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I–11779, Randnr. 37, De Lasteyrie du Saillant, Randnr. 50, und Marks & Spencer, Randnr. 57).
  52. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen ist insbesondere das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Niederlassungsfreiheit verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 25, und X und Y, Randnr. 42).
  53. Dieses Ziel besteht darin, es den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweitniederlassung zu gründen, um dort ihren Tätigkeiten nachzugehen, und so die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Durchdringung auf dem Gebiet der selbständigen Erwerbstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern (vgl. Urteil vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Randnr. 21). Zu diesem Zweck will die Niederlassungsfreiheit es den Staatsangehörigen der Gemeinschaft ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C–55/94, Gebhard, Slg. 1995, I–4165, Randnr. 25).
  54. In Anbetracht dieses Zieles der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat impliziert der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit (vgl. Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C–221/89, Factortame u. a., Slg. 1991, I–3905, Randnr. 20, und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C–246/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I–4585, Randnr. 21). Daher setzt sie eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem voraus.
  55. Folglich lässt sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liegt, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird.
  56. Verhaltensweisen von der Art, wie sie in der vorstehenden Randnummer beschrieben worden sind, können wie die in Randnummer 49 des oben zitierten Urteils Marks & Spencer genannten Praktiken, die darin bestehen, Übertragungen von Verlusten innerhalb eines Konzerns auf diejenigen Gesellschaften zu organisieren, die in den Mitgliedstaaten ansässig waren, in denen die höchsten Steuersätze galten und folglich der steuerliche Wert dieser Verluste am höchsten war, das Recht der Mitgliedstaaten in Gefahr bringen, ihre Steuerzuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben, und so die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. Urteil Marks & Spencer, Randnr. 46).
  57. In Anbetracht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob sich die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die sich aus den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, mit Gründen der Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen rechtfertigen lässt und ob sie sich gegebenenfalls im Hinblick auf dieses Ziel als verhältnismäßig erweist.
  58. Die genannten Vorschriften betreffen Situationen, in denen eine ansässige Gesellschaft eine beherrschte ausländische Gesellschaft gegründet hat, die im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung einem Besteuerungsniveau unterliegt, das sich auf weniger als drei Viertel der Steuer beläuft, die im Vereinigten Königreich zu entrichten gewesen wäre, wenn die Gewinne dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft dort besteuert worden wären.
  59. Dadurch, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorsehen, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft, die einem sehr günstigen Steuerrecht unterliegt, in die Steuerbemessungsgrundlage der ansässigen Gesellschaft einfließen, ermöglichen sie es, Praktiken entgegenzuwirken, deren einziges Ziel darin besteht, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird. Wie die französische, die finnische und die schwedische Regierung vorgetragen haben, sind solche Vorschriften daher geeignet, das Ziel zu erreichen, auf das hin sie erlassen worden sind.
  60. Es ist noch zu prüfen, ob die genannten Vorschriften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
  61. Die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sehen mehrere Fälle vor, in denen die Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaften nicht von der ansässigen Gesellschaft zu versteuern sind. Einige dieser Ausnahmen ermöglichen es, die ansässige Gesellschaft in Situationen zu entlasten, in denen es als ausgeschlossen erscheint, dass eine rein künstliche Gestaltung allein zu steuerlichen Zwecken vorliegt. So lässt sich der Ausschüttung praktisch aller Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft an eine ansässige Gesellschaft entnehmen, dass es dieser nicht darum geht, sich der britischen Steuer zu entziehen. Wenn die beherrschte ausländische Gesellschaft Handelsaktivitäten nachgeht, so schließt das seinerseits das Bestehen einer künstlichen Gestaltung ohne jede echte wirtschaftliche Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat aus.
  62. Falls keine dieser Ausnahmen eingreift, kann von der durch die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorgesehenen Besteuerung dann abgesehen werden, wenn die Niederlassung und die Tätigkeiten der beherrschten ausländischen Gesellschaft den Anforderungen des Motivtests genügen. Diese bestehen im Wesentlichen darin, dass die ansässige Gesellschaft beweisen muss, dass zum einen der signifikante Steuerrückgang im Vereinigten Königreich, der sich aus den Umsätzen zwischen dieser Gesellschaft und der beherrschten ausländischen Gesellschaft ergibt, nicht das Hauptziel oder eines der Hauptziele dieser Umsätze war, und dass zum anderen die Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch Abfluss von Gewinnen im Sinne der genannten Rechtsvorschriften weder das Hauptmotiv noch eines der Hauptmotive für die Gründung der beherrschten ausländischen Gesellschaft war.
