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Markenverletzung durch Spielzeugautos

Der auch  für Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern entschieden, dass der Hersteller eines Kraftfahrzeuges den Vertrieb von Spielzeugmodellautos, die als verkleinerte Nachbildung seines Originalfahrzeugs auch die Marke des Originalherstellers an der entsprechenden Stelle tragen, nicht unter Berufung auf seine Markenrechte verbieten kann.

Die Klägerin, die Adam Opel GmbH, ist Inhaberin einer für Kraftfahrzeuge und Spielzeug eingetragenen Bildmarke, die das Opel-Blitz-Zeichen wiedergibt. Sie wendet sich gegen den Vertrieb eines funkgesteuerten Spielzeugautos der Beklagten, das ein verkleinertes Abbild eines Opel Astra V8 Coupé darstellt und am Kühlergrill das Opel-Blitz-Zeichen trägt.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat zu der Frage, ob diese Nachbildung in verkleinertem Maßstab eine unzulässige Markenbenutzung darstellt, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeholt. Dieser hat entschieden, dass es maßgeblich auf die von dem vorlegenden Gericht zu treffende Feststellung ankomme, ob die angesprochenen Verkehrskreise das identische Zeichen auf den Spielzeugmodellautos als Angabe darüber verstünden, diese stammten von der Klägerin oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.

Das Landgericht hat die u.a. auf Unterlassung und Schadensersatz gerichtete Klage daraufhin abgewiesen. Es hat angenommen, der Verkehr sehe die auf einem verkleinerten Abbild eines großen Originalfahrzeugs an der richtigen Stelle angebrachte Marke als einen Teil des Modellfahrzeugs an und rechne sie weder dem Hersteller des Vorbilds zu noch gehe er von wirtschaftlichen, insbesondere lizenzvertraglichen Beziehungen zwischen den Herstellern des Vorbilds und des Spielzeugmodells an. Das Berufungsgericht hat diese Auffassung bestätigt. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Eine Verletzung der für Spielzeug eingetragenen Marke der Klägerin hat der Bundesgerichtshof verneint. Zwar liegen die Voraussetzungen einer Markenverletzung insoweit vor, als es sich bei der Anbringung des Opel-Blitz-Zeichens auf dem Spielzeugauto der Beklagten um die Benutzung eines mit der Klagemarke identischen Zeichens für identische Waren (Spielzeug) handelt. Dadurch werden jedoch weder die Hauptfunktion der Marke, die Verbraucher auf die Herkunft der Ware (hier: Spielzeugauto) hinzuweisen, noch sonstige Markenfunktionen beeinträchtigt, weil die angesprochenen Verbraucher das Opel-Blitz-Zeichen auf den Spielzeugautos der Beklagten nur als – originalgetreue – Wiedergabe der Marke verstehen, die das nachgebildete Auto der Klägerin an der entsprechenden Stelle trägt. Das Opel-Blitz-Zeichen wird nur als Abbildungsdetail der Wirklichkeit angesehen. Die Verbraucher sehen darin folglich keinen Hinweis auf die Herkunft des Modellautos.

Soweit die Marke der Klägerin für Kraftfahrzeuge eingetragen ist, handelt es sich nicht um ähnliche Waren (Spielzeugautos und Kraftfahrzeuge), so dass auch die Annahme einer Markenverletzung wegen Begründung einer Verwechslungsgefahr ausscheidet. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer – für Kraftfahrzeuge – bekannten Marke ist eine Markenverletzung gleichfalls zu verneinen. Insoweit fehlt es an einer unlauteren Beeinträchtigung oder Ausnutzung des Rufs der für Kraftfahrzeuge eingetragenen Marke der Klägerin.

Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 88/08 – Opel-Blitz II

Glück gehabt, kann man da nur sagen: Man darf  noch ein Abbild der Wirklichkeit machen, ohne von irgendwelchen Inhabern geistigen Eigentums in Anspruch genommen zu werden. Aber der Reigen hat damit ja in der Regel kein Ende, denn wenn jemand die die Spielzeugautos nachmacht, die ja auch zu einem Bestandteil der Wirklichkeit werden, gehen die Streitigkeiten von vorne los.

Vermittlung von Schrottimmobilien

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte erneut über Schadensersatzansprüche von Verbrauchern im Zusammenhang mit sogenannten Schrottimmobilien zu entscheiden. Er hat ein Berufungsurteil bestätigt, das im Zusammenhang mit einem sogenannten Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag eine arglistige Täuschung der Wohnungskäuferin über die Höhe der Vertriebsprovisionen bejaht hatte.

