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Auskunftsanspruch über Werbeerlöse

Der BGH hat in zwei Fällen entschieden, dass die Betreiber eines Nachrichtensenders und eines Internetportals Auskunft über die an dem Tag erzielten Werbeeinahmen erteilen müssen, an dem sie das urheberrechtlich geschützte Recht des Herstellers eines Videofilms durch dessen Veröffentlichung schuldhaft verletzt haben.

Die Beklagte des Verfahrens I ZR 122/08 betreibt einen Nachrichtensender. Am 29. Juni 2007 strahlte sie mehrfach einen Videofilm aus, der den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers Jürgen Möllemann zeigte und den der Kläger von Bord des Flugzeugs aufgenommen hatte. Die Beklagte des Verfahrens I ZR 130/08 unterhält ein Internetportal, auf dem sie ebenfalls am 29. Juni 2007 diesen Videofilm öffentlich zugänglich machte.

Der Kläger hat die Beklagten auf Auskunft in Anspruch genommen, welche Werbeerlöse die Beklagten am Tag der Veröffentlichung des Films erzielt haben, um seinen Schadensersatzanspruch beziffern zu können.

Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Vor dem Berufungsgericht hatten die Auskunftsklagen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen des Oberlandesgerichts, wonach dem Kläger ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagten zusteht, bestätigt und lediglich den Umfang der Auskunftsansprüche eingeschränkt. Die Beklagten haben das Recht des Klägers als Hersteller des Videofilms widerrechtlich und schuldhaft durch die unerlaubte Ausstrahlung verletzt. Sie sind dem Kläger deshalb zum Schadensersatz verpflichtet.

Bunte ParagraphenDie Schadensersatzpflicht umfasst – je nach der Berechnungsart, die der Kläger wählt – die Herausgabe des Gewinns, den die Beklagten durch die Veröffentlichung erzielt haben. Um den Umfang dieses Gewinns berechnen zu können, benötigt der Kläger Angaben über die von den Beklagten am Tag der Veröffentlