Schlagwort-Archive: Gesellschaftsrecht

EuGH erklärt Steuerregelung zur Gewinnverschiebung für rechtswidrig

Im Urteil vom 12. September 2006 hat der EuGH eine britische Regelung für rechtswidrig erklärt, die sich gegen konzerninterne Gewinnverschiebungen aus Steuergründen richtet. Nach der britischen Regelung wird der Gewinn beherrschter ausländischer Gesellschaften, die mit dem Ziel gegründet wurden, in den Genuss einer günstigen Steuerregelung im Ausland zu kommen, der Muttergesellschaft zugerechnet.

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-196/04 — Cadbury Schweppes plc & Cadbury Schweppes Overseas Ltd / Commissioners of Inland Revenue:

Die Britischen Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften können nur auf rein künstliche steuerliche Gestaltungen Anwendung finden. Bei der Prüfung, ob eine beherrschte ausländische Gesellschaft einer wirklichen Tätigkeit nachgeht, müssen die nationalen Behörden objektive und von dritter Seite nachprüfbare Anhaltspunkte und nicht nur subjektive Überlegungen berücksichtigen.

Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs werden die Gewinne einer ausländischen Gesellschaft, deren Kapital zu mehr als 50 % von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft gehalten wird und die als beherrschte ausländische Gesellschaft (kurz: BAG) bezeichnet wird, der inländischen Gesellschaft zugerechnet und bei dieser besteuert, wenn der ausländische Steuersatz weniger als drei Viertel des im Vereinigten Königreich geltenden Steuersatzes beträgt. Die von der BAG entrichtete Steuer wird bei der inländischen Gesellschaft angerechnet. Dieses System bewirkt, dass die inländische Gesellschaft den Unterschiedsbetrag zwischen der im Ausland entrichteten Steuer und der Steuer zu zahlen hat, die angefallen wäre, wenn die BAG im Vereinigten Königreich ansässig gewesen wäre.

Von der Anwendung dieser Rechtsvorschriften gibt es eine Reihe von Ausnahmen, u. a. dann, wenn die BAG 90 % ihrer Gewinne an die inländische Gesellschaft ausschüttet oder wenn der „Motivtest“ bestanden wird. Um in den Genuss der letztgenannten Ausnahme zu kommen, muss eine Gesellschaft nachweisen, dass es weder Hauptziel der Umsätze, die zu den Gewinnen der BAG geführt haben, noch hauptsächlicher Existenzgrund der BAG war, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch einen Abfluss von Gewinnen herbeizuführen.

Hintergrund der Entscheidung

Die Cadbury Schweppes plc ist die Muttergesellschaft des Cadbury-Schweppes-Konzerns, dessen Geschäftsbereich im Getränke- und Süßwarensektor angesiedelt ist. Zum Konzern gehören u. a. zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury Schweppes Treasury Services (kurz: CSTS) und die Cadbury Schweppes Treasury International (kurz: CSTI), die beide im International Financial Services Centre (kurz: IFSC) in Dublin, Irland, niedergelassen sind, wo der Steuersatz im Jahr 1996 10 % betrug. Die Aufgabe dieser beiden Gesellschaften besteht darin, Geldmittel zu beschaffen und sie dem Konzern zur Verfügung zu stellen. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts wurden beide nur deshalb in Dublin errichtet, um unter die günstige Steuerregelung des IFSC und nicht unter bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs zu fallen.

Im Jahr 2000 verlangten die Commissioners of Inland Revenue (britische Steuerbehörde) in der Ansicht, dass die Rechtsvorschriften über BAG auf die beiden irischen Gesellschaften anwendbar seien, von der Cadbury Schweppes einen Körperschaftsteuerbetrag von 8 638 633,54 Pfund Sterling für die von der CSTI 1996 erzielten Gewinne.

Dagegen erhob die Cadbury Schweppes Klage bei den Special Commissioners of Income Tax, mit der sie geltend machte, dass die Rechtsvorschriften über BAG insbesondere im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Die Special Commissioners möchten vom Gerichtshof wissen, ob das Gemeinschaftsrecht Rechtsvorschriften wie denen über BAG entgegensteht.

Die Methode

Bei diesen Gesellschaften handelt es sich oft um Konstrukte, deren zentrales Anliegen die Verschiebung von Gewinnen ist.

Von der im Ausland angesiedelten Gesellschaft wird an die in einem Hochsteuerland liegende Mutter- bzw. Konzerngesellschaft Kapital gegen Zinszahlungen gestellt. Die Muttergesellschaft verbucht die Zinszahlungen als Verluste und verringert so den Gewinn. Zugleich werden die Zinsen bei der ausländischen Tochter als Gewinne mit dem im Ausland geltenden niedrigeren Steuersatz besteuert. Das gleiche Modell funktioniert bspw. auch mit konzerninternen Versicherungsgesellschaften oder Tochtergesellschaften, die Inhaber von Marken oder Patenten sind, die gegen Lizenzzahlungen der Mutter zur Nutzung überlassen werden.

Die Gewinne der Tochter können im Rahmen der Bestimmungen der Mutter-Tochter-Richtinie steuerfrei an die Muttergesellschaft ausgeschüttet werden. Werden so beispielsweise zehn Millionen Euro als Zinsen (Lizenzgebühren, Versicherungsprämien etc.) von einer Gesellschaft in einem Staat mit einem Steuersatz von 30 % an eine Tochtergesellschaft in einem Staat mit einem Steuersatz von 10 % gezahlt, verringert sich der Gewinn im Stat der Muttergesellschaft um zehn Millionen Euro und zugleich erhöht sich der Gewinn im Staat der Tochtergesellschaft um 10 Millionen Euro. Im Staat der Muttergesellschaft wären drei Millionen Euro Steuern zu zahlen, im Staat der Tochtergesellschaft fällt nur eine Millionen Euro an. Die Konstruktion bringt also zwei Mililionen Euro.

Bereits in der EuGH-Entscheidung Lankhorst-Hohorst (EuGH, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst) wurde ein von der OECD (Thin Capitalization Report, 1987) anerkanntes und in zahlreichen Staaten angewandtes Prinzip zur Vermeidung der Verschiebung von Gewinnen in ein Niedrig-Steuerland als gemeinschaftsrechtswidrig verworfen. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch hier die britische Regelung für gemeinschaftswidrig erklärt wurde.

Entscheidung

Der Gerichtshof erinnert daran, dass es Gesellschaften oder Personen verwehrt ist, sich missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften zu berufen. Der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, reicht für sich allein jedoch nicht aus, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit zu schließen. Die Entscheidung der Cadbury Schweppes, die CSTS und die CSTI eingestandenermaßen mit dem Ziel in Dublin anzusiedeln, in den Genuss einer günstigen Steuerregelung zu kommen, stellt daher an sich keinen Missbrauch dar und schließt nicht aus, dass die Cadbury Schweppes sich auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Rechtsvorschriften über BAG die inländischen Gesellschaften je nach dem Besteuerungsniveau für die von ihnen beherrschte Gesellschaft unterschiedlich behandeln. Diese unterschiedliche Behandlung führt zu einem Steuernachteil für die inländische Gesellschaft, auf die die Rechtsvorschriften über BAG anwendbar sind. Die Rechtsvorschriften über BAG beschränken somit die Niederlassungsfreiheit im Sinne des Gemeinschaftsrechts, indem sie für im EU-Ausland angesiedelte Tochtergesellschaften nachteilige Regelungen vorsehen, die für im Inland angesiedelte Gesellschaften nicht gelten.

Zu den möglichen Rechtfertigungen für solche Rechtsvorschriften stellt der Gerichtshof fest, dass eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, gerechtfertigt sein kann, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die allein dazu dienen, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen, und wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

Einige der im britischen Recht vorgesehenen Ausnahmen entlasten eine Gesellschaft in Situationen, in denen es ausgeschlossen erscheint, dass eine rein künstliche Gestaltung allein zu steuerlichen Zwecken vorliegt (z. B. die Ausschüttung von 90 % der Gewinne einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft oder die Entfaltung von Handelstätigkeiten durch die BAG). Zur Anwendung des „Motivtests“ stellt der Gerichtshof fest, dass es für den Schluss auf eine rein künstliche Gestaltung nicht ausreicht, dass das Streben nach Erleichterung der Steuerlast Anlass zur Gründung der BAG und zum Tätigen von Umsätzen zwischen dieser und der inländischen Gesellschaft war. Für die Feststellung des Vorliegens einer solchen Gestaltung ist außer einem subjektiven Element erforderlich, dass aus objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkten, die die inländische Gesellschaft insbesondere zum Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der BAG in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausstattung liefert, hervorgeht, dass die Gründung einer BAG nicht mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt, d. h. mit einer tatsächlichen Ansiedlung, deren Zweck darin besteht, im Aufnahmemitgliedstaat wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Es obliegt den Special Commissioners, zu prüfen, ob der Motivtest so ausgelegt werden kann, dass damit solche objektiven Kriterien berücksichtigt werden. In diesem Fall müssten die Rechtsvorschriften über BAG als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden. Bedeuten dagegen die Kriterien, auf denen dieser Test beruht, dass eine inländische Gesellschaft unter diese Rechtsvorschriften fällt, selbst wenn keine objektiven Anhaltspunkte für eine rein künstliche Gestaltung vorliegen, so wären die Rechtsvorschriften gemeinschaftsrechtswidrig.

Die offene Frage

Der EuGH hält zwar formelhaft weiterhin daran fest, dass die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen dürften, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Sie können sich nicht missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften berufen. Jedoch darf, so der EuGH, einem Gemeinschaftsangehörigen nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren (RdNr. 35 f. des Urteils)

So will der EuGH nationale Maßnahmen als gerechtfertigt ansehen, wenn die Maßnahme sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen. Wann dies aber der Fall sein kann, bleibt völlig im Dunkeln. Die Fälle, in denen eine Gesellschaft künstlich Gewinne aus dem Mitgliedstaat, in dem diese erzielt worden seien, in einen Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau verlagert, fallen jedenfalls nicht darunter. Ein solcher Fall ist bislang kaum vorstellbar.