Von Vermittlern geworben, erwarb die Klägerin, eine damals 38 Jahre alte Krankenschwester, im Jahr 1996 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in Hamburg. Zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 147.511 DM nahm sie bei der beklagten Bank ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 178.000 DM auf, das durch zwei mit der beklagten Bausparkasse abgeschlossene Bausparverträge getilgt werden sollte. Im Zusammenhang mit dem Erwerb unterzeichnete die Klägerin einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in dem es u.a. heißt: „Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannten Firmen zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden.“

Ausweislich Punkt 4 der Aufstellung sollte die Finanzierungsvermittlerin eine „Finanzierungsvermittlungsgebühr“ in Höhe von 3.560 DM und ausweislich Punkt 5 die Wohnungsvermittlerin eine „Courtage“ in Höhe von 5.089 DM erhalten. Dies entspricht einer Provision von insgesamt 5,86% der Kaufpreissumme, nämlich 2,41% Finanzierungsvermittlungsgebühr für die Finanzierungsvermittlerin und 3,45% Courtage für die Wohnungsvermittlerin.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung; sie begehrt unter anderem die Rückzahlung geleisteter Zinsen sowie die Feststellung, dass aus den Darlehensverträgen keine Zahlungsansprüche bestehen und dass ihr die Beklagten den gesamten Schaden zu ersetzen haben. Sie stützt sich dabei insbesondere auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat dem Zahlungsbegehren – unter Abzug der von der Klägerin erlangten Mietpoolausschüttungen und Steuervorteile – in Höhe von 11.616,64 € nebst Zinsen teilweise, den Feststellungsanträgen vollumfänglich stattgegeben.

Das Berufungsgericht ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagten der Klägerin schadensersatzpflichtig sind, weil sie sie trotz eines insoweit bestehenden Wissensvorsprungs nicht über eine arglistige Täuschung aufgeklärt haben. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom Vertrieb arglistig über die Höhe der an die beiden im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag genannten Vermittlerfirmen fließenden Provisionen getäuscht worden.

Durch Gestaltung und Ausfüllung des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags habe der Vertrieb bei der Klägerin bewusst die falsche Vorstellung erzeugt, die beiden in dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag genannten Vermittlerfirmen erhielten nur die dort genannten Provisionen. Dies entsprach jedoch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Wahrheit. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhielten die beiden im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag genannten Vermittlerinnen nicht nur Vertriebsprovisionen in Höhe von insgesamt 5,86% der Kaufpreissumme, sondern tatsächlich mindestens 15%. Da die Beklagten mit dem Vertrieb in institutionalisierter Weise zusammengearbeitet hatten, hat das Berufungsgericht angenommen, dass ihnen diese arglistige Täuschung bekannt gewesen ist. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil bestätigt. Er hat insbesondere die dem Berufungsurteil zugrunde liegende Auslegung des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags bestätigt, nach welcher die dort im Einzelnen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen als Gesamtprovisionen zu verstehen seien, zu denen die Vermittlerinnen die Vermittlung insgesamt durchführen sollten. Diese Auslegung ist angesichts des in dem formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausdrücklich enthaltenen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4. und 5. der Aufstellung benannten Vermittlungsfirmen zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, vertretbar und der Bundesgerichtshof hat sie nun für zutreffend erklärt. Er konnte den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag selbst auslegen, weil gleichlautende Formulare bundesweit verwendet worden sind. Auf der Grundlage dieser Auslegung ist das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin sei mit Hilfe des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags bewusst die unzutreffende Vorstellung erzeugt worden, die beiden genannten Firmen erhielten für die Vermittlung der Wohnung und der Finanzierung insgesamt lediglich die im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Provisionen, obwohl sie – wie das Berufungsgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat – tatsächlich eine fast drei Mal so hohe Vermittlungsprovision erhalten sollten.

Da gleichlautende Objekt- und Finanzierungsvermittlungsaufträge bei den von den Beklagten finanzierten Erwerbsvorgängen vielfach verwendet worden sind, hat das Urteil über den Fall hinausgehende Bedeutung. Mit dem jetzigen Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen eine im Zusammenhang mit einem solchen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag stehende arglistige Täuschung eines Erwerbers über die Höhe der Vertriebsprovisionen zu bejahen ist.

Urteil vom 29. Juni 2010 – XI ZR 104/08

Aufklärung über Rückvergütungen

Eine Rückvergütung im Zusammenhang mit der Vermittlung von Finanzanlagen  liegt vor, wenn die beratende Bank, die Fondsanteile empfiehlt, von den Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten der Fondsgesellschaften, die der Bankkunde an die Fondsgesellschaft zu zahlen hat, hinter dem Rücken des Kunden von der Fondsgesellschaft einen Teil als Provision rückvergütet erhält, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares Interesse daran hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen.