  63. Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die belgische Regierung und die Kommission vorgetragen haben, kann die Tatsache, dass keine der von den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorgesehenen Ausnahmen hier eingreift und dass das Streben nach Erleichterung der Steuerlast Anlass zur Gründung der beherrschten ausländischen Gesellschaft und zum Tätigen von Umsätzen zwischen dieser und der ansässigen Gesellschaft war, nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass eine rein künstliche Gestaltung vorliegt, die lediglich dazu bestimmt ist, der genannten Steuer zu entgehen.
  64. Denn für die Feststellung des Vorliegens einer solchen Gestaltung ist außer einem subjektiven Element, das in dem Streben nach einem Steuervorteil besteht, erforderlich, dass aus objektiven Anhaltspunkten hervorgeht, dass trotz formaler Beachtung der im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Voraussetzungen der mit der Niederlassungsfreiheit verfolgte Zweck, wie er in den Randnummern 54 und 55 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, nicht erreicht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C–110/99, Emsland-Stärke, Slg. 2000, I–11569, Randnrn. 52 und 53, und vom 21. Februar 2006 in der Rechtssache C––255/02, Halifax u. a., Slg. 2006, I–0000, Randnrn. 74 und 75).
  65. Dementsprechend sind die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften nur dann gemeinschaftsrechtskonform, falls die von ihnen vorgesehene Besteuerung ausgeschlossen ist, wenn die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt.
  66. Diese Gründung muss mit einer tatsächlichen Ansiedlung zusammenhängen, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen, wie aus der in den Randnummern 52 bis 54 des vorliegenden Urteils erwähnten Rechtsprechung hervorgeht.
  67. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission in der Sitzung vorgetragen haben, muss diese Feststellung auf objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten beruhen, die sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der beherrschten ausländischen Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.
  68. Führt die Prüfung solcher Anhaltspunkte zu der Feststellung, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft nur mit einer fiktiven Ansiedlung zusammenhängt, die keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entfaltet, so ist die Gründung dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft als eine rein künstliche Gestaltung anzusehen. Dergleichen könnte insbesondere bei einer Tochtergesellschaft der Fall sein, die eine „Briefkastenfirma” oder eine „Strohfirma” ist (vgl. Urteil vom 2. Mai 2006 in der Rechtssache C–341/04, Eurofood IFSC, Slg. 2006, I–0000, Randnrn. 34 und 35).
  69. Demgegenüber erlaubt, wie der Generalanwalt in Nummer 103 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Umstand, dass die den Gewinnen der beherrschten ausländischen Gesellschaft entsprechenden Tätigkeiten ebenso gut von einer im Hoheitsgebiet desjenigen Mitgliedstaats, in dem die ansässige Gesellschaft angesiedelt ist, niedergelassenen Gesellschaft hätten ausgeführt werden können, nicht den Schluss, dass eine rein künstliche Gestaltung vorliegt.
  70. Der ansässigen Gesellschaft, die hierzu am ehesten in der Lage ist, ist die Gelegenheit zu geben, Beweise für die tatsächliche Ansiedlung der beherrschten ausländischen Gesellschaft und deren tatsächliche Betätigung vorzulegen.
  71. Angesichts der von der ansässigen Gesellschaft vorgelegten Beweise haben die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit, um die erforderlichen Informationen über die tatsächliche Lage der beherrschten ausländischen Gesellschaft zu erhalten, auf die Mechanismen der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen nationalen Steuerverwaltungen zurückzugreifen, wie sie durch die von Irland in seinen schriftlichen Erklärungen erwähnten Rechtsakte geschaffen wurden, nämlich auf die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) und, im vorliegenden Fall, auf das Abkommen vom 2. Juni 1976 zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland einerseits und Irland andererseits zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern auf Einkommen und Kapitalerträge.
  72. Hier obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Motivtest, wie er von den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften festgelegt ist, in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs so ausgelegt werden kann, dass er es ermöglicht, die Anwendung der von diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Besteuerung auf rein künstliche Gestaltungen zu beschränken, oder ob vielmehr die Kriterien, auf denen dieser Test beruht, bedeuten, dass die ansässige Gesellschaft selbst dann, wenn keine objektiven Anhaltspunkte für eine solche Gestaltung vorliegen, unter diese Rechtsvorschriften fällt, sobald nur keine der von ihnen vorgesehenen Ausnahmen eingreift und das Streben nach einer Steuerminderung im Vereinigten Königreich zu den zentralen Gründen der Errichtung der beherrschten ausländischen Gesellschaft zählt.
  73. Im ersten Fall müssten die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als mit den Artikeln 43 EG und 48 EG vereinbar angesehen werden.
  74. Im zweiten Fall wären die genannten Vorschriften hingegen, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Kommission und in der Sitzung die zyprische Regierung vorgetragen haben, als gegen die Artikel 43 EG und 48 EG verstoßend zu betrachten.
  75. Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Artikel 43 EG und 48 EG dahin auszulegen sind, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.Kosten
  76. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Die Artikel 43 EG und 48 EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.