Nach dem Urteil bestehen durchgreifende Zweifel, ob die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung im deutschen Steuerecht (§§7–14 Außensteuergesetz [AStG]) im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

12. September 2006(*)

„Niederlassungsfreiheit • Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften • Einbeziehung der Gewinne beherrschter ausländischer Gesellschaften in die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft”

In der Rechtssache C-196/04 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von den Special Commissioners of Income Tax, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 29. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2004, in dem Verfahren
Cadbury Schweppes plc und
Cadbury Schweppes Overseas Ltd
gegen
Commissioners of Inland Revenue

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann und A. Rosas sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, G. Arestis und A. Borg Barthet Generalanwalt: P. Léger, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2005, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Cadbury Schweppes plc und der Cadbury Schweppes Overseas Ltd, vertreten durch J. Ghosh, Barrister, und J. Henderson, Adviser,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, sowie von M. Lester und D. Ewart, Barristers,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Fraguas Gadea und M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Mercier als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von R. L. Nesbitt und A. Collins, SC, sowie von P. McGarry, BL,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato,
  • der zyprischen Regierung, vertreten durch A. Pantazi als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. de Menezes Leitão als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse und I. Willfors als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Mai 2006 folgendes

Urteil

  1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG.
  2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich die Cadbury Schweppes plc (im Folgenden: CS) und die Cadbury Schweppes Overseas Ltd (im Folgenden: CSO) zum einen und die Commissioners of Inland Revenue zum anderen wegen der Besteuerung der letztgenannten Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne gegenüberstehen, die 1996 von der Cadbury Schweppes Treasury International (im Folgenden: CSTI), einer im International Financial Services Centre Dublin (Irland) (im Folgenden: IFSC) niedergelassenen Gesellschaft des Cadbury–Schweppes–Konzerns, erzielt wurden.Nationales Recht
  3. Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland unterliegt eine in diesem Mitgliedstaat im Sinne des genannten Rechts ansässige Gesellschaft (im Folgenden: ansässige Gesellschaft) dort mit ihren Welteinkünften der Körperschaftsteuer (Corporation Tax). Diese Welteinkünfte umfassen die Gewinne, die von den Zweigniederlassungen oder Agenturen erzielt werden, über die die ansässige Gesellschaft ihre Aktivitäten außerhalb des Vereinigten Königreichs abwickelt.
  4. Im Gegensatz hierzu werden bei der ansässigen Gesellschaft grundsätzlich nicht die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften im Zeitpunkt der Erzielung dieser Gewinne besteuert. Auch werden bei ihr nicht die von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich ausgeschütteten Dividenden besteuert. Dagegen sind die an die ansässige Gesellschaft von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland ausgeschütteten Dividenden von der ansässigen Gesellschaft zu versteuern. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bestimmt das Steuerrecht des Vereinigten Königreichs allerdings, dass der ansässigen Gesellschaft eine Steuergutschrift in Höhe der Steuer gewährt wird, die von der ausländischen Tochtergesellschaft anlässlich der Erzielung der Gewinne entrichtet wird.
  5. Die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs über beherrschte ausländische Gesellschaften sehen eine Ausnahme von der allgemeinen Regel vor, nach der bei der ansässigen Gesellschaft nicht die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften anlässlich der Erzielung dieser Gewinne besteuert werden.
  6. Diese Rechtsvorschriften finden sich in den Sections 747 bis 756 und in den Anhängen 24 bis 26 des Gesetzes von 1988 über die Einkommen- und Körperschaftsteuer (Income and Corporation Taxes Act 1988) und sehen vor, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft — nach der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung der genannten Vorschriften (im Folgenden: Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften) ist dies eine ausländische Gesellschaft, deren Kapital zu mehr als 50 % von der ansässigen Gesellschaft gehalten wird — dieser ansässigen Gesellschaft zugerechnet und bei dieser besteuert werden, wobei die von der beherrschten ausländischen Gesellschaft in deren Ansässigkeitsstaat entrichtete Steuer angerechnet wird. Werden diese Gewinne dann in Form von Dividenden an die ansässige Gesellschaft ausgeschüttet, so gilt die von dieser im Vereinigten
    Königreich auf die Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaft entrichtete Steuer als zusätzliche, von der beherrschten ausländischen Gesellschaft im Ausland entrichtete Steuer und berechtigt zu einer Steuergutschrift, die auf die von der ansässigen Gesellschaft für diese Dividenden geschuldete Steuer anzurechnen ist.
  7. Die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sind dann anzuwenden, wenn die beherrschte ausländische Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat einem „niedrigeren Besteuerungsniveau” unterliegt, was nach diesen Vorschriften der Fall ist, wenn sich die von dieser Gesellschaft entrichtete Steuer in dem betreffenden Geschäftsjahr auf weniger als drei Viertel der Steuer beläuft, die im Vereinigten Königreich für die zu versteuernden Gewinne, wie diese zum Zweck einer Veranlagung in diesem Mitgliedstaat ermittelt worden wären, gezahlt worden wäre.
  8. Die Besteuerung, die sich aus der Anwendung der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, ist mit einer Reihe von Ausnahmen verbunden. Nach der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung dieser Vorschriften findet die Besteuerung in den folgenden Fälle nicht statt:
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft praktiziert eine „akzeptable Ausschüttungspolitik”; das bedeutet, dass ein bestimmter Prozentsatz (90 % im Jahr 1996) ihrer Gewinne binnen 18 Monaten nach ihrer Erzielung ausgeschüttet und bei einer ansässigen Gesellschaft besteuert wird.
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft geht im Sinne der genannten Rechtsvorschriften „steuerbefreiten Tätigkeiten” nach; hierunter fallen z. B. bestimmte Handelsaktivitäten, die von einer Niederlassung aus betrieben werden.
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft erfüllt die „Voraussetzung der Börsennotierung”; das bedeutet, dass sich 35 % der Stimmrechte im freien Verkehr befinden, die Tochtergesellschaft an einer anerkannten Börse notiert ist und ihre Anteile dort gehandelt werden.
    • Die zu versteuernden Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaft übersteigen nicht 50 000 GBP (De–minimis–Ausnahme).
  9. Die Besteuerung nach den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ist auch dann ausgeschlossen, wenn der so genannte „Motivtest” bestanden wird. Dieser umfasst zwei kumulative Anforderungen.
  10. Zum einen muss, wenn die Umsätze, die zu den Gewinnen der beherrschten ausländischen Gesellschaft im fraglichen Geschäftsjahr geführt haben, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich im Vergleich zu den Steuern nach sich gezogen haben, die ohne die genannten Umsätze angefallen wären, und wenn diese Minderung eine gewisse Schwelle überschreitet, die ansässige Gesellschaft beweisen, dass die Steuerminderung nicht das Hauptziel oder eines der Hauptziele dieser Umsätze war.
  11. Zum anderen muss die ansässige Gesellschaft beweisen, dass der Existenzgrund der beherrschten ausländischen Gesellschaft im fraglichen Geschäftsjahr nicht hauptsächlich oder nicht unter anderem hauptsächlich darin lag, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch Abfluss von Gewinnen herbeizuführen. Nach den Rechtsvorschriften liegt ein Abfluss von Gewinnen dann vor, wenn mit guten Gründen angenommen werden kann, dass die Einnahmen einer im Vereinigten Königreich ansässigen Person zugeflossen und bei ihr besteuert worden wären, falls es die beherrschte ausländische Gesellschaft oder eine verbundene, nicht im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft nicht gegeben hätte.
  12. In dem Vorabentscheidungsersuchen wird außerdem angegeben, dass die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs 1996 eine Liste von Staaten veröffentlicht haben, in denen unter bestimmten Bedingungen eine beherrschte ausländische Gesellschaft gegründet werden und ihren Geschäften nachgehen kann und dabei davon auszugehen ist, dass sie die Voraussetzungen dafür erfüllt, nicht unter die Besteuerung nach den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften zu fallen.Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage
  13. Die CS, eine ansässige Gesellschaft, ist die Muttergesellschaft des Cadbury–Schweppes–Konzerns, der sich aus Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, in anderen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten zusammensetzt. Zu diesem Konzern gehören insbesondere zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury Schweppes Treasury Services (im Folgenden: CSTS) und die CSTI, deren Kapital die CS mittelbar über eine Reihe von Tochtergesellschaften und letztlich über die CSO hält.
  14. Für die im IFSC niedergelassenen CSTS und CSTI galt zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ein Steuersatz von 10 %.
  15. Die CSTS und die CSTI beschaffen Geldmittel und stellen diese den Tochtergesellschaften des Cadbury–Schweppes–Konzerns zur Verfügung.
  16. Der Vorlageentscheidung zufolge ersetzte die CSTS eine ähnliche Struktur, zu der eine Gesellschaft mit Sitz auf Jersey gehörte. Sie sei in Verfolgung von drei Zwecken gegründet worden: Erstens sei es darum gegangen, ein Steuerproblem zu lösen, das sich für kanadische Steuerpflichtige gestellt habe, die Inhaber von Vorzugsaktien der CS gewesen seien, zweitens darum, zu vermeiden, die Zustimmung der Behörden des Vereinigten Königreichs für Auslandsdarlehen einholen zu müssen, und drittens darum, nach der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) die Quellensteuer auf innerhalb des Konzerns ausgeschüttete Dividenden zu verringern. Nach der Vorlageentscheidung hätten diese drei Ziele erreicht werden können, wenn die CSTS gemäß den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs gegründet worden wäre und sich in diesem Mitgliedstaat niedergelassen hätte.
  17. Die CSTI ist eine Tochtergesellschaft der CSTS. Das vorlegende Gericht führt aus, sie sei in Irland gegründet worden, um zu vermeiden, dass bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs über Devisen Anwendung fänden.
  18. Nach der Vorlageentscheidung steht fest, dass die CSTS und die CSTI zu dem alleinigen Zweck in Dublin errichtet wurden, die Gewinne, die mit den Aktivitäten der internen Finanzierung des Cadbury–Schweppes–Konzerns in Zusammenhang stehen, in den Genuss der steuerlichen Regelungen des IFSC kommen zu lassen.
  19. In Anbetracht des auf die im IFSC niedergelassenen Gesellschaften anwendbaren Steuersatzes unterlagen die Gewinne der CSTS und der CSTI einem „niedrigeren Besteuerungsniveau” im Sinne der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften. Was das Geschäftsjahr 1996 anbelangt, so waren die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs der Auffassung, dass keine der Voraussetzungen dafür, von der durch die genannten Vorschriften vorgesehenen Besteuerung abzusehen, in Bezug auf diese Tochtergesellschaften gegeben sei.
  20. Daher verlangten die Commissioners of Inland Revenue aufgrund der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften mit Entscheidung vom 18. August 2000 von der CSO einen Körperschaftsteuerbetrag von 8 638 633,54 GBP für die Gewinne der CSTI im zum 28. Dezember 1996 abgeschlossenen Geschäftsjahr. Der Steuerbescheid betrifft nur die von der CSTI erzielten Gewinne, da die CSTS im gleichen Geschäftsjahr mit Verlust abschloss.
  21. Am 21. August 2000 erhoben die CS und die CSO bei den Special Commissioners of Income Tax, London, Klage gegen diesen Steuerbescheid. Vor diesem Gericht trugen sie vor, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften gegen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG verstießen.
  22. Das vorlegende Gericht legt dar, dass es sich einer Reihe von Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf die bei ihm anhängige Rechtssache gegenübersehe.
  23. Erstens wirft es die Frage auf, ob die CS die vom EG–Vertrag eingeräumten Grundfreiheiten missbraucht habe, indem sie Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu dem alleinigen Zweck gegründet und mit Kapital ausgestattet habe, in den Genuss eines im Vergleich zu dem des Vereinigten Königreichs günstigeren Steuersystems zu gelangen.