Der Kunde geht davon aus, dass die Bank ihn objektiv berät, wie sich sein Geld — ohne dass er weiter dafür arbeiten muss — von selbst vermehrt. Wenn die Bank von dem Anbieter der Kapitalanlagemöglichkeit ein Zahlung für die Vermittlung des neuen Kunden bekommt, verdient die Bank mit der Vermittlung dieser konkreten Anlage mehr als mit der Vermittlung einer Anlage, bei der sie keine Vergütung für die Vermittlung des neuen Anlegers. Für die Bank besteht in diesem Fall ein finanzieller Anreiz, die Anlagen anzubieten, bei denen ihr Entgelt möglichst hoch ist und kein Anreiz, die nach Meinung des Beraters beste Möglichkeit dem Kunden als gewinnträchtig darzustellen. Damit die Kunden nicht sehen, dass ein nicht unerheblicher Teil ihres Geldes in allen möglichen Kanälen für Verwaltung-, Beratung- und Vermittlung versickert, werden solche Kosten ungern offengelegt. Die Rechtsprechung hat auf dieses Problem reagiert, indem sie die Vermittler verpflichtete, auf solche Rückvergütungen (und andere weiche Kosten) aufmerksam zu machen.

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte nun über die Frage zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt für Kreditinstitute die ihnen obliegende Verpflichtung zur Aufklärung über sog. Rückvergütungen erkennbar sein musste und sie deshalb im Falle einer Nichtaufklärung ein Verschulden trifft.

In dem zugrunde liegenden Fall begehrt der Kläger von der beklagten Sparkasse Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung. Er zeichnete auf Empfehlung der Beklagten in den Jahren 1997 und 1998 mehrere Fondsbeteiligungen, wobei die Beklagte den Kläger nicht im Einzelnen darüber aufklärte, dass bzw. in welcher Höhe ihr dabei die von dem Anleger an die Fondsgesellschaften gezahlten Ausgabeaufschläge als sog. Rückvergütungen zurückflossen. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben und die Revision nicht zugelassen.

Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hatte noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich war. Es war rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht einen unvermeidbaren Rechtsirrtum der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten über Bestehen und Umfang einer Aufklärungspflicht über die Zahlung von Rückvergütungen und deren Höhe für den hier maßgeblichen Zeitpunkt verneint hat. Vielmehr war für Kreditinstitute bereits auf der Grundlage von zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 1989 und 1990 eine entsprechende Aufklärungspflicht erkennbar, so dass die Verletzung der Hinweispflicht als schuldhaft anzusehen ist.

Beschluss vom 29. Juni 2010 – XI ZR 308/09

Patent zur Herstellung von Geldscheinen

Der für das Patentrecht zuständige Xa-Zivilsenat hat am 8. Juli 2010 über eine Nichtigkeitsklage der Europäischen Zentralbank gegen ein Patent entschieden, das ein Verfahren zur Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments, zum Beispiel von Geldscheinen, betrifft.

Das angegriffene Patent, das vom Europäischen Patentamt mit Wirkung für zahlreiche europäische Länder erteilt worden ist, betrifft ein Verfahren, mit dem Geldscheine insbesondere vor Fälschung mittels modernen Farbkopiergeräten geschützt werden sollen. Hierzu sollen die Geldscheine mit bestimmten Strukturen versehen werden, die beim Kopiervorgang ein so genanntes Moirémuster erzeugen, das die Kopie leicht erkennbar als Fälschung entlarvt.

Die Patentinhaberin führt gegen die Europäische Zentralbank in mehreren europäischen Ländern Rechtsstreitigkeiten. Sie macht geltend, bei der Herstellung der Euro-Banknoten werden von der patentierten Lehre Gebrauch gemacht. Die Europäische Zentralbank wehrt sich dagegen mit einer Nichtigkeitsklage, die in jedem Land, für das das Patent erteilt worden ist, gesondert erhoben werden muss. In verschiedenen Staaten, darunter Großbritannien und Frankreich, ist das Patent mit Wirkung für das jeweilige Land bereits rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In den Niederlanden und Spanien ist die Nichtigkeitsklage in erster Instanz erfolglos geblieben.

In Deutschland hat das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Nach seiner Auffassung greift keiner der von der Klägerin vorgetragenen Nichtigkeitsgründe.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Bundespatentgerichts abgeändert und das Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Er ist ähnlich wie die englischen und französischen Gerichte und wie das österreichische Patentamt zu der Auffassung gelangt, dass die erteilte Fassung des Patents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind die Rechtswirkungen des Patents damit rückwirkend entfallen. Man kann also die Technik kopieren, die das Kopieren der Geldscheine erschweren soll.

Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07

CCCP und DDR auf Kleidungssstücken

Der auch für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Fällen entschieden, dass Dritte auf Bekleidungsstücken Symbole ehemaliger Ostblockstaaten anbringen dürfen, obwohl diese Symbole mittlerweile als Marken für Bekleidungsstücke geschützt sind.