Einnahmen aus „Umweltsteuern“ gesunken

Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, betrugen die Einnahmen aus „umweltbezogenen Steuern“ nach Angaben der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen im Jahr 2005 rund 55 Milliarden Euro. Davon entfielen 40,1 Milliarden Euro auf die Mineralölsteuer, 8,7 Milliarden Euro auf die Kraftfahrzeugsteuer und 6,5 Milliarden Euro auf die Stromsteuer. Gegenüber dem Vorjahr gab es — wie auch im Jahr 2004 — einen leichten Rückgang der Einnahmen um 881 Millionen Euro (-1,6%).

Der Anteil der umweltbezogenen Steuereinnahmen an den gesamten Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte (im Jahr 2005 insgesamt 489,2 Milliarden Euro) hat sich in diesem Zeitraum geringfügig um 0,4 Prozentpunkte auf 11,3% vermindert.

Die Zusammenfassung der drei genannten Steuerarten zu „umweltbezogenen Steuern“ folgt einer auf internationaler Ebene gebräuchlichen Abgrenzung, die alle Steuern zusammenfasst, die den Energieverbrauch, die Emissionen, den Verkehr oder schädliche Stoffausbringungen (Pestizide oder ähnliches) besteuern, unabhängig von den Beweggründen für die Einführung der Steuer oder von der Verwendung der Einnahmen.

Daher umfassen die so abgegrenzten Umweltsteuern zum Beispiel die gesamten Mineralölsteuereinnahmen und nicht nur den Anteil, der sich durch die zum 1.4.1999 in Kraft getretenen Gesetze zur ökologischen Steuerreform (Ökosteuer) ergeben hat. Die Ökosteuer enthält die Einführung der Stromsteuer sowie eine schrittweise Erhöhung der Mineralölsteuersätze in den Jahren 1999 bis 2003. Die Steuersätze liegen derzeit zum Beispiel für unverbleites und schwefelarmes Benzin bei 65,45 Cent je Liter, für schwefelarmen Dieselkraftstoff bei 47,04 Cent.

Die von 2004 auf 2005 gesunkenen Einnahmen sind auf eine deutlich rückläufige Entwicklung bei der Mineralölsteuer (-4,0%) und einen leichten Rückgang bei der Stromsteuer (-2,0%) zurückzuführen, während die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer um 12,1% anstiegen. Bei der Mineralölsteuer wiederum war die Verringerung der besteuerten und damit der im Inland abgesetzten Mengen an Benzin und Dieselkraftstoffen maßgeblich. Im genannten Zeitraum ist beispielsweise die Menge an versteuertem Benzin von 33,1 Millionen Kubikmeter auf 30,7 Millionen Kubikmeter und damit um 7,4% zurückgegangen, die Menge des versteuerten Dieselkraftstoffes verminderte sich um 4,5%. Beim leichten Heizöl gab es im Jahr 2005 nur geringe Änderungen im Vergleich zum Vorjahr; beim Erdgas, der vierten mengenmäßig bedeutsamen Mineralölart, ist die versteuerte Menge dagegen um 4,1% gestiegen.

Entscheidend für den Einnahmeanstieg bei der Kraftfahrzeugsteuer war, dass zum 1.1.2005 Erhöhungen für wenig schadstoffreduzierte Personenkraftwagen wirksam wurden. Zugleich stieg der Bestand an Kraftfahrzeugen insgesamt um knapp 400 000 oder 0,7% auf 54,9 Millionen.

Im Hinblick auf den Verkehr ist darauf hinzuweisen, dass sich in den versteuerten Mengen nicht unbedingt entsprechende Entwicklungen des Kraftstoffverbrauchs im Inland oder der Fahrleistungen widerspiegeln. Insbesondere bei größeren Preisunterschieden zwischen In- und Ausland spielt der Tanktourismus in den grenznahen Gebieten eine nicht unbeträchtliche Rolle. Darüber hinaus ist seit Jahren ein Umstieg auf sparsamere Dieselfahrzeuge festzustellen, so dass nur bedingt Rückschlüsse auf die Fahrleistungen gezogen werden können. In Bezug auf den Absatz von Heizöl sind insbesondere witterungsbedingte Temperaturunterschiede von Jahr zu Jahr sowie die Preisentwicklung zu beachten.

Annäherung von IFRS und GAAP

In Washington einigten sich am 25. Apriln 2004 Spitzenbeamte der EU-Kommission und der US-amerikanischen Securities & Exchange Commission (SEC) im Rahmen des EU-US-Regulierungsdialoges über Finanzmärkte auf einen „Fahrplan“ zur Erzielung der Gleichwertigkeit zwischen den „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) und den US-amerikanischen „Generally Accepted Accounting Principles“ (GAAP).

Der Fahrplan enthält die Schritte, die die SEC ergreifen wird, um es den die IFRS zu Grunde legenden Unternehmen zu ermöglichen, ihre Abschlüsse nicht mehr den US-GAAP anpassen zu müssen. Dies soll frühestens 2007, spätestens aber 2009 möglich sein.