  24. Zweitens fragt es sich, ob unter den Umständen des vorliegenden Falles, vorausgesetzt, dass die CS wirklich nur die genannten Freiheiten wahrgenommen hat, die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als eine Beschränkung dieser Freiheiten oder als eine Diskriminierung angesehen werden müssen.
  25. Für den Fall, dass die genannten Rechtsvorschriften als Beschränkung der vom Vertrag gewährleisteten Freiheiten anzusehen sein sollten, fragt sich das vorlegende Gericht drittens, ob eine solche Beschränkung verneint werden kann, wenn die CS nicht mehr Steuern zu zahlen hat, als die CSTS und die CSTI entrichtet hätten, wären sie im Vereinigten Königreich niedergelassen. Das vorlegende Gericht stellt sich außerdem die Frage, ob es von Bedeutung ist, dass sich zum einen die Regeln für die Ermittlung der Steuerschuld in Bezug auf die Einkünfte von CSTS und CSTI in mancher Hinsicht von den normalerweise auf die Tochtergesellschaften der CS im Vereinigten Königreich anwendbaren Regeln unterscheiden und dass zum anderen die Verluste einer beherrschten ausländischen Gesellschaft nicht von den Gewinnen einer anderen solchen Gesellschaft oder den Gewinnen der CS und ihrer Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich abgezogen werden können, während ein solcher Abzug zugelassen worden wäre, wenn die CSTS und die CSTI im Vereinigten Königreich niedergelassen wären.
  26. Für den Fall, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als Diskriminierung angesehen werden, fragt sich das vorlegende Gericht viertens, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens mit der Gründung von Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich durch die CS oder aber mit der Gründung von Tochtergesellschaften durch diese in einem Mitgliedstaat zu vergleichen ist, in dem kein niedrigeres Besteuerungsniveau im Sinne dieser Rechtsvorschriften besteht.
  27. Für den Fall, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als diskriminierend oder als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit erachtet werden, fragt sich das vorlegende Gericht fünftens, ob diese Rechtsvorschriften sich mit Gründen der Bekämpfung der Steuerumgehung rechtfertigen lassen, da sie darauf abzielten, die Verringerung oder den Abfluss von im Vereinigten Königreich der Steuer unterliegenden Gewinnen zu verhindern, und gegebenenfalls, ob diese Rechtsvorschriften in Anbetracht ihres Zweckes und der Befreiung verhältnismäßig sind, in deren Genuss die Gesellschaften kommen können, die anders als die CS im Rahmen des Motivtests den Beweis zu erbringen vermögen, dass sie keine Steuerumgehung beabsichtigen.
  28. Aufgrund all dieser diversen Überlegungen haben die Special Commissioners of Income Tax, London, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Stehen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG nationalen Steuervorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, die unter bestimmten Umständen vorsehen, dass eine im betreffenden Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft wegen der Gewinne einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft, die dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt, steuerlich belastet wird?Zur Vorlagefrage
  29. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG nationalen Steuervorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen, dass eine Muttergesellschaft in Ansehung der Gewinne besteuert wird, die eine beherrschte ausländische Gesellschaft erzielt hat.
  30. Diese Frage ist in dem Sinne zu verstehen, dass sie sich auch auf Artikel 48 EG bezieht, der den in Artikel 43 EG genannten natürlichen Personen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, für die Anwendung der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit gleichstellt.
  31. Nach ständiger Rechtsprechung fallen nationale Vorschriften in den sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. April 2000 in der Rechtssache C–251/98, Baars, Slg. 2000, I–2787, Randnr. 22, und vom 21. November 2002 in der Rechtssache C–436/00, X und Y, Slg. 2002, I–10829, Randnr. 37).
  32. Im vorliegenden Fall betreffen die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften den Fall, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Gewinne von Tochtergesellschaften mit Sitz außerhalb des Vereinigten Königreichs besteuert werden, an denen eine ansässige Gesellschaft eine Beteiligung hält, die ihr die Kontrolle über diese Gesellschaften einräumt. Die Vorschriften sind daher im Hinblick auf die Artikel 43 EG und 48 EG zu prüfen.
  33. Sofern die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und Irland vortragen, beschränkende Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit und auf die Kapitalverkehrsfreiheit haben, sind derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen jedenfalls keine eigenständige Prüfung der genannten Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Artikel 49 EG und 56 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C–36/02, Omega, Slg. 2004, I–9609, Randnr. 27).
  34. Bevor die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften im Hinblick auf die Artikel 43 EG und 48 EG geprüft werden, ist auf die vorab vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage zu antworten, ob es einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu dem alleinigen Zweck gründet und mit Kapital ausstattet, in den Genuss eines dort geltenden günstigeren Steuersystems zu gelangen.
  35. Zwar dürfen die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Sie können sich nicht missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften berufen (Urteile vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 115/78, Knoors, Slg. 1979, 399, Randnr. 25, vom 3. Oktober 1990 in der Rechtssache C–61/89, Bouchoucha, Slg. 1990, I–3551, Randnr. 14, und vom 9. März 1999 in der Rechtssache C–212/97, Centros, Slg. 1999, I–1459, Randnr. 24).
  36. Doch darf einem Gemeinschaftsangehörigen, sei er nun eine natürliche oder eine juristische Person, nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C–364/01, Barbier, Slg. 2003, I–15013, Randnr. 71).
  37. Was die Niederlassungsfreiheit betrifft, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, für sich allein nicht ausreicht, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung dieser Freiheit zu schließen (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 27, und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C–167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I–10155, Randnr. 96).
  38. Der Umstand, dass die CS sich im vorliegenden Fall dafür entschieden hat, die CSTS und die CSTI eingestandenermaßen mit dem Ziel im IFSC anzusiedeln, in den Genuss der günstigen Steuerregelung zu kommen, die eine solche Niederlassung verschafft, begründet demnach, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die belgische Regierung sowie in der Sitzung die zyprische Regierung betont haben, als solcher keinen Missbrauch. Dies schließt daher nicht aus, dass sich die CS auf die Artikel 43 EG und 48 EG berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 18, und Inspire Art, Randnr. 98).
  39. Es ist daher zu prüfen, ob die Artikel 43 EG und 48 EG der Anwendung von Rechtsvorschriften wie denjenigen über die beherrschten ausländischen Gesellschaften entgegenstehen.
  40. Nach ständiger Rechtsprechung fallen zwar die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (Urteile vom 29. April 1999 in der Rechtssache C–311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I–2651, Randnr. 19, vom 7. September 2004 in der Rechtssache C–319/02, Manninen, Slg. 2004, I–7477, Randnr. 19, und vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache C–446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, I–10837, Randnr. 29).c
  41. Mit der Niederlassungsfreiheit, die Artikel 43 EG den Gemeinschaftsangehörigen zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Niederlassung für dessen eigene Angehörige festgelegten umfasst, ist gemäß Artikel 48 EG für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. insbesondere Urteile vom 21. September 1999 in der Rechtssache C–307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I–6161, Randnr. 35, Marks & Spencer, Randnr. 30, und vom 23. Februar 2006 in der Rechtssache C–471/04, Keller Holding, Slg. 2006, I–0000, Randnr. 29).
  42. Auch wenn die Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, so verbieten sie es doch auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C–264/96, ICI, Slg. 1998, I–4695, Randnr. 21, und Marks & Spencer, Randnr. 31).
  43. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften die ansässigen Gesellschaften je nach dem Besteuerungsniveau für die Gesellschaft, an der sie eine die Kontrolle über diese Gesellschaft einräumende Beteiligung halten, unterschiedlich behandeln.
  44. Denn wenn die ansässige Gesellschaft eine beherrschte ausländische Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet hat, in dem diese einem niedrigeren Besteuerungsniveau im Sinne der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften unterliegt, so werden die von einer solchen beherrschten Gesellschaft erzielten Gewinne kraft dieser Rechtsvorschriften der ansässigen Gesellschaft zugerechnet, die in Bezug auf diese Gewinne besteuert wird. Wenn die beherrschte Gesellschaft dagegen im Vereinigten Königreich oder in einem Staat, in dem sie nicht einem niedrigeren Besteuerungsniveau im Sinne der genannten Rechtsvorschriften unterliegt, gegründet worden ist und besteuert wird, so sind diese Rechtsvorschriften nicht anwendbar und wird nach dem Körperschaftsteuerrecht des Vereinigten Königreichs die ansässige Gesellschaft unter derartigen Umständen nicht in Bezug auf die Gewinne der beherrschten Gesellschaft zur Steuer herangezogen.
  45. Diese unterschiedliche Behandlung führt zu einem Steuernachteil für die ansässige Gesellschaft, auf die die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften anwendbar sind. Selbst wenn man nämlich, wie es die Regierungen des Vereinigten Königreichs sowie die dänische, die deutsche, die französische, die portugiesische, die finnische und die schwedische Regierung vorschlagen, den etwaigen, vom vorlegenden Gericht angeführten Umstand berücksichtigt, dass eine solche ansässige Gesellschaft für die Gewinne einer in den Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften fallenden beherrschten ausländischen Gesellschaft keine höheren Steuern entrichtet, als für diese Gewinne angefallen wären, wenn sie von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich erzielt worden wären, so ändert dies nichts daran, dass bei Anwendung derartiger Rechtsvorschriften die ansässige Gesellschaft für Gewinne einer anderen juristischen Person zur Steuer herangezogen wird. Dies geschieht jedoch nicht bei einer ansässigen Gesellschaft, die eine im Vereinigten Königreich besteuerte Tochtergesellschaft hat oder deren Tochtergesellschaft mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats keinem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt.
  46. Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sowie Irland und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften geltend machen, sind die unterschiedliche steuerliche Behandlung, die sich aus den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, und der daraus resultierende Nachteil für ansässige Gesellschaften mit einer in einem anderen Mitgliedstaat einem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegenden Tochtergesellschaft dazu geeignet, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch solche Gesellschaften zu behindern, indem diese davon abgebracht werden, eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat zu gründen, zu erwerben oder zu behalten, in dem diese einem solchen Besteuerungsniveau unterliegen würde. Hierin besteht somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Artikel 43 EG und 48 EG.
  47. Eine solche Beschränkung ist nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber außerdem die Beschränkung geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (Urteile vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C–250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I–2471, Randnr. 26, vom 11. März 2004 in der Rechtssache C–9/02, De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I–2409, Randnr. 49, sowie Marks & Spencer, Randnr. 35).
  48. Die Regierung des Vereinigten Königreichs, unterstützt von der dänischen, der deutschen, der französischen, der portugiesischen, der finnischen und der schwedischen Regierung, trägt vor, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften den Kampf gegen eine besondere Form der Steuerumgehung bezweckten, die darin bestehe, dass eine ansässige Gesellschaft künstlich Gewinne aus dem Mitgliedstaat, in dem diese erzielt worden seien, dadurch in einen Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau verlagere, dass sie dort eine Tochtergesellschaft gründe und dass sie Rechtsgeschäfte tätige, die hauptsächlich dazu bestimmt seien, eine solche Verlagerung zugunsten dieser Tochtergesellschaft herbeizuführen.