Der Kläger des Verfahrens I ZR 92/08 ist Inhaber der unter anderem für Bekleidungsstücke eingetragenen Wortmarke „DDR“. Er war außerdem Inhaber einer für Textilien eingetragenen Bildmarke, die das Staatswappen der DDR abbildete. Der Beklagte vertreibt sogenannte Ostprodukte. Er bewirbt und vertreibt T-Shirts mit der Bezeichnung „DDR“ und ihrem Staatswappen. Der Kläger hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht München I hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Das zweite Klageverfahren (I ZR 82/08) betraf die Verwendung der Buchstabenfolge „CCCP“ zusammen mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol auf TShirts. Die Buchstabenfolge „CCCP“ (in lateinischen Buchstaben SSSR) steht als Abkürzung der kyrillischen Schreibweise der früheren UdSSR. Die Klägerin ist Lizenznehmerin der Wortmarke „CCCP“, die für bestimmte Bekleidungsstücke (z.B. Hosen, Overalls) eingetragen ist. Die Beklagte vertreibt über das Internet bedruckte Bekleidungsstücke. Zu den zur Auswahl stehenden Motiven gehört auch ein Hammer-und-Sichel-Symbol mit der Buchstabenfolge „CCCP“. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs dieser Produkte in Anspruch genommen. Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg haben die Klage mangels markenmäßiger Benutzung der angegriffenen Bezeichnung abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat die klageabweisenden Entscheidungen im Hamburger Verfahren bestätigt. Im Münchner Verfahren I ZR 92/08 hat er das von der Vorinstanz ausgesprochene Verbot aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Im markenrechtlichen Verletzungsverfahren geht es nicht mehr um den Bestand der Marken. Die Ansprüche der Kläger aus ihren Marken hat der Bundesgerichtshof verneint, weil die Anbringung der Symbole der ehemaligen Ostblockstaaten auf Bekleidungsstücken die Markenrechte der Kläger nicht verletzen. Die markenrechtlichen Ansprüche setzen voraus, dass der Verkehr auf Bekleidungsstücken angebrachte Aufdrucke als Hinweis auf die Herkunft der Produkte von einem bestimmten Unternehmen und nicht nur als dekoratives Element auffasst, das nach Art des Motivs variieren kann. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die Verbraucher die auf der Vorderseite von TShirts angebrachten Symbole ehemaliger Ostblockstaaten ausschließlich als dekoratives Element auffassen und in ihnen kein Produktkennzeichen sehen.

Urteile vom 14. Januar 2010, Az. I ZR 82/08 – CCCP und I ZR 92/08 – DDR

BGH bekräftigt Rechtsprechung zu Briefkastengesellschaften

Wie nach den maßgeblichen Entscheidungen des EuGH nicht anders zu erwarten war, urteilte der BGH, dass auf eine englische Limited trotz des Sitzes in Deutschland englisches Recht anzuwenden ist. Wenn die deutschen Gründungsvorschriften nicht beachtet wurden, führt dies nicht zum Durchgriff auf den Geschäftsführer.

Die Leitsätze des Urteils (Akzenzeichen: II ZR 5/03, Verkündet am: 14. März 2005) lauten wie folgt:

a) Die Haftung des Geschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer gemäß Companies Act 1985 in England gegründeten private limited company mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht.

b) Der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) steht entgegen, den Geschäftsführer einer solchen englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland wegen fehlender Eintragung in einem deutschen Handelsregister der persönlichen Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG für deren rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten zu unterwerfen.

Somit steht denn fest, dass Gründer sich unter den verschiedene angebotenen Gesellschaften innerhalb der EU die ihnen am gelegensten kommende Gesellschaftsform auswählen können. Das ist zur Zeit noch die englische Limited, da diese in der Regel mit 100 britschen Pfund Stammkapital (wenige EUR genügen) gegründet wird. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis bspw. Malta oder Zypern mit besseren Angeboten die Nachfrage nach Gesellschaften auf sich ziehen werden – so wie in den USA der Kleinststaat Delaware mit weniger als 1 Mio. Einwohner Gründungsstaat von über 50 % der börsennotierten Gesellschaften ist.