Charlie McCreevy, der die EU-Kommission vertrat und als ihr Mitglied für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständig ist, begrüßte die Vereinbarung als ein deutliches Zeichen für Fortschritte, die er bei seinem ersten Amtsbesuch in Washington seit Antritt seines Amtes im November 2004 erzielt hat.

,,Die heutige Ankündigung ist ein Zeichen dafür, dass beide Seiten an einer Verminderung der regulatorischen Lasten und der damit verbundenen Kosten für die Unternehmen interessiert sind. Ziel meiner Reise war es, einen besseren Regulierungsdialog zwischen der EU und den USA zu fördern. Das, was wir heute erreicht haben, zeigt, dass ein solch konstruktiver Dialog durchaus Fortschritte bewirken kann.”

,,Ich begrüße den konstruktiven Ansatz der SEC in höchstem Maße, diese heiklen Fragen voranzutreiben. Bei der weiteren Annäherung der IFRS und der US-GAAP sowie der Beseitigung der US-GAAP-Abstimmungsanforderungen für ausländische Emittenten der Privatwirtschaft werden wir eng zusammenarbeiten. Dies sind wichtige Schritte auf dem Weg zu hochqualitativen globalen Rechnungslegungsstandards, die die Europäische Union in jeder Hinsicht unterstützt.“

Kommissionsmitglied McCreevy fügte dem noch hinzu: ,,In jeder Hinsicht gibt es natürlich viel zu tun, aber der Zug hat sich nun in Bewegung gesetzt. Die internationalen Normungseinrichtungen auf dem Gebiet der Rechnungslegung, die Ersteller von Abschlüssen sowie die Emittenten, Wirtschaftsprüfer und Regulierungsbehörden müssen nun allesamt ihre Anstrengungen erhöhen, um diese einzigartige Gelegenheit zu ergreifen.

Sie müssen klare Ziele setzen und zu der erforderlichen Konvergenz, Konsistenz und rechtlichen Durchsetzung gelangen. Ich werde alle in Europa an diesem Prozess beteiligten Parteien dazu drängen, ihre Rolle wahrzunehmen“.

,,Um den Schwung dieses wichtigen Projekts zu gewährleisten, werden der Vorsitzende Donaldson und ich selbst nächstes Jahr zusammentreffen, um die Fortschritte zu überprüfen”, so Kommissionsmitglied McCreevy weiter.

Rechnungslegungsstandards: Kommission übernimmt IAS 39

Die Europäische Kommission hat eine Verordnung beschlossen, mit der der Internationale Rechnungslegungsstandard IAS 39 »Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung« unter Ausklammerung bestimmter Vorschriften über die Anwendung der uneingeschränkten »Fair Value«-Option und die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (»Hedge Accounting«) übernommen wird.

Der Verordnungsentwurf wurde sowohl von einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten im Regelungsausschuss für Rechnungslegung (ARC) am 1. Oktober als auch vom Europäischen Parlament unterstützt. Die Kommission hat außerdem eine politische Erklärung abgegeben, wonach sie davon ausgeht, dass der International Accounting Standards Board (IASB) die nötigen Änderungen an der derzeitigen uneingeschränkten »Fair Value«-Option bis Dezember 2004 und die Änderungen an den »Hedge Accounting«-Vorschriften bis September 2005 vornehmen wird. Mit Ausnahme der ausgeklammerten Vorschriften wird der IAS 39 ab 1. Januar 2005 für alle börsennotierten Unternehmen in der EU verbindlich sein.

Dazu Kommissionsmitglied Frits Bolkestein: »Der IAS 39 war sehr kontrovers. Ich freue mich, dass wir zu einer Lösung gekommen sind. Die Ausklammerung ist nur ein Zwischenschritt, denn die Kommission geht davon aus, dass der IASB die noch offenen Probleme rasch ausräumen wird. Die Kommission ist kein ‚Standardsetter‘ und kann daher nicht selbst Abhilfe schaffen.«

Bevor die IAS am 1. Januar 2005 für börsennotierte Gesellschaften verbindlich werden, müssen sie von der Kommission übernommen werden. Diese konsultiert zuvor die Mitgliedstaaten im Regelungsausschuss für Rechnungslegung, das Europäische Parlament und die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (European Financial Reporting Advisory Group — EFRAG, der unabhängige Sachverständige aus dem Privatsektor angehören). Die Kommission hat auf diese Weise bereits 33 Standards übernommen. Der IAS 39 wurde jedoch mehrfach überarbeitet.

Die Kommission hat den aktuellen Wortlaut des IAS 39 zu etwa 95 % übernommen. Sie hat bestimmte Vorschriften ausgeklammert, bei denen sie — übereinstimmend mit den meisten Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament — nach wie vor Änderungsbedarf sieht. Es handelt sich um folgende beiden Vorschriften:

  • Die uneingeschränkte »Fair Value«-Option wurde aufgrund von Einwänden der Europäischen Zentralbank und der im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vertretenen Aufsichtsinstanzen ausgeklammert. Der IASB hat diese Einwände bei seinem im April 2004 vorgelegten Exposure Draft berücksichtigt und den Anwendungsbereich der uneingeschränkten »Fair Value«-Option limitiert.

    Allerdings hat der IASB in dieser wichtigen Frage noch keine endgültige Position bezogen. Außerdem ist die uneingeschränkte Bewertung sämtlicher Verbindlichkeiten mit dem Fair Value nach Artikel 42a der Vierten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (Richtlinie 78/660/EWG) nicht zulässig; so dürfen Unternehmen insbesondere eigene Schulden nicht mit dem Fair Value abbilden. Die uneingeschränkte »Fair Value«-Option kann somit von Gesellschaften nicht in Anspruch genommen werden. Die Mitgliedstaaten dürfen die Verwendung der ausgeklammerten »Fair Value«-Vorschriften auch nicht verbindlich vorschreiben.

  • Bestimmte »Hedge Accounting«-Vorschriften wurden aufgrund der Kritik einer Mehrheit der europäischen Banken ausgeklammert. Danach hätte der IAS 39 in seiner aktuellen Form die Banken zu unverhältnismäßigen und aufwändigen Änderungen sowohl ihres Aktiv-/Passiv-Managements als auch ihrer Rechnungslegungssysteme gezwungen und zu übermäßiger Volatilität geführt. Da dieser Punkt in den heutigen EU-Rechtsvorschriften jedoch nicht geregelt ist, dürfen die einzelnen Unternehmen die ausgeklammerten »Hedge Accounting«-Vorschriften anwenden. Die Mitgliedstaaten können sie auf einzelstaatlicher Ebene auch verbindlich vorschreiben.
Erklärung der Kommission hinsichtlich der annahme von IAS 39 in der sitzung des Regelungsausschusses für Rechnungslegung am 1. Oktober 2004

Die Kommission unterstreicht die große Bedeutung, die sie der rechtzeitigen Annahme der gemeinsamen internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS) in der Europäischen Union beimisst, die für die Integration der europäischen Kapitalmärkte und die globale Konvergenz der Rechnungslegungsstandards unerlässlich ist. In diesem Zusammenhang hat die Kommission die feste Absicht, alle IAS/ IFRS-Standards rechtzeitig vor ihrer Anwendung im Jahr 2005 zu verabschieden.

Der wichtigste noch ausstehende Fall ist IAS 39 »Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung«. In der Regel bevorzugt die Kommission stets die vollständige Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards. Bei IAS 39 handelt es sich jedoch um eine Ausnahme, da sowohl aufsichtlich als auch technisch komplizierte Probleme bestehen, die bislang nicht gelöst wurden.

Die Haltung des Regelungsausschusses für Rechnungslegung vom 1. Oktober 2004, der zufolge IAS 39 teilweise mit zwei Auslassungen angenommen wurde, hat dazu beigetragen, den Weg für eine frühzeitige Annahme des gesamten Standards in revidierter Form zu ebnen. In diesem Zusammenhang bekräftigt die Kommission, dass sie keinerlei Absicht hat, die Rolle eines Standardsetzers für Rechnungslegungsnormen zu übernehmen. Die Kommission hat sich insbesondere darum bemüht, lediglich einige wenige Bestimmungen des Standards heraus zu nehmen, die unterschiedlich und trennbar sind, und dies auch nur in dem unbedingt erforderlichen Maße. Dem Standard wurde kein Text hinzugefügt. Innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit hat die Kommission zudem alle praktisch möglichen Schritte in die Wege geleitet, um die Wirksamkeit der beiden heraus genommenen Passagen zu bewerten.

Unter Zugrundelegung eines optimistischen Szenarios dürfte die erste Ausnahme (vollständige »fair value«-Option) nach Auffassung der Kommission im April 2005 geklärt sein und die zweite Ausnahme (Bilanzierung von Sicherungsgeschäften) gegen Ende 2005. Diese Haltung basiert auf der Annahme, dass der IASB für die »fair value«-Option Anfang Dezember 2004 zu einer Lösung gelangt und dass die zwischen dem IASB und dem Europäischen Bankenverband gebildete Arbeitsgruppe auf dem Gebiet der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften ihre technischen Arbeiten im April 2005 abschließen kann.

Die Kommission fordert alle beteiligten Parteien, d. h. den IASB, die EZB, die Baseler Regulierungsbehörden und die europäischen Banken auf, intensiv zusammen zu arbeiten, um so schnell wie möglich für die ausstehenden Probleme zu IAS 39 zu angemessenen und ausgewogenen Lösungen zu gelangen. Die Kommission wird ihrerseits mit allen diesen Parteien kooperieren, um zu diesem Endergebnis zu gelangen.

Verhaltenskodex zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die Europäische Kommission schlägt einen Verhaltenskodex vor, um Doppelbesteuerung infolge von Verrechnungspreiskorrekturen zu vermeiden.

