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Sonderrecht für Presseverleger (Leistungsschutz?)

Unsere, also die deutsche  Bundesregierung hat einen Entwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger veröffentlicht. An sich könnte man ja einen ausführlichen Kommentar zum Entwurf der Bundesregierung und den einzelnen Regelungen schreiben, aber dafür ist der Vorschlag doch zu absurd (und vollkommen gaga sind unsere Abgeordneten hoffentlich nicht, so dass der Entwurf wohl kaum umgesetzt werden wird). Dass die Begründung wesentlich auf die absehbar harsche Kritik im Netz (Blogger, Facebooknutzer etc.) abstellt und kaum auf die im Kern nachteilig betroffenen gewerblichen Unternehmen, offenbart eigentlich, wie unzureichend durchdacht der Vorschlag ist. Aber wir haben es vielleicht auch mit ein paar schlitzohrigen Abgeordneten zu tun, die einerseits die Presse nicht verärgen wollen (und einen Entwurf vorlegen), andererseits aber genau wissen, dass der Unfug kaum durchkommen wird.

Der Vorschlag sieht wie folgt aus:

In das geltende Urhebergesetz  sollen folgende Bestimmungen aufgenommen werden:

§ 87f  Presseverleger

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

(2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

§ 87g Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts
(1) Das Recht des Presseverlegers nach § 87f Absatz 1 Satz 1 ist übertragbar. Die §§ 31 und 33 gelten entsprechend.

(2) Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presseerzeugnisses.

usw.

Dort steht zusammengesetzt:

Der Presseverleger hat das ausschließliche Recht, die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken zu veröffentlichen.

Was die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge sein soll?  Damit ist vermutlich die kopierbare Leistung der Presseverleger gemeint, nicht das Erscheinungsbild einer Zeitung oder Website. Die kopierbare Leistung gilt es offenbar zu schützen gilt, weil die Zeitungsverleger schon im 19. Jahrhundert gejammert haben, dass andere bei ihnen abgeschrieben haben (so kann man in der Begründung zum Entwurf lesen — zugrunde gegangen sind sie daran aber nicht). Mit den digitalen Techniken und dem Internet sei das alles noch viel schlimmer geworden. Allein das Urheberrecht (für Werke im Sinne des UrhG) und die Leistungsschutzrechte etwa für Fotografien seien nicht ausreichend, unter anderen weil diese Rechte ja nicht zwingend den Verlegern zustehen, sondern gelegentlich — je nach Vertrag — auch den Autoren oder Fotografen. Dass diese selbst entscheiden könnten, kommt den Verlegern offenbar nicht in den Sinn. Wahrscheinlich sind Autoren jedoch dankbar, wenn ihre alten Artikel zumindest über Suchmaschinen oder andere Hinweise noch gefunden werden, weil sie dann noch gelesen werden. Fällt das sogenannte Deep Linking weg, verschwinden die meisten Artikel für die meisten Interessenten nahezu unauffindbar irgendwo im Datenbankdickicht des jeweiligen Content Management Systems. Und schließlich, was geht es die Verleger überhaupt an, an wenn jemand einen Presseartikel kopiert, an dem sie keine exklusiven Rechte erworben haben?

Deshalb, weil sie so viel gejammert haben, kriegen nun die Presseverleger ein Sonderrecht.  Der Presseverlegerverband hat schon mitgeteilt, dass das Gesetz so in Ordnung wäre. Andere Veröffentlicher bekommen hingegen kein Verbotsrecht, weil sie keine redaktionell-technische Festlegung leisten (sondern einfach so veröffentlichen). Mit der Hervorhebung der Leistung der Verleger (redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge genannt) will man ersichtlich verschleiern, dass es tatsächlich um die Teile geht, also die Teile, aus denen sich eine Zeitung oder ein Online-Auftritt eines Presseverlegers zusammen setzt: Texte, Töne, Bilder  oder Kombinationen davon.

Eine untere Grenze, was wir unter den Teilen dieser redaktionell-technischen Festlegung verstehen dürfen, ist  in dem Entwurf nicht ersichtlich. Es wird weder irgend eine besondere Qualität oder Originalität, nicht einmal die Neuheit gefordert, im Gegenteil: hierauf soll es nach dem Entwurf nicht ankommen, weil jeder Schnipsel Teil der Leistung des Presseverlegers ist. Da sollen sich nach der Meinung unserer Bundesregierung offenbar die gewerblichen Verbreiter streiten, wem so interessante Teile der journalistischen Festlegung wie DAX leicht im Plus gehören (dazu bereits hier). DAX leicht im Minus darf wahrscheinlich ein anderer Presseverleger ein Jahr lang exklusiv gewerblich verbreiten. Alle, die das gleiche gewerblich verbreiten wollen, sollen nach der Vorstellung unserer Bundesregierung mit dem  Rechtsinhaber über eine Genehmigung verhandeln. Es wird angesichts dieser kruden Vorstellungen wahrscheinlich hunderte von Aspiranten geben, die meinen, sie hätten das Ausschließlichkeitsrecht für solche Standardformulierungen, denn die können eine wahre Goldgrube sein.


Edit: 18. 6. 2012


Nach Ablauf eines Jahres erlischt das Recht. Vermutlich muss der der Rechtsinhaber jedoch kurz vor Ablauf der Frist nur einmal Mal wieder Dax leicht im Plus schreiben und schon hat er ein neues Ausschließlichkeitsrecht für ein weiteres Jahr (usw. etc.). Für diese Vermutung spricht, dass nicht die besondere Qualität des Teiles des Presseerzeugnisses ausschlaggebend sein soll, sondern die redaktionell-technische Leistung. Wenn diese erneut erbracht wurde, müsste sie erneut das Verbotsrecht auslösen.

Gewerblich tätig im Sinne des Entwurfs ist  offenbar jeder, der irgendeinen Umsatz irgendwie im Zusammenhang mit seinen Veröffentlichungen macht oder machen könnte: Taucht auf meiner Katzenfotosammlung im Internet (1) eine Werbung und  (2) so ein Schnipsel auf und hat  (3) ein Presseverleger im Laufe des letzten Jahres den gleichen Schnipsel verbreitet, kann er von mir Unterlassung verlangen.

Man muss nicht einmal schreiben, dass man beispielsweise die Formulierung: ,,Das Treffen im kleinen Kreis wurde für den Wirtschaftsminister zu einem Fiasko, weil …“ von der Website eines anderen Presseverlegers übernommen hat. Allein die Übernehme des Satzes würde dann einen Verstoß gegen das Exklusivrecht des ersten Presseverlegers darstellen. Wer die journalistische Praxis kennt, der weiß, dass in den Redaktionen — wie sonst auch — eifrig abgekupfert wird. Wenn man einen Artikel zu einem Thema schreibt, übernimmt man oft eine Formulierung hier, eine andere dort. Das entspricht der menschlichen Natur und der Begrenztheit der Mittel, weil sich zwar für manche Formulierungen verschiedene Varianten anbieten, aber irgendwann ist Schluss mit den Möglichkeiten. Man kann vielleicht auf fünf oder zehn Arten ein Ereignis beschreiben. Aber irgendwann werden auch die Paraphrasen unverständlich.

Was passiert, wenn ich sage, dass ich nicht kopiert habe, sondern der Satz: ,,Die sind besonders süß„, auf meinem Mist gewachsen ist: Das soll vermutlich trotzdem verboten sein, weil andernfalls das Recht des Presseverlegers ausgehöhlt werden würde (oder es gibt eine Beweislastumkehr: ich muss beweisen, dass ich nicht abgeschrieben habe).

