Archiv der Kategorie: Urheberrecht

Europäisches Filmerbe

Bleiben Filme auch für künftige Generationen erhalten? Während Bücher oft Jahrhunderte überdauern, gelten 80 % der Stummfilme bereits als verloren und auch neue Filme des digitalen Zeitalters sollen  gefährdet sein.

Ein von der Generaldirektion für Informationsgesellschaft und Medien der Europäischen Kommission veröffentlichter Bericht zum Fortbestand des europäischen Filmerbes wirft auch Fragen auf.  Der erste Bericht wurde im August 2008 angenommen. Die Ergebnisse seien  nur eine erste Bewertung der Risiken und Chancen des digitalen Zeitalters für das europäische Filmerbe. Die Europäische Kommission hat eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben, die sich mit weiteren Einzelheiten dieser Frage befassen wird. Nach Sichtung der Ergebnisse der Studie wird die Europäische Kommission prüfen, inwieweit eine Überarbeitung der Empfehlung zum Filmerbe geeignet erscheint, diese Frage anzugehen.

Der von der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien der Europäischen Kommission veröffentlichte Bericht unterstreicht, dass die europäischen Einrichtungen zum Erhalt und zum Schutz des Filmerbes mit Blick auf die Sicherung und Zugänglichkeit des europäischen Filmerbes neue Wege beschreiten sollten. Die herkömmliche Art und Weise, empfindliches Filmmaterial in verschlossenen Kästen in Tresorräumen aufzubewahren, gewährleistet nicht dessen Erhalt für die Nachwelt oder seine Zugänglichkeit. Der Bericht fordert ein neues Zugangsmodell im digitalen Zeitalter, damit künftige Filmemacher und das Publikum weiterhin in den Genuss der europäischen Filmkultur kommen können.

Zwar bietet das digitale Zeitalter neue Möglichkeiten, Filme herzustellen und zu präsentieren, es stellt aber auch die herkömmliche Art, Filme zu sammeln und zu erhalten, vor neue Herausforderungen. Die digitalen Technologien entwickeln sich ständig weiter und Technische Abspielgeräte für Tonbänder oder Videocassetten sind unter Umständen nur noch antiquarisch erhältlich. Selbst bei den digitalen, insbesondere bei den proprietären Dateiformaten können entsprechende Programme fehlen.  Die Einrichtungen zum Erhalt und zum Schutz des Filmerbes müssen mit der Entwicklung Schritt halten und zum Erhalt europäischer Filme neue Technologien übernehmen und weiter voranbringen.

Die digitalen Technologien verändern grundlegend die Art und Weise, wie das europäische Filmerbe langfristig gesammelt, wiederhergestellt und erhalten wird. Sie beeinflussen auch die Art und Weise, wie das Filmerbe zugänglich gemacht werden kann – online und durch digitale Projektion. Eines der Probleme, die der vollständigen Ausschöpfung des Potentials der neuen Technologien noch im Wege stehen, sind jedoch die fehlenden rechtlichen Mechanismen, die die kulturelle und pädagogische Nutzung von Filmen und entsprechendem Filmmaterial in effizienter Weise möglich machen.

Teilweise wird argumentiert, das Urheberrecht solle (so etwa Ansgar Ohly) die Verleger veranlassen, für eine langfristige Verfügbarkeit zu sorgen. Tatsächlich werden  in Deutschland  Filme vor allem im Bundesarchiv gesammelt (so wie die die Deutsche Nationalbibliothek die zentrale Archivbibliothek ist). Die Regelungen sehen eine Kopierlizenz für das Bundesarchiv zum Zweck der konservatorischen Sicherung durch Duplikate sowie eine genehmigungsfreie Sichtungsmöglichkeit dieser Duplikate in den Räumen des Bundesarchivs vor. Auch in Österreich nehmen zwei von der öffentlichen Hand geförderte Institutionen diese Aufgabe war: Das Filmarchiv Austria und das Österreichische Filmmuseum.

Der Bericht enthält eine Darstellung der bewährten Verfahren, die von den Mitgliedstaaten angewandt werden, um die Herausforderungen des analogen und digitalen Filmerbes zu bewältigen. So enthalten einige nationale und regionale Filmförderprogramme eine Klausel, die den begünstigten Filmproduzenten verpflichten, der Förderstelle oder einer öffentlichen Einrichtung zum Erhalt und zum Schutz des Filmerbes für die nichtkommerzielle Nutzung in der EU Rechte einzuräumen. Spanien und Dänemark sind hier beispielhaft: Das dänische Filminstitut hat das Recht, geförderte Filme in seinen eigenen Kinos zu zeigen und geförderte Dokumentar- und Kurzfilme online zur Verfügung zu stellen. Spanien erlaubt kulturelle Filmvorführungen geförderter Filme zwei Jahre nach deren Erstvorführung.

Rechtsnachfolger können sich auf das Urheberrecht berufen

Avis von Kurt Tucholsky (gest. 1935)  in: Die Weltbühne, 1. März 1932 (Nr. 9, S. 345).

»Lieber Herr Tucholsky!
Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen zu Ihren Werken meine vollste Anerkennung ausspreche. Das wird Ihnen zwar gleichgültig sein — aber  ich möchte doch noch eine weitere Bemerkung hinzufügen. Hoffentlich  sterben Sie recht bald, damit Ihre Bücher billiger werden (so wie Goethe zum Beispiel). Ihr letztes Buch ist wieder so teuer, dass man es sich nicht kaufen kann.
Gruß!«

Da hast es.
Lieber Meister Rowohlt, liebe Herren Verleger! Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger!

Ein künstlerisches Werk trägt, in Anlehnung an Josef Kohler, bereits bei Geburt die Bestimmung in sich, Gemeingut aller zu werden. Der EuGH wendet nunmehr europäisches Recht an, obwohl der Urheber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWG-Vertrags bereits verstorben war — mit der Folge, dass jeweils die längste Schutzdauer gilt. Ein merkwürdiges Urteil, wird doch gewissermaßen die Allgemeinheit enteignet.

EuGH, Urteil vom 6. Juni 2002 (Fünfte Kammer)

In der Rechtssache C-360/00 betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Bundesgerichtshof (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Land Hessen gegen G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag GmbH

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) erlässt der Gerichtshof  (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter S. von Bahr, A. La Pergola, M. Wathelet (Berichterstatter) und C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: D. Ruí­z-Jarabo Colomer

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • des Landes Hessen, vertreten durch Rechtsanwalt H. L. Bauer,
  • der G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt O. Brändel,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Dittrich und W.-D. Plessing als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt W. Berg,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Februar 2002, folgendes Urteil

  1. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30. März 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 28. September 2000, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
  2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Land Hessen und der G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag GmbH (im Folgenden: Ricordi), einem Bühnen- und Musikverlagshaus, hinsichtlich des Rechts, die Oper La Bohème des Komponisten Giacomo Puccini in den Spielzeiten 1993/94 und 1994/95 aufzuführen.

    Rechtlicher Rahmen

    Nationale Rechtsvorschriften

  3. Zum Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens stand das künstlerische und geistige Schaffen in Deutschland unter dem Schutz des Gesetzes über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte vom 9. September 1965 (BGBl. I, S. 1273, im Folgenden: UrhG). Dieses Gesetz unterschied zwischen dem Schutz der Werke deutscher Staatsangehöriger und dem der Werke ausländischer Urheber.
  4. Während Erstere urheberrechtlichen Schutz für alle ihre Werke genossen, gleichviel, ob und wo die Werke erschienen waren (§ 120 Absatz 1 UrhG), genossen Letztere diesen Schutz nur im Hinblick auf die Werke, die erstmals oder innerhalb von dreißig Tagen nach ihrem ersten Erscheinen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erschienen (§ 121 Absatz 1 UrhG).
  5. In den anderen Fällen genossen ausländische Urheber den urheberrechtlichen Schutz nach Inhalt der Staatsverträge (§ 121 Absatz 4 UrhG).
  6. Der vom deutschen Recht gewährte Schutz der Urheberrechte endet 70 Jahre nach dem 1. Januar des Jahres, das auf den Tod des Urhebers folgt (§§ 64 und 69 UrhG).
  7. Im italienischen Recht beträgt die Schutzdauer der Urheberrechte gemäß Artikel 25 des Gesetzes Nr. 633 vom 22. April 1941 über den Schutz des Urheberrechts und weitere mit seiner Ausübung verbundene Rechte (GURI Nr. 166 vom 16. Juli 1941) in Verbindung mit Artikel 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 440 vom 20. Juli 1945 (GURI Nr. 98 vom 16. August 1945) 56 Jahre gerechnet vom Tod des Urhebers an.

    Internationales Recht

  8. Das wichtigste internationale Abkommen auf dem Gebiet des Schutzes des Urheberrechts ist die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Akte von Paris vom 24. Juli 1971) in ihrer Fassung durch die Änderung vom 28. September 1979 (im Folgenden: Berner Übereinkunft).
  9. Nach Artikel 7 Absatz 1 der Berner Übereinkunft umfasst die Dauer des durch sie gewährten Schutzes das Leben des Urhebers und 50 Jahre nach dessen Tod. Nach Absatz 5 dieses Artikels wird diese Frist von 50 Jahren vom 1. Januar des auf den Tod folgenden Jahres an gerechnet. Nach Absatz 6 dieses Artikels können die Verbandsländer jedoch eine längere Schutzdauer einräumen.
  10. Artikel 7 Absatz 8 enthält eine Regelung, die als Schutzfristenvergleich bezeichnet wird. Nach dieser Vorschrift wird die Dauer der Schutzfrist in allen Fällen durch das Gesetz des Landes festgelegt, in dem der Schutz beansprucht wird. Sie überschreitet jedoch nicht die im Ursprungsland des Werkes festgesetzte Dauer, sofern die Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, nichts anderes bestimmen; das ist in Deutschland nicht der Fall.
  11. Die Beschränkungen, die Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft zulässt, sind in Artikel 3 Absatz 1 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums aufgenommen worden, das im Anhang 1C des Übereinkommens über die Errichtung der Welthandelsorganisation, genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1), enthalten ist. Artikel 9 dieses Abkommens sieht auch vor, dass die Unterzeichnerstaaten die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft und den Anhang dazu befolgen.

    Gemeinschaftsrecht

  12. Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag lautet:

    Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

    Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

  13. Ricordi verfügt über die Aufführungsrechte an der Oper La Bohème von Puccini, der am 29. November 1924 starb (vgl. Nrn. 13 ff. der Schlussanträge des Generalanwalts). Das Land Hessen betreibt das Staatstheater in Wiesbaden (Deutschland).
  14. In den Spielzeiten 1993/94 und 1994/95 ließ das Staatstheater in Wiesbaden diese Oper mehrmals ohne Zustimmung von Ricordi aufführen.
  15. Diese machte vor einem deutschen Landgericht geltend, dass die Werke von Puccini aufgrund des im EG-Vertrag festgelegten Verbotes der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Deutschland zwingend bis zum Ablauf der nach deutschem Recht vorgesehenen Frist von 70 Jahren geschützt gewesen seien, also bis zum 31. Dezember 1994.
  16. Das Land Hessen machte demgegenüber geltend, dass die im italienischen Recht vorgesehene Schutzdauer von 56 Jahren auf die Oper La Bohème anwendbar sei, so dass die Urheberrechte an diesem Werk am 31. Dezember 1980 abgelaufen seien.
  17. Das angerufene Landgericht gab der Klage von Ricordi statt. Die Berufung des Landes Hessen hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich dessen Revision.
  18. Der Bundesgerichtshof weist im Vorlagebeschluss darauf hin, dass, da die Oper La Bohème nach den getroffenen Feststellungen erstmals in Italien und nicht in Deutschland erschienen sei, diese zum Zeitpunkt des Sachverhalts in Deutschland gemäß § 121 Absatz 4 UrhG allein nach Inhalt der Staatsverträge geschützt gewesen sei.
  19. Unter Berücksichtigung von Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft und des Umstands, dass das deutsche Recht keine von dem Grundsatz, wonach die Schutzdauer nicht über die im Ursprungsland des Werkes festgelegte hinausgehe, abweichende Regelung enthalte, sei die Schutzfrist für die Oper La Bohème in Deutschland durch die im italienischen Recht vorgesehene Schutzdauer begrenzt gewesen und daher 1980 abgelaufen.
  20. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hängt der Ausgang des Rechtsstreits davon ab, ob das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag auf diesen Rechtsstreit anwendbar ist.
  21. Das vorlegende Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Frage, ob das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anwendbar ist, dass der Urheber bereits verstorben war, als das gemeinschaftliche Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Kraft trat. Dieses Verbot gelte seit dem 1. Januar 1958 sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der Italienischen Republik, während Puccini 1924 gestorben sei.
  22. Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:Ist das Diskriminierungsverbot des Artikels 12 Absatz 1 EG in Fällen anzuwenden, in denen ein ausländischer Urheber bereits verstorben war, als der Vertrag in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist, wenn andernfalls nach nationalem Recht eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Schutzdauer der Werke des Urhebers und eines vor Inkrafttreten des Vertrages verstorbenen inländischen Urhebers die Folge wäre?

    Zur Vorlagefrage

  23. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag auch auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anwendbar ist, dass der Urheber bereits verstorben war, als der EWG-Vertrag in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist, und, falls dies bejaht wird, ob dieses Verbot es ausschließt, dass die Schutzdauer, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den Werken eines Urhebers gewähren, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geringer ist als die, die den Werken eigener Staatsangehöriger gewährt wird.
  24. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte insbesondere wegen ihrer Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 1993 in den Rechtssache C-92/92 und C-326/92, Phil Collins u. a., Slg. 1993, I-5145, Randnr. 27).
  25. Sodann ist festzustellen, dass der Umstand, dass der Urheber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWG-Vertrags in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, bereits verstorben war, nicht die Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag hindert.
  26. Nicht nur der Urheber, sondern auch seine Rechtsnachfolger können sich nämlich auf das Urheberrecht berufen (vgl. Urteil Phil Collins u. a., Randnr. 35). Es steht fest, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Urheberrecht bei Inkrafttreten des EWG-Vertrags immer noch Wirkungen für die Rechtsnachfolger von Giacomo Puccini erzeugte (vgl. Urteil vom 29. Januar 2002 in der Rechtssache C-162/00, Pokrzeptowicz-Meyer, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 49 und 50).
  27. Schließlich ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren streitige Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Urheber durch das Urheberrechtsgesetz gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.
  28. Das Land Hessen meint, dass sich diese Ungleichbehandlung aus den Unterschieden der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergebe.
  29. Es macht geltend, dass der Schutzfristenvergleich nach Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf das Ursprungsland abstelle. Die Schutzdauer werde von jedem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt, dem es jederzeit freistehe, die nach seinem Recht geltende und damit über diese Vorschrift die für seine im Ausland lebenden Staatsangehörigen geltende Schutzdauer zu verlängern. Unter diesen Umständen sei die nationale Rechtslage kein willkürliches, sondern ein objektives Differenzierungskriterium. Die Schutzdauer habe nur einen mittelbaren Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit des Urhebers.
  30. Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden.
  31. Es steht zwar fest, dass Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag nicht die etwaigen Unterschiede in der Behandlung und die Verzerrungen erfasst, die sich für die dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und Unternehmen aus den Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben können, sofern diese Rechtsordnungen auf alle in ihren Geltungsbereich fallenden Personen nachobjektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar sind; er verbietet aber jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Folglich verpflichtet diese Bestimmung jeden Mitgliedstaat dazu, eine vollständige Gleichbehandlung zwischen seinen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation befinden, sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Phil Collins u. a., Randnrn. 30 und 32).
  32. Es ist festzustellen, dass die §§ 120 Absatz 1 und 121 Absatz 1 UrhG eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit bewirken.
  33. Da zudem Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt, die Schutzdauer von 70 Jahren nach deutschem Recht auf die Rechte eines ausländischen Urhebers zu erstrecken, kann auch der Mechanismus des Schutzfristenvergleichs nach dieser Bestimmung die Ungleichbehandlung, die durch die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes im Hinblick auf die Schutzdauer der Rechte eines deutschen Urhebers und diejenigen eines Urhebers, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geschaffen wird, nicht rechtfertigen.
  34. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag auch auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anzuwenden ist, dass der Urheber bereits verstorben war, als der EWG-Vertrag in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist, und dass dieses Verbot es ausschließt, dass die Schutzdauer, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den Werken eines Urhebers gewähren, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geringer ist als die, die den Werken seiner eigenen Staatsangehörigen gewährt wird.

    Kosten

  35. Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof  (Fünfte Kammer) auf die ihm vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30. März 2000 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) ist auch auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anzuwenden, dass der Urheber bereits verstorben war, als der EWG-Vertrag in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist.
Es schließt aus, dass die Schutzdauer, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den Werken eines Urhebers gewähren, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geringer ist als die, die den Werken seiner eigenen Staatsangehörigen gewährt wird.

Metall auf Metall: kleinste Tonfetzen geschützt

Eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk wurde elektronisch kopiert („gesampelt“) und einem Titel der Interpretin Sabrina Setlur („Nur mir“) unterlegt. Es wurde — wie das OLG Hamburg es ausdrückte — die Keimzelle von „Metall auf Metall“ — ein bestimmtes Rhythmusgefüge mehrerer Schlaginstrumente von zwei Takten Dauer — übernommen. Das war rechtswidrig, so der BGH.

In erster Linie geht es in dem Urteil um Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller. Tonträgerhersteller ist jemand, der die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen. Diese sind nach der Wertung des Gesetzes besonders schutzwürdig (im Gegensatz zu den anderen anderen Unternehmern, die die organisatorische Verantwortung für die Herstellung von Nicht-Tonträgern getragen haben).

Schildbürger bei der Arbeit
Schildbürger transportieren Baumstämme

Schutzrechte bedeuten, dass man einen Rechtsinhaber um Erlaubnis fragen muss, bevor man rechtmäßig eine bestimmte Handlung vornehmen darf.  Erfasst ist praktisch jede Microsekunde, denn, so der BGH: Wenn nicht die kleinsten Partikel der Aufnahme erfasst werden würden, liefe der Schutz des Tonträgerherstellers weitgehend leer. Qualität oder Quantität der von einem Tonträger entnommenen Töne sei kein taugliches Kriterium für die Beurteilung, ob die Übernahme von Ausschnitten eines Tonträgers in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift. Es käme nicht darauf an, ob es sich bei der Tonfolge um ein schöpferisches Werk oder eine künstlerische Darbietung handelt und ob sie dementsprechend Urheberrechtsschutz oder Leistungsschutz genießt. Ein Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers besteht beispielsweise auch an Tonträgern, auf denen Tierstimmen aufgenommen sind. Wie bei dem Leistungsschutzrecht an Fotografien, bei dem das Betätigen des Auslösers zum Schutzrecht führt, genügt es für ein Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers, dass der Aufnahmeschalter gedrückt wurde.

Nachdem so der Maßstab für die  Beurteilung (Qualität und Quantität sind vollkommen belanglos) festgelegt wurde, stellt sich für den BGH die Frage, ob irgend etwas die Nutzung selbst kleinster Partikel einer Aufnahme rechtfertigen könnte.

Es käme jedenfalls nicht darauf an, ob derjenige, der in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift, dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt oder eigenen Aufwand erspart oder ob der Tonträgerhersteller durch diesen Eingriff einen messbaren und nachweisbaren wirtschaftlichen Nachteil erleidet. Dies könnte den unbefugten Eingriff in die unternehmerische Leistung des Herstellers (d. i. Aufnahmeschalter betätigen) nicht rechtfertigen.

Auch wenn Samples in der modernen Musikproduktion wesentliche Bausteine des musikalischen Schaffens seien, gebe dies den Musikschaffenden keinen Freibrief für die ungenehmigte Entnahme von Tonfolgen aus fremden Tonträgern. Es sei nicht zu befürchten, dass die musikalische Entwicklung in vielen Musikbereichen schlagartig zum Erliegen käme. Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, sei — soweit diese keinen Urheberrechtsschutz genießen — nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen.
Ownership
Sei er hierzu nicht willens oder imstande, könne er den Rechteinhaber um eine entsprechende Erlaubnis ersuchen. Dadurch ließe sich eine angemessene Beteiligung an dem unternehmerischen Aufwand des Rechteinhabers sicherstellen, ohne dass die Freiheit der musikalischen Entwicklung behindert werde. Die Möglichkeit der freien Benutzung scheint im Ergebnis auf die Nutzung von sogenannten O-Tönen, also einmalige und nicht reproduzierbare, aufgezeichnete akustische Ereignisse, beschränkt zu sein, auch wenn der BGH das nicht ausdrücklich bestätigt. Wieso allerdings die Tonträgerhgersteller „eine angemessene Beteiligung an ihrem unternehmerischen Aufwand“ bekommen sollen, während der Wettbewerb gerade darauf beruht, dass fremde Leistungen übernommen werden können, das bleibt im Dunkeln.

Schildbuerger Rathaus
Die Schildbürger tragen das Licht ins Rathaus

Welchen Zweck das Schutzrecht hat, wenn jemand gezwungen wird, die gewünschte Abfolge von Tönen oder Geräuschen selbst einzuspielen (zu lassen)? Die erzwungene doppelte Arbeit scheint wirtschaftlich zumindest ähnlich sinnvoll zu sein, wie manch andere Tätigkeiten: Die Schildbürger fingen den Sonnenschein in Eimer und Kessel, Kannen und Töpfe. Andre hielten Kartoffelsäcke ins Sonnenlicht, banden dann die Säcke schnell zu und schleppten sie ins Rathaus. Dort banden sie die Säcke auf, schütteten das Licht ins Dunkel und rannten wieder auf den Markt hinaus, wo sie die leeren Säcke wieder vollschaufelten. So machten sie es bis zum Sonnenuntergang. Aber im Rathaus war es noch dunkel wie am Tag zuvor.

Mehr produziert wird bei Umsetzung der Rechtsprechung des BGH auch nicht, allenfalls Geld umverteilt und die Produktion neuer kultureller Produkte überflüssig verteuert oder verhindert. Aber immerhin bleiben uns die Werke der unwilligen oder unfähigen Künstler erspart; jedenfalls dann, wenn sie kein Geld haben, eine angemessene Beteiligung an dem unternehmerischen Aufwand des Rechteinhabers sicherzustellen (oder wenn die Suche nach dem oder den Rechteinhabern ergebnislos verläuft).


Ergänzung [5. Feb. 2011]

Die Problematik wird  in diesem Beitrag von Philipp Otto (vor allem den dortigen Videos) dargestellt. Die Nutzung der Beispiele in den Videos ist übrigens grundsätzlich auch eine rechtswidrige Verbreitung. Ob sie ausnahmsweise zulässig ist? — wir hoffen, die Spezialisten wissen, was sie tun.