Wie allerdings mit Gesellschaften aus Liechtenstein verfahren werden soll, die wohl ebenso anerkannt werden müssen, ist noch unklar. Während in Deutschland der Fiskus inzwischen die Möglichkeit hat, die Bankkonten einzusehen, ist es bei den liechtensteinischen Treuhandgesellschaften praktisch unmöglich, herauszufinden, wer wirtschaftlicher Eigentümer ist. Und Liechteinstein gilt nachwievor als unkooperative Steueroase — bspw. hat außer Österreich kein anderer Mitgliedstaat mit dem Fürstentum ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von technischen Gasen befasst, stellte der U. Ltd. (nachfolgend U. Ltd.) für vertraglich vereinbarte Gaslieferungen und Vermietung von Gasflaschen in den Jahren 2000 und 2001 einen – unstreitigen – Gesamtbetrag von 3.393,87 DM in Rechnung. Die U. Ltd., deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagte ist, wurde schon vorher – am 11. Februar 2000 – gemäß dem Companies Act 1985 im Companies House, C./UK als private limited company mit eingetragenem (Haupt-)Sitz in L. registriert. Die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fand hingegen – von ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz in G. aus – nur in Deutschland statt, ohne dass deren Eintragung in ein deutsches Handelsregister erfolgt wäre. Die Rechnungen der Klägerin blieben unbezahlt. Auf einen gegen die U. Ltd. gestellten Insolvenzantrag wurde durch Beschlug des Amtsgerichts H. vom 20. September 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Die Klägerin nahm daraufhin wegen der unbeglichenen Rechnungen den Beklagten als für die U. Ltd. Handelnden persönlich in Anspruch und erwirkte gegen ihn einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 16. Juli 2002. Auf den Einspruch des Beklagten hat das zuständige Amtsgericht S. den Vollstreckungsbescheid – mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen – aufrecht erhalten. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte hafte wegen Fehlens einer Eintragung der U. Ltd. als Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem deutschen Handelsregister als handelnder Gesellschafter-Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG persönlich für die in ihrem Namen begründeten Kaufpreis- und Mietzinsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin. Europarechtliche Normen stünden einer persönlichen Haftung des Beklagten nicht entgegen. Zwar verstoße es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: EuGH) im Urteil vom 5. November 2002 (ZIP 2002, 2037 – Überseering) gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG), wenn einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründeten Gesellschaft von einem anderen Mitgliedstaat, in den sie ihren Verwaltungssitz verlegt habe, die Rechts- und Parteifähigkeit abgesprochen werde; jedoch rechtfertigten zwingende Gründe des Gemeinwohls Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Im Gläubigerinteresse sei durch Anwendung der Sitztheorie sicherzustellen, dass eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland – wie hier die U. Ltd. – den deutschen Gründungsvorschriften unterworfen werde. Ihrer Umgehung müsse durch eine persönliche Haftung der für die Auslandsgesellschaft handelnden Personen analog § 11 Abs. 2 GmbHG begegnet werden.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Das Berufungsurteil ist allerdings nicht bereits wegen Fehlens eines Tatbestandes gemäß § 540 ZPO als eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben. Zwar enthält das Urteil des Landgerichts über die – insoweit zulässige – Inbezugnahme der tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hinaus keine Ausführungen zum zweitinstanzlichen Begehren des Beklagten als Berufungskläger. Jedoch ist – was ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 26. Februar 2003 – VIII ZR 262/02, NJW 2003, 747 m.w.Nachw.; st.Rspr.) – dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Berufungsurteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte mit der Berufung gegen seine Verurteilung durch das Amtsgericht sein Klageabweisungsbegehren unverändert weiterverfolgt.

2. Das Urteil des Landgerichts hat aber deshalb keinen Bestand, weil die Gleichsetzung der wirksam als limited liability company gegründeten und damit nach englischem Recht rechtsfähigen U. Ltd. mit einer – mangels Eintragung in einem deutschen Handelsregister – nicht als GmbH existenten Gesellschaft (§ 11 Abs. 1 GmbHG) und die daraus abgeleitete persönliche Handelndenhaftung des Beklagten als Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die Verbindlichkeiten der U. Ltd. aus den von ihm selbst in deren Namen abgeschlossenen Kauf- und Mietverträgen mit der Klägerin mit der in Art. 43 und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar ist.

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (vgl. EuGH, Urt. v. 5. November 2002 – Rs C-208/00, ZIP 2002, 2037 – Überseering; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – Rs C-167/01, ZIP 2003, 1885 – Inspire Art; vgl. auch BGHZ 154, 185, 189; vgl. ferner zur vergleichbaren Rechtslage beim Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag: BGHZ 153, 353, 356 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 – II ZR 389/02, ZIP 2004, 1402 m.w.Nachw.; BGH, Urt. v. 13. Oktober 2004 – I ZR 245/01, ZIP 2004, 2230, 2231). Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft folgt zugleich, dass deren Personalstatut auch in bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist (vgl. BGHZ 154, 185, 189 – auch zur passiven Parteifähigkeit; BGH, Urt. v. 23. April 2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 aaO, S. 1403).