Selbst wenn dem nicht so wäre, also eine Art Kopier- oder Übernahmehandlung erforderlich sein sollte — es müssen jedoch auf jeden Fall die automatisierten Vorgänge bei den Nachrichtenaggregatoren erfasst werden — wenn also irgend eine auch automatisierte Übernahme von dem Presseerzeugnis notwendig sein sollte: Dies wäre eine Beweisfrage, die im Zweifelsfall vor Gericht zu klären wäre. Und die Beweislast trägt typischerweise derjenige, der sich auf bestimmte Umstände beruft. Das heißt, der erste Verleger muss nur nachweisen, dass ein bestimmter Schnipsel a) Bestandteil des eigenen Presseerzeugnisses ist, b) dieses vor der angeblich das Ausschließlichkeitsrecht verletzenden anderen Veröffentlichung erschienen ist und c) die Schnipsel identisch sind. Der andere wird hingegen die Beweislast haben, dass er nicht die Veröffentlichung des ersten Presseverlegers zur Kenntnis genommen hat. Am besten arbeitet man wohl mit Autoren zusammen, die blind und taub sind, denn bei denen dürfte der Nachweis, dass sie eine bestimmte Formulierung nicht woanders übernommen haben, am leichtesten fallen.

Wohin so eine Gesetzesänderung wahrscheinlich führen wird: Die großen Verlage würden sich  großzügig gegenseitig befreien (kennt man ja schon von den Patenten), während die kleinen gewerblichen Websites allesamt von der Gnade der Großen abhängen werden, denn gegen dieses Ausschließlichkeitsrecht (Teile einer  redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge anderer zu veröffentlichen) kann man eigentlich nur dann nicht verstoßen, wenn man sich der Verwendung aller geläufigen Sprachen dieser Welt enthält.

Nun steht zwar im Entwurf, dass das Recht nicht zum Nachteil des Urhebers oder eines Leistungsschutzberechtigten geltend gemacht werden darf, dessen Werk oder nach diesem Gesetz geschützter Schutzgegenstand im Presseerzeugnis enthalten ist — aber damit sind wohl nur die Verfasser der Teile der redaktionell-technischen Festlegung gemeint, nicht andere Autoren.

Vor allem die Macht der großen Verlage wird so gestärkt werden, weil sie ein Instrument in die Hand bekommen, gegen die kleine Konkurrenz vorzugehen. Sie müssen das Leistungsschutzrecht nicht einsetzen, sie können es aber.

Der Entwurf ist eine Absurdität, über die sich gerne andere tiefer gehende Gedanken machen können, zum Beispiel hier: Till Kreutzer (Referentenentwurf zu, Leistungsschutzrecht. Eine erste ausführliche Analyse), der unter der URL http://irights.info/?q=content/referentenentwurf-zum-leistungsschutzrecht-eine-erste-ausfuhrliche-analyse seine Überlegung niedergelegt hat, ob das, was ich hier mache, schon unter das Verbotsrecht fällt, weil ich ja einen Teil der journalistisch-technischen Festlegung der Website wiedergegeben habe.


Ergänzung (19. 6. 2012):

SPIEGEL ONLINE hat am 15. 6. 2012 mitgeteilt, man dürfe auch in Zukunft mit Überschrift und Textanriss auf ihre Website verlinken. Auf der anderen Seite erklärt Christoph Keese wie die Verlage sich in Zukunft verhalten sollten: Keine Abmahnwellen, faire Preise! Wie das Leistungsschutzrecht genutzt werden sollte. Man muss hierzu noch sagen, dass wohl kaum ein anderer so für das Sonderrecht der Presseverleger getrommelt hat, wie Herr Keese (vorgeblich in seiner Freizeit, neben seiner Tätigkeit für den Axel-Springer-Verlag). Das sind zwei sehr interessante Aussagen:

  1. Spiegel Online erklärt vorab einen Verzicht auf den Kern des Leistungsschutzrechts.
  2. Herr Keese fordert die Presseverleger auf, sie sollten im Grundsatz ihr erhofftes Recht doch nicht so richtig durchsetzten, sondern in vielen Fällen Gnade walten lassen. Außerdem sollen ,,harmlose Blogger“, die gelegentlich die  Grenze zum erlaubten Zitat (wo diese Grenze genau verläuft, ist ein Mysterium) überschreiten und die ein wenig Werbung auf ihren Seiten unterbringen ,,völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können“,  etwa durch eine ,,preislich superattraktive Mehrjahresflatrate“, die ,,sie aller Sorgen enthebt“.

Hier offenbaren sich die besonderen Qualitäten des Gesetzentwurfes:Wenn die Presseverlage gnädig sind, das Recht gar nicht zur vollen Entfaltung gebracht wird, also das dauernde rechtswidrige Handeln Vieler lax gehandhabt wird, und die harmlosen Blogger brav einen geringen monatlichen Obolus an die Presseverleger leisten, wird es gar nicht so übel kommen, wie es auf den ersten Blick aussieht. Wer gleich eine Mehrjahresflatrate bucht, bekommt von Herrn Keese bestimmt einen Nachlass in Aussicht gestellt: Buche 36 Monate Presseverleger-Flatrate und zahle nur 30 Monate (oder so ähnlich).  Dieses alles nach dem Gutdünken der Verleger, die umgekehrt auch mal einen Blogger in die Pleite treiben können, denn dass sie ihr scharfes Schwert nicht einsetzen sollen, heißt noch lange nicht, dass sie es nicht tun.

Man kann es auch anders sagen: La propriété intellectuellec’est le vol !


Ergänzung (22. Feb. 2013):

Diese Aufnahme einer Anhörung von Mathias Döpfner, Julia Jäkel, Ulrich Lingnau, Rainer Esser, Christian Nienhaus und Stephan Weichert zur Lage der Presseverlage (Zusammenfassung und Hintergrundinformationen hier) im Bundestagsausschuss zur Zukunft des Qualitätsjournalismus im Ausschuss für Kultur und Medien am 20. Februar 2013 verdeutlicht die andere Seite der Problematik. Auffällig ist die vergleichsweise offen geäußerte „eine Hand wäscht die andere“-Logik: Wir, die Presse, sorgen seit Jahrzehnten dafür, dass keine ,,radikalen“ Parteien gewählt werden. Das soll wohl nichts anderes heißen als: Liebe Bundestagsabgeordnete, helft uns, denn wir helfen euch auch, indem wir politische Neueinsteiger oder Andersdenkende mit unseren Mitteln möglichst klein halten. Aber lassen wir dies (und das angesprochene Privileg für das  => Datensammeln) einmal beiseite, denn die Aussagen und Hoffnungen der Vertreter der großen Presseverlage im Hinblick auf das Leistungsschutzrecht erscheinen bestenfalls naiv.

Deutlich wird, dass die behauptete Krise der Verlage weniger mit den Suchmaschinen und anderen Sschnipselanbietern zusammen hängt, sondern in der Hauptsache auf dem Rückgang der Auflage und der Werbung beruht (Stichwort: Scout, siehe hier). Diese Umsatzeinbußen lassen sich ohne Frage auch auf das Internet zurückführen (obwohl wahrscheinlich früher auch das Radio und das Fernsehen zu Umsatzverlusten geführt haben). Mit Veröffentlichungen im Internet könnten Verlage nur in Ausnahmen Gewinne erwirtschaften. Das bedeutet aber nun nicht zwingend, dass nun die Unternehmen, die mit dem Internet Geld verdienen, zu einem Ausgleich verpflichtet sind, auch dann nicht, wenn symbiotische Verhältnisse bestehen.

Es stellt sich außerdem die Frage, wie die Verleger die teilweise widersprüchlichen Aussagen ,,unter einen Hut“ bekommen wollen.

  • Man kann doch nicht angeblich auf den freien Markt setzen;
  • den Rückgang der Nachfrage konstatieren (was im Markt zum Ausscheiden von Anbietern führen sollte, um das Überangebot zu ,,bereinigen“)
  • eine Subventionierung durch den Staat ablehnen (das Leistungsschutzrecht soll aber genau das sein, eine staatliche Maßnahme, die den Verlegern mehr Geld bringt);
  • und schließlich der seit Jahrhunderten als Dauerbrenner-Schein-Argument unter den Befürwortern der Monopole Widerspruch, nämlich,
    • dass es ein Überangebot gibt, das die Einnahmen verringert: deshalb braucht man ein Monopol);
    • und gleichzeitig das Monopol fordern, weil es ohne ein Monopol Unterangebot geben würde.

Ob überhaupt eine Ernst zu nehmende Nachfrage nach dem besteht, was die Presseverlage mittels des Leistungsschutzrechtes verkaufen wollen, wird bei all dem überhaupt nicht erörtert. Dass ein Interesse an längeren Beiträgen besteht, lässt sich wohl nicht von der Hand weisen. Jedoch, diese längeren Beiträge werden üblicherweise vom Urheberrecht erfasst und wieso sollte man den Verlagen zusätzlich Rechte verschaffen (die die Rechte der Urheber begrenzen, weil ja die Verlage ebenfalls Rechte an dem gleichen Text erhalten)?

Und ob es wirklich viele Unternehmen gibt, die bereit sind, für nicht vom Urheberrecht erfasste Schnipsel auch nur einen Cent zu bezahlen, ist zweifelhaft. Zum einen verdient der Großteil der Anbieter im Internet nun auch nicht mehr als die Presseverlage, während erfolgreiche Unternehmen — insbesondere wohl der Hauptgegner Google — nicht bereit sein werden, etwas zu bezahlen. Dementsprechend ist überhaupt nicht ersichtlich, was dieses ziemlich abstrus formulierte Leistungsschutzrecht außer Verwirrung, Verunsicherung, Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren überhaupt zeitigen soll. Tatsächlich wollen die Verlage ja, dass ihr Angebot mittels der Schnipsel im Internet bei anderen Anbietern erscheint, auch wenn sie sich für ein Verbot stark machen. Das, was durch das Leistungsschutzrecht verboten werden soll, soll nach dem Willen derjenigen, die das Verbot fordern, ja tatsächlich stattfinden.


Geschichte und Wesen des Urheberrechts

Ist das Urheberrecht eine Anmaßung, wie Wieland es nannte, eine Einschränkung des menschlichen Geistes, eine Beschränkung von geistigen Allgemeingütern? Eckhard Höffners „Geschichte und Wesen des Urheberrechts“ ist keine herkömmliche Urheberrechtsgeschichte. Der Autor fängt dort an, wo die üblichen Fragen zur Frühgeschichte des Urheberrechts oft aufhören. Die Suche nach den Frühformen modernen Urheberrechts in Druckerprivilegien führen ins Leere. Das Urheberrecht ist auch keine Konsequenz einer naturrechtlichen Forderung des Schutzes geistigen Schaffens.

Titel Geschichte und Wesen des Urheberrechts
Geschichte und Wesen des Urheberrechts (Band 1)

Höffner hingegen geht vom Markt und vom Buchpreis aus. Er analysiert die Akteure in den Auseinandersetzungen um die Einführung von Sonderrechten an den Werken und die Begründungen, die als Rechtfertigung für oder gegen ein individualisiertes eigentumsähnliches Recht vorgebracht wurden.

Juristische und metajuridische Konzeptionen eines ausschließlichen Rechts an Geisteswerken bekommen in diesem Kontext ein neues Gesicht und erwachen außerhalb des Elfenbeinturms der juristischen Forschung zum Leben und liefern dem Leser entscheidende neue Erkenntnisse zum Urheberrecht.

Das Urheberrecht steht bis heute in einem Spannungsfeld zwischen Markt und den sich ständig im Fluss befindenden Versuchen der Rechtswissenschaft sich diesem auf abstrakter Ebene zu nähern. Dabei hat sich die Rechtswissenschaft mehr und mehr von realen Gegebenheiten des Marktes entfernt. Höffner deckt die historischen Gründe für die Entfernung auf und regt zur Korrektur an. Damit das Urheberrecht nicht zur Beschränkung von Wissen und Wissenschaft wird, ist ein radikales Umdenken angebracht. Eindrucksvoll bietet der Autor rechtshistorische Gründe für dieses Umdenken, damit das Urheberrecht wieder das leisten kann, was es ursprünglich zu leisten versprach: ein faires Verwertungsrecht für den Autor und gleichzeitig eine maximale freie Nutzbarkeit der Werke und des durch Autoren geschaffenen Wissens.


Informationen zu Band 2 (etc.) finden Sie hier.

Beide Bände sind erhältlich (Hardcover): Bestellformular


Band 1 (2011, 518 + 10 Seiten): 48,00 Euro (ISBN: 978-3-930893-18-8, 2. bearbeitete und ergänzte Aufl.)
Band 2 (2010, 434 + 14 Seiten): 68,00 Euro (ISBN: 978-3-930893-17-1)
Band 1 und 2: 100,00 Euro (Serienpreis)

Erratum: Bitte benutzen Sie folgendes Stichwortverzeichnis: Index Bd. 2


Rezensionen:

Hinweis: Nachdem Rezensenten auf die Idee gekommen sind, nur Band 1 zu besprechen, um dann den Mangel an empirischen Belegen zu beklagen: Die empirischen Nachweise und die entsprechenden Erläuterungen sind nicht in Band 1 enthalten, was den entsprechenden Rezensenten wohl bekannt ist. Aber auf diese Art vermeidet man die Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Entwicklung, die sich dummerweise gar nicht so verhalten hat, wie es die Theorie vorschreibt. Über die Vorgehensweise der Rezensenten mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
 

Plagiatsjäger ohne Sinn und Verstand?

Nach den Dissertationen von zu Guttenberg, Veronika Saß und Matthias Pröfrock wird nun auch die Arbeit von Silvana Koch-Mehrin unter die Lupe genommen. Es werden mit scheinbar statistischer Neutralität die gefundenen Plagiate aufgezeigt. Nachdem zu Guttenberg Unglaubliches abgeliefert hatte, scheint alles möglich. In den Internetforen wird von einer Betrugsmentalität der angeblichen Leistungsträger oder von einer Verschwörung der linken Netzaktivisten gesprochen.

Die Suche nach Plagiaten und deren Diskussion in der Öffentlichkeit nimmt aber teilweise krude Formen an. Nicht dass ich die Dissertation von Fr. Koch-Mehrin: Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik gelesen hätte und mir ein eigenes Urteil über die Arbeit erlauben könnte. Es mag durchaus sein, das in der Arbeit einige Stellen enthalten sind, die man unter dem Begriff Plagiat erfassen kann — ich weiß es schlichtweg nicht und kann mir kein Urteil über die Arbeit erlauben. Aber was die Plagiatsjäger teilweise zum Plagiat stempeln (hier), das lässt doch Zweifel an der Methode aufkommen. Offenbar wird technokratisch nach Textstellen gesucht, in denen mehrere identische oder ähnliche Worte oder Wortfolgen auftauchen.

Bei einigen der nach diesem Maßstab gekennzeichneten Stellen der Arbeit von Dissertation von Fr. Koch-Mehrin handelt es sich um simple Darstellungen historischer Tatsachen. Dass die Autorin diese nicht selbst erlebt hat und folglich irgendwo abgeschrieben haben muss, liegt auf der Hand. Aber Wissenschaft bedeutet nicht, dass jeder bei Null anfangen muss. Die Fortpflanzung der Wissenschaften und Lehre ist, wie Hegel es ausdrückte, seiner Bestimmung und Pflicht nach die Repetition festgesetzter, überhaupt schon geäußerter und von außen aufgenommener Gedanken. Die Wiederholung der von anderen stammenden Gedanken ist Bestimmung und Pflicht der Wissenschaft. Selbstverständlich kann, soll und muss man sich auf den vorhandenen Grundstock an Wissen berufen können, ohne dessen Entstehung nun im Detail auf einzelne Personen zurückführen zu müssen. Und dieser Grundstock variiert von Fach zu Fach. Es ist wohl kaum Zweck einer physikalischen Arbeit, an jeder möglichen Stelle Newton oder Gauß zu referenzieren. In einer geisteswissenschaftlichen Arbeit kann es hingegen durchaus angezeigt sein, einen entsprechenden Verweis anzubringen. Man sollte hier mit Augenmaß urteilen und nicht einen stumpfsinnigen Wortvergleich durchführen. Viele historische Werke zeichnen sich beispielsweise dadurch aus, dass im Fließtext praktisch gar keine Verweise enthalten sind, sondern nur ein Literaturverzeichnis. Überhaupt scheint diese Methode, hinter nahezu jedem Satz einen Verweis anzubringen, von den Juristen zu stammen: ,,eine trockene kurzgefasste exegetische Glosse zu jedem Paragraph mit summarischer Angabe der Ansichten anderer Schriftsteller, darauf berechnet, das Studium so bequem und leicht als nur möglich zu machen …„, wie der österreichische Jurist Unger die seiner Meinung nach unwissenschaftlichen juristischen Texte umschrieb.

Als Plagiat wurde in der Arbeit von Frau Koch-Mehrin etwa die kurze Zusammenfassung über die Denomination einer Währung bezeichnet (hier):

  • Es gab zwei vollwertige Goldmünzen, das 20 und das 10 Kronenstück, sowie Scheidemünzen zu 2 und 1 Krone, sowie 50, 25 und 10 Öre. Das Gold bildete die Grundlage der Währung. Jede öffentliche Kasse war verpflichtet, Scheidemünzen umzuwechseln.
  • Es gab zwei vollwertige Goldmünzen (das 20- und das 10-Kronen-Stück) sowie Scheidemünzen (2 und 1 Krone sowie 50, 25 und 10 Öre). Das Gold bildete die Grundlage der Währung, nicht aber der Bimetallismus wie in Frankreich.

Es handelt sich um eine Darstellung einer historischen Tatsache unter Verwendung der für das Münz- und Währungswesen üblichen Fachsprache. Da ist meines Erachtens kein Platz für ein Plagiat. Soll etwa folgender Satz, den man gewiss (vielleicht mit minimalen Abweichungen) in zahllosen Schulbüchern lesen kann, irgend eines Hinweises bedürfen? ,,Mit der Währungsreform wurde die Deutsche Mark (DM) eingeführt. Die für die täglichen Geschäfte üblichen Zahlungsmittel waren aufgeteilt in Banknoten von fünf bis eintausend DM und Münzen von einem Pfennig bis fünf DM.„ Wer hier eine Fußnote setzt, macht sich eher lächerlich, selbst dann, wenn der Satz abgeschrieben sein sollte.

Ein weiteres angebliches Plagiat (hier):

  • Jedoch lag ein Angriff Frankreichs auf Italien kaum im Bereich realer Möglichkeiten.
  • Da ein Angriff Frankreichs auf Italien kaum im Bereich realer Möglichkeiten lag, […].

Was soll denn diese zwölf Wörter auszeichnen, dass sie für ein Plagiat geeignet erscheinen? Oder anders gefragt: Ab wann beginnt das Plagiat?

  • Im Jahr 800 wurde Karl zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl in Rom zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt, wobei die Umstände, die dazu führten nicht genau geklärt werden konnten.

Irgendwo gibt es zweifelsohne eine Grenze, aber mit Bestimmtheit lässt sich diese nicht festlegen. Noch ein Beispiel für ein angebliches Plagiat (hier):

  • Für die französische Währung war das Jahr 1851 wesentlich, weil die am Edelmetallmarkt bestehende Relation das dem französischen Doppelwährungssystem zugrunde liegenden Gold/Silber-Wertverhältnis von 1 zu 15 unterschritt.
  • Für die französische Währung ist das Jahr 1851 bedeutungsvoll gewesen, weil in diesem Jahr die am Edelmetallmarkt bestehende Relation das dem französischen Doppelwährungssystem zugrundeliegende Wertverhältnis unterschritt.

Die eine Textstelle mag auf die andere zurückgehen, ist jedoch keine wörtliche Übernahme. Auch hier handelt es sich um simple Tatsachendarstellungen in der üblichen Fachsprache. Ein Plagiat würde ich hier ebenfalls nicht annehmen. Es ist beispielsweise eine bekannte Tatsache, dass Großbritannien aufgrund des fixen Gewichts und der Denomination der Silber- und Goldmünzen über lange Zeit wie magisch Goldmünzen anzog. Wenn ich das nun in einer Dissertation unterbringe, ohne irgend einen Hinweis auf eine Quelle, weil ich mir dieses Wissen irgendwann einmal angeeignet habe, sehe ich darin kein Problem. Wenn ich ein wissenschaftliches Buch lese, dann doch mit dem Ziel, dass ich mir die dort festgehaltenen Informationen zu eigen machen kann.

Was also fürs erste durch die Bekanntmachung eines Buchs sicherlich feil geboten wird, ist das bedruckte Papier, für jeden der Geld hat, es zu bezahlen, oder einen Freund, es von ihm zu borgen; und der Inhalt desselben, für jeden der Kopf und Fleiß genug hat, sich desselben zu bemächtigen.

Das ist eine Selbstverständlichkeit, in den Worten von Johann Gottlieb Fichte. Sein Anliegen lag bestimmt nicht darin, Plagiaten Vorschub zu leisten.

Es ist sicherlich eine Gratwanderung und in manchen Fällen besteht die offensichtliche Pflicht, die Quelle zu nennen. Aber ein wenig mehr Sinn und Verstand bei der Beurteilung kann man von einer kritischen Auseinandersetzung, wie VroniPlag die eigene Tätigkeit umschreibt, durchaus erwarten.

Je mehr man sich vor allem mit einem geisteswissenschaftlichen Fachgebiet beschäftigt, desto öfters trifft man auf immer wieder die gleichen Ideen und Gedanken. Manche kann man über lange Strecken zurückverfolgen und so erkennen, wer von wem abgeschrieben hat und wieso sich diese oder jene wissenschaftliche Erkenntnis oder Meinung gebildet hat. Wer aber mit der in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg im Hinblick auf die Neugestaltung des Urheberrechts propagierten Vorstellung, die Urheber schöpften aus nichts anderem als ihrem Wesen geistige Werke und müssten, weil das Werk Teil der Schöpferpersönlichkeit ist und ausschließlich dieser die Existenz verdanke, geistiges Eigentum zugesprochen bekommen, die Sache beurteilt, der verkennt nicht nur die Realität, sondern den auch den Sinn der Wissenschaft.  Der Großteil von dem, was in einem Standardwerk steht, sollte auch genauso verstanden werden: als wissenschaftlichen Standard, der inhaltlich zur freien Verfügung der Wissenschaftler steht. Wenn dieser in eigene Worte gekleidet wurde, sind auch urheberrechtliche Kopiervorwürfe fehl am Platz.

Oder soll man wieder die Diskussionen der Aufklärung führen, dass es an Gedanken genauso wenig ein Eigentum gibt wie an Luft oder dem Sonnenschein? Die Apologeten der „Das ist mein Gedanke“-Geisteshaltung, die jede klitzekleine Variation einer Formulierung irgend einem Individuum zuschreiben wollen, sollten von Christoph Martin Wieland lernen:

Ein solches Volk betrachtet den ganzen Schatz von Erfahrung, Wissenschaft und Kunst, den das gegenwärtige Jahrhundert von allen vergangenen geerbt und durch eigenen Fleiß so ansehnlich vermehrt hat, als ein eben so gemeines Eigenthum der Menschheit, wie Luft und Sonnenlicht; und jede Unternehmung gegen die Freiheit, nach eignem Belieben aus diesen Gemeinquellen zu schöpfen, ist in seinen Augen eine tyrannische Anmaßung gegen das unverlierbarste Naturrecht eines vernünftigen Wesens.

Wissenschaftliche Redlichkeit kann und soll man fordern. Aber mit einem mechanischen Vergleich von Wortabfolgen bei der Darstellung von historischen Tatsachen leistet man der Wissenschaft keinen Dienst, sondern legt sie in Ketten.

Krista Sager zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede von Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Entwicklung des Internets und der neuen IuK-Techniken haben auch die Arbeit im Wissenschaftsbereich revolutioniert.