BGH, Urt. v. 20. November 2008 – I ZR 112/06

Leitsätze

  1. Ein Eingriff in das durch§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers ist bereits dann gegeben, wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden.
  2. Die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG ist im Falle der Benutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend anwendbar. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen oder es sich bei der erkennbar dem benutzten Tonträger entnommenen und dem neuen Werk zugrunde gelegten Tonfolge um eine Melodie handelt.

Tatbestand

  1. Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe „Kraftwerk“. Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Stück „Metall auf Metall“ befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels „Nur mir“, den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur in zwei Versionen eingespielt hat. Diese Musikstücke befinden sich auf zwei im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern.
  2. Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt. Sie meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller und ausübende Künstler sowie das Urheberrecht des Klägers zu 1 verletzt, der den Titel komponiert und sein Urheberrecht in den von ihnen gemeinsam betriebenen Musikverlag eingebracht habe.
  3. Die Kläger haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.
  4. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 3 = ZUM 2006, 758). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

    Entscheidungsgründe

  5. I.
    Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten seien den Klägern gemäß § 97 Abs. 1 UrhG (a.F.) zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Auskunftserteilung sowie gemäß § 98 Abs. 1 UrhG (a.F.) zur Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verpflichtet, weil sie den Titel „Nur mir“ durchgängig mit dem Rhythmusgefüge zweier Takte aus dem Titel „Metall auf Metall“ unterlegt und dadurch die Tonträgerherstellerrechte der Kläger aus § 85 Abs. 1 UrhG verletzt hätten. Hierzu hat es ausgeführt:
  6. Die Kläger seien Tonträgerhersteller der Aufnahme „Metall auf Metall“, weil sie die maßgebliche organisatorische Verantwortung für deren Herstellung getragen hätten. Das den beiden Aufnahmen des Titels „Nur mir“ durchgängig unterlegte Schlagzeugsample sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Takten 19 und 20 der Aufnahme „Metall auf Metall“ entnommen worden. Grundsätzlich greife auch die ungenehmigte ausschnittweise Vervielfältigung und Verbreitung eines Tonträgers in die Rechte des Tonträgerherstellers ein. Es könne dahinstehen, ob eine Verletzung der Tonträgerherstellerrechte zu verneinen sei, wenn lediglich kleinste Tonpartikel einer fremden Tonaufnahme verwendet würden. Im Streitfall sei die „Keimzelle“ der Tonaufnahme „Metall auf Metall“ — ein bestimmtes Rhythmusgefüge mehrerer Schlaginstrumente, das fortlaufend wiederholt werde — im Wege des Sampling übernommen worden. Dieses Rhythmusgefüge sei in seiner charakteristischen Ausprägung noch deutlich in dem Lied „Nur mir“ wahrnehmbar. Die Beklagten hätten sich dadurch, dass sie gerade dieses Element komplett übernommen und dem Stück „Nur mir“ ebenfalls fortlaufend unterlegt hätten, im Ergebnis die ganze Tonaufnahme, die aus der ständigen Wiederholung dieses prägenden Teils bestehe, angeeignet und eigenen Aufwand erspart.
  7. II.
    Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  8. 1.
    Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Kläger seien Tonträgerhersteller der Aufnahme „Metall auf Metall“, weil sie die maßgebliche organisatorische Verantwortung für deren Herstellung getragen hätten, erhebt die Revision keine Einwände. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Tonträgerhersteller und Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 85 UrhG ist, wer die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 4; Schricker/Vogel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 31).
  9. 2.
    Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die Beklagten in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger eingegriffen haben, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ entnommen und diese dem Stück „Nur mir“ unterlegt haben. Durch die Verwendung der fremden Tonaufnahme bei der Herstellung des eigenen Tonträgers und das anschließende Inverkehrbringen dieses Tonträgers haben die Beklagten in das ausschließliche Recht der Kläger eingegriffen, den von ihnen hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V. mit §§ 16, 17 UrhG).
  10. a)
    Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich bereits die ausschnittweise ungenehmigte Vervielfältigung oder Verbreitung der auf einem Tonträger aufgezeichneten Tonaufnahmen in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift (ebenso Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 42; Wandtke/Bullinger/Schaefer, Urheberrecht, 3. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 25, jeweils m.w.N.). Die vereinzelt vertretene Gegenauffassung, die Rechte des Tonträgerherstellers seien nur bei einer ungenehmigten Vervielfältigung oder Verbreitung des gesamten Tonträgers verletzt (so Hoeren, GRUR 1989, 580 f.; anders aber ders., Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 128), ist mit den Bestimmungen der Art. 2 und 1 des Genfer Tonträger-Abkommens unvereinbar, wonach die Tonträgerhersteller bereits vor einer Vervielfältigung und Verbreitung wesentlicher Teile der in dem Tonträger festgelegten Töne zu schützen sind (Häuser, Sound und Sampling, 2002, S. 109, 114 f.; Wegener, Sound Sampling, 2007, S. 238; Ullmann in jurisPR-WettbR 10/2006, Anm. 3). Wäre nur die ungenehmigte Vervielfältigung und Verbreitung des gesamten Tonträgers untersagt, liefe, wie die Revisionserwiderung zutreffend bemerkt, der Schutz des Tonträgerherstellers — gerade im Hinblick auf moderne digitale Aufnahme-, Vervielfältigungs- und Wiedergabetechniken — weitgehend leer.
  11. b)
    Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Rechtsfrage, ob in die Rechte des Tonträgerherstellers auch dann eingegriffen wird, wenn einem Tonträger lediglich kleinste Tonpartikel entnommen werden, im Streitfall nicht offenbleiben. Dem von den Klägern hergestellten Tonträger sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ und damit nur kleinste Tonpartikel entnommen worden. Soweit das Berufungsgericht weiter ausgeführt hat, „im Ergebnis“ sei die ganze Tonaufnahme übernommen worden, handelt es sich nicht um eine gegenteilige Tatsachenfeststellung, sondern um die rechtliche Beurteilung, dass die Entnahme dieser Tonpartikel unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht anders als eine Übernahme der Gesamtaufnahme zu bewerten sei. Die vom Berufungsgericht für diese Bewertung gegebene Begründung vermag rechtlich zwar nicht zu überzeugen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar. Ein Eingriff in das durch § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers ist bereits dann gegeben, wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Fromm/Nordemann/Hertin, Urheberrecht, 9. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 8; Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Hertin, GRUR 1989, 578; Schorn, GRUR 1989, 579, 580; Hertin, GRUR 1991, 722, 730 f.; Spieß, ZUM 1991, 524, 534; Schulze, ZUM 1994, 15, 20; Müller, ZUM 1999, 555, 558; Weßling, Der zivilrechtliche Schutz gegen digitales Sound-Sampling, 1995, S. 159 ff.; Dierkes, Die Verletzung der Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers, 2000, S. 23 ff.; a.A. Bortloff, ZUM 1993, 476, 478; ders., Der Tonträgerpiraterieschutz im Immaterialgüterrecht, 1995, S. 110 f.; Münker, Urheberrechtliche Zustimmungserfordernisse beim Digital Sampling, 1995, S. 252 f., 257 f.; Häuser aaO S. 113; Wegener aaO S. 238 ff.; Hoeren, Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 128 ff.; vgl. auch Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43; vgl. weiter United States Court of Appeals for the Sixth Circuit — Bridgeport Music, Inc., et al. v. Dimension Films, et al., 383 F. 3d 390 [6th Cir. 2004] zum Recht der Vereinigten Staaten).
  12. aa)
    Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, die Rechte der Kläger als Tonträgerhersteller seien verletzt, weil im Ergebnis die ganze Tonaufnahme übernommen worden sei, im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei der den Takten 19 und 20 des Titels „Metall auf Metall“ entnommenen Rhythmussequenz handele es sich um den prägenden Teil (die „Keimzelle“) dieser Tonaufnahme; diese bestehe aus dessen ständiger Wiederholung. In dem Titel „Nur mir“ sei dieser Teil der Tonaufnahme noch deutlich in seiner charakteristischen Ausprägung wahrnehmbar; er sei auch diesem Stück fortlaufend unterlegt. Das Berufungsgericht hat es zur Beurteilung der Frage, ob die Übernahme von Ausschnitten eines Tonträgers in das Recht des Tonträgerherstellers eingreift, demnach als maßgebend erachtet, ob qualitativ oder quantitativ wesentliche Teile der auf dem Tonträger fixierten Tonfolge übernommen werden (ebenso Hoeren, Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 129; ähnlich Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43; vgl. auch Knies, Die Rechte der Tonträgerhersteller in internationaler und rechtsvergleichender Sicht, 1999, S. 193; Wegener aaO S. 240 ff.). Dem kann nicht zugestimmt werden.
  13. Die Qualität oder die Quantität der von einem Tonträger entnommenen Töne kann, wie die Revision mit Recht rügt, kein taugliches Kriterium für die Beurteilung sein, ob die Übernahme von Ausschnitten eines Tonträgers in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift. Die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers bestehen unabhängig von der Qualität oder der Quantität der auf dem Tonträger festgelegten Töne und erstrecken sich auf Tonträger mit Tonaufnahmen jeglicher Art (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 15; Hertin, GRUR 1989, 578; ders., GRUR 1991, 722, 730; Häuser aaO S. 109 f.). Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei der Tonfolge um ein schöpferisches Werk oder eine künstlerische Darbietung handelt und ob sie dementsprechend Urheberrechtsschutz oder Leistungsschutz genießt. Ein Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers besteht beispielsweise auch an Tonträgern, auf denen Tierstimmen aufgenommen sind. Desgleichen ist die Länge der Tonaufnahme ohne Bedeutung. Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst auch Tonträger, die nur wenige Töne enthalten. Nicht nur der Tonträger mit der Aufnahme einer mehrsätzigen Sinfonie, sondern auch der Tonträger mit der Aufnahme eines kurzen Vogelgezwitschers ist geschützt (Schulze, ZUM 1994, 15, 20). Darüber hinaus würde ein Abstellen auf qualitative oder quantitative Kriterien — wie beispielsweise darauf, ob ein substantieller Teil des Tonträgers vervielfältigt wird, in dem sich seine wettbewerbliche Eigenart widerspiegelt (Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43), oder ob der entnommene Teil im übernehmenden Stück erkennbar bleibt (Ullmann in jurisPR-WettbR 10/2006, Anm. 3; Wegener aaO S. 240 ff.) — zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit führen (Dierkes aaO S. 26).
  14. bb)
    Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Selbst die Entnahme kleinster Tonpartikel stellt einen Eingriff in die durch § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Leistung des Tonträgerherstellers dar. Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist nicht der Tonträger oder die Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. IV/270 in UFITA 45 [1965], 240, 314; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 15; Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 18; Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 2). Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringt, gibt es keinen Teil des Tonträgers, auf den nicht ein Teil dieses Aufwands entfiele und der daher nicht geschützt wäre (vgl. zum Leistungsschutz des Filmherstellers nach §§ 94, 95 UrhG BGHZ 175, 135 Tz. 18 f. — TV-Total). Die für die Aufnahme erforderlichen Mittel müssen für den kleinsten Teil der Aufnahme genauso bereitgestellt werden wie für die gesamte Aufnahme (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 Rdn. 25); selbst der kleinste Teil einer Tonfolge verdankt seine Festlegung auf dem Tonträger der unternehmerischen Leistung des Herstellers (Spieß, ZUM 1991, 524, 534; Weßling aaO S. 161; Bindhardt, Der Schutz von in der Popularmusik verwendeten elektronisch erzeugten Einzelsounds nach dem Urheberrechtsgesetz und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 1998, S. 129 f.). In diese unternehmerische Leistung greift auch derjenige ein, der einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnimmt.
  15. Es kommt nicht darauf an, ob derjenige, der in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift, dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt oder eigenen Aufwand erspart oder ob der Tonträgerhersteller durch diesen Eingriff einen messbaren und nachweisbaren wirtschaftlichen Nachteil erleidet (Hertin, GRUR 1991, 722, 730 f.; a.A. OLG Hamburg GRUR Int. 1992, 390, 391 und NJW-RR 1992, 746, 748; Münker aaO S. 252 f.; Bindhardt aaO S. 131 f.; Häuser aaO S. 111). Selbst wenn, wie die Revision vorbringt, die Übernahme kurzer Sequenzen, die nicht als Samples aus anderen Tonträgern erkennbar sind, regelmäßig keine Auswirkungen auf die Verwertung des Original-Tonträgers hätte (Münker aaO S. 253; Bindhardt aaO S. 133; Häuser aaO S. 111 ff.; Wegener aaO S. 239 f.) und die Übernahme längerer Sequenzen, die als Samples aus anderen Musikproduktionen erkennbar blieben, sogar häufig eine Nachfrage nach dem Original-Tonträger auslöste (Hoeren, Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 129), könnte dies den unbefugten Eingriff in die unternehmerische Leistung des Herstellers nicht rechtfertigen. Es ist im Streitfall daher, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, ohne Bedeutung, ob sich die Übernahme eines Teils der Aufnahme „Metall auf Metall“ in die Aufnahme „Nur mir“ nachteilig auf den Absatz des von den Klägern hergestellten Tonträgers ausgewirkt hat oder ob dies, wie die Revision geltend macht, schon deshalb ausgeschlossen erscheint, weil sich die beiden Aufnahmen an völlig unterschiedliche Hörerkreise wenden. Im Übrigen wird dem Hersteller des Tonträgers durch die ungenehmigte Übernahme selbst kleinster Teile einer Tonaufnahme regelmäßig eine mit seiner unternehmerischen Leistung geschaffene Verwertungsmöglichkeit entzogen (a.A. OLG Hamburg GRUR Int. 1992, 390, 391 und NJW-RR 1992, 746, 748). Auch kleinste Teile von Tonaufnahmen haben — wie der Handel mit Sound-Samples zeigt — einen wirtschaftlichen Wert (vgl. Münker aaO S. 253; Dierkes aaO S. 25; zum Samplingvertrag vgl. Zimmermann, in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Aufl., S. 1180 ff.).