Danach scheidet im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die von ihm als Geschäftsführer namens der U. Ltd. rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten aus; nach dem für das Personalstatut dieser private limited company (Kapitalgesellschaft) maßgeblichen englischen Recht haftet deren Geschäftsführer als Leitungsorgan – wie im deutschen GmbH-Recht – grundsätzlich nicht persönlich für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten.

b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH ist es selbst unter Gläubigerschutzgesichtspunkten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, wenn das Landgericht im vorliegenden Fall hinsichtlich der Frage einer Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers der U. Ltd. deren maßgebliches Personalstatut (ausnahmsweise) nicht an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht, sondern an das Recht ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anknüpfen will.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger u.a. unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können (EuGH, ZIP 2002 aaO Tz. 92 – Ãœberseering; EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 132 f. – Inspire Art). Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass eine Behinderung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch nationale Maßnahmen allenfalls unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann: Die Maßnahmen müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 133 m.w.Nachw. – Inspire Art). Danach stellt sogar die bewusste Ausnutzung unterschiedlicher Rechtssysteme für sich allein genommen noch keinen Missbrauch dar, auch wenn sie in der offenen Absicht erfolgt, die „größte Freiheit“ zu erzielen und mit einer ausländischen Briefkastengesellschaft die zwingenden inländischen Normativbestimmungen zu umgehen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 96 f., 137 ff. m.w.Nachw. – Inspire Art). Da die Bestimmungen über das Mindestkapital insoweit mit der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind, gilt zwangsläufig dasselbe für die Sanktionen, die an die Nichterfüllung der fraglichen Verpflichtungen geknüpft sind, d.h. die Anordnung einer persönlichen (gesamtschuldnerischen) Haftung der Geschäftsführer in dem Fall, dass das Kapital nicht den im nationalen Recht vorgeschriebenen Mindestbetrag erreicht oder während des Betriebes unter diesen sinkt. Folglich rechtfertigen weder Art. 46 EG noch der Gläubigerschutz die Bekämpfung der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit oder die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs die Behinderung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit, wie sie nationale Rechtsvorschriften über das Mindestkapital und eine persönliche (gesamtschuldnerische) Haftung der Geschäftsführer darstellen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 142 – Inspire Art).

c) Eine persönliche Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG kann schließlich – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte als Geschäftsführer es entgegen §§ 13 d ff. HGB unterlassen hat, die „Zweigniederlassung“ der U. Ltd. zum Handelsregister anzumelden. Zwar verpflichtet Art. 12 der 11. Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1999 die Mitgliedstaaten, geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, dass die erforderliche Offenlegung der Zweigniederlassungen im Aufnahmestaat unterbleibt. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten, denen zwar die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch verhältnismäßig sein muss (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 62, 133 – Inspire Art). Schon danach bleibt festzustellen, dass die offenbar vom Berufungsgericht befürwortete Sanktion der persönlichen Haftung des Beklagten als Geschäftsführer wegen Nichterfüllung der Anmeldungspflicht weder gesetzlich vorgesehen ist noch etwa im Wege der Rechtsfortbildung in Betracht käme. Als zulässige Sanktion im Sinne der 11. Richtlinie des Rates sieht das deutsche Recht in § 14 HGB allein die Festsetzung von Zwangsgeld für den Fall der Nichterfüllung der Anmeldepflicht pp. vor, nicht hingegen haftungsrechtliche Konsequenzen.

III.

Aufgrund der unter Nr. II, 2 aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 ZPO). Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Klägerin ist auf ihre Gegenrüge hin unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie eines fairen Verfahrens (Art. 2, 20 GG) Gelegenheit zu geben, in der wiedereröffneten Berufungsinstanz ihr Klagebegehren nunmehr auf – bislang nicht geltend gemachte – etwaige Haftungstatbestände des materiellen englischen Rechts oder des (deutschen) Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB) zu stützen und hierzu weiteren Sachvortrag zu halten.

Briefkastengesellschaften in der EU erlaubt

In den Vereinigten Staaten haben sich zahlreiche börsennotierte Gesellschaften ihren Sitz in einem Ministaat – Delaware. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH (Urteil März 2005) ermöglicht dies zumindest.

In Delaware, einem kleinen Bundesstaat der Vereinigten Staaten an der Ostküste zwischen New York und der Hauptstadt gelegen, hatten im Frühjahr 2003

  • 50 % aller Aktiengesellschaften (300000 Aktiengesellschaften und 200000 Gesellschaften mit beschränkten Haftung und Personengesellschaften),
  • 58 % der Fortune 500 und
  • 63 % der Going-Public-Gesellschaften (1996-2000)

der US-amerikanischen Kapitalgesellschaften ihren satzungsmäßigen Sitz. In Delaware leben ungefähr 0,27% der US-amerikanischen Bevölkerung. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die neueren Entscheidungen des EuGH in den Fällen Centros und Überseering eröffnen zumindest diese Möglichkeit: Eine britische Gesellschaft, gegründet von dänischen Staatsbürgern auf der Basis eines Grundkapitals von 100 £, kann in Ausübung des Niederlassungsrechts ihre Geschäftsleitung nach Dänemark verlegen (bzw. von Anbeginn an die Geschäftsleitung außerhalb des Gründungsstaates haben) und alle Geschäfte dort tätigen.