  49. Insoweit geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass ein Vorteil, der aus der relativ geringen steuerlichen Belastung einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Muttergesellschaft gegründet worden ist, resultiert, als solcher dem letztgenannten Mitgliedstaat nicht das Recht gibt, diesen Vorteil durch eine weniger günstige steuerliche Behandlung der Muttergesellschaft auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 21; vgl. auch analog Urteile vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C–294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I–7447, Randnr. 44, und vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C–422/01, Skandia und Ramstedt, Slg. 2003, I–6817, Randnr. 52). Die Notwendigkeit, einen Steuerausfall zu vermeiden, gehört weder zu den in Artikel 46 Absatz 1 EG genannten Gründen noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C–136/00, Danner, Slg. 2002, I–8147, Randnr. 56, und Skandia und Ramstedt, Randnr. 53).
  50. Auch ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Umstand allein, dass eine ansässige Gesellschaft eine Zweitniederlassung, wie etwa eine Tochtergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat gründet, nicht die allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen und keine die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigende Maßnahme rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI, Randnr. 26, vom 26. September 2000 in der Rechtssache C–478/98, Kommission/Belgien, Slg. 2000, I–7587, Randnr. 45, X und Y, Randnr. 62, und vom 4. März 2004 in der Rechtssache C–334/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I–2229, Randnr. 27).
  51. Eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI, Randnr. 26, vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C–324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I–11779, Randnr. 37, De Lasteyrie du Saillant, Randnr. 50, und Marks & Spencer, Randnr. 57).
  52. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen ist insbesondere das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Niederlassungsfreiheit verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 25, und X und Y, Randnr. 42).
  53. Dieses Ziel besteht darin, es den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweitniederlassung zu gründen, um dort ihren Tätigkeiten nachzugehen, und so die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Durchdringung auf dem Gebiet der selbständigen Erwerbstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern (vgl. Urteil vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Randnr. 21). Zu diesem Zweck will die Niederlassungsfreiheit es den Staatsangehörigen der Gemeinschaft ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C–55/94, Gebhard, Slg. 1995, I–4165, Randnr. 25).
  54. In Anbetracht dieses Zieles der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat impliziert der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit (vgl. Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C–221/89, Factortame u. a., Slg. 1991, I–3905, Randnr. 20, und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C–246/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I–4585, Randnr. 21). Daher setzt sie eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem voraus.
  55. Folglich lässt sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liegt, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird.
  56. Verhaltensweisen von der Art, wie sie in der vorstehenden Randnummer beschrieben worden sind, können wie die in Randnummer 49 des oben zitierten Urteils Marks & Spencer genannten Praktiken, die darin bestehen, Übertragungen von Verlusten innerhalb eines Konzerns auf diejenigen Gesellschaften zu organisieren, die in den Mitgliedstaaten ansässig waren, in denen die höchsten Steuersätze galten und folglich der steuerliche Wert dieser Verluste am höchsten war, das Recht der Mitgliedstaaten in Gefahr bringen, ihre Steuerzuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben, und so die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. Urteil Marks & Spencer, Randnr. 46).
  57. In Anbetracht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob sich die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die sich aus den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, mit Gründen der Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen rechtfertigen lässt und ob sie sich gegebenenfalls im Hinblick auf dieses Ziel als verhältnismäßig erweist.
  58. Die genannten Vorschriften betreffen Situationen, in denen eine ansässige Gesellschaft eine beherrschte ausländische Gesellschaft gegründet hat, die im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung einem Besteuerungsniveau unterliegt, das sich auf weniger als drei Viertel der Steuer beläuft, die im Vereinigten Königreich zu entrichten gewesen wäre, wenn die Gewinne dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft dort besteuert worden wären.
  59. Dadurch, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorsehen, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft, die einem sehr günstigen Steuerrecht unterliegt, in die Steuerbemessungsgrundlage der ansässigen Gesellschaft einfließen, ermöglichen sie es, Praktiken entgegenzuwirken, deren einziges Ziel darin besteht, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird. Wie die französische, die finnische und die schwedische Regierung vorgetragen haben, sind solche Vorschriften daher geeignet, das Ziel zu erreichen, auf das hin sie erlassen worden sind.
  60. Es ist noch zu prüfen, ob die genannten Vorschriften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
  61. Die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sehen mehrere Fälle vor, in denen die Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaften nicht von der ansässigen Gesellschaft zu versteuern sind. Einige dieser Ausnahmen ermöglichen es, die ansässige Gesellschaft in Situationen zu entlasten, in denen es als ausgeschlossen erscheint, dass eine rein künstliche Gestaltung allein zu steuerlichen Zwecken vorliegt. So lässt sich der Ausschüttung praktisch aller Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft an eine ansässige Gesellschaft entnehmen, dass es dieser nicht darum geht, sich der britischen Steuer zu entziehen. Wenn die beherrschte ausländische Gesellschaft Handelsaktivitäten nachgeht, so schließt das seinerseits das Bestehen einer künstlichen Gestaltung ohne jede echte wirtschaftliche Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat aus.
  62. Falls keine dieser Ausnahmen eingreift, kann von der durch die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorgesehenen Besteuerung dann abgesehen werden, wenn die Niederlassung und die Tätigkeiten der beherrschten ausländischen Gesellschaft den Anforderungen des Motivtests genügen. Diese bestehen im Wesentlichen darin, dass die ansässige Gesellschaft beweisen muss, dass zum einen der signifikante Steuerrückgang im Vereinigten Königreich, der sich aus den Umsätzen zwischen dieser Gesellschaft und der beherrschten ausländischen Gesellschaft ergibt, nicht das Hauptziel oder eines der Hauptziele dieser Umsätze war, und dass zum anderen die Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch Abfluss von Gewinnen im Sinne der genannten Rechtsvorschriften weder das Hauptmotiv noch eines der Hauptmotive für die Gründung der beherrschten ausländischen Gesellschaft war.
  63. Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die belgische Regierung und die Kommission vorgetragen haben, kann die Tatsache, dass keine der von den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorgesehenen Ausnahmen hier eingreift und dass das Streben nach Erleichterung der Steuerlast Anlass zur Gründung der beherrschten ausländischen Gesellschaft und zum Tätigen von Umsätzen zwischen dieser und der ansässigen Gesellschaft war, nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass eine rein künstliche Gestaltung vorliegt, die lediglich dazu bestimmt ist, der genannten Steuer zu entgehen.
  64. Denn für die Feststellung des Vorliegens einer solchen Gestaltung ist außer einem subjektiven Element, das in dem Streben nach einem Steuervorteil besteht, erforderlich, dass aus objektiven Anhaltspunkten hervorgeht, dass trotz formaler Beachtung der im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Voraussetzungen der mit der Niederlassungsfreiheit verfolgte Zweck, wie er in den Randnummern 54 und 55 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, nicht erreicht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C–110/99, Emsland-Stärke, Slg. 2000, I–11569, Randnrn. 52 und 53, und vom 21. Februar 2006 in der Rechtssache C––255/02, Halifax u. a., Slg. 2006, I–0000, Randnrn. 74 und 75).
  65. Dementsprechend sind die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften nur dann gemeinschaftsrechtskonform, falls die von ihnen vorgesehene Besteuerung ausgeschlossen ist, wenn die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt.
  66. Diese Gründung muss mit einer tatsächlichen Ansiedlung zusammenhängen, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen, wie aus der in den Randnummern 52 bis 54 des vorliegenden Urteils erwähnten Rechtsprechung hervorgeht.
  67. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission in der Sitzung vorgetragen haben, muss diese Feststellung auf objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten beruhen, die sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der beherrschten ausländischen Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.
  68. Führt die Prüfung solcher Anhaltspunkte zu der Feststellung, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft nur mit einer fiktiven Ansiedlung zusammenhängt, die keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entfaltet, so ist die Gründung dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft als eine rein künstliche Gestaltung anzusehen. Dergleichen könnte insbesondere bei einer Tochtergesellschaft der Fall sein, die eine „Briefkastenfirma” oder eine „Strohfirma” ist (vgl. Urteil vom 2. Mai 2006 in der Rechtssache C–341/04, Eurofood IFSC, Slg. 2006, I–0000, Randnrn. 34 und 35).
  69. Demgegenüber erlaubt, wie der Generalanwalt in Nummer 103 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Umstand, dass die den Gewinnen der beherrschten ausländischen Gesellschaft entsprechenden Tätigkeiten ebenso gut von einer im Hoheitsgebiet desjenigen Mitgliedstaats, in dem die ansässige Gesellschaft angesiedelt ist, niedergelassenen Gesellschaft hätten ausgeführt werden können, nicht den Schluss, dass eine rein künstliche Gestaltung vorliegt.
  70. Der ansässigen Gesellschaft, die hierzu am ehesten in der Lage ist, ist die Gelegenheit zu geben, Beweise für die tatsächliche Ansiedlung der beherrschten ausländischen Gesellschaft und deren tatsächliche Betätigung vorzulegen.
  71. Angesichts der von der ansässigen Gesellschaft vorgelegten Beweise haben die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit, um die erforderlichen Informationen über die tatsächliche Lage der beherrschten ausländischen Gesellschaft zu erhalten, auf die Mechanismen der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen nationalen Steuerverwaltungen zurückzugreifen, wie sie durch die von Irland in seinen schriftlichen Erklärungen erwähnten Rechtsakte geschaffen wurden, nämlich auf die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) und, im vorliegenden Fall, auf das Abkommen vom 2. Juni 1976 zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland einerseits und Irland andererseits zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern auf Einkommen und Kapitalerträge.
  72. Hier obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Motivtest, wie er von den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften festgelegt ist, in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs so ausgelegt werden kann, dass er es ermöglicht, die Anwendung der von diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Besteuerung auf rein künstliche Gestaltungen zu beschränken, oder ob vielmehr die Kriterien, auf denen dieser Test beruht, bedeuten, dass die ansässige Gesellschaft selbst dann, wenn keine objektiven Anhaltspunkte für eine solche Gestaltung vorliegen, unter diese Rechtsvorschriften fällt, sobald nur keine der von ihnen vorgesehenen Ausnahmen eingreift und das Streben nach einer Steuerminderung im Vereinigten Königreich zu den zentralen Gründen der Errichtung der beherrschten ausländischen Gesellschaft zählt.
  73. Im ersten Fall müssten die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als mit den Artikeln 43 EG und 48 EG vereinbar angesehen werden.
  74. Im zweiten Fall wären die genannten Vorschriften hingegen, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Kommission und in der Sitzung die zyprische Regierung vorgetragen haben, als gegen die Artikel 43 EG und 48 EG verstoßend zu betrachten.
  75. Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Artikel 43 EG und 48 EG dahin auszulegen sind, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.Kosten
  76. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Die Artikel 43 EG und 48 EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.