Für viele Aspekte der wissenschaftlichen Praxis, von der wissenschaftlichen Recherche über die Kommentierung bis zum internationalen Diskurs, ergeben sich enorm erweiterte und beschleunigte Möglichkeiten. Der leichtere und schnellere Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit bringt positive Impulse für den Fortschritt in der Wissenschaft und den Erkenntnisgewinn.

Es ist nur konsequent, Zugangsbarrieren im Bereich der Wissenschaft nicht nur im Bereich der technischen Verfügbarkeit abzubauen, sondern auch Zugangsbarrieren im Bereich der Kosten zu hinterfragen. Gerade da, wo wissenschaftliches Arbeiten und Forschen öffentlich finanziert wird, ist es nicht einsehbar, dass die Allgemeinheit für den Zugang zu den Ergebnissen dieser Arbeiten noch einmal bezahlen soll.

Viele Bibliotheken konnten sich schon in der Vergangenheit viele internationale Journale mit hoher wissenschaftlicher Reputation kaum noch leisten, und die Kosten für die öffentliche Hand im Zusammenhang mit der Anschaffung wissenschaftlicher Publikationen sind zunehmend explodiert.

Die schnelle und leichte elektronische Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Arbeiten tritt zunehmend in einen Widerspruch zu einer vorhandenen Kostenbarriere für die Nutzerinnen und Nutzer dieser Ergebnisse. Kein Wunder also, dass die Forderung nach Open Access, nach kostenfreiem Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen für die Nutzerseite, nicht nur international immer mehr um sich greift, sondern in unterschiedlicher Weise und auf unterschiedlichen Wegen bereits praktiziert wird. Dies reicht von anderen Bezahlmodellen, die nicht die Nutzerinnen und Nutzer belasten, über wissenschaftsgeleitete Open-Access-Plattformen bis zur Verpflichtung der Open-Access-Veröffentlichung im Zusammenhang mit der öffentlichen Forschungsfinanzierung. Nicht nur die Forderung nach, sondern auch die Umsetzung von Open Access im Wissenschaftsbereich hat in letzter Zeit unübersehbar an Dynamik gewonnen. Wir sind dafür, diesen Prozess auch politisch zu unterstützen.

Bei dieser Entwicklung spielt sicher auch eine Rolle, dass nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer ein Interesse an einem möglichst barrierefreien Zugang haben, sondern auch die Verfasserinnen und Verfasser wissenschaftlicher Beiträge diese möglichst breit mit der wissenschaftlichen Community teilen möchten. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fühlen sich von den wissenschaftlichen Verlagen zunehmend ausgebeutet, weil ein Großteil der Arbeit für die elektronische Publikationsfähigkeit von den Autorinnen und Autoren selbst erbracht werden muss. Auch die notwendigen Peer-Review-Verfahren werden in der Regel kostenlos von der Scientific Community selbst geleistet. Gleichzeitig werden den Autorinnen und Autoren alle oder fast alle Rechte an ihren eigenen Beiträgen genommen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen heute geltend, dass diese Quasi-Enteignung in keinem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Leistungen der Verlage steht.

Gleichzeitig gibt es aber auch die Warnung vor einem möglichen Verlust von Publikationsmöglichkeiten, wenn die Arbeit von Verlagen nicht mehr angemessen honoriert würde oder es in der Folge der Open-Access-Bewegung zu einem noch stärkeren Konzentrationsprozess kommen sollte. Gerade in den Fachrichtungen, in denen die Buchform immer noch eine gewisse Bedeutung hat, wird vor dem Verschwinden kleiner spezialisierter Verlage gewarnt.

Der Überlegung, dass die realen Verlagsleistungen vergütet werden sollten, trägt der sogenannte goldene Weg Rechnung. Dabei wird die Leistung des Verlages durch die Autorinnen und Autoren bzw. deren Institutionen finanziert und nicht durch die Nutzerinnen und Nutzer. Große Wissenschaftsorganisationen wie die DFG stellen dafür Publikationszuschüsse zur Verfügung. Durch den goldenen Weg sind inzwischen große Open-Access-Plattformen bedeutender internationaler wissenschaftlicher Verlage in verschiedenen Spezialrichtungen entstanden. Dieser Weg entlastet zwar die Nutzerinnen und Nutzer, beinhaltet aber nach wie vor die Gefahr der Überforderung der öffentlichen Hand, die für die Kosten der wissenschaftlichen Arbeit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ja im Regelfall schon aufkommt.

Eine andere Möglichkeit des Open Access ist der sogenannte grüne Weg, das heißt die kostenlose elektronische Zweitveröffentlichung nach einer vereinbarten Embargofrist ergänzend zur Verlagsversion, zum Beispiel auf einem fachspezifischem Institutserver oder einem interdisziplinären Repository.

Aus aktuellem Anlass möchte ich unterstreichen, dass Open Access, also der kostenfreie Zugang, die jeweilige wissenschaftliche Veröffentlichung nicht zum Allgemeingut macht, sondern diese weiterhin nach den Maßgaben wissenschaftlicher Redlichkeit als die wissenschaftliche Leistung ihrer Verfasserinnen und Verfasser zu behandeln ist.

Um Open Access zu garantieren, ohne die öffentliche Hand alleine mit den Verlagskosten zu belasten, wird international die Pflicht zur Open-Access-Veröffentlichung haushalts- oder vertragsrechtlich zunehmend schon mit der Bewilligung von öffentlichen Forschungsmitteln verbunden. In den USA wird eine entsprechende Gesetzesinitiative diskutiert. Die EU hat dieses Verfahren erprobt und will es zukünftig ausweiten und zum Regelfall machen.

Die Verankerung eines Zweitverwertungsrechts im § 38 a des Urheberrechtsgesetzes, wie die SPD es heute vorschlägt, würde zweifellos in der Open-Access-Szene und Teilen der Scientific Community als starkes Signal gewertet. Trotzdem sollten wir uns vor einer endgültigen Festlegung auf dieses Instrument im Ausschuss gründlich mit den Vor- und Nachteilen dieses Vorschlages und auch mit den anderen Wegen zum Open Access befassen. Denn es gibt da doch einige wichtige Fragen. Die vorgeschlagene Änderung stärkt zwar die Rechte der wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren, enthält aber nicht die Verpflichtung zur kostenlosen Veröffentlichung, geht also weniger von den Interessen der Nutzerinnen und Nutzer öffentlich oder überwiegend öffentlich finanzierter Forschung aus.

Wie weit ist die Reichweite des deutschen Urheberrechts in einem Bereich, wo das Publikationsgeschehen international ist, die größten Verlage sich im Ausland befinden und wissenschaftliche Ergebnisse oft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Staaten in Kooperation erbracht werden? Sind die vorgeschlagenen Embargofristen bei der Zweitveröffentlichung für die unterschiedlichen Bedürfnisse im Wissenschaftsbereich differenziert genug? Wie wären die Auswirkungen auf Publikationsmöglichkeiten im Bereich der Geisteswissenschaften zum Beispiel bei kleineren spezialisierten Verlagen? Welche Auswirkungen könnte die Grenze der mindestens hälftigen öffentlichen Finanzierung für öffentlich-private Forschungskooperationen haben? Ist der § 38 a des Urheberrechts geeignet für die Weiterentwicklung von Open Access in einem nach wie vor lernenden System, das noch sehr im Umbruch ist? Diesen Fragen sollten wir im Ausschuss nachgehen, gerne auch unter Hinzuziehung von Experten.


Hier geht es zu Homepage von Krista Sager.

Stephan Thomae zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.

 


Rede von Stephan Thomae (FDP)

Der Rohstoffreichtum unseres Landes liegt in den Köpfen seiner Menschen. Kreativität, Innovationsgeist, Erfindungsreichtum und Risikobereitschaft sind die Quellen unseres Wohlstandes.