  16. cc)
    Die Revision wendet ohne Erfolg ein, der Tonträgerhersteller erhielte, wenn er gegen die Übernahme kürzester Teilstücke einer Tonfolge vorgehen könnte, weitergehende Schutzrechte als der Urheber der musikalischen Werke (so aber Hoeren, GRUR 1989, 581; Bortloff, ZUM 1999, 476, 478; ders., Der Tonträgerpiraterieschutz im Immaterialgüterrecht, 1995, S. 110 f.; Münker aaO S. 252). Entgegen der Ansicht der Revision liegt kein Wertungswiderspruch darin, dass selbst kleinsten Tonpartikeln eines Tonträgers Leistungsschutz zukommt, während Teile eines Musikwerkes nur dann Urheberrechtsschutz genießen, wenn sie für sich genommen den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen genügen (vgl. zum Schutz von Werkteilen BGHZ 9, 262, 266 ff. — Lied der Wildbahn I; BGHZ 28, 234, 237 — Verkehrskinderlied; BGH, Urt. v. 23.6.1961 — I ZR 105/59, GRUR 1961, 631, 633 — Fernsprechbuch; zum Werkteilschutz bei Musikwerken Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rdn. 122 m.w.N.). Der von der Revision angestellte Vergleich ist nicht stichhaltig, da der Leistungsschutz für Tonträger und der Urheberrechtsschutz für Musikwerke unterschiedliche Schutzgüter haben (Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Hertin, GRUR 1989, 578; Müller, ZUM 1999, 555, 558; Weßling aaO S. 161; Dierkes aaO S. 25 f.; von Lewinski in Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 230 f.; vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 20 ff. — TV-Total, zum Verhältnis zwischen dem Leistungsschutz für Filmträger nach §§ 94, 95 UrhG und dem Urheberechtsschutz für Filmwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG). Während § 85 UrhG den Schutz der wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Leistung des Tonträgerherstellers zum Gegenstand hat, schützt § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG die persönliche geistige Schöpfung des Komponisten (vgl. § 2 Abs. 2 UrhG). Wegen ihres gänzlich unterschiedlichen Schutzgegenstands sind das Leistungsschutzrecht am Tonträger und das Urheberrecht am Musikwerk einem Vergleich des Schutzumfangs nicht ohne weiteres zugänglich.
  17. dd)
    Entgegen der Ansicht der Revision ist es dem Tonträgerhersteller aus Rechtsgründen nicht zuzumuten, im Interesse einer freien musikalischen Entwicklung generell auf einen Leistungsschutz für kleinste Teile von Tonaufnahmen zu verzichten (so aber Bindhardt aaO S. 132; vgl. auch Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43). Es mag sein, dass — wie die Revision geltend macht — Samples in der modernen Musikproduktion wesentliche Bausteine des musikalischen Schaffens geworden sind. Das gibt den Musikschaffenden aber keinen Freibrief für die ungenehmigte Entnahme von Tonfolgen aus fremden Tonträgern. Anders als die Revision meint, ist nicht zu befürchten, dass die musikalische Entwicklung in vielen Musikbereichen schlagartig zum Erliegen kommt, wenn den Berechtigten insoweit Leistungsschutz gewährt wird. Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, ist — soweit diese keinen Urheberrechtsschutz genießen (vgl. dazu Schulze in Dreier/Schulze aaO § 2 UrhG Rdn. 136; Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rdn. 122; Wandtke/Bullinger/Loewenheim § 2 UrhG Rdn. 71, jeweils m.w.N.) — nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen. Ist er hierzu nicht willens oder imstande, kann er den Rechteinhaber um eine entsprechende Erlaubnis ersuchen, dem Tonträger diese Töne oder Klänge zu entnehmen. Dadurch lässt sich, wie die Revisionserwiderung zutreffend anmerkt, eine angemessene Beteiligung an dem unternehmerischen Aufwand des Rechteinhabers sicherstellen, ohne dass die Freiheit der musikalischen Entwicklung behindert wird.
  18. ee)
    Die Revision macht schließlich ohne Erfolg geltend, trotz der überwältigenden Zunahme des Einsatzes von Samples gebe es kaum einen Fall, in dem ein Tonträgerhersteller gegen die Übernahme kurzer Bestandteile aus einem von ihm hergestellten Tonträger gerichtlich vorgehe. Es mag sein, dass gerichtliche Auseinandersetzungen dieser Art (jedenfalls bislang) nicht besonders häufig sind. Das kann zahlreiche Gründe haben (vgl. Weßling aaO S. 161 ff.; Wegener aaO S. 248 ff.) und dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass der Rechteinhaber die Übernahme kleinster Tonpartikel oft gar nicht bemerken wird oder nur schwer beweisen kann (vgl. Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43; Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 25). Schwierigkeiten bei der Feststellung und dem Nachweis einer Rechtsverletzung können aber kein Grund für eine Einschränkung des Rechtsschutzes sein. Den Klägern kann es jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen, dass andere Inhaber von Tonträgerherstellerrechten — aus welchen Gründen auch immer — von einer Durchsetzung ihrer Rechte absehen.
  19. 3.
    Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen können. Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
  20. a)
    Die Vorschrift ist hier allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nach ihrem Wortlaut die Benutzung des Werkes eines anderen voraussetzt. Diese Voraussetzung ist bei der — vorliegend gegebenen — Benutzung eines fremden Tonträgers nicht erfüllt. Ein Tonträger ist nach § 85 Abs. 1 UrhG — wie bereits oben unter II 2 b bb ausgeführt ist — nicht als Werk, also als persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG), sondern wegen der in ihm verkörperten unternehmerischen Leistung geschützt.
  21. b)
    Die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG ist jedoch im Falle der Benutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend anwendbar (Rehbinder, Urheberrecht, 15. Aufl., Rdn. 815 und 379; Wegener aaO S. 245; vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 24 ff. — TV-Total, zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 UrhG auf eine Benutzung von Filmträgern; a.A. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl., Rdn. 624; Dierkes aaO S. 23 f.). Auf die Verwertungsrechte des Tonträgerherstellers sind nach § 85 Abs. 4 UrhG die für das Urheberrecht geltenden Schrankenregelungen im 6. Abschnitt des 1. Teils des UrhG entsprechend anzuwenden. Auch bei der Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG handelt es sich der Sache nach um eine, wenn auch an anderer Stelle des Urheberrechtsgesetzes geregelte Schranke des Urheberrechts. Die Revision weist zudem mit Recht darauf hin, dass es Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG, eine kulturelle Fortentwicklung zu ermöglichen, zuwiderliefe, wenn zwar der Urheber eine freie Benutzung des Werkes hinnehmen müsste, der Tonträgerhersteller aber eine freie Benutzung des das Werk enthaltenden Tonträgers verhindern könnte. Muss selbst der Urheber eine Beschränkung seines Urheberrechts hinnehmen, ist auch dem Tonträgerhersteller eine Einschränkung seines Leistungsschutzrechts zuzumuten (vgl. Bindhardt aaO S. 132).
  22. c)
    Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG kommt allerdings in den beiden folgenden Fällen nicht in Betracht:
  23. aa)
    Aus dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG, eine Fortentwicklung des Kulturschaffens zu ermöglichen, ergibt sich nicht nur der Grund, sondern auch eine Grenze für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung. Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, imstande, diese selbst herzustellen, stehen die Rechte des Tonträgerherstellers einer Fortentwicklung des Kulturschaffens nicht im Wege. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in seine unternehmerische Leistung keine Rechtfertigung. Die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG ist daher nicht entsprechend anwendbar, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen. Es kann nicht abschließend beurteilt werden, ob im vorliegenden Rechtsstreit aus diesem Grund eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ausscheidet. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagten die übernommene Rhythmussequenz selbst hätten erzeugen können.
  24. bb)
    Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist ferner ausgeschlossen, wenn es sich bei der auf dem Tonträger aufgezeichneten Tonfolge um ein Werk der Musik handelt und diesem durch die Benutzung des Tonträgers erkennbar eine Melodie entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird (§ 24 Abs. 2 UrhG). In einem solchen Fall kann sich derjenige, der in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers eingreift, ebenso wenig wie derjenige, der in das Urheberrecht des Komponisten eingreift, auf ein Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen. Auch insoweit kann mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden, ob eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ausgeschlossen ist.
  25. d)
    Bei der entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf Tonträger gelten grundsätzlich keine anderen Anforderungen als bei der unmittelbaren Anwendung auf Werke. Auch die Benutzung fremder Tonträger ist ohne Zustimmung des Berechtigten nur erlaubt, wenn dabei ein selbständiges Werk geschaffen wird (vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 25 ff. – TV-Total, zur Benutzung eines Filmträgers). Einer entsprechenden Heranziehung der nach § 24 UrhG geltenden Anforderungen an eine freie Benutzung steht, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht entgegen, dass der zur Beurteilung der Selbständigkeit erforderliche Vergleich zwischen dem schöpferischen Gehalt des benutzten Tonträgers und dem schöpferischen Gehalt des neuen Werkes nicht möglich ist, weil die durch § 85 Abs. 1 UrhG geschützte unternehmerische Leistung des Tonträgerherstellers keinen eigenschöpferischen Gehalt hat (vgl. Dierkes aaO S. 23 f.). Die für eine freie Benutzung nach § 24 UrhG erforderliche Selbständigkeit des neuen Werkes gegenüber dem benutzten Werk setzt zwar voraus, dass das neue Werk einen ausreichenden Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält, wobei dies nur dann der Fall ist, wenn die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes angesichts der Eigenart des neuen Werkes verblassen (BGHZ 122, 53, 60 — Alcolix; 141, 267, 280 — Laras Tochter; 175, 135 Tz. 29 — TV-Total). Bei der Beurteilung der Benutzung eines Tonträgers kann jedoch in entsprechender Weise geprüft werden, ob das neue Werk einen ausreichenden Abstand zu den dem benutzten Tonträger entnommenen Tonfolgen wahrt. Selbst wenn diese für sich genommen nicht den urheberrechtlichen Schutzanforderungen genügen, steht dies nicht dem zur Beurteilung der Selbständigkeit erforderlichen Vergleich entgegen, ob das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tonfolge einen so großen Abstand hält, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist (vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 36 zur einem Filmträger entlehnten Bildfolge).
  26. 4.
    Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht sein Urteil auch hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der Tonträger an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung für vorläufig vollstreckbar erklärt hat. Auch insoweit handelt es sich bei der Entscheidung des Berufungsgerichts um ein Berufungsurteil in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit, das nach § 708 Nr. 10 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist. Dabei hat das Berufungsgericht gemäß § 711 ZPO ausgesprochen, dass die Beklagten eine Vollstreckung der Kläger wegen dieser Verurteilung gegen Sicherheitsleistung von 10.000 € abwenden können, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
  27. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, aus dem Umstand, dass bei Maßnahmen nach § 98 Abs. 1 UrhG a.F. gemäß § 98 Abs. 3 UrhG a.F. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei, ergebe sich, dass durch eine Vernichtung vor der Rechtskraft eines entsprechenden Urteils keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden dürften (so aber Dreier in Dreier/Schulze aaO § 98 UrhG Rdn. 7; Schricker/Wild aaO §§ 98/99 UrhG Rdn. 12; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 98 UrhG Rdn. 21). Die Revision berücksichtigt nicht, dass die frühere Bestimmung des § 98 Abs. 4 Satz 2 UrhG, wonach Vernichtungsmaßnahmen erst vollzogen werden dürfen, nachdem dem Eigentümer gegenüber rechtskräftig darauf erkannt worden ist, bei der Neufassung des § 98 UrhG durch das am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7. März 1990 (BGBl. I S. 422) ersatzlos entfallen ist. Diese gesetzgeberische Wertung würde unterlaufen, wenn eine Vollstreckung von Vernichtungsmaßnahmen vor Rechtskraft des Urteils nach wie vor unzulässig wäre. Den schutzwürdigen Interessen des Vollstreckungsschuldners ist zudem, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die Möglichkeit hinreichend Rechnung getragen, einen Schutzantrag nach den §§ 712, 714 ZPO zu stellen (falls die Vollstreckung den Nachteil bringen würde) und Schadensersatzansprüche nach § 717 Abs. 2 ZPO geltend zu machen (falls das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil aufgehoben oder abgeändert wird). Soweit die Revision geltend macht, die Vollstreckung eines später abgeänderten oder aufgehobenen Urteils könne nicht nur die nach den §§ 712, 714, 717 Abs. 2 ZPO geschützten Interessen des Schuldners, sondern auch Interessen Dritter — hier etwa die des Urhebers oder des darbietenden Künstlers — betreffen (vgl. nunmehr § 98 Abs. 4 Satz 2 UrhG in der Fassung des am 1.9.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 [BGBl. I S. 1191]), haben die Beklagten bereits nicht konkret dargelegt, inwieweit im vorliegenden Fall berechtigte Interessen Dritter beeinträchtigt sein könnten.
  28. III.
    Das Berufungsurteil ist danach auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  29. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger (§ 85 Abs. 1 Satz 1, §§ 16, 17 UrhG) auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen können. Sollte dies der Fall sein, ist die Klage unbegründet, weil dann auch die vom Berufungsgericht bislang nicht geprüften Ansprüche aus einem Urheberrecht des Klägers zu 1 (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 16, 17 UrhG) und aus Künstlerleistungsschutzrechten der Kläger (§§ 73, 77 Abs. 2 Satz 1, §§ 16, 17 UrhG) jedenfalls im Hinblick auf § 24 Abs. 1 UrhG ausscheiden. Sollten die Voraussetzungen einer freien Benutzung nicht vorliegen, ist die Klage dagegen begründet. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten den Klägern — im Falle einer Verletzung ihrer Rechte als Tonträgerhersteller — gemäß § 97 Abs. 1 UrhG a.F. zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Auskunftserteilung sowie gemäß § 98 Abs. 1 UrhG a.F. zur Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verpflichtet sind, hat die Revision keine Einwände erhoben und es sind insoweit auch keine Rechtsfehler ersichtlich.