Mutter-Tochter-Richtlinie in Spanien, Italien und Luxemburg

Die Europäische Kommission hat beschlossen, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen Italien und Luxemburg wegen Nichtannahme und Nichtmitteilung der Maßnahmen zu erheben, die zur Umsetzung der Richtlinie 2003/123/EG zur Änderung der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften erforderlich sind. Sie will ferner Spanien auffordern, eine Bestimmung zu ändern, nach der automatisch von einem Missbrauch ausgegangen wird, wenn eine spanische Gesellschaft einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft, die sich im Eigentum einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft befindet, Dividenden zahlt.

Klagen gegen Italien und Luxemburg

Die Europäische Kommission hat beschlossen, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen Italien und Luxemburg wegen Nichtannahme und Nichtmitteilung der Maßnahmen zu erheben, die zur Umsetzung der Richtlinie 2003/123/EG zur Änderung der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften erforderlich sind. Die beiden Mitgliedstaaten sind ihren Verpflichtungen trotz der förmlichen Aufforderung der Kommission vom 5. Juli 2005 (IP/05/941) nicht nachgekommen.

Ziel der Richtlinie 2003/123/EG ist die Erweiterung des Geltungsbereichs und die verbesserte Anwendung der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften (Richtlinie 90/435/EWG des Rates). Diese Richtlinie befreit Dividendenzahlungen von in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaften an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaften von der Quellensteuer. Die Änderungsrichtlinie enthält außerdem eine aktualisierte Liste der Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie von 1990 fallen. Sie lockert die Bedingungen für die Befreiung von der Quellensteuer, indem sie die Mindestbeteiligung herabsetzt, ab der eine Gesellschaft als „Mutter-/Tochtergesellschaft“ gilt. Außerdem beseitigt sie die Doppelbesteuerung von Enkelgesellschaften. Die Mitgliedstaaten hätten ihre Maßnahmen zur Umsetzung der genannten Richtlinie bis zum ersten Januar 2005 angenommen und der Kommission mitgeteilt haben müssen.

Verfahren gegen Spanien

Die Europäische Kommission will Spanien förmlich auffordern, eine Bestimmung zu ändern, nach der automatisch von einem Missbrauch ausgegangen wird, wenn eine spanische Gesellschaft einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft, die sich im Eigentum einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft befindet, Dividenden zahlt. Nach Ansicht der Kommission verstößt diese Bestimmung gegen die Mutter-/Tochter-Richtlinie. Die Aufforderung ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. Wenn Spanien seine Rechtsvorschriften nicht innerhalb von zwei Monaten ändert, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

„Nach gefestigter Rechtsprechung sollten Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung, mit denen die im Vertrag gewährten Freiheiten eingeschränkt werden, gezielt erfolgen“, erklärte László Kovács, für Steuern und Zollunion zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. „Steuerliche Maßnahmen, bei denen automatisch von einem Missbrauch ausgegangen wird, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob ein solcher Missbrauch auch tatsächlich gegeben ist, hat der Gerichtshof stets verworfen.“

Artikel 5 Absatz 1 der Mutter-/Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) verpflichtet die Mitgliedstaaten, die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle zu befreien.

Nach spanischem Recht wird jedoch auf Dividendenausschüttungen einer spanischen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ein Steuerabzug an der Quelle vorgenommen, wenn sich diese Muttergesellschaft im Eigentum einer Gesellschaft aus einem Drittland (einem Land außerhalb der EU) befindet, und zwar auch dann, wenn die Muttergesellschaft alle Voraussetzungen der Mutter-/Tochter-Richtlinie erfüllt.

Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum, um abweichend von den materiellrechtlichen Vorschriften der Richtlinie einzelstaatliche oder vertragliche Bestimmungen zur Verhinderung von Missbräuchen anzuwenden. Solche Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.

Nach Ansicht der Kommission ist die Maßnahme Spaniens nicht mit dieser Bedingung vereinbar, denn sie wird automatisch auf alle Fälle angewandt, in denen sich eine in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft im Eigentum einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft befindet, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt.

BGH bekräftigt Rechtsprechung zu Briefkastengesellschaften

Wie nach den maßgeblichen Entscheidungen des EuGH nicht anders zu erwarten war, urteilte der BGH, dass auf eine englische Limited trotz des Sitzes in Deutschland englisches Recht anzuwenden ist. Wenn die deutschen Gründungsvorschriften nicht beachtet wurden, führt dies nicht zum Durchgriff auf den Geschäftsführer.

Die Leitsätze des Urteils (Akzenzeichen: II ZR 5/03, Verkündet am: 14. März 2005) lauten wie folgt:

a) Die Haftung des Geschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer gemäß Companies Act 1985 in England gegründeten private limited company mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht.

b) Der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) steht entgegen, den Geschäftsführer einer solchen englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland wegen fehlender Eintragung in einem deutschen Handelsregister der persönlichen Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG für deren rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten zu unterwerfen.

Somit steht denn fest, dass Gründer sich unter den verschiedene angebotenen Gesellschaften innerhalb der EU die ihnen am gelegensten kommende Gesellschaftsform auswählen können. Das ist zur Zeit noch die englische Limited, da diese in der Regel mit 100 britschen Pfund Stammkapital (wenige EUR genügen) gegründet wird. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis bspw. Malta oder Zypern mit besseren Angeboten die Nachfrage nach Gesellschaften auf sich ziehen werden – so wie in den USA der Kleinststaat Delaware mit weniger als 1 Mio. Einwohner Gründungsstaat von über 50 % der börsennotierten Gesellschaften ist.

Wie allerdings mit Gesellschaften aus Liechtenstein verfahren werden soll, die wohl ebenso anerkannt werden müssen, ist noch unklar. Während in Deutschland der Fiskus inzwischen die Möglichkeit hat, die Bankkonten einzusehen, ist es bei den liechtensteinischen Treuhandgesellschaften praktisch unmöglich, herauszufinden, wer wirtschaftlicher Eigentümer ist. Und Liechteinstein gilt nachwievor als unkooperative Steueroase — bspw. hat außer Österreich kein anderer Mitgliedstaat mit dem Fürstentum ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von technischen Gasen befasst, stellte der U. Ltd. (nachfolgend U. Ltd.) für vertraglich vereinbarte Gaslieferungen und Vermietung von Gasflaschen in den Jahren 2000 und 2001 einen – unstreitigen – Gesamtbetrag von 3.393,87 DM in Rechnung. Die U. Ltd., deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagte ist, wurde schon vorher – am 11. Februar 2000 – gemäß dem Companies Act 1985 im Companies House, C./UK als private limited company mit eingetragenem (Haupt-)Sitz in L. registriert. Die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fand hingegen – von ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz in G. aus – nur in Deutschland statt, ohne dass deren Eintragung in ein deutsches Handelsregister erfolgt wäre. Die Rechnungen der Klägerin blieben unbezahlt. Auf einen gegen die U. Ltd. gestellten Insolvenzantrag wurde durch Beschlug des Amtsgerichts H. vom 20. September 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Die Klägerin nahm daraufhin wegen der unbeglichenen Rechnungen den Beklagten als für die U. Ltd. Handelnden persönlich in Anspruch und erwirkte gegen ihn einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 16. Juli 2002. Auf den Einspruch des Beklagten hat das zuständige Amtsgericht S. den Vollstreckungsbescheid – mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen – aufrecht erhalten. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte hafte wegen Fehlens einer Eintragung der U. Ltd. als Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem deutschen Handelsregister als handelnder Gesellschafter-Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG persönlich für die in ihrem Namen begründeten Kaufpreis- und Mietzinsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin. Europarechtliche Normen stünden einer persönlichen Haftung des Beklagten nicht entgegen. Zwar verstoße es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: EuGH) im Urteil vom 5. November 2002 (ZIP 2002, 2037 – Überseering) gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG), wenn einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründeten Gesellschaft von einem anderen Mitgliedstaat, in den sie ihren Verwaltungssitz verlegt habe, die Rechts- und Parteifähigkeit abgesprochen werde; jedoch rechtfertigten zwingende Gründe des Gemeinwohls Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Im Gläubigerinteresse sei durch Anwendung der Sitztheorie sicherzustellen, dass eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland – wie hier die U. Ltd. – den deutschen Gründungsvorschriften unterworfen werde. Ihrer Umgehung müsse durch eine persönliche Haftung der für die Auslandsgesellschaft handelnden Personen analog § 11 Abs. 2 GmbHG begegnet werden.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Das Berufungsurteil ist allerdings nicht bereits wegen Fehlens eines Tatbestandes gemäß § 540 ZPO als eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben. Zwar enthält das Urteil des Landgerichts über die – insoweit zulässige – Inbezugnahme der tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hinaus keine Ausführungen zum zweitinstanzlichen Begehren des Beklagten als Berufungskläger. Jedoch ist – was ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 26. Februar 2003 – VIII ZR 262/02, NJW 2003, 747 m.w.Nachw.; st.Rspr.) – dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Berufungsurteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte mit der Berufung gegen seine Verurteilung durch das Amtsgericht sein Klageabweisungsbegehren unverändert weiterverfolgt.

2. Das Urteil des Landgerichts hat aber deshalb keinen Bestand, weil die Gleichsetzung der wirksam als limited liability company gegründeten und damit nach englischem Recht rechtsfähigen U. Ltd. mit einer – mangels Eintragung in einem deutschen Handelsregister – nicht als GmbH existenten Gesellschaft (§ 11 Abs. 1 GmbHG) und die daraus abgeleitete persönliche Handelndenhaftung des Beklagten als Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die Verbindlichkeiten der U. Ltd. aus den von ihm selbst in deren Namen abgeschlossenen Kauf- und Mietverträgen mit der Klägerin mit der in Art. 43 und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar ist.

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (vgl. EuGH, Urt. v. 5. November 2002 – Rs C-208/00, ZIP 2002, 2037 – Überseering; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – Rs C-167/01, ZIP 2003, 1885 – Inspire Art; vgl. auch BGHZ 154, 185, 189; vgl. ferner zur vergleichbaren Rechtslage beim Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag: BGHZ 153, 353, 356 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 – II ZR 389/02, ZIP 2004, 1402 m.w.Nachw.; BGH, Urt. v. 13. Oktober 2004 – I ZR 245/01, ZIP 2004, 2230, 2231). Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft folgt zugleich, dass deren Personalstatut auch in bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist (vgl. BGHZ 154, 185, 189 – auch zur passiven Parteifähigkeit; BGH, Urt. v. 23. April 2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 aaO, S. 1403).