Die Entfaltung irgendeiner geschäftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat ist nach dem EuGH nicht notwendig – es handelte sich um eine typische Briefkastengesellschaft. Auch dass die Gesellschaft nur deshalb in Großbritanien gegründet wurde, um die dänischen Vorschriften zur Aufbringung des Mindestkapitals zu umgehen, ist nach der Ansicht des EuGH belanglos. Die Ausnutzung des EU-Niederlassungsrechts zur Umgehung des eigenen staatlichen Rechts durch Gründung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen (Rechtswahl), sei nicht mißbräuchlich.

Bis vor kurzem war Deutschland ein Staat der Sitztheorie, ein Staat, der durch die konsequente Anwendung dieser Theorie die Anerkennung von Briefkastengesellschaften unmöglich machte. Eindeutig und konstant hat die deutsche Rechtsprechung unter dem Beifall des überwiegenden Schriftums sich immer wieder zu der Sitztheorie bekannt. Danach muss der Ort der Geschäftsleitung im Gründungsstaat liegen und kann von dort grundsätzlich nicht in das Ausland verlegt werden.

Wer eine Gesellschaft gründen will, hat jedoch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH Rechtswahlfreiheit: Er kann unter den von den Mitgliedstaaten angebotenen, ab Mai 2004 unter 10 weiteren unterschiedlichen nationalen Regelung auswählen, welches der angebotenen Gesellschaftsrechte ihm am genehmsten ist.

Drei Beispiele:

Malta

Malta hat in den vergangenen Jahren die Gesetzgebung darauf ausgerichtet, Offshore-Unternehmen anzuziehen. So genannte International Trading Companies nach maltesischem Recht wurden in weitem Umfang von den Steuerpflichten befreit; Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die Gesellschaft – abgesehen von bloßen Hilfsgeschäften – nicht in Malta werbend tätig wird. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Beitrittsverhandlungen darauf gedrungen, dass diese Regelungen geändert werden. Im Bericht der Kommission (2002) zum Beitritt Maltas wurde folgendes festgehalten: ,,So sollte noch vor Ende des Jahres ein Rechtsakt verabschiedet werden, der dafür sorgt, dass die noch bestehenden Offshore-Gesellschaften mit den bestehenden EG-Gesellschaftsrechtsrichtlinien in Einklang stehen, und dass es vom Tag des Beitritts an in Malta keine derartigen Gesellschaften mehr gibt.

Liechtenstein

Das EWR-Abkommen, das die EFTA-Staaten in den Binnenmarkt der Europäischen Union einbindet und seit dem 1.1. 1994 in Kraft ist, hat nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union an Bedeutung verloren. Art. 31 des EWR-Abkommens räumt den Staatsangehörigen im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit vergleichbare Rechte wie Art. 43 EGV ein. Es sind keine Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines EU/EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten zulässig. Zu den Rechten gehören die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind, insbesondere die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Nach Art. 34 des EWR-Abkommens sind die nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines EU- oder EFTA-Staates haben, den natürlichen Personen im Hinblick auf das Niederlassungsrecht gleichgestellt.

Seit dem 1. Mai 1995 gehört allerdings auch das Fürstentum Liechtenstein zum EWR. Durch das Holding- und Sitzprivileg bei der Besteuerung bestimmter in Liechtenstein gegründeter Gesellschaften, das strenge Bankgeheimnis und der Tatsache, dass die liechtensteinische Anstalt in der Regel von einem Treuhänder gegründet wird (die Anonymität des wirtschaftlichen Inhabers bleibt also gewahrt), ist Liechtenstein eine erste Anlaufstelle für Steuerflucht, Scheingeschäfte und zur Steuerumgehung. Der BFH hat mit Urteil vom 26. April 2001 so eine liechtensteinische Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Sitztheorie als nicht rechtsfähig eingestuft und dementsprechend die hinter den Gesellschaften stehende Person als steuerpflichtigen Unternehmer behandelt.