Urheberrecht, Empirie und Zauberlehrlinge

Nach Art. 16 Abs. 3 der Datenbankrichtlinie sollte die Kommission innerhalb von drei Jahren (ab dann alle drei Jahre) nach Inkrafttreten der Richtline (1998) einen Bericht über die Wirkung des neuen Instruments auf die Produktion von Datenbanken erstatten. Diese Fristen wurden versäumt. Im Dezember 2005 veröffentlichte die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen schließlich eine Bewertung der EU-Datenbankrichtlinie von 1996, die der Frage nachging, ob die mit ihr eingeführten Schutzmaßnahme positive Auswirkungen auf die Datenbankproduktion innerhalb der EU hatten. Der bislang einzige Bericht zeigt — aus verständiger Sicht — kein erstaunliches Ergebnis: In Europa hat sich die Umsetzung der Richtlinie nachteilig ausgewirkt: Die USA — die kein entsprechendes besonderes Recht kennen (allerdings mit dem Copyright großzügiger sind) — haben Europa abgehängt, da dort der Markt wuchs (und nicht, wie in der EU, stagnierte).

Nach Maßgabe der Richtlinie werden Datenbanken, sofern sie hinreichend kreativ strukturiert sind durch das Urheberrecht geschützt. War die Zusammenstellung kostenintensiv und arbeitsaufwändig (wie beispielsweise die Erstellung eines Telefonbuchs) fallen sie unter das neu kreierte Schutzrecht „sui generis“, ein spezielles Schutzrecht für Datenbanken (Investitionsschutz).

Die deutschen Bestimmungen des Urhebergesetzes unterscheiden dementsprechend zwischen den Datenbanken, die aufgrund iher Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen sollen (§ 4 UrhG) und solchen, bei denen die Investition geschützt wird (§ 87a UrhG):
§ 4 Sammelwerke und Datenbankwerke

(1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt.

(2) Datenbankwerk im Sinne dieses Gesetzes ist ein Sammelwerk, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Ein zur Schaffung des Datenbankwerkes oder zur Ermöglichung des Zugangs zu dessen Elementen verwendetes Computerprogramm (§ 69a) ist nicht Bestandteil des Datenbankwerkes.

Sollten diese Sammlungen persönliche geistige Schöpfungen sein, gilt der lange Schutz von 70 Jahren post mortem. Für andere Sammlungen gelten hingegen unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 87a Begriffsbestimmungen

(1) Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.

(2) Datenbankhersteller im Sinne dieses Gesetzes ist derjenige, der die Investition im Sinne des Absatzes 1 vorgenommen hat.

§ 87b Rechte des Datenbankherstellers

(1) Der Datenbankhersteller hat das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe eines nach Art oder Umfang wesentlichen Teils der Datenbank steht die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank gleich, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen.

(…)

§ 87d Dauer der Rechte

Die Rechte des Datenbankherstellers erlöschen fünfzehn Jahre nach der Veröffentlichung der Datenbank, jedoch bereits fünfzehn Jahre nach der Herstellung, wenn die Datenbank innerhalb dieser Frist nicht veröffentlicht worden ist. (…)

Die Richtlinie sollte die Rechtsgrundlage für den Schutz eines breiten Spektrums von Datenbanken im Informationszeitalter bilden. Dies wurde dadurch erreicht, dass originelle Datenbanken durch ein starkes Urheberrecht geschützt wurden; darüber hinaus wurde für „nichtoriginale“ Datenbanken, die keine Eigenschöpfung des Urhebers darstellen, ein Recht „sui generis“ eingeführt. Aufgrund dieser Harmonisierung waren das Vereinigte Königreich und Irland, die bei der Originalität eine niedrigere Schwelle ansetzten und das „sweat of the brow“-Urheberrecht anwendeten, gezwungen höhere Maßstäbe anzusetzen. Als Ausgleich für den Wegfall des „sweat of the brow“-Schutzes wurde das Recht „sui generis“ als eine vollkommen neue Form des Schutzes geistigen Eigentums eingeführt. Das Schutz nach dem Prinzip „sweat of the brow“ besagt im Prinzip, dass die Arbeitsleistung geschützt wird, unabhängig von der — nach welchen Kriterien auch immer bestimmten — Qualität des Ergebnisses. In Deutschland kennt man solche Leistungsschutzrechte auch. So wird beispielsweise jede Fotografie für ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen des Lichtbildes gegen unberechtigte Kopien geschützt, sofern das Lichtbild durch einen bestimmten Vorgang (Auslöser der Kamera gedrückt) zustande gekommen ist (§ 72 UrhG).

Allerdings zeichnen Datenbanken sich noch durch einen anderen Aspekt aus, auf den bspw. Christine Würfel hinweist: Die Gewährung eines sui generis Schutzes für Datenbanken werfe das Problem des zeitlich unbegrenzten Schutzes auf, da durch ständige Aktualisierung der Datenbanken das Schutzrecht theoretisch bis in alle Ewigkeit verlängert werden könne. Damit werde auch der Zugang zu den in der Datenbank enthaltenen Daten monopolisiert.

Die Überprüfung der Kommission konzentrierte sich jedoch auf die Frage, ob die Einführung dieses Schutzrechtes zu höheren Wachstumsraten in der europäischen Datenbankindustrie und bei der Datenbankproduktion geführt hat. Die Bewertung stützte sich auf eine Online-Erhebung aus dem Jahr 2005, die sich an die europäische Datenbankindustrie richtete, und auf das Gale Directory of Databases (GDD), das größte existierende Datenbankverzeichnis.

Aus dem GDD ist ersichtlich, dass die Datenbankproduktion in der EU im Jahr 2004 auf das Niveau vor Einführung der Richtlinie zurückgefallen ist: 2004 wurden 3 095 EU-Datenbanken in das GDD eingetragen, 1998 waren es 3 092 und 2001 wurden 4 085 Einträge gezählt. Die Überprüfung bewertet das Ergebnis freundlich, nämlich dass das Recht „sui generis“ keinen wirtschaftlichen Einfluss auf die Datenbankproduktion hat. Diese Schlussfolgerung ist falsch: Tatsächlich muss man wohl eher einen Vergleich mit den Vereinigten Staaten ziehen und der Richtlinie nachteilige Folgen zuschreiben, denn keine Steigerung in der Zeit 1998 bis 2004 ist in dem schnell wachsenden Bereich eine Schrumpfkur.

Nachdem der erste Bericht der Kommission — die ja immer noch alle drei Jahre berichten müsste — eindeutig ausgefallen ist, hat man sich offenbar entschlossen, die Interessenten nicht mehr mit der Wirklichkeit und den nachteiligen Folgen der Umsetzung der Ideologie des geistigen Eigentums zu konfrontieren. Neue Berichte trotz Pflicht zur Veröffentlichung im Dreijahres-Rhythmus: Fehlanzeige.