Erfindungen und Entdeckungen bedürfen aber von ihrer Entstehung bis hin zu ihrer Verwirklichung bisweilen eines hohen Maßes an immateriellem und materiellem Einsatz. Solche Investitionen werden nur getätigt, wenn eine reale Chance dafür besteht, dass sich Kreativität und die dafür aufgewendeten Mittel auch auszahlen können.

Dafür muss der Staat die Rahmenbedingungen schaffen. Der effektive Schutz und die wirksame Nutzbarkeit und Durchsetzbarkeit der Rechte des geistigen Eigentums sind mithin eine unerlässliche Voraussetzung, um Kreativität und Innovationen zu fördern. Ich gehe davon aus, dass darüber in diesem hohen Haus mehr oder weniger Konsens herrscht. Wie man diese Ziele jedoch erreichen will, darüber kann man streiten.

Die SPD setzt sich mit dem von ihr eingebrachten vorliegenden Gesetzentwurf für ein Zweitverwertungsrecht wissenschaftlicher Urheber ein. Damit soll das Ziel erreicht werden, Wissenschaft, Forschung und Bildung unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen Zugang zu wissenschaftlichen Informationen zu ermöglichen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird sich dem vorliegenden Antrag aus verschiedenen Gründen nicht anschließen. Zum einen ist der Antrag in sich sprachlich widersprüchlich. Wer Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht an seinem Werk einräumt, kann selber kein Nutzungsrecht an dem Werk haben, es sei denn, es wurde vorher so vereinbart. Da entsprechende Vereinbarungen bereits jetzt im Rahmen der Privatautonomie möglich sind, bedarf es hierfür keines eigenen Gesetzgebungsverfahrens.

Zum anderen sprechen auch inhaltliche Argumente gegen ein obligatorisches Zweitverwertungsrecht: Ein solches Zweitverwertungsrecht würde die Nutzungsrechte desjenigen beschneiden, dem der Urheber zuvor eben jene Nutzungsrechte eingeräumt hat. Mit anderen Worten: Wenn sich ein Autor bewusst zur Veröffentlichung seines Beitrags in einem Verlag entscheidet, dann darf der Verlag nicht einer gesetzlich angeordneten Konkurrenz ausgesetzt werden, sondern dann müssen die vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf die Nutzungsrechte grundsätzlich Bestand haben. Ein obligatorisches Zweitverwertungsrecht im deutschen Recht würde darüber hinaus zu einer Wettbewerbsverzerrung zulasten deutscher Verlage führen.


Abschließend sei Ihnen gesagt, dass der von der SPD angestrebte Erfolg mit der Schaffung eines solchen Zweitverwertungsrechts keineswegs gesichert wäre; denn das Zweitverwertungsrecht gäbe den Wissenschaftlern nur das Recht zur Zweitveröffentlichung. Kein Wissenschaftler wäre aber gezwungen, sich um eine solche Veröffentlichung zu bemühen und sein Zweitverwertungsrecht auch tatsächlich auszuüben.

Um die Zweitverwertung zu gewährleisten, wären deshalb ergänzende Regelungen in den Bedingungen für die Vergabe von Fördergeldern erforderlich, mit denen der Wissenschaftler zur Zweitverwertung verpflichtet wäre. Eine solche Pflicht wäre urheberrechtspolitisch bedenklich, weil sie dem Grundsatz widerspricht, dass allein der Urheber über das Ob und das Wie einer Veröffentlichung seiner Werke entscheidet.

Aus diesen Gründen wird die FDP-Bundestagsfraktion den vorliegenden Gesetzentwurf nicht unterstützen.


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Ansgar Heveling zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede Ansgar Heveling (CDU/CSU)

Lassen Sie uns heute über das Zweitverwertungsrecht reden. Darum geht es jedenfalls in dem auf Drucksache 17/5053 vorgelegten Gesetzentwurf der SPD – vordergründig jedenfalls. Eigentlich geht es aber eher um etwas anderes. Eigentlich geht es darum, dass sich die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf das „Ich bin schon da“-Gefühl geben möchte, das wir aus dem „Hase und Igel“-Märchen der Gebrüder Grimm kennen. Während die Koalition behäbig ihre Themen abarbeitet, kommt die SPD flink und listig mit allem schon viel früher um die Ecke. Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Der Punkt geht an Sie – jedenfalls der Punkt, dass Sie schneller sind.

Aber Listigkeit und Flinksein haben ihren Preis. Das sehen wir gerade an dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf. Um nicht zu sagen: Der Erfolg ihres Gesetzentwurfs reduziert sich allein darauf, dass Sie ihn schneller vorgelegt haben. Ihnen mag das vielleicht reichen; uns reicht es jedenfalls nicht.

Machen wir es also ebenso schnell: Der Gesetzentwurf der SPD ist viel zu kurz gesprungen. Er ist reine Effekthascherei, weil er einen einzelnen Aspekt, das Zweitverwertungsrecht, ausschließlich so, wie ihn eine Interessengruppe, verschiedene Wissenschaftsorganisationen, nach vorne tragen, in Gesetzesform gießen will.

Ich kann zwar nachvollziehen, dass sich die SPD angesichts der Tatsache, dass es nur um den kurzfristigen Effekt geht, wirklich nicht viel Mühe machen wollte; aber so einseitig vorzugehen und nicht einmal im Ansatz den Versuch zu starten, mit einem Gesetzentwurf den Ausgleich verschiedener Interessen vorzunehmen, das ist schon bemerkenswert. Bemerkenswert unklug! So weit zum Gesetzentwurf der SPD.

Nun zum eigentlichen Thema, das wirklich die ernsthafte Auseinandersetzung lohnt. Denn es sind einige Faktoren in der Tat nicht von der Hand zu weisen:
Zum einen wollen Wissenschaftler nachvollziehbarerweise ihre Ergebnisse gerne im Verlag mit dem höchsten Renommee veröffentlichen. Daraus hat sich in einigen Bereichen eine gewisse Monopolisierung ergeben. Und es stimmt: Manche Verlage nutzen diese Monopolbildung aus, verlangen immer höhere Preise und erreichen dadurch Margen von bis zu 70 Prozent.

Zum anderen halten die Bibliotheksetats bei der explosionsartigen Vermehrung von Veröffentlichungen nicht Schritt. Im Gegenteil, die finanzielle Ausstattung durch die öffentliche Hand wird immer schmaler.

Da ist es eigentlich kein Wunder, dass von interessierter Seite der Ruf nach einer Schranke zugunsten einer Zweitverwertungsmöglichkeit laut wird. Aber nur weil der Ruf erschallt, heißt das noch nicht zwangsläufig, dass man ihm folgen muss, vor allem nicht, dass man sich dann auf dem richtigen Weg befindet.

„Quidquid agis prudenter agas et respice finem“ lautet ein lateinisches Sprichwort: Was auch immer du tust, handle klug und bedenke das Ende! Wenn der Gesetzentwurf der SPD dies schon nicht tut, dann sollten wir das im Interesse der Urheber sehr sorgsam tun. Das braucht naturgemäß Zeit – Zeit, die wir uns zur sorgsamen Vorbereitung des Dritten Korbs der Urheberrechtsreform auch nehmen, um solche Schnellschüsse wie den SPD-Gesetzentwurf zu vermeiden.

Wir sollten daher genau überlegen, ob ein solches Zweitverwertungsrecht wirklich zielführend ist. In diesem Überlegungsprozess befinden wir uns derzeit.

Erstens. Es sind vor allem die Wissenschaftsorganisationen, die die Einführung eines Zweitverwertungsrechtes forcieren. Wo ist da die Stimme der wirklichen Urheber? Sind sie so schwach, dass sie der Stimme anderer bedürfen? Oder sind sie vielleicht damit zufrieden, dass sie gerade in dem besonderen Journal X oder der Zeitschrift Y ihre Ergebnisse veröffentlichen können?