Die Europäische Kommission hat einen Verhaltenskodex vorgeschlagen, der darauf abzielt, die Doppelbesteuerung von Unternehmen bei konzerninternen Transaktionen zu vermeiden. Der Vorschlag, der auf den Arbeiten des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums basiert, würde für diejenigen Fälle gelten, in denen die Steuerverwaltung eines EU-Mitgliedstaats den steuerbaren Gewinn eines Unternehmens aus grenzüberschreitenden konzerninternen Transaktionen nach oben berichtigt, z. B. durch Korrektur der Verrechnungspreise.

Der Verhaltenskodex soll gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten das Schiedsübereinkommen von 1990 (90/436/EWG) wirksamer und einheitlicher anwenden. Außerdem soll er Verfahrensregeln enthalten, z. B. betreffend den Beginn der Fristen für die Bearbeitung der Beschwerden, die Tätigkeit des Beratenden Ausschusses, der eingesetzt werden muss, wenn die Mitgliedstaaten sich nicht innerhalb von zwei Jahren über die Beseitigung der Doppelbesteuerung einigen können, und den Steueraufschub während der Streitbeilegung. Der Verhaltenskodex soll auch die Empfehlung enthalten, dass die Mitgliedstaaten die Streitbeilegung gemäß ihren bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen nach den Regeln des Kodex‘ durchführen. Das Schiedsübereinkommen ist derzeit nicht in Kraft, weil das Protokoll zu seiner Verlängerung noch nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.

„Der vorgeschlagene Verhaltenskodex soll gewährleisten, dass die Streitbeilegungsverfahren der EU besser funktionieren und die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen im Binnenmarkt wirksam beseitigen“, erklärte der für Steuern zuständige Kommissar, Frits Bolkestein. „Ich muss jedoch die Mitgliedstaaten, die die Verlängerung des Schiedsübereinkommens noch nicht ratifiziert haben, dringend auffordern, so rasch wie möglich die notwendigen Schritte einzuleiten, da das Übereinkommen bis zur vollständigen Ratifizierung nirgendwo in der EU angewandt werden kann.“

Der erste Bericht des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums enthält Schlussfolgerungen und Empfehlungen in Form eines Verhaltenskodex, der dazu beitragen soll, dass die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten das Schiedsübereinkommen von 1990 (90/436/EWG) und die Verständigungsverfahren der Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten einheitlicher anwenden.

Der Entwurf des Verhaltenskodex, den die Kommission nun dem Rat zur Annahme unterbreitet, soll für folgende Aspekte gemeinsame Verfahren festlegen:

  • Beginn des Dreijahreszeitraums, innerhalb dessen ein Unternehmen, das nach einer Verrechnungspreiskorrektur doppelt besteuert wird, seinen Fall einer zuständigen Behörde unterbreiten kann;
  • Beginn des Zweijahreszeitraums, innerhalb dessen die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten sich darauf verständigen sollten, wie die Doppelbesteuerung des Antragstellers zu beseitigen ist;
  • Durchführung des Verständigungsverfahrens (praktisches Vorgehen während des Verfahrens, Transparenz und Beteiligung des Steuerpflichtigen);
  • praktische Modalitäten für die zweite Phase des Schiedsverfahrens (beratender Ausschuss), die folgt, wenn sich die Steuerverwaltung nicht innerhalb des Zweijahreszeitraums einigen können, und
  • Aufschub der Steuerhebung, solange die grenzübergreifenden Streitbeilegungsverfahren anhängig sind.

Der vorgeschlagene Verhaltenskodex wäre eine politische Verpflichtung, die die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten nicht berühren und sich auf die Kompetenzen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft nicht auswirken würde.

Hintergrund

Im Oktober 2001 schlug die Kommission eine zweigleisige Strategie zur Beseitigung der steuerbedingten Hindernisse vor, die derzeit verhindern, dass grenzüberschreitend tätige Unternehmen den vollen Nutzen aus dem Binnenmarkt ziehen (vgl. IP/01/1468). Ein zunehmendes Problem ist die Doppelbesteuerung, die erfolgen kann, wenn ein EU-Mitgliedstaat den steuerbaren Gewinn, den ein Unternehmen mit grenzüberschreitenden konzerninternen Transaktionen erzielt, nach oben korrigiert und der Mitgliedstaat des verbundenen Unternehmens den steuerbaren Gewinn dieses Unternehmens nicht entsprechend nach unten anpasst. Häufig tritt dieser Fall ein, wenn eine Steuerverwaltung aus steuerlichen Gründen die konzerninternen Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen berichtigt, um sie den Preisen anzupassen, die ihrer Ansicht nach zwischen unabhängigen Unternehmen vereinbart worden wären. Die Steuerverwaltungen verwenden auf diesen Bereich ihrer Tätigkeit immer mehr Ressourcen; die Unternehmen hingegen weisen darauf hin, dass die Befolgung der Verrechnungspreisleitlinien der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) und deren jeweiliger Auslegung durch die EU-Mitgliedstaaten kompliziert und kostenaufwendig ist. Sie beklagen außerdem die umfassenden Dokumentationspflichten, die manche Steuerverwaltungen ihnen auferlegen.