Statt dessen verweist man auf die Unternehmen: Empirisch lässt sich der Nutzen des neuen Rechts nicht belegen, doch die europäische Verlagsindustrie bezeichnet das Schutzrecht „sui generis“ als wesentlichen Faktor für den Erfolg ihrer Tätigkeit. Das mag durchaus sein, ist aber genauso wenig erstaunlich, denn schließlich strebt jeder Unternehmer eine Monopolposition an, weil er dann mehr verdient. Dementsprechend sind auch zahlreiche Meldungen bei der Kommission eingegangen, die die Vorteile der Richtlinie preisen, von den Nachteilen für andere selbstverständlich schweigen.

Zugleich nutzten andere Unternehmen die Umfrage, um eine Erweiterung der Schutzrechte auf ihre Leistung zu fordern, auch wenn sie keine Datenbanken produzieren, so beispielsweise die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL). Sie nimmt u. a. die wirtschaftlichen Interessen der 36 Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußball-Bundesliga und der 2. Fußball-Bundesliga in Deutschland wahr. Die DFL hielt in ihrer Stellungnahme eine Klarstellung für geboten und erforderlich, dass nicht nur die Hersteller, deren Hauptaktivität die Schaffung von Datenbanken ist, Schutzrechte geltend machen können, sondern insbesondere auch diejenigen Hersteller, die eine Datenbank im Rahmen und im untrennbaren Zusammenhang mit der Durchführung einer anderen Hauptaktivität erschaffen. Die als Nebenprodukt einer Hauptaktivität hergestellten Datenbanken würden sich weder in der Originalität im Sinne einer geistigen Schöpfung noch im Maß der Investition im Sinne der Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder im Einsatz von Zeit, Arbeit und Energie von den als Hauptaktivität geschaffenen Datenbanken unterscheiden.

Die Argumentation folgt dabei dem bekannten Muster. Die DFL führte aus:

Der Verband, der den Wettbewerb organisiert und vermarktet sowie mit einem aufwändigen Lizenzierungsverfahren die Zulassung zu diesem Wettbewerb regelt und damit die Durchführung des Spielbetriebes in der Liga über eine ganze Spielzeit sicherstellt, und die Teilnehmer des Wettbewerbs schaffen als Mitveranstalter unter Einsatz erheblicher wirtschaftlicher Mittel ein Sportprodukt, das einen eigenen Vermögenswert darstellt. Sie müssen jedoch derzeit hinnehmen, dass Dritte, insbesondere die Veranstalter von Sportwetten, ihre Wertschöpfung unentgeltlich zur eigenen Gewinnzerzielung ausnutzen, ohne dass die Wettveranstalter einen eigenen Beitrag zu der Leistung der Verbände erbracht hätten.

Es ist die in sich schlüssige moralische Argumentationskette, die allerdings unter einem erheblichen Mangel leidet: Der Erfolg des einen beruht immer zum Großteil auf einem Gesamtsystem und dieses Gesamtsystem funktioniert ohne solche Leistungsschutzrechte besser. Die Wettbüros nutzen die angebliche Wertschöpfung der Fußballvereine, Fußballvereine nutzen ebenso unentgeltlich die Wertschöpfung der Medien, der Reporter, der kleinen Fußballvereine, die als Talentscouts tätig sind, oder der Sportlehrer usw. Dieses Ausnutzen der angeblichen Wertschöpfung anderer ist immanenter Bestandteil der Marktwirtschaft. Beispielsweise wird man wohl kaum leugnen können, dass Rechtsanwaltskanzleien, Notare, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Architekten in einem erheblich höheren Ausmaß die Wertschöpfung der staatlichen Ausbildung unentgeltlich nutzen als Handwerksbetriebe (die noch dazu — unter Umständen — Gewerbesteuer bezahlen müssen).

Auf politischer Ebene schafft man mit solchen wirtschaftlich unsinnigen Leistungsschutzrechten vor allem neue Begehrlichkeiten. Andere Unternehmen fordern Gleichbehandlung, weil es ja — wie die DFL zutreffend feststellt — keinen logisch nachvollziehbaren Unterschied gibt, wieso nun gerade bei Datenbanken ein Schutzrecht nach dem Muster des geistigen Eigentums etabliert werden soll, während es bei anderen Leistungen (noch) fehlt. Wieso sollte beispielsweise ein Unternehmen, das ein nicht patentiertes Produkt neu auf den Markt bringt und mit erheblichem Aufwand bewirbt nicht auch ein Leistungsschutzrecht zugesprochen bekommen? Wenn der Konkurrent ein vergleichbares Produkt auf den Markt bringt, nutzt er auch die Wertschöpfung (Werbung) des Erstanbieters unentgeltlich zur eigenen Gewinnzerzielung aus.

Zu schnell scheint sich das Recht zu verselbständigen und zu laut klagen die Unternehmer (die bislang auch ohne das Schutzrecht ausgekommen sind) über angebliche Schäden, Entlassung von Mitarbeitern etc. Es sind die Jahrhunderte alten Jammerklagen der Zunftmeister und Priviliegieninhaber und sie stoßen noch heute auf Gehör bei den Politikern. So hat die Kommission zwar in einer Konsultationsrunde unter anderem die Frage gestellt, ob man die Richtlinie wieder aufheben oder den Anwendungsbereich stark reduzieren solle. Allerdings — so das Max Planck Institut (MPI) für geistiges Eigentum, Wettbewerb und Steuerrecht — sei bereits anhand der allgemeinen Bemerkungen klar geworden, dass eine Aufhebung (trotz des offenkundigen Misserfolges) als nicht realistisch eingestuft wurde. Dementsprechend hat das MPI zu der Feigenblatt-Frage auch überhaupt keine Stellung genommen, obwohl die Rücknahme offenbar die richtige Entscheidung gewesen wäre.

Der Zauberlehrling
Der Zauberlehrling von Ferdinand Barth

Die Äußerungen der Kommission sind wenig hoffnungsvoll. Beim geistigen Eigentum scheint man in den Industriestaaten inzwischen eine neue Rechtfertigungsmethode gefunden zu haben. Sie ist wohl ganz im Sinne von Fritz Machlups Äußerungen aus der Zeit um 1960: Wenn wir im 19. Jahrhundert gewusst hätten, was wir heute wissen (1960), dann hätten wir das Patentrecht wohl nicht eingeführt. Jetzt, wo wir es haben, können wir es aber schwerlich wieder abschaffen, scheint die Devise zu sein. Das alles klingt nun nicht nach Innovation oder Dynamik in der Politik, sondern verheißt vor allem Stillstand. Die Kommission reagiert mit Nichtstun: Man führt ein abstraktes Schutzrecht „auf Probe“ ein — zur Evaluierung — und entschuldigt sich hinterher, dass man den neuen Besen nicht mehr kontrollieren kann. Da wird auch verständlich, wieso es bislang anstelle von drei oder vier Berichten über die Erfolge der Datenbankrichtlinie nur einen über den Misserfolg gab. Die Berichte über die Erfolge fallen offenbar sehr kurz aus, nämlich gar nicht: Wenn es keine Erfolge zu vermelden gibt, wird geschwiegen.

Wo bleibt der Hexenmeister, der dem Spuk der Lehrlinge ein Ende bereitet?


Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort’ und Werke
merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.

Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
bist schon lange Knecht gewesen;
nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
oben sei ein Kopf,
eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!

Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder,
wahrlich! ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe!
Denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen!
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
kann ichs lassen;
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!

Willsts am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.

Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!

Wehe! wehe!
Beide Teile
stehn in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach, ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Naß und nässer
wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.

»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur, zu diesem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.«

Johann Wolfgang von Goethe

Auskunftsanspruch über Werbeerlöse

Der BGH hat in zwei Fällen entschieden, dass die Betreiber eines Nachrichtensenders und eines Internetportals Auskunft über die an dem Tag erzielten Werbeeinahmen erteilen müssen, an dem sie das urheberrechtlich geschützte Recht des Herstellers eines Videofilms durch dessen Veröffentlichung schuldhaft verletzt haben.

Die Beklagte des Verfahrens I ZR 122/08 betreibt einen Nachrichtensender. Am 29. Juni 2007 strahlte sie mehrfach einen Videofilm aus, der den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers Jürgen Möllemann zeigte und den der Kläger von Bord des Flugzeugs aufgenommen hatte. Die Beklagte des Verfahrens I ZR 130/08 unterhält ein Internetportal, auf dem sie ebenfalls am 29. Juni 2007 diesen Videofilm öffentlich zugänglich machte.

Der Kläger hat die Beklagten auf Auskunft in Anspruch genommen, welche Werbeerlöse die Beklagten am Tag der Veröffentlichung des Films erzielt haben, um seinen Schadensersatzanspruch beziffern zu können.

Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Vor dem Berufungsgericht hatten die Auskunftsklagen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen des Oberlandesgerichts, wonach dem Kläger ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagten zusteht, bestätigt und lediglich den Umfang der Auskunftsansprüche eingeschränkt. Die Beklagten haben das Recht des Klägers als Hersteller des Videofilms widerrechtlich und schuldhaft durch die unerlaubte Ausstrahlung verletzt. Sie sind dem Kläger deshalb zum Schadensersatz verpflichtet.

Bunte ParagraphenDie Schadensersatzpflicht umfasst – je nach der Berechnungsart, die der Kläger wählt – die Herausgabe des Gewinns, den die Beklagten durch die Veröffentlichung erzielt haben. Um den Umfang dieses Gewinns berechnen zu können, benötigt der Kläger Angaben über die von den Beklagten am Tag der Veröffentlichung erzielten Werbeeinnahmen. Die Beklagten haben zwar geltend gemacht, die durch die Ausstrahlung von Werbung an diesem Tag erzielten Einnahmen stünden in keinem Zusammenhang mit den am selben Tag veröffentlichten Nachrichten, weil die Kunden die Werbung bereits Monate im Voraus in Auftrag gegeben hätten. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kommt es hierauf bei der Ermittlung des Verletzergewinns aber nicht an. Die Werbenden erwarten, dass die Beklagten die Werbung in einem Nachrichtenumfeld platzieren. Hierzu rechnete am fraglichen Tag auch der ausgestrahlte Videofilm. Dass die Beklagten statt des Videofilms andere Nachrichten hätten senden können, hebt den Zusammenhang zwischen der Verletzung des Rechts des Klägers und den von den Beklagten erzielten Werbeeinnahmen nicht auf.


[Ergänzung: 4. Feb. 2011]
Urteil vom 25. März 2010 – I ZR 122/08
Leitsatz:
Wird das ausschließliche Recht des Herstellers von Laufbildern, die Bildfolge öffentlich zugänglich zu machen, dadurch schuldhaft verletzt, dass ein Nachrichtensender die Bildfolge ausstrahlt, kann der Verletzte nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns einen Bruchteil der Werbeeinnahmen beanspruchen, die der Betreiber des Nachrichtensenders dadurch erzielt, dass er Werbung im Umfeld der Nachrichtensendung platziert.