Die Gründe, wieso in Liechtenstein Gesellschaften gegründet werden – in aller Regel die Anonymität des wahren Inhabers der Gesellschaft, das strenge Bank- und Steuergeheimnis sowie steuerlicher Aspekte – ziehen Gelder aus der Schattenwirtschaft und andere Gruppen an, die darauf Wert legen, dass sie nicht erkannt werden können. Zwar ist Liechtenstein von der bei der OECD angesiedelten ,,Financial Action Task Force on Money Laundering„ (FATF) im zwölften Bericht vom 22. Juni 2001 von der Liste der unkooperativen Staaten im Bereich der Geldwäsche genommen worden. Hingegen wurde Ungarn, einer der zehn Beitrittstaaten im Rahmen der ersten Osterweiterung der EU, 2001 in diese Liste aufgenommen (nach Änderungen in 2002 wurde Unganrn wieder von der Liste der unkooperativen Staaten genommen und befindet sich bis zum Beitritt Ungarns zu der EU auf der Beobachtungsliste.). Einer der Gründe, wieso Staaten als potentiell die Geldwäsche fördernd angesehen werden, entstammt zumindest dem Gesellschaftsrecht: Wenn der wahre Eigentümer einer rechtlichen oder geschäftlichen Einheit, wozu selbstverständlich in erster Linie juristische Personen zu zählen sind, nicht von den für die Kontrollmaßnahmen im Bereich der Geldwäsche zuständigen Stellen erkannt werden kann.

Die bevölkerungsarmen Gründungsstaaten Liechtenstein und Malta räumen den Gesellschaften (bzw. den Gesellschaftern, je nach der autonomen Regelung) die genannten steuerlichen Vorteile ein, wenn die Unernehmen im Gründungsstaat selber nicht geschäftlich aktiv tätig werden. Ziel einer solchen Gesetzgebung ist, eine möglichst hohe Anzahl an Gesellschaften im Inland zu registrieren. Diese Gesellschaften sollen aber im Gründungsstaat keine Investitionen tätigen oder Arbeitsplätze schaffen. Die steuerlichen Vergünstigen gelten nur dann, wenn den inländischen, werbend tätigen Unternehmen kein Wettbewerb gemacht werden kann. Für die Staaten kann der Anreiz zur Schaffung solcher Regelungen nur in der schieren Anzahl der im eigenen Land registrierten Gesellschaften liegen.

Durch diese Konstruktion entsteht offensichtlich eine Schieflage. Die Gründungsstaaten haben nur ein geringes Interesse an einer konsequenten Aufsicht der konkreten, möglicherweise auch unlauteren geschäftlichen Tätigkeit der Unternehmen, da diese ausschließlich im Ausland ihre Geschäfte abwickeln. Ferner würde so eine wirksame und durchgehenden Aufsicht und Kontrolle die wirtschaftlichen Vorteile die die Staaten durch die Ansiedlung der Sitzgesellschaften haben, höchstwahrscheinlich zunichte machen. Der Staat oder die Staaten, in denen diese Gesellschaften hingegen am Markt auftreten, sind in den aufsichtsrechtlichen Mitteln eingeschränkt. Sie haben die Gesellschaften hinzunehmen und können eigene Wertvorstellungen nicht oder nur eingeschränkt durchsetzen.

Damit machen diese Staaten anderen Staaten Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. Insbesondere das Beispiel der liechtensteinischen Gesellschaften zeigt, dass Staaten im EWR durchaus gewillt sind, durch besonders vorteilhafte Regelungen einen Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften zu führen. Diese angeworbenen Unternehmen dürfen aber den im eigenen Land tätigen Unternehmen keinen Wettbewerb machen. In meinen Augen stellen diese Konstruktionen eine vollkommene Umkehrung der von dem EGV beabsichtigten Ziele dar, denn der privat-wirtschaftliche Wettbewerb wird für den Gründungsstaat unterbunden und lediglich ein Wettbewerb zwischen den Staaten um die Ansiedlung von Gesellschaften geführt.

Pseudo-ausländischer Gesellschaften

Eine weitere Problematik wurde in der Rechtsache Inspire Art vor dem EuGH von der niederländischen Regierung und der Kammer für Koophandel en Fabriekeb voor Amsterdam dargestellt:

,,Wegen der ständig steigenden Zahl pseudo-ausländischer Gesellschaften vor allem nach englischem Recht und dem Recht des US-Staates Delaware, die keinerlei tatsächliche Verbindung mit dem Gründungsstaat hätten, habe sich der niederländische Gesetzgeber (…)
veranlasst gesehen, zum Schutz der Gläubigerinteressen, zur Betrugsbekämpfung, zur Gewährleistung der Effizenz der Steuerkontrolle und zur Vermeidung missbräuchlicher Nutzung ausländischer Gesellschaften (…) bestimmte begrenzte Maßnahmen zu ergreifen. Die Kammer von Koophandel fügt hinzu, dass eine auffallend große Zahl dieser Gesellschaften in Konkurse verwickelt gewesen sei und die Gläubiger fast keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Verluste zu beschränken..“


Siehe auch hier