Zweitens. Ist eine gesetzliche Regelung im Urheberrecht wirklich das richtige Instrument? Der SPD-Antrag fordert das Zweitverwertungsrecht ausschließlich für die Veröffentlichung von Ergebnissen öffentlich geförderter Forschung. Damit wird der Gegenstand des Zweitverwertungsrechts schon deutlich eingeschränkt. Hinter dieser Beschränkung steht die nachvollziehbare Überlegung, dass die öffentliche Hand nicht zweimal für Forschung bezahlen soll: zum einen über die Forschungsförderung und zum anderen über die Bibliotheksförderung.

Wenn es aber ohnehin nur um die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung geht, dann stellt sich die Frage, ob das gewünschte Ziel nicht bereits durch Zuwendungsauflagen bei der Fördermittelvergabe erreicht werden kann. So breit wie die öffentliche Förderung aufgestellt ist, müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht ausreichend kritische Masse auf diesem Weg erzeugt werden könnte, um den Verlagen als ebenbürtiger Verhandlungspartner gegenüberzustehen.

Drittens. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Forderung nach einem Federstrich des Gesetzgebers nicht sogar von dem eigentlichen Problem ablenkt, nämlich dem Problem, dass Etats von wissenschaftlichen Bibliotheken immer weiter reduziert werden und immer weniger Mittel für die Bereitstellung von Publikationen zur Verfügung stehen. Ist es richtig, das auf Kosten der Verlage zu sanktionieren?

Viertens. Können Verlage überhaupt noch verlässlich kalkulieren, wenn es ein verbindliches Zweitverwertungsrecht gibt? Die Verlage investieren in Veröffentlichungen. Sie steuern technisches Know-how bei und erbringen mit dem Lektorieren, Setzen und Publizieren eigene Leistungen. In der Summe wollen Verlage selbstverständlich ihre verlegten Werke auch amortisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass die renommierten Publikationen noch teurer und viele andere Werke einfach gar nicht mehr verlegt werden. Am Ende mögen weniger Veröffentlichungen und damit weniger Qualität stehen. Weder die Verlage, die nicht jedes Werk verlegen wollen, noch die Urheber, die ja gerade in einschlägigen Journalen veröffentlichen wollen, werden sich möglicherweise zwingen lassen. Auch das müssen wir bedenken.

Sie sehen: Allein die Diskussion um diese eine Schranke im Urheberrecht wirft viele Fragen auf – Fragen, die bedacht sein wollen und auf die der Gesetzentwurf der SPD auch nicht im Ansatz eine Antwort gibt.

Ich will nicht verhehlen, dass ich persönlich einem Zweitverwertungsrecht insgesamt kritisch gegenüberstehe. Ich sehe, dass hier die Gefahr einer Kostenverlagerung von den Nutzern auf die Kreativen besteht. Ich sehe die Gefahr, dass letztlich die Qualität von Veröffentlichungen leidet. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass es statt weniger mehr Monopolisierung gibt. Wir sollten daher mit dem Instrument des Zweitverwertungsrechts sehr vorsichtig sein – vorsichtiger als die SPD mit ihrem Gesetzentwurf.


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René Röspel zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede René Röspel (Diplombiologe), SPD

Wie ermöglicht man einen umfassenden Zugriff auf das wissenschaftliche Wissen der Welt? Diese ebenso grundsätzliche wie wichtige Frage steht im Zentrum des von der SPD-Bundestagsfraktion heute vorgelegten Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Urheberrechts.

Wir alle kennen die klassischen Wege der schriftlichen Wissenschaftskommunikation. Es werden zunächst Forschungsprojekte betrieben, die zu neuen oder erweiterten Erkenntnissen führen. Diese werden durch den oder die Forscher in einem Textbeitrag dargestellt und dann in einem Buch, einem Sammelband oder in einer Zeitschrift veröffentlicht. Idealerweise stehen diese Werke dann allen am Thema interessierten Forscherinnen und Forschern zur Verfügung, damit sie Rückschlüsse ziehen und Anregungen aufnehmen können für ihre eigene Arbeit.

Nun werden seit einigen Jahren die Grenzen dieses klassischen Modells deutlich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So hat sich die Dynamik der wissenschaftlichen Kommunikation in einer Art und Weise verstärkt, wie es zu Zeiten vor Internet und Web 2.0 undenkbar war. Der Bedeutung des Internets für die wissenschaftliche Kommunikation muss der Gesetzgeber Rechnung tragen, wenn die deutsche Wissenschaft von dieser Entwicklung nicht abgekoppelt werden soll.

Die Verlage wiederum haben in den letzten Jahren verstärkt ihre marktbeherrschende Rolle in der Wissenschaftskommunikation für teilweise extreme Preissteigerungen genutzt. Ein Beispiel aus den USA ist die Ankündigung der Nature Publishing Group gegenüber der University of California, den Preis für die Onlinelizenz für die Universität von 2011 an um sage und schreibe 400 Prozent zu erhöhen. Erst nach einer Boykottdrohung kam es zu einer Annährung zwischen der Verlagsgruppe und der Universität. Das Verhalten der Verlagsgruppe zeigt, mit welcher Aggressivität einige Verlage versuchen, die Abhängigkeit von Hochschulen auszunutzen. Übrigens waren die Kosten für die Lizenz der Nature Publishing Group zwischen 2005 und 2009 bereits um 137 Prozent gestiegen.

Die Folgen dieser Abhängigkeit sind insbesondere in Bezug auf die staatliche Forschungsförderung für einen unabhängigen Beobachter kaum mehr vermittelbar. Da fördern der Bund und die Länder mit Milliardenbeträgen die Wissenschaft und Forschung in Deutschland über Projektmittel und Gehaltszahlungen. Ein Ergebnis dieser Förderung sind neue Erkenntnisse, welche die Wissenschaftler in Schriftform einem weiten Kreis von Interessenten bekannt machen wollen. Hier treffen sie auf das „Nadelöhr“: Verlage, die sich meist alle Rechte an den Texten abtreten lassen. Meist wird sogar die Formatierung des Textes, ausgehend von einer Formatvorlage, als Aufgabe an den oder die Autoren delegiert. Der Verlag verkauft dann sein Printprodukt bzw. seine Lizenzen an Hochschulen, Bibliotheken, Einzelpersonen usw. In den ersten beiden Fällen kauft der Steuerzahler – vertreten durch Bund und Länder – also die von ihm finanzierten Forschungserkenntnisse erneut zu hohen Kosten ein, damit Dritte Zugang zu ihnen erlangen können. Aus Sicht der Verlage hat dieses Vorgehen nur Vorteile; ein Modell für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation ist dieses Verfahren aber nicht.

Diese Erkenntnis ist nicht erst wenige Wochen oder Monate alt. Bereits im Rahmen der Beratungen des „Zweiten Korbes“ zur Reform des Urheberrechts hat sich der Deutsche Bundestag für die Prüfung eines sogenannten unabdingbaren Zweitverwertungsrechts ausgesprochen. Dieser etwas sperrige Begriff bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Recht erhalten, nach einer im Gesetz festgelegten Embargofrist ihre – überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten – Texte nach einer Erstveröffentlichung etwa in einer Zeitschrift nach Belieben an einer anderen Stelle zweitzuveröffentlichen. Der Bundesrat hat in den Beratungen zum „Zweiten Korb“ sogar einen dezidierten Vorschlag für die Festschreibung eines solchen Zweitverwertungsrechts vorgelegt, den die damalige Bundesregierung jedoch bedauerlicherweise nicht aufgegriffen hat.

Nun steht seit einigen Monaten der Regierungsentwurf eines „Dritten Korbes“ zur Reform des Urheberrechts aus. Die Signale, die man bisher empfangen konnte, deuten leider stark darauf hin, dass die Regierung die Chance zur Vorlage eines Entwurfs für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung und für eine Stärkung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland erneut vergeben wird. Dies ist sehr bedauerlich, hat sich doch der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der Verabschiedung des „Zweiten Korbes“ einstimmig für einen „Dritten Korb“ für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgesprochen. Ein modernes wissenschaftsfreundliches Urheberrecht ist ein wichtiger Standortvorteil für unser Land.

Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns daher dazu entschlossen, den Aspekt „Zweitverwertungsrecht“ in einem eigenständigen Gesetzentwurf in die parlamentarische Debatte einzubringen. Wir wollen nicht, dass diese wichtige Frage zwischen den vielen anderen Fragen im Rahmen eines „Dritten Korbes“ untergeht oder, wie üblich, weiterhin auf die lange Bank geschoben wird. Auch wollen wir deutlich machen, dass eine Regelung zum Zweitverwertungsrecht kein Spezial- oder Randthema ist.

Was fordern wir nun konkret? Mit unserem Gesetzentwurf soll ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Beiträge eingeführt werden, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind. Damit sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Open-Access-Publikationen zu ermöglichen. Dabei ist uns klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann und dass es weiterer flankierender Maßnahmen bedarf, um Open Access zu unterstützen, beispielsweise hinsichtlich der Förderrichtlinien der Forschungsförderung oder hinsichtlich der Unterstützung der Universitäten und der wissenschaftlichen Fachgesellschaften bei der Einrichtung entsprechender Plattformen.

Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates differenzieren wir hinsichtlich der Embargofrist zwischen sechs Monaten für Zeitschriftenbeiträge und zwölf Monaten für Beiträge in Sammelwerken. Jeder Urheberin und jedem Urheber steht frei, wie er mit diesem Recht umgeht und die Möglichkeit zur Zweitverwertung nutzt.

Die Autoren erhalten das Recht, ihre Beiträge im Originalformat der Erstveröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Dies ist keine „Enteignung“ der Verlage, die das Layout entwickelt haben, sondern es ist eine unerlässliche Voraussetzung, damit etwa die Zitierfähigkeit erhalten bleibt. Durch die Verpflichtung, dass im Rahmen einer Zweitverwertung der Ort der Erstpublikation anzugeben ist, kann und soll sogar eine Werbewirkung für die betreffenden Zeitschriften bzw. Verlage entstehen.

Mit unserem Vorschlag befinden wir uns damit sehr nah an den Vorstellungen der großen Wissenschaftsorganisationen sowie der Bundesländer. Auch die bisherigen Stellungnahmen der anderen im Bundestag vertretenen Parteien lassen sich aus unserer Sicht dahin gehend interpretieren, dass man über die Parteigrenzen hinweg offen sein sollte bzw. ist für unseren Regelungsvorschlag. Wir hoffen daher auf eine konstruktive Debatte und eine Zustimmung über unsere Fraktion hinaus.

Zu einer Debatte gehört selbstverständlich auch eine Bewertung der Kritik an einem unabdingbaren Zweitverwertungsrecht. Nur darf man hierbei nicht vergessen, dass für Wissenschaft und Forschung im Urheberrecht andere Maßstäbe gelten müssen als für andere Publikationsformen und -felder. So verdienen Wissenschaftler selten einen Großteil ihres Einkommens mit Veröffentlichungen. Bestenfalls kann man Einnahmen aus Veröffentlichungen als Nebenverdienst in Wissenschaft und Forschung bewerten. Vielmehr ist es – gerade bei Buchpublikationen – durchaus möglich, dass eine Veröffentlichung wissenschaftlicher Werke sogar Kosten für den Autor zur Folge hat.

Der freie Fluss von Informationen ist außerdem konstitutiv für eine erfolgreiche wissenschaftliche Tätigkeit. Diese Freiheit von Informationen durch Hürden wie Gebühren für den Zugriff auf Artikel und Beiträge – auch noch Jahre und Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung – einzuschränken, behindert immer mehr auch die Wissenschaft. Zwar mag der Grad der Einschränkung der wissenschaftlichen Forschung und der Wissenschaftsfreiheit durch diese finanziellen, verlagsseitigen Hürden kaum bezifferbar sein; klar ist jedoch, dass die Abwesenheit eines Zweitverwertungsrechts den freien Fluss von Informationen erheblich behindert. All diejenigen, die sich folglich gegen ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht aussprechen, müssen diese negativen Effekte ausdrücklich in Kauf nehmen.

Unser Gesetzentwurf ist sicherlich nur ein erster, aus unserer Sicht wichtiger, Schritt auf dem Weg zur Umsetzung eines echten Open Access – also offenen Zugangs – zu wissenschaftlichem Wissen. Wir haben – auch und gerade durch das Engagement vieler Menschen in zahllosen Gremien und Netzwerken – hier schon viel erreicht. Wir werden aber mit unserem heute vorgelegten Entwurf nicht stehen bleiben im Bemühen für eine umfassende wissenschaftsfreundliche Reform des bundesdeutschen Urheberrechts. Nicht zuletzt aus diesem Grund und um dem Paradigmenwechsel wirklich mittelfristig Rechnung tragen zu können, haben wir den Gesetzentwurf mit einer Evaluierungsklausel versehen. Drei Jahre nach Inkrafttreten soll diese Regelung dahin gehend evaluiert werden, ob das Ziel des Gesetzgebers, Open Access zu ermöglichen, tatsächlich erreicht werden kann und ob es gegebenenfalls weiteren rechtlichen Klarstellungsbedarf gibt.

Übrigens hat unsere Debatte von heute natürlich Auswirkungen über die Landesgrenzen hinweg. Wir debattieren ja auch auf europäischer Ebene über die Zukunft des Urheberrechts, und viele andere Staaten in Europa werden unser Bemühen für ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht mit großem Interesse verfolgen. Deutschland ist schon in der Vergangenheit in Europa mutig vorangeschritten, wenn es darum ging, auch dort sinnvolle Regelungen auf den Weg zu bringen, wo andere vielleicht noch zögern.

Perspektivisch können wir es – wie bereits angedeutet – aber nicht bei der Festschreibung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts belassen; dies schafft lediglich die rechtliche Grundvoraussetzung. Wir müssen auch intensiv prüfen, welcher flankierender Maßnahmen es bedarf und wie beispielsweise die einschlägigen Förderrichtlinien des Bundes dahin gehend verändert werden müssen, sodass Open Access in allen Wissenschaftsbereichen ermöglicht und gefördert wird. Auch wird zu prüfen sein, wie die Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen oder Bibliotheken und die wissenschaftlichen Fachgesellschaften unterstützt werden können bei der Errichtung entsprechender Open-Access-Publikationsplattformen. Schließlich gilt es auch bei den wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren dafür zu werben, von diesem Zweitverwertungsrecht tatsächlich Gebrauch zu machen. Auch bei den Wissenschaftsverlagen müssen wir dafür werben, neue Publikationsformen und -modelle zu erproben und anzubieten.

Selbstverständlich müssen wir auch mit den Ländern sprechen, um sicherzustellen, dass wir in Deutschland eine vergleichbare Infrastruktur an den Hochschulen erhalten, die es erlaubt, das Zweitverwertungsrecht in der Forschungspraxis zu leben. Mit den Bibliotheken haben wir bereits leistungsstarke Dienstleister, die ein wichtiger Partner bei der Umsetzung des Zweitverwertungsrechts sein können. Nur haben die Länder in der Vergangenheit leider Sparmaßnahmen auf den Weg gebracht, die den Universitäten die Aufrechterhaltung dieser Infrastrukturen erschwert haben. Hier muss der Bund helfen. Wir als SPD sind bereit, hier unterstützend tätig zu werden.

Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, hierbei insbesondere Johannes Kollbeck, danken, die sich in den letzten Jahren für die Festschreibung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts eingesetzt und die uns bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs unterstützt haben.

Lassen Sie uns nun ergebnisoffen in die Ausschussberatungen gehen, gegebenenfalls auch eine Sachverständigenanhörung, möglicherweise zu unterschiedlichen Regelungsentwürfen, durchführen und zu einem gemeinsamen Weg finden, der das von unserem Gesetzentwurf präsentierte Ziel – und zwar sowohl hinsichtlich der dafür notwendigen Rechtsgrundlagen als auch hinsichtlich der ebenso notwendigen flankierenden Maßnahmen – erreichbar macht.


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