Tatbestand:

  1. Der Kläger filmte am 5. Juni 2003 den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers Jürgen Möllemann.
  2. Die Beklagte, die einen Nachrichtensender betreibt, strahlte den Videofilm am 29. Juni 2007 mehrfach aus. Den Film hatte sie von einer Gesellschaft des S.-Konzerns erworben.
  3. Der Kläger hat geltend gemacht, für die am 29. Juni 2007 von der Beklagten erzielten Werbeeinnahmen sei die Ausstrahlung seines Videofilms zumindest teilweise ursächlich gewesen. Die Beklagte habe das ihm an der Bildfolge zustehende Schutzrecht schuldhaft verletzt und sei deshalb zur Auskunft im verlangten Umfang verpflichtet. Diese benötige er, um seinen Schadensersatzanspruch berechnen zu können.
  4. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
    1. …
    2.   ihm Auskunft zu erteilen über die am 29. Juni 2007 in Deutschland generierten Werbeerlöse des TV-Senders und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;
    3.   ihm Auskunft zu erteilen über die in Deutschland im Juni 2007 an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) generierten Werbeerlöse und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;
    4.   ihm Auskunft zu erteilen über die entsprechenden Vergleichszahlen aus dem Monat Juni der Jahre 2005 und 2006.
  5. Den Klageantrag zu 1 haben die Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte über die Anzahl der Ausstrahlungen und die Sendezeiten am 29. Juni 2007 Auskunft erteilt hatte.
  6. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, zwischen den an einem Tag erzielten Werbeeinnahmen und dem Inhalt der Nachrichtensendungen bestehe kein Zusammenhang. Die Werbung für einen bestimmten Tag werde von den Kunden Monate zuvor gebucht.
  7. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
  8. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    Entscheidungsgründe:

  9. I. Das Berufungsgericht hat den Auskunftsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V. mit § 242 BGB für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
  10. Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie dessen Recht an den auf dem Videofilm aufgenommenen Laufbildern i.S. von § 95 UrhG schuldhaft verletzt habe. Die Aktivlegitimation des Klägers sei unstreitig. Die Beklagte habe die Laufbilder am 29. Juni 2007 im Fernsehen ausgestrahlt, ohne mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen, ob die Gesellschaft des S.-Konzerns, von der sie die Rechte herleite, zu deren Einräumung imstande gewesen sei. Dem Kläger sei durch die Verletzung seines Schutzrechts an den Laufbildern ein Schaden entstanden. Zu dessen Berechnung benötige er die verlangten Angaben über die Werbeeinnahmen. Die Werbeerlöse am 29. Juni 2007 seien mittelbar auf die rechtswidrige Nutzung des Schutzrechts des Klägers an den Laufbildern zurückzuführen. Auch ein nur mittelbar erzielter Gewinn könne bei der Schadensbemessung nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns berücksichtigt werden. Unerheblich sei, dass der Kläger die Vermarktung des Videofilms nicht beabsichtigt habe.
  11. II. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie gegen die Verurteilung zur Auskunft nach dem Klageantrag zu 2 gerichtet ist. Dagegen ist die gegen die Verurteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 gerichtete Revision begründet.
  12. 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht den mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Auskunftsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V. mit § 242 BGB bejaht.
  13. a) Die Frage, inwieweit dem Kläger ein Schadensersatzanspruch und zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs ein unselbständiger Auskunftsanspruch zustehen, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlung geltenden Recht. Das vorliegende Verfahren hat rechtsverletzende Handlungen am 29. Juni 2007 zum Gegenstand. Auf den in Rede stehenden Schadensersatzanspruch und den seiner Durchsetzung dienenden Auskunftsanspruch ist danach § 97 Abs. 1 UrhG a.F. anwendbar.
  14. b) Der aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB abgeleitete unselbständige Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass die Beklagte widerrechtlich und schuldhaft ein dem Kläger nach dem Urheberrechtsgesetz zustehendes Recht verletzt hat (dazu unter II 1 b aa), dem Kläger aufgrund dieser Rechtsverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht (dazu unter II 1 b bb), zu dessen Berechnung die Auskunft erforderlich ist und der Kläger in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren ist (dazu unter II 1 b cc), während die Beklagte unschwer Aufklärung geben kann (dazu unter II 1 b dd; allgemein hierzu BGH, Urt. v. 7.12.1979 – I ZR 157/77, GRUR 1980, 227, 232 f. — Monumenta Germaniae Historica; Urt. v. 13.12.2001 – I ZR 44/99, GRUR 2002, 602, 603 = WRP 2002, 715 – Musikfragmente). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
  15. aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in das dem Kläger zustehende Recht an den Laufbildern über den Fallschirmabsturz des Politikers Möllemann widerrechtlich und schuldhaft eingegriffen hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. i.V. mit § 94 Abs. 1 Satz 1, § 95 UrhG). Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass der Kläger den Videofilm hergestellt hat. Dieser genießt als Bildfolge i.S. von § 95 UrhG Laufbildschutz. Das dem Kläger als Hersteller nach § 94 Abs. 1 Satz 1, § 95 UrhG zustehende ausschließliche Recht, die Bildfolge für eine Fernsehsendung zu benutzen, hat die Beklagte am 29. Juni 2007 durch viermalige Ausstrahlung des Videofilms über ihren Nachrichtensender verletzt.
  16. Die Beklagte hat die Verletzungshandlungen schuldhaft, und zwar fahrlässig begangen. Sie war verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, dass sie durch die Ausstrahlung des Videofilms nicht in die Rechte des Klägers als Hersteller der Laufbilder eingreift (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1987 — I ZR 164/85, GRUR 1988, 373, 375 – Schallplattenimport III; Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 36 f. – Bedienungsanweisung). Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgekommen. Das zieht die Revision auch nicht in Zweifel.
  17. bb) Aufgrund der schuldhaften Verletzung seines ausschließlichen Schutzrechts an den Laufbildern steht dem Kläger als Hersteller nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. ein Schadensersatzanspruch zu. Hierfür stehen die drei Berechnungsarten zur Verfügung: die konkrete Schadensberechnung einschließlich des entgangenen Gewinns, Schadensersatz in Höhe der angemessenen Lizenzgebühr oder Herausgabe des Verletzergewinns (BGHZ 57, 116, 118 – Wandsteckdose II; 181, 98 Tz. 41 f. – Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, Urt. v. 2.10.2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Tz. 22 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train).
  18. Die Verletzungshandlung liegt nach dem 29. April 2006 und damit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 195, S. 16) nach ihrem Art. 20 Abs. 1 Satz 1 spätestens von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Deshalb ist auch die Auslegung des vor diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen § 97 Abs. 1 UrhG a.F. so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten (vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.1994 – C-91/92, Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 Tz. 26 – Dori/Recreb). Für die hier interessierende Frage der Möglichkeit der Berechnung des Schadensersatzes auf dreierlei Weise hat sich durch die Richtlinie 2004/48/EG nichts geändert. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 lit. a und b der Richtlinie 2004/48/EG sieht die Möglichkeit der Berechnung des Schadensersatzanspruchs anhand des konkreten, dem Verletzten entstandenen Schadens, des vom Verletzer erzielten Gewinns oder der Lizenzanalogie vor (hierzu auch Erwägungsgrund 26 der Richtlinie).
  19. cc) Die mit dem Klageantrag zu 2 verlangte Auskunft über die am 29. Juni 2007 in Deutschland erzielten Werbeerlöse des TV-Senders anhand einer Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben ist zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs erforderlich. Allerdings kann ein aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB abgeleiteter unselbständiger Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nur in dem Umfang bestehen, in dem eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt werden kann (vgl. BGHZ 166, 233 Tz. 45 — Parfümtestkäufe). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger die begehrte Auskunft über die Werbeeinnahmen der Beklagten vom 29. Juni 2007 für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns benötigt. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
  20. (1) Der Kläger kann die Herausgabe des Verletzergewinns insoweit verlangen, als dieser auf der Rechtsverletzung beruht (vgl. BGHZ 181, 98 Tz. 41 — Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 87/07, GRUR 2010, 237 Tz. 20 = WRP 2010, 390 – Zoladex). Der herauszugebende Gewinn muss aus der Schutzrechtsverletzung gezogen worden sein. Jeder ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erlangten Gewinn reicht grundsätzlich aus (BGH, Urt. v. 29.5.1962 – I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II). Dagegen ist der Gewinn nicht herauszugeben, soweit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem vom Verletzer erzielten Gewinn ganz oder teilweise fehlt (BGH, Urt. v. 30.1.1959 – I ZR 82/57, GRUR 1959, 379, 380 – Gasparone I).
  21. (2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat zu Recht angenommen, ein Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem von der Beklagten erzielten Gewinn sei im Streitfall gegeben, weil die Werbeerlöse auf die rechtswidrige Nutzung des ausschließlichen Schutzrechts des Klägers zurückzuführen seien. Bei einer mittelbaren Medienfinanzierung komme es nicht darauf an, wie hoch die Zahlungsbereitschaft der Werbeinteressenten für das tatsächlich benutzte Gut sei. Es genüge die Zahlungsbereitschaft für vergleichbare Inhalte.
  22. (3) Die Revision setzt dem ohne Erfolg entgegen, für die Erzielung der Werbeerlöse am 29. Juni 2007 sei die Ausstrahlung des fraglichen Videofilm an diesem Tag nicht kausal, weil die Werbekunden die Werbeaufträge bereits mehrere Wochen vor der Ausstrahlung des Videos gebucht hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht bekannt gewesen, ob und wann das Video gesendet würde.
  23. Für die Beurteilung, ob die Ausstrahlung des Videofilms ursächlich für die Werbeeinnahmen geworden ist, kommt es nicht darauf an, ob die Werbekunden den Inhalt der Nachrichtensendungen vorhersehen konnten. Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Werbeeinnahmen und der Ausstrahlung des Videofilms reicht es vielmehr aus, dass die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung platzieren. Das folgt aus der Gestaltung der Sendung der Beklagten, bei der Nachrichten und Werbung gesendet werden und bei der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von der Aktualität der Nachrichteninhalte ausgehende Aufmerksamkeit des Publikums dazu benutzt wird, das dadurch geweckte Zuschauerinteresse auf die bezahlte Werbung umzulenken. Mit diesem Ziel platzieren die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass den Werbeaufträgen der Kunden der Beklagten die Einbindung der Werbung in ein Nachrichtenumfeld zugrunde liegt. Das liegt bei einem Auftrag, der eine Ausstrahlung von Werbung auf einem Nachrichtensender zum Gegenstand hat, auch auf der Hand. Damit sind die ausgestrahlten Nachrichtensendungen mitursächlich für die Werbeeinnahmen. Da am 29. Juni 2007 zu den Nachrichten auch die vom Kläger hergestellte Bildfolge zählte, ist diese mitursächlich für die Werbeeinnahmen der Beklagten geworden.
  24. Dieser ursächliche Zusammenhang zwischen den ausgestrahlten Nachrichten und den Werbeeinnahmen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Höhe der Werbeeinnahmen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, zu denen nicht ausschließlich die tagesaktuellen Nachrichten, sondern weitere Umstände zählen, zu denen etwa das allgemeine Zuschauerinteresse, das der Nachrichtensendung der Beklagten entgegengebracht wird, die Stellung der Beklagten im Markt und ihre Akquisitionsbemühungen im Hinblick auf Werbeaufträge zu rechnen sind. Diese für die erzielten Werbeeinnahmen ebenfalls mitbestimmenden Faktoren schließen den ursächlichen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Nachrichten und den Werbeeinnahmen nicht aus. Daraus ergibt sich nur, dass der Verletzergewinn lediglich zu einem Bruchteil auf der Urheberrechtsverletzung der Beklagten beruht und nur in diesem Umfang herauszugeben ist.
  25. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Nachrichtensendungen am 29. Juni 2007 mit anderen Nachrichten als dem Inhalt des Videofilms hätte füllen können. Mit diesem Einwand ist die Beklagte nach Sinn und Zweck der Schadensberechnung anhand des Verletzergewinns ausgeschlossen.
  26. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weis auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verlet zung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte (vgl. BGHZ 145, 366, 371 – Gemeinkostenanteil; 181, 98 Tz. 76 – Tripp-Trapp-Stuhl). Mit diesem Rechtsgedanken stünde es in Widerspruch, wenn der Verletzer den auf einer Rechtsverletzung beruhenden Gewinn behalten könnte, weil er von der Möglichkeit andere Nachrichteninhalte zu senden, gerade keinen Gebrauch gemacht hat, sondern schuldhaft das Schutzrecht des Klägers verletzt hat. Dies wird im vorliegenden Fall besonders dadurch deutlich, dass die Beklagte die Ausstrahlung des Videofilms trotz der durch den Kläger ausgesprochenen Abmahnung vorgenommen hat.
  27. (4) Der Kläger ist auch in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren. Er hat keine andere Möglichkeit, sich die für die Berechnung des Verletzergewinns erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.
  28. dd) Schließlich kann die Beklagte unschwer über die Werbeerlöse am 29. Juni 2007 Auskunft erteilen.
  29. Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, die Verpflichtung zur Offenlegung der Werbeeinnahmen zur Berechnung des Verletzergewinns stelle einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit und das durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Interesse an der Geheimhaltung der Geschäftsdaten dar und sei unverhältnismäßig.
  30. (1) Der Anspruch des Klägers auf die begehrte Auskunft braucht nicht hinter der grundgesetzlich geschützten Rundfunkfreiheit der Beklagten zurückzutreten.
  31. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Rundfunkfreiheit schützt die Eigenständigkeit des Rundfunks von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht (BVerfGE 66, 116, 133). Der Rundfunkfreiheit kommt ein besonders hoher Rang zu (BVerfGE 35, 202, 221 f.). Die Rundfunkfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Hierzu gehören § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB, die Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs sind. Die Vorschriften dienen der wirksamen Durchsetzung von Ansprüchen nach einer Verletzung der im Urheberrechtsgesetz begründeten ausschließlichen Schutzrechte. Die aus den allgemeinen Gesetzen sich ergebenden Grenzen der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits im Licht dieser Grundrechte gesehen und selbst wieder eingeschränkt werden (BVerfGE 7, 198, 208 f.).
  32. Die danach grundsätzlich erforderliche Abwägung zwischen der Rundfunkfreiheit, auf die die Beklagte sich berufen kann, und dem Anspruch des Klägers auf effektive Verfolgung seines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung seines Schutzrechts geht zugunsten des Klägers aus. Die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit wird durch die begehrte Auskunft in einem allenfalls geringen Ausmaß betroffen, weil die begehrte Auskunft sich nur auf die mit der Ausstrahlung der Rundfunksendungen verbundenen Werbeerlöse unter Angabe der Einnahmen und Ausgaben bezieht. Demgegenüber dient die Rundfunkfreiheit nicht dazu, dass sich die Beklagte durch rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in ein ausschließliches Schutzrecht des Klägers in unzulässiger Weise Vorteile im wirtschaftlichen Wettbewerb verschafft.
  33. (2) Das durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Geheimhaltungsinteresse der Beklagten überwiegt das Interesse des Klägers an einer effektiven Rechtsdurchsetzung ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat zu einem konkreten Geheimhaltungsinteresse der Beklagten keine Feststellungen getroffen, ohne dass die Revision Vortrag der Beklagten als übergangen rügt.
  34. 2. Die Revision hat dagegen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 richtet.
  35. Mit diesen Klageanträgen verlangt der Kläger Auskunft über die an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) jeweils im Juni 2005, 2006 und 2007 generierten Werbeerlöse durch eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben. Der Kläger kann die Erteilung einer Auskunft mit diesem Inhalt von der Beklagten nicht verlangen, weil sie ohne Einfluss auf die Berechnung seines Schadensersatzanspruchs ist. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Werbeeinnahmen auf Werbeaufträgen beruhen, die regelmäßig Monate im Voraus vor dem Sendetermin erteilt worden sind. Davon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen. Gegenteiliges hat es jedenfalls nicht festgestellt, ohne dass die Revisionserwiderung insoweit eine Gegenrüge erhebt. Bei diesem Auftragsverhalten der Werbekunden beeinflusst die Ausstrahlung des in Rede stehenden Videos am 29. Juni 2007 nicht die Höhe der Werbeeinnahmen in diesem Monat, über die der Kläger gleichwohl mit dem Klageantrag zu 3 Auskunft begehrt.
  36. Ohne Belang für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs sind ebenfalls die mit dem Klageantrag zu 4 verlangten Angaben über die Werbeeinnahmen der Monate Juni 2005 und 2006. Aus einem Vergleich dieser Angaben mit den Werbeerlösen aus Juni 2007 können sich keine Erkenntnisse für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs des Klägers ergeben, weil die Ausstrahlung des Videos am 29. Juni 2007 keinen Einfluss auf die Werbeeinnahmen im Juni 2007 hatte.

Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 31.01.2008 – 8 O 312/07 –
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.06.2008 – I-4 U 43/08 –

Keine Urheberrechtsverletzung durch Bildersuche bei Google

Der Bundesgerichtshof hat am 29. 4. 2010  entschieden, dass Google nicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn urheberrechtlich geschützte Werke in Vorschaubildern ihrer Suchmaschine wiedergegeben werden.

Die von Google betriebene Internetsuchmaschine verfügt über eine textgesteuerte Bildsuchfunktion, mit der man durch Eingabe von Suchbegriffen nach Abbildungen suchen kann, die Dritte im Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchwort ins Internet gestellt haben. Die von der Suchmaschine aufgefundenen Bilder werden in der Trefferliste als verkleinerte und in ihrer Pixelanzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte Vorschaubilder gezeigt (sog. Thumbnails). Die Vorschaubilder enthalten einen elektronischen Verweis (Link), über den man zu der Internetseite gelangen kann, die die entsprechende Abbildung enthält. Zur Verkürzung des Suchvorgangs durchsucht Google das Internet in regelmäßigen Intervallen nach Abbildungen und hält diese als Vorschaubilder auf ihren Servern vor, so dass kurze Zeit nach Eingabe eines Suchworts die Trefferliste mit den entsprechenden Vorschaubildern angezeigt werden kann.

Die Klägerin ist bildende Künstlerin und unterhält eine eigene Internetseite, auf der Abbildungen ihrer Kunstwerke eingestellt sind. Im Februar 2005 wurden bei Eingabe ihres Namens als Suchwort in die Suchmaschine der Beklagten Abbildungen ihrer Kunstwerke als Vorschaubilder angezeigt.

Die Vorinstanzen haben die auf Unterlassung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte zwar das Urheberrecht der Klägerin widerrechtlich verletzt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei jedoch rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die Beklagte schon keine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung begangen hat. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung Google ein Recht zur Nutzung ihrer Werke als Vorschaubilder im Rahmen der Bildersuche eingeräumt hat. Der in der Wiedergabe in Vorschaubildern liegende Eingriff in das Recht der Klägerin, ihre Werke öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a UrhG), ist jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig, weil die Beklagte dem Verhalten der Klägerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Erklärung) entnehmen durfte, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen.

Für Fälle, in denen – anders als im jetzt entschiedenen Fall – die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder angezeigten Abbildungen von dazu nicht berechtigten Personen in das Internet eingestellt worden sind, hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass Suchmaschinenbetreiber nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Dienstleistungen die Haftungsbeschränkungen für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr in Anspruch nehmen können (EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 Tz. 106 ff. – Google France/Louis Vuitton). Danach käme eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers erst dann in Betracht, wenn er von der Rechtswidrigkeit der von ihm gespeicherten Information Kenntnis erlangt hat.

Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder


Vielleicht hatte die Klägerin gehofft, sie könnte sich einen Teil der Werbeeinnahmen von Google für einen gewissen Zeitraum als Schadensersatz geltend machen. Zu einer Schadensersatzzahlung wäre es wohl kaum gekommen, sondern nur zu einer Auskunftsklage über Nutzung der Vorschaubilder durch Google und dann zu einem mehr oder minder lukrativen Vergleich.

  • Wer von den Suchmaschinen nicht gefunden werden will, kann dies auf seiner Website mit einem entsprechenden META-Tag — <META NAME=“ROBOTS“ CONTENT=“NOINDEX, NOFOLLOW“> —  unterbinden.
  • Wer nicht will, dass andere seine Bilder nicht anschauen, sollte sie am besten nicht ins Internet stellen.
  • Wer nicht will, dass seine Texte gelesen und verbreitet werden, kann sie in der Schublade oder auf seiner heimischen Festplatte lassen.

Open Access-Resolution der Universität Freiburg

Die Universität unterstützt freien und gleichberechtigten Zugang zu Ergebnissen wissenschaftlichen Arbeitens und hat hierzu folgende Information versandt:

Die Universität Freiburg hat als Volluniversität des 21. Jahrhunderts den Auftrag, zukunftsträchtige Innovationen zu entwickeln und die Bildung künftiger Generationen zu gewährleisten. Sie steht zu ihrer Verpflichtung, das Wissen und die gemeinsame Leistung ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund unterstützt die Universität so genannte Open Access-Publikationsmodelle (engl. „offener Zugang“). Sie sieht darin eine Möglichkeit, allen Menschen einen freien und gleichberechtigten Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlichen Arbeitens zu ermöglichen und gleichzeitig für die optimale Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse zu sorgen.

Universitätsrektor Prof. Hans-Jochen Schiewer betont daher: „Forschungsergebnisse, die aus öffentlich geförderten Projekten hervorgehen, müssen der Allgemeinheit zugänglich sein. Die Open-Access-Politik der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland weist hier den richtigen Weg.“

Mit der Publikationsplattform FreiDok der Universitätsbibliothek (www.freidok.uni-freiburg.de) verfügt die Universität Freiburg über eine – auch im internationalen Vergleich – hervorragende Möglichkeit der Publikation im Open Access-Verfahren. So erreichte FreiDok im „Ranking Web of World Repositories“ Platz 47 der institutionellen Repositorien, an Universitäten oder Forschungseinrichtungen betriebene Dokumentenserver, weltweit (Stand: 01/2010). FreiDok ermöglicht sowohl Primärpublikationen („goldener Weg“) als auch Sekundärveröffentlichungen („grüner Weg“). Im Zuge der wachsenden Bedeutung von Open Access-Publikationen wird das Publikationsportal FreiDok in seiner Funktionalität laufend erweitert und an die aktuellen Anforderungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angepasst.

Open Access-Veröffentlichungen in anerkannten und wissenschaftlich geprüften Medien erreichen einen höheren Grad an allgemeiner Verfügbarkeit als vergleichbare Veröffentlichungen in zugangsbeschränkten Medien. Publikationen im Open Access-Verfahren steigern somit auch die Verfügbarkeit der jeweiligen wissenschaftlichen Arbeiten und machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die dahinter stehende Universität nach außen hin sichtbar. Hinzu kommt: Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Preise für Zeitschriften vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich immer weiter gestiegen, so dass Universitätsbibliotheken mehrfach Journale abbestellen mussten. Zunehmend eingeschränkte Zugriffsmöglichkeiten auf relevante wissenschaftliche Informationen waren die Konsequenz.

Daher ermuntert und unterstützt die Universität Freiburg ihre Forscherinnen und Forscher ausdrücklich, ihre wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem Weg des Open Access der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft sowie der allgemeinen Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei sollten sie als Urheber auf einen Selbstbehalt der Verwertungsrechte für die elektronischen Versionen bestehen. Die Universitätsbibliothek Freiburg bietet dazu Beratung und Unterstützung an.

Den vollständigen Wortlaut der Freiburger Resolution finden Sie bei der Max-Planck-Gesellschaft.