Das Schiedsübereinkommen und die Verständigungsverfahren gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen der Mitgliedstaaten sollen Streitigkeiten im Falle der Doppelbesteuerung beilegen, aber die praktische Durchführung dieser Verfahren unterscheidet sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Überdies ist das Schiedsübereinkommen seit dem Jahr 2000 außer Kraft, weil das Protokoll über seine Verlängerung nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.

Deshalb müssen die Unternehmen gegenwärtig auf die Streitbeilegungsbestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen zurückgreifen, die im Unterschied zum Schiedsübereinkommen eine Verständigung über die Beseitigung der Doppelbesteuerung nicht zwingend vorschreiben.

Das Gemeinsame EU-Verrechnungspreisforum, das die Kommission im Juli 2002 einsetzte, um diese Probleme zu untersuchen, besteht aus jeweils einem Experten aus den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten, zehn Fachleuten aus der Wirtschaft und einem Vorsitzenden. Vertreter der Beitrittsländer und der OECD nehmen als Beobachter teil. Das Forum wird Anfang 2005 den nächsten Bericht über seine Arbeit vorlegen.

Der Bericht und der Verhaltenskodex können im vollen Wortlaut unter folgender Adresse abgerufen werden:
http://europa.eu.int/comm/taxation_customs/whatsnew.htm

Steuerbeihilfen: Kommission zieht Bilanz

Die Kommission hat am 26. 11. 2003 einen Bericht über die Durchführung ihrer Politik im Bereich der Steuerbeihilfen angenommen. Darin wird die Funktionsweise ihrer Mitteilung von 1998 über Steuerbeihilfen als angemessene Ergänzung für ihr Vorgehen bei der Überwachung der staatlichen Beihilfen bewertet. Ferner werden die Wechselwirkungen zwischen der Überwachung der staatlichen Beihilfen und der Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs untersucht. Außerdem wird den Fragen der indirekten Besteuerung nachgegangen, die von der Mitteilung von 1998 über Steuerbeihilfen nicht behandelt werden.

Der Bericht zieht eine Bilanz der Funktionsweise der Mitteilung über die Anwendung der Beihilferegeln auf die Maßnahmen der direkten Unternehmensbesteuerung. Diese Bilanz umfasst den Begriff der staatlichen Beihilfen, die Prüfung ihrer Vereinbarkeit und Verfahrensfragen. Demnach hat sich die Mitteilung als ein angemessenes Instrument erwiesen, um die Steuerbeihilfen insbesondere im Rahmen der am 11. Juli 2001 eingeleiteten Verfahren zu untersuchen. Diese Fälle betrafen im Wesentlichen die steuerlichen Sonderregelungen zugunsten multinationaler Unternehmen. Die Kommission hatte sich dabei zu den alternativen Besteuerungsmethoden wie z.B. dem Verfahren „Kosten Plus“ zu äußern, mit dem die grenzüberschreitenden Geschäfte innerhalb einer Gruppe erfasst werden sollen. Mit diesem Verfahren wird das steuerpflichtige Unternehmensergebnis nicht über den Unterschiedsbetrag zwischen Einkünften und Aufwendungen, sondern unter Heranziehung der Kosten errechnet, die einem Unternehmen bei seinen Geschäften mit anderen Unternehmen seiner Gruppe entstanden sind. Um zu einem angemessenen Unternehmensgewinn zu gelangen, wird diesen Kosten eine erhöhte Spanne für Gestehungskosten hinzugezählt, wobei die ausgeübten Funktionen, die genutzten Vermögenswerte, die entstandenen Risiken und die Marktbedingungen berücksichtigt werden. In dem Bericht äußert die Kommission keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber diesem Verfahren. Sie macht jedoch deutlich, dass dieses alternative Besteuerungsverfahren eine staatliche Beihilfe beinhalten könnte, wenn sich die aus seiner Anwendung ergebende Steuerlast niedriger wäre als bei Anwendung einer „klassischen“ Besteuerungsmethode.

Der Bericht macht außerdem deutlich, dass das Kriterium der Staatsmittel, eines der vier Kriterien des Begriffes staatliche Beihilfe, unter Bezugnahme auf die Lage des Beihilfebegünstigten gewürdigt werden muss, wobei es nicht möglich ist, mögliche positive Wirkungen aufgrund der betreffenden Maßnahme in wirtschaftlicher oder haushaltspolitischer Sicht zu berücksichtigen.

Dieses Kriterium bedingt jedoch keine Kosten-Nutzen-Analyse der Gesamtauswirkungen einer Maßnahme, sondern muss im Einzelfall bei den Begünstigten unter Bezugnahme auf den Steuerbetrag ermittelt werden, den diese hätten entrichten müssen.