Danach scheidet im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die von ihm als Geschäftsführer namens der U. Ltd. rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten aus; nach dem für das Personalstatut dieser private limited company (Kapitalgesellschaft) maßgeblichen englischen Recht haftet deren Geschäftsführer als Leitungsorgan – wie im deutschen GmbH-Recht – grundsätzlich nicht persönlich für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten.

b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH ist es selbst unter Gläubigerschutzgesichtspunkten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, wenn das Landgericht im vorliegenden Fall hinsichtlich der Frage einer Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers der U. Ltd. deren maßgebliches Personalstatut (ausnahmsweise) nicht an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht, sondern an das Recht ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anknüpfen will.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger u.a. unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können (EuGH, ZIP 2002 aaO Tz. 92 – Ãœberseering; EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 132 f. – Inspire Art). Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass eine Behinderung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch nationale Maßnahmen allenfalls unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann: Die Maßnahmen müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 133 m.w.Nachw. – Inspire Art). Danach stellt sogar die bewusste Ausnutzung unterschiedlicher Rechtssysteme für sich allein genommen noch keinen Missbrauch dar, auch wenn sie in der offenen Absicht erfolgt, die „größte Freiheit“ zu erzielen und mit einer ausländischen Briefkastengesellschaft die zwingenden inländischen Normativbestimmungen zu umgehen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 96 f., 137 ff. m.w.Nachw. – Inspire Art). Da die Bestimmungen über das Mindestkapital insoweit mit der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind, gilt zwangsläufig dasselbe für die Sanktionen, die an die Nichterfüllung der fraglichen Verpflichtungen geknüpft sind, d.h. die Anordnung einer persönlichen (gesamtschuldnerischen) Haftung der Geschäftsführer in dem Fall, dass das Kapital nicht den im nationalen Recht vorgeschriebenen Mindestbetrag erreicht oder während des Betriebes unter diesen sinkt. Folglich rechtfertigen weder Art. 46 EG noch der Gläubigerschutz die Bekämpfung der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit oder die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs die Behinderung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit, wie sie nationale Rechtsvorschriften über das Mindestkapital und eine persönliche (gesamtschuldnerische) Haftung der Geschäftsführer darstellen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 142 – Inspire Art).

c) Eine persönliche Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG kann schließlich – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte als Geschäftsführer es entgegen §§ 13 d ff. HGB unterlassen hat, die „Zweigniederlassung“ der U. Ltd. zum Handelsregister anzumelden. Zwar verpflichtet Art. 12 der 11. Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1999 die Mitgliedstaaten, geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, dass die erforderliche Offenlegung der Zweigniederlassungen im Aufnahmestaat unterbleibt. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten, denen zwar die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch verhältnismäßig sein muss (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 62, 133 – Inspire Art). Schon danach bleibt festzustellen, dass die offenbar vom Berufungsgericht befürwortete Sanktion der persönlichen Haftung des Beklagten als Geschäftsführer wegen Nichterfüllung der Anmeldungspflicht weder gesetzlich vorgesehen ist noch etwa im Wege der Rechtsfortbildung in Betracht käme. Als zulässige Sanktion im Sinne der 11. Richtlinie des Rates sieht das deutsche Recht in § 14 HGB allein die Festsetzung von Zwangsgeld für den Fall der Nichterfüllung der Anmeldepflicht pp. vor, nicht hingegen haftungsrechtliche Konsequenzen.

III.

Aufgrund der unter Nr. II, 2 aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 ZPO). Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Klägerin ist auf ihre Gegenrüge hin unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie eines fairen Verfahrens (Art. 2, 20 GG) Gelegenheit zu geben, in der wiedereröffneten Berufungsinstanz ihr Klagebegehren nunmehr auf – bislang nicht geltend gemachte – etwaige Haftungstatbestände des materiellen englischen Rechts oder des (deutschen) Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB) zu stützen und hierzu weiteren Sachvortrag zu halten.

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen AG

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) beschlossen.

Die Gesellschaft wird wohl zunächst als Vehikel für internationale Kooperationen dienen. Ob allerdings das deutsche Modell mit der bei Unternehmern unbeliebten Mitbestimmung international Aussicht auf Zukunft hat, kann bereits jetzt beantwortet werden. Sicherlich nicht.

Nachdem der EuGH in den bekannten Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art der Sitzverlegung von Gesellschaften innerhalb der EU Tür und Tor geöffnet hat, ist fraglich, ob noch Bedarf für die Europäische Aktiengesellschaft besteht. Wie groß die Nachfrage nach den im Anschluss an die Überseering-Entscheidung zahlreich auftretenden Angebote zur Gründung von englischen Limited+Gesellschaften ist, ist noch nicht abzuschätzen. Allerdings waren in Großbritannien bereits die ersten Äußerungen zu hören, aus dem Export der englischen Limited eine Einnahmequelle zu schaffen.

Liechtenstein, mit ca. 100.000 registrierten Gesellschaften bei rd. 32.000 Einwohnern, ist offenbar in der hiesigen Beraterbranche nicht nicht als Einnahmequelle entdeckt. Schließlich kommen Gesellschaften aus Liechtenstein über das EWR-Abkommen die gleichen Rechte zu wie den englischen Limiteds oder neuerdings selbstverständlich auch den maltesischen Off-Shore-Gesellschaften. Allerdings ist Gesellschaft in Liechtenstein auch nicht zum englischen Discountpreis von ca. 200 EUR (alles, auch Kapital, inklusive) zu bekommen.

Zurück zum Gesetzesentwurf:

„Die Einführung der Europäischen (Aktien-) Gesellschaft erleichtert deutschen, europaweit agierenden Unternehmen die grenzüberschreitende Betätigung und stärkt deren internationale Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries.

„Mit der Europäischen Gesellschaft steht erstmals eine in wesentlichen Fragen einheitliche europäische Rechtsform für Kapitalgesellschaften zur Verfügung. Sie ermöglicht Unternehmen eine Expansion und Neuordnung über Ländergrenzen hinweg, ohne die kostspieligen und zeitaufwändigen Förmlichkeiten beachten zu müssen, die bislang mit der Gründung von Tochtergesellschaften verbunden sind.“

Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Wolfgang Clement hob hervor: „Die europäische Gesellschaft eröffnet besonders für kleine und mittlere Unternehmen neue und unbürokratische Chancen, ihr Engagement im Ausland zu verstärken“.

Grundlage der Regelungen zur Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea, kurz: SE) sind zwei EU-Rechtsakte aus dem Jahr 2001: die Verordnung über das Statut der SE und die ergänzende Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer.

SE ist die Bezeichnung für eine europäische Aktiengesellschaft. Das gezeichnete Kapital der Gesellschaft muss mindestens 120.000 Euro betragen. Eine SE kann durch Umwandlung, Verschmelzung oder durch Gründung einer Holding- oder Tochtergesellschaft gegründet werden. Das Gesetz ist auf Gründungsgesellschaften anwendbar, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben oder über eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügen.

Europaweit tätige Unternehmen können mit der SE grenzüberschreitend verschmelzen und sich dabei erstmals einer einzigen, flexibel einsetzbaren Rechtspersönlichkeit bedienen. Hierdurch erlangen sie im internationalen Wettbewerb wirtschaftliche und psychologische Vorteile. Statt des bisher erforderlichen Aufbaus eines Netzes von Tochtergesellschaften, für die unterschiedliche nationale Vorschriften gelten, können die Konzerne sich bereits ab Oktober dieses Jahres in Form von weigstellen organisieren. Das spart Zeit und Kosten, insbesondere durch den hiermit verbundenen geringeren Verwaltungsaufwand.

Erläuterungen zur Novelle:

Einfache Sitzverlegung

Ein großer Vorteil der SE als europäischer Rechtsform ist, dass sie jederzeit und einfach Landesgrenzen überwinden kann. Der Satzungssitz einer SE kann nach den Regelungen der EU-Verordnung identitätswahrend in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden.

Aufbau

Die Unternehmen können zwischen zwei verschiedenen Leitungssystemen wählen: dem – in Deutschland bestehenden – dualistischen Modell mit einer Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat oder dem – etwa in England und Frankreich üblichen – monistischen Modell.

Kennzeichnend für das monistische Modell ist:

  • Ein Verwaltungsrat leitet die SE, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung.
  • Der Verwaltungsrat bestellt für die laufende Geschäftsführung einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren. Diese sind an die Beschlüsse des Verwaltungsrats gebunden und können jederzeit abberufen werden.

Mitbestimmung

Im deutschen Recht neu ist die Form der Mitbestimmung. Die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer SE wird grundsätzlich im Wege von Verhandlungen zwischen einem sog. besonderen Verhandlungsgremium, das die Arbeitnehmer aller beteiligten Gesellschaften vertritt, und den Leitungen dieser Gesellschaften festgelegt.

Wird in den Verhandlungen kein Konsens erzielt, greift eine gesetzliche Auffangregelung: Danach richtet sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsrat der SE grundsätzlich nach dem höchsten Anteil der Arbeitnehmervertreter in den Gründungsgesellschaften.

Schließlich sind die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsrat anteilig aus den Mitgliedstaaten zu entsenden, in denen die SE Arbeitnehmer beschäftigt. So wird der internationalen Prägung der Gesellschaft Rechnung getragen.


Entwurf des Gesetzes zur Einführung der Europäischen AG: Download als PDF
Verordnung über die Europäische Gesellschaft (AG) Download als PDF

Kommission legt neuen Richtlinienvorschlag für Fusionen vor

Die Europäische Kommission hat eine Richtlinie vorgeschlagen, die die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU, die durch die unterschiedlichen innerstaatlichen Regelungen erschwert wird, erleichtern soll. Die Richtlinie soll vor allem kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften helfen, die über ihren eigenen Mitgliedstaat hinaus tätig sein wollen, nicht aber unionsweit und deshalb kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen dürften, eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) zu gründen. Nach dem im Richtlinienvorschlag geregelten Verfahren sollen für Verschmelzungen die in dem betreffenden Mitgliedstaat für solche Vorgänge im Inland geltenden Grundsätze und Vorschriften maßgebend sein. Die Richtlinie schließt eine wichtige Lücke im Gesellschaftsrecht. Sie ist die erste Maßnahme, die die Kommission auf der Grundlage ihres im Mai 2003 angenommenen Aktionsplans zum Gesellschaftsrecht und zur Corporate Governance in der Europäischen Union vorlegt.

Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein kommentierte den Richtlinienvorschlag mit folgenden Worten: „Wenn wir grenzübergreifende Verschmelzungen einfacher machen, leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, für die Unternehmenskooperationen und -umstrukturierungen notwendig sind. Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten sind derzeit schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Dieser Vorschlag soll Abhilfe schaffen. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass solche Verschmelzungen nicht missbraucht werden, um innerstaatliche Arbeitnehmerrechte zu umgehen. Die Richtlinie sollte zügig erlassen werden, da es nach der Erweiterung für Unternehmen noch wichtiger sein wird, über die Landesgrenzen hinaus kooperieren zu können.“

Nach dem derzeitigen Stand des EU-Rechts sind Verschmelzungen auf europäischer Ebene nur zwischen Unternehmen aus bestimmten Mitgliedstaaten möglich. In anderen Mitgliedstaaten sind fusionswillige Unternehmen gezwungen, zu komplexen, kostspieligen juristischen Konstruktionen zu greifen. Diese Arrangements komplizieren den gesamten Vorgang und werden nicht immer mit der gebotenen Transparenz und Rechtssicherheit vollzogen. Zudem haben sie in der Regel die Auflösung der einbringenden Gesellschaft zur Folge, was hohe Kosten verursachen kann.

Der vorliegende Vorschlag, der für alle Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, GmbHs usw.) gilt, will grenzübergreifende Verschmelzungen vereinfachen, indem die für solche Vorgänge maßgebenden Regelungen stärker den Vorschriften angepasst werden, die für Verschmelzungen zwischen Gesellschaften gleichen Rechts gelten. Das bedeutet, dass jede an einer grenzübergreifenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft nach dem Recht ihres eigenen Mitgliedstaats verfahren würde, mit dem sie ohnehin vertraut ist (hiervon ausgenommen sind bestimmte in der Richtlinie geregelte Fälle, die mit dem grenzübergreifenden Aspekt der Fusion zusammenhängen).

Die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Schutzgarantien für Gläubiger, Anleihegläubiger und Inhaber von anderen Wertpapieren als Aktien sowie für Minderheitsgesellschafter und Arbeitnehmer werden durch die Richtlinie bestätigt.

Im besonderen Fall der Arbeitnehmerrechte gilt das innerstaatliche Recht, das für die aus der Verschmelzung hervorgegangene Gesellschaft maßgebend ist. In einem Mitgliedstaat, das ein Mitbestimmungsrecht kennt, gilt dieses Mitbestimmungsrecht auch in dem betreffenden Unternehmen. Ist das neue Unternehmen hingegen in einem Mitgliedstaat ohne eine entsprechende Regelung gegründet worden, muss ein Mitbestimmungsrecht nicht eingeführt werden. Anders liegt der Fall, wenn zumindest eines der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen in seinem Herkunftsstaat der Mitbestimmung unterlag und das neue Unternehmen nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet werden soll, das keine Mitbestimmung kennt. Nach dem Vorbild des SE-Statuts muss dann eine Mitbestimmungsregelung ausgehandelt werden (vgl. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft und die ergänzende Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001). Nur wenn die Verhandlungen scheitern, würde als Auffanglösung die vorher bestehende Mitbestimmungsregelung übernommen.

Unterlagen die Unternehmen vor der Fusion der gesetzlichen Mitbestimmung, können sie beschließen, das aus ihrer Fusion hervorgegangene neue Unternehmen in einem Mitgliedstaat zu gründen, in dem eine sehr viel lockere Mitbestimmungsregelung besteht. In diesem Fall müssen sie nicht das im SE-Statut vorgesehene Verhandlungsverfahren bemühen.

Der Vorschlag ist im vollen Wortlaut hier einsehbar.

Unlängst hat die Kommission überdies einen ergänzenden Vorschlag zur Aktualisierung, Präzisierung und Erweiterung der EU-Richtlinie 90/434/EWG vorgelegt, die einen Steueraufschub bei Fusionen, Spaltungen, der Einbringung von Unternehmensteilen und dem Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, vorsieht.

Bereits 1984 hatte die Kommission einen Vorschlag für eine Zehnte Richtlinie des Rates über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften angenommen. Dieser Vorschlag wurde vom Europäischen Parlament in mehreren Ausschüssen geprüft, u. a. im Rechtssausschuss, der seinen Bericht im Oktober 1987 vorlegte. Das Europäische Parlament nahm zu dem Richtlinienvorschlag jedoch nicht Stellung, weil das Problem der Arbeitnehmermitbestimmung nicht gelöst werden konnte. Der Vorschlag, dessen Geschick in dieser Frage mit dem SE-Statut (so genannte „Europäische Aktiengesellschaft“) verknüpft war, befand sich damit in der Sackgasse – diese Situation dauerte mehr als 15 Jahre an.

Dieser erste Vorschlag für eine Zehnte Gesellschaftsrechtsrichtlinie wurde 2001 von der Kommission zusammen mit weiteren seit Jahren anhängigen oder gegenstandslos gewordenen Vorschlägen zurückgezogen, um zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Vorschlag auf der Grundlage der neuesten Entwicklungen des Gemeinschaftsrechts vorlegen zu können.

Im Oktober 2001 wurden die Verordnung über das SE-Statut und die ergänzende Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer erlassen. In der Richtlinie ist eine Auffanglösung für den Fall vorgesehen, dass sich die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter nicht auf ein Mitbestimmungsmodell einigen können. Damit war der Weg frei für einen neuen Vorschlag auf der Grundlage ähnlicher Prinzipien zur Regelung grenzübergreifender Verschmelzungen.

Kommission schlägt Änderung “Mutter Tochter Richtlinie” vor

Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag zur Änderung der so genannten Mutter-/Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) vorgelegt. Darin schlägt sie im Einzelnen vor, den Anwendungsbereich der Richtlinie auszuweiten, damit eine größere Anzahl von Unternehmen abgedeckt ist, die vorgeschriebene Mindestbeteiligung für die Inanspruchnahme der Steuervorteile von 25 % auf 10 % herabzusetzen und die Mechanismen zur Verhinderung von Doppelbesteuerung zu verbessern. Neben anderen Rechtsformen soll auch die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea — SE), die ab 2004 gegründet werden kann, in das Verzeichnis der von der Richtlinie erfassten Gesellschaften aufgenommen werden.

Die Mutter-/Tochter-Richtlinie, die steuerliche Hindernisse für Unternehmensgruppen in der EU beseitigen soll, indem sie bei Dividendenzahlungen zwischen verbundenen Gesellschaften in unterschiedlichen Mitgliedstaaten eine Befreiung von der Quellensteuer vorsieht und verhindert, dass Gewinne der Tochter bei der Mutter nochmals besteuert werden, ist in ihrer jetzigen Form wegen ihres eng gefassten Anwendungsbereichs nur von begrenzter Wirksamkeit. Der Vorschlag ist Teil der Unternehmensteuerstrategie, die die Kommission 2001 vorstellte. In diesem Zusammenhang hatte die Kommission eine Reihe steuerlich bedingter Hindernisse für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt ermittelt und kurz- und langfristige Maßnahmen der Gemeinschaft zur Beseitigung dieser Hindernisse angekündigt.


„Dieser Vorschlag ist ein wichtiges Element unserer Strategie zur Beseitigung aller Formen der Doppelbesteuerung sowie aller anderen steuerlichen Hindernisse, mit denen Unternehmen heute konfrontiert sind, die von ihrer Freiheit zur grenzüberschreitenden Tätigkeit im Binnenmarkt Gebrauch machen“,

erklärte der für Steuern zuständige EU-Kommissar, Frits Bolkestein.
„Die Kommission ist entschlossen zu gewährleisten, dass die Steuerpolitik der EU dazu beiträgt, die EU bis zum Jahre 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“.

Der Vorschlag

Der Vorschlag besteht im Wesentlichen aus drei Elementen, die die Anwendung der Mutter-/Tochter-Richtlinie verbessern sollen.

Erstes Element ist die Aktualisierung des Verzeichnisses im Anhang zur Richtlinie, in dem die Rechtsformen aufgeführt sind, für die die Richtlinie gilt. Das Verzeichnis wird um neue, namentlich genannte Rechtsformen ergänzt, darunter Genossenschaften, Gesellschaften auf Gegenseitigkeit, bestimmte Körperschaften, die keine Kapitalgesellschaften sind, Sparkassen, sowie wirtschaftlich tätige Fonds und Vereinigungen. Aufgenommen wird auch die Europäische Gesellschaft, die ab Oktober 2004 gegründet werden kann. Sie bietet Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, die Möglichkeit, eine Unternehmensverfassung nach dem Gemeinschaftsrecht zu wählen.

Zweites Element des Vorschlags ist die Herabsetzung der Anforderungen für die Anwendung der Richtlinienbestimmungen, nach denen Dividendenzahlungen einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat an eine Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat von der Quellensteuer befreit sind. Die vorgeschriebene Mindestbeteiligung, die die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft besitzen muss, um in den Genuss dieser Befreiung zu kommen, soll von 25 % auf 10 % herabgesetzt werden.

Drittes Element ist die Vervollständigung des in der Richtlinie vorgesehenen Mechanismus zur Beseitigung der Doppelbesteuerung von Dividenden, die eine in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft erhält. Da bei der Tochtergesellschaft die Gewinne besteuert werden, aus denen diese die Dividenden zahlt, muss derzeit der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft entweder die von der Tochtergesellschaft ausgeschütteten Gewinne von der Steuer befreien oder die im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft bereits gezahlten Steuern anrechnen. Dem Vorschlag zufolge sollen künftig auch alle Steuern, die Töchter der Tochtergesellschaft („Enkelgesellschaften“) bereits auf die fraglichen Gewinne gezahlt haben, auf die Steuern angerechnet werden, die die Muttergesellschaft auf ihre Gewinne zahlen muss, so dass eine vollständige Beseitigung der Doppelbesteuerung erreicht wird.

Der jetzt vorgelegte Vorschlag ersetzt den früheren Vorschlag zur Änderung der Mutter-/Tochter-Richtlinie von 1993, und die Kommission hat den älteren Vorschlag folglich zurückgezogen.

Hintergrund

Die Richtlinie 90/435/EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (die so genannte „Mutter-/Tochter-Richtlinie“) dient der Beseitigung der Doppelbesteuerung von Gewinnen, die eine in einem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft in Form von Dividenden an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausschüttet.

Der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Tochtergesellschaft steuerpflichtig ist, muss jede Form der Quellensteuer abschaffen, während der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft die vereinnahmten Dividenden entweder befreien oder die im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft bereits gezahlte Steuer anrechnen muss.

Diese Formulierung ist schwer verständlich. Gemeint ist, dass der Staat, in dem die Tochtergesellschaft sitzt, die Gewinnausschüttungen nicht besteuern darf. Vielfach werden Gewinnausschüttungen — etwa mit einer Kapitalertragsteuer — bei der Auszahlung besteuert. Die Gewinne sind solche der Muttergesellschaft und sollen nur von der Muttergesellschaft besteuert werden.

Zugleich hat die Tochtergesellschaft bereits selber Steuern auf Gewinne (die eigenen Gewinne der Tochtergesellschaft) gezahlt. Diese Steuern sollen bei der Muttergesellschaft berücksichtigt werden.

Ziel der Regelung ist, dass die Gewinne nur in einem Land besteuert werden sollen. Wenn eine Tochtergesellschaft in einem Staat Gewinne erwirtschaftet, so hat es die Gewinne zu versteuern. Wenn diese Gesellschaft dann Gewinne an die Muttergesellschaft ausschüttet, so hat die Muttergesellschaft diese Gewinne, die ja eine Einnahme darstellen, grundsätzlich nochmals zu versteuern. In Deutschland wurde dieses Verfahren der Anrechnung der Körperschaftssteuer gerade erst abgeschafft.

Die Vorlage eines Vorschlags zur Aktualisierung der Mutter-/Tochter-Richtlinie war eines der Ziele, die sich die Europäische Kommission im Oktober 2001 setzte, als sie ihre Strategie für die Unternehmensteuern in der EU vorstellte. Sie äußerte damals die Auffassung, dass die Unternehmensteuersysteme in der EU mit Entwicklungen wie der Globalisierung und der wirtschaftlichen Integration im Binnenmarkt und in der Wirtschafts- und Währungsunion nicht Schritt gehalten haben, und ein neuer Anstoß nötig ist.

Die Kommission nannte in ihrer Strategie eine Reihe steuerlich bedingter Hindernisse für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt, bei denen sie Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene sieht, und schlug vor, diese Hindernisse im Wege eines zweigleisigen Vorgehens zu beseitigen. Sie erklärte auch, dass sie eine Reihe gezielter Maßnahmen plant, darunter der jetzige Vorschlag zur Ausweitung der Richtlinie zur Dividendenbesteuerung und eine vergleichbare Ausweitung des Anwendungsbereichs der Fusionsrichtlinie sowie weitere Maßnahmen betreffend den grenzübergreifenden Verlustausgleich, die Verrechnungspreise und die Doppelbesteuerungsabkommen.