Ferner wird in dem Bericht hervorgehoben, dass bestimmte Maßnahmen, die offiziell allen Wirtschaftszweigen offenstehen, dennoch als selektiv eingestuft werden können, weil sie bestimmte Unternehmen ausschließen. Dies ist z.B. der Fall bei Maßnahmen, die auf multinationale Unternehmen oder auf Unternehmen einer bestimmten Mindestgröße zugeschnitten sind.

Schließlich macht der Bericht deutlich, dass die Kommission weiterhin den Grundsatz streng anwenden wird, dass eine selektive steuerliche Maßnahme wegen der Beschaffenheit oder der Systematik des Steuersystems zu rechtfertigen sein muss. Demnach muss eine differenzierte steuerliche Behandlung aufgrund von Elementen zu rechtfertigen sein, die sich aus dem inneren Aufbau des Steuersystems ergeben. Wenn sich selektive Maßnahmen allein auf objektive Kriterien wie Umsatz, Größe, Standort usw. stützen, kann daraus keine Ausnahme hergeleitet werden. Hierbei untersucht die Kommission insbesondere, ob die Kriterien für die Inanspruchnahme einer besonderen Maßnahme mit den von dem betreffenden Mitgliedstaat gegebenen Rechtfertigungen übereinstimmen.

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit nimmt die Kommission eine neutrale Haltung gegenüber den steuerlichen Beihilfen ein. Sie hat diese bisher gemäß den bestehenden Rahmenbestimmungen und Leitlinien untersucht und für sie keine eigenen Regeln erlassen.

Da sich die Mitteilung als ein angemessenes Instrument bei dem Vorgehen der Kommission im Bereich der Steuerbeihilfen erwiesen hat, besteht gegenwärtig kein Bedarf für eine Überprüfung dieses Instruments. Der Bericht macht jedoch deutlich, dass die Entscheidungspraxis und die Rechtsprechung in bestimmten Bereichen noch nicht weit entwickelt sind, und dass die Mitteilung gegebenenfalls im Lichte der Entwicklung der Rechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission vervollständigt werden könnte.

Im zweiten Teil werden die Beziehungen zwischen dem Vorgehen der Kommission bei der Überwachung der staatlichen Beihilfen und dem Kampf gegen den schädlichen Steuerwettbewerb im Rahmen des Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung untersucht. Die Überprüfung der Steuerregelungen im Rahmen der Beihilfenkontrolle und die Arbeiten im Rahmen des Verhaltenskodex verfolgen zwar dasselbe allgemeine Ziel der Minderung der Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt, werden jedoch unabhängig voneinander geführt. Die Einstufung einer Maßnahme als schädlich im Sinne des Verhaltenskodex muss nicht unbedingt ihre Einstufung als staatliche Beihilfe und umgekehrt zur Folge haben. Der Bericht unterstreicht, dass die Kommission zur Aufhebung bestimmter schädlicher Steuermaßnahmen beigetragen hat, indem sie die Prüfung von schädlichen Maßnahmen in den Mittelpunkt rückte, bei denen es sich um staatliche Beihilfen handelte. Dadurch wurde in gewissem Maße die am 3. Juni 2003 erzielte Einigung über einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung erleichtert. Der Bericht unterstreicht, dass die Kommission ihr Vorgehen im Bereich der Steuerbeihilfen auch angesichts des Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung fortsetzen und sich dabei auf die Fälle konzentrieren wird, die spürbare wirtschaftliche Auswirkungen und besonders nachteilige Folgen für den Wettbewerb und den Handel haben.

Schließlich wird in dem Bericht die Frage der indirekten Besteuerung angesprochen, die in der Mitteilung von 1998 nicht aufgegriffen wurde. Er gelang zu dem Ergebnis, dass die Grundsätze der Mitteilung überwiegend auch auf die indirekte Besteuerung anwendbar sind, dass aber bestimmte Fragen eventuell in einer getrennten Mitteilung behandelt werden könnten. In dem Bericht wird auch beschrieben, auf welche Weise die Kommission die Überwachung der staatlichen Beihilfen mit der Steuerpolitik in Einklang bringt. Demnach wird sie von nun an die Anträge auf Ausnahmen von der Harmonisierung der Verbrauchsteuern für Mineralöle gleichzeitig mit der Prüfung gemäß den Regeln über staatliche Beihilfen untersuchen.

Bei der Annahme der Mitteilung über die Anwendung der Regeln für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen der direkten Unternehmensbesteuerung am 11. November 1998 hatte die Kommission zugesagt, zwei Jahre nach der Veröffentlichung einen Bericht über ihre Funktionsweise zu erstellen. Da das Vorgehen der Kommission im Bereich der Steuerbeihilfen erst ab Juli 2001 spürbar wurde, wurde vor diesem Zeitpunkt kein Bericht erstellt. Nachdem 13 von 15 der im Juli 2001 eröffneten Verfahren abgeschlossen sind, ist die Kommission nunmehr in der Lage, diesen Bericht vorzulegen.