Zum anderen war die Kommission der Auffassung, dass den Unternehmen langfristig die Möglichkeit gegeben werden müsste, für ihre grenzüberschreitenden Tätigkeiten innerhalb der EU eine konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer zu verwenden, um so den kostenträchtigen und ineffizienten Umgang mit 15 verschiedenen steuerlichen Regelwerken zu vermeiden.

Die Kommission ermittelte im Rahmen einer Studie verschiedene Wege zur Schaffung einer konsolidierten Besteuerungsgrundlage und erklärte, dass sie eine umfassende und tiefgreifende Diskussion dieser Angelegenheit einleiten wird. Die Kommission beabsichtigt, gegen Ende dieses Jahres über ihre politischen Schlussfolgerungen zum Thema einer konsolidierten Bemessungsgrundlage zu berichten.


Vorschlag in englischer Sprache (PDF)


Deutschland hat mit allen Mitgliedstaaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen (auch mit den verbleibenden EFTA-Staaten Island, Norwegen und der Schweiz, nicht jedoch mit Liechtenstein).


Briefkastengesellschaften in der EU erlaubt

In den Vereinigten Staaten haben sich zahlreiche börsennotierte Gesellschaften ihren Sitz in einem Ministaat – Delaware. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH (Urteil März 2005) ermöglicht dies zumindest.

In Delaware, einem kleinen Bundesstaat der Vereinigten Staaten an der Ostküste zwischen New York und der Hauptstadt gelegen, hatten im Frühjahr 2003

  • 50 % aller Aktiengesellschaften (300000 Aktiengesellschaften und 200000 Gesellschaften mit beschränkten Haftung und Personengesellschaften),
  • 58 % der Fortune 500 und
  • 63 % der Going-Public-Gesellschaften (1996-2000)

der US-amerikanischen Kapitalgesellschaften ihren satzungsmäßigen Sitz. In Delaware leben ungefähr 0,27% der US-amerikanischen Bevölkerung. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die neueren Entscheidungen des EuGH in den Fällen Centros und Überseering eröffnen zumindest diese Möglichkeit: Eine britische Gesellschaft, gegründet von dänischen Staatsbürgern auf der Basis eines Grundkapitals von 100 £, kann in Ausübung des Niederlassungsrechts ihre Geschäftsleitung nach Dänemark verlegen (bzw. von Anbeginn an die Geschäftsleitung außerhalb des Gründungsstaates haben) und alle Geschäfte dort tätigen.

Die Entfaltung irgendeiner geschäftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat ist nach dem EuGH nicht notwendig – es handelte sich um eine typische Briefkastengesellschaft. Auch dass die Gesellschaft nur deshalb in Großbritanien gegründet wurde, um die dänischen Vorschriften zur Aufbringung des Mindestkapitals zu umgehen, ist nach der Ansicht des EuGH belanglos. Die Ausnutzung des EU-Niederlassungsrechts zur Umgehung des eigenen staatlichen Rechts durch Gründung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen (Rechtswahl), sei nicht mißbräuchlich.

Bis vor kurzem war Deutschland ein Staat der Sitztheorie, ein Staat, der durch die konsequente Anwendung dieser Theorie die Anerkennung von Briefkastengesellschaften unmöglich machte. Eindeutig und konstant hat die deutsche Rechtsprechung unter dem Beifall des überwiegenden Schriftums sich immer wieder zu der Sitztheorie bekannt. Danach muss der Ort der Geschäftsleitung im Gründungsstaat liegen und kann von dort grundsätzlich nicht in das Ausland verlegt werden.

Wer eine Gesellschaft gründen will, hat jedoch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH Rechtswahlfreiheit: Er kann unter den von den Mitgliedstaaten angebotenen, ab Mai 2004 unter 10 weiteren unterschiedlichen nationalen Regelung auswählen, welches der angebotenen Gesellschaftsrechte ihm am genehmsten ist.

Drei Beispiele:

Malta

Malta hat in den vergangenen Jahren die Gesetzgebung darauf ausgerichtet, Offshore-Unternehmen anzuziehen. So genannte International Trading Companies nach maltesischem Recht wurden in weitem Umfang von den Steuerpflichten befreit; Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die Gesellschaft – abgesehen von bloßen Hilfsgeschäften – nicht in Malta werbend tätig wird. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Beitrittsverhandlungen darauf gedrungen, dass diese Regelungen geändert werden. Im Bericht der Kommission (2002) zum Beitritt Maltas wurde folgendes festgehalten: ,,So sollte noch vor Ende des Jahres ein Rechtsakt verabschiedet werden, der dafür sorgt, dass die noch bestehenden Offshore-Gesellschaften mit den bestehenden EG-Gesellschaftsrechtsrichtlinien in Einklang stehen, und dass es vom Tag des Beitritts an in Malta keine derartigen Gesellschaften mehr gibt.

Liechtenstein

Das EWR-Abkommen, das die EFTA-Staaten in den Binnenmarkt der Europäischen Union einbindet und seit dem 1.1. 1994 in Kraft ist, hat nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union an Bedeutung verloren. Art. 31 des EWR-Abkommens räumt den Staatsangehörigen im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit vergleichbare Rechte wie Art. 43 EGV ein. Es sind keine Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines EU/EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten zulässig. Zu den Rechten gehören die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind, insbesondere die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Nach Art. 34 des EWR-Abkommens sind die nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines EU- oder EFTA-Staates haben, den natürlichen Personen im Hinblick auf das Niederlassungsrecht gleichgestellt.

Seit dem 1. Mai 1995 gehört allerdings auch das Fürstentum Liechtenstein zum EWR. Durch das Holding- und Sitzprivileg bei der Besteuerung bestimmter in Liechtenstein gegründeter Gesellschaften, das strenge Bankgeheimnis und der Tatsache, dass die liechtensteinische Anstalt in der Regel von einem Treuhänder gegründet wird (die Anonymität des wirtschaftlichen Inhabers bleibt also gewahrt), ist Liechtenstein eine erste Anlaufstelle für Steuerflucht, Scheingeschäfte und zur Steuerumgehung. Der BFH hat mit Urteil vom 26. April 2001 so eine liechtensteinische Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Sitztheorie als nicht rechtsfähig eingestuft und dementsprechend die hinter den Gesellschaften stehende Person als steuerpflichtigen Unternehmer behandelt.

Die Gründe, wieso in Liechtenstein Gesellschaften gegründet werden – in aller Regel die Anonymität des wahren Inhabers der Gesellschaft, das strenge Bank- und Steuergeheimnis sowie steuerlicher Aspekte – ziehen Gelder aus der Schattenwirtschaft und andere Gruppen an, die darauf Wert legen, dass sie nicht erkannt werden können. Zwar ist Liechtenstein von der bei der OECD angesiedelten ,,Financial Action Task Force on Money Laundering„ (FATF) im zwölften Bericht vom 22. Juni 2001 von der Liste der unkooperativen Staaten im Bereich der Geldwäsche genommen worden. Hingegen wurde Ungarn, einer der zehn Beitrittstaaten im Rahmen der ersten Osterweiterung der EU, 2001 in diese Liste aufgenommen (nach Änderungen in 2002 wurde Unganrn wieder von der Liste der unkooperativen Staaten genommen und befindet sich bis zum Beitritt Ungarns zu der EU auf der Beobachtungsliste.). Einer der Gründe, wieso Staaten als potentiell die Geldwäsche fördernd angesehen werden, entstammt zumindest dem Gesellschaftsrecht: Wenn der wahre Eigentümer einer rechtlichen oder geschäftlichen Einheit, wozu selbstverständlich in erster Linie juristische Personen zu zählen sind, nicht von den für die Kontrollmaßnahmen im Bereich der Geldwäsche zuständigen Stellen erkannt werden kann.

Die bevölkerungsarmen Gründungsstaaten Liechtenstein und Malta räumen den Gesellschaften (bzw. den Gesellschaftern, je nach der autonomen Regelung) die genannten steuerlichen Vorteile ein, wenn die Unernehmen im Gründungsstaat selber nicht geschäftlich aktiv tätig werden. Ziel einer solchen Gesetzgebung ist, eine möglichst hohe Anzahl an Gesellschaften im Inland zu registrieren. Diese Gesellschaften sollen aber im Gründungsstaat keine Investitionen tätigen oder Arbeitsplätze schaffen. Die steuerlichen Vergünstigen gelten nur dann, wenn den inländischen, werbend tätigen Unternehmen kein Wettbewerb gemacht werden kann. Für die Staaten kann der Anreiz zur Schaffung solcher Regelungen nur in der schieren Anzahl der im eigenen Land registrierten Gesellschaften liegen.

Durch diese Konstruktion entsteht offensichtlich eine Schieflage. Die Gründungsstaaten haben nur ein geringes Interesse an einer konsequenten Aufsicht der konkreten, möglicherweise auch unlauteren geschäftlichen Tätigkeit der Unternehmen, da diese ausschließlich im Ausland ihre Geschäfte abwickeln. Ferner würde so eine wirksame und durchgehenden Aufsicht und Kontrolle die wirtschaftlichen Vorteile die die Staaten durch die Ansiedlung der Sitzgesellschaften haben, höchstwahrscheinlich zunichte machen. Der Staat oder die Staaten, in denen diese Gesellschaften hingegen am Markt auftreten, sind in den aufsichtsrechtlichen Mitteln eingeschränkt. Sie haben die Gesellschaften hinzunehmen und können eigene Wertvorstellungen nicht oder nur eingeschränkt durchsetzen.

Damit machen diese Staaten anderen Staaten Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. Insbesondere das Beispiel der liechtensteinischen Gesellschaften zeigt, dass Staaten im EWR durchaus gewillt sind, durch besonders vorteilhafte Regelungen einen Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften zu führen. Diese angeworbenen Unternehmen dürfen aber den im eigenen Land tätigen Unternehmen keinen Wettbewerb machen. In meinen Augen stellen diese Konstruktionen eine vollkommene Umkehrung der von dem EGV beabsichtigten Ziele dar, denn der privat-wirtschaftliche Wettbewerb wird für den Gründungsstaat unterbunden und lediglich ein Wettbewerb zwischen den Staaten um die Ansiedlung von Gesellschaften geführt.

Pseudo-ausländischer Gesellschaften

Eine weitere Problematik wurde in der Rechtsache Inspire Art vor dem EuGH von der niederländischen Regierung und der Kammer für Koophandel en Fabriekeb voor Amsterdam dargestellt:

,,Wegen der ständig steigenden Zahl pseudo-ausländischer Gesellschaften vor allem nach englischem Recht und dem Recht des US-Staates Delaware, die keinerlei tatsächliche Verbindung mit dem Gründungsstaat hätten, habe sich der niederländische Gesetzgeber (…)
veranlasst gesehen, zum Schutz der Gläubigerinteressen, zur Betrugsbekämpfung, zur Gewährleistung der Effizenz der Steuerkontrolle und zur Vermeidung missbräuchlicher Nutzung ausländischer Gesellschaften (…) bestimmte begrenzte Maßnahmen zu ergreifen. Die Kammer von Koophandel fügt hinzu, dass eine auffallend große Zahl dieser Gesellschaften in Konkurse verwickelt gewesen sei und die Gläubiger fast keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Verluste zu beschränken..“


Siehe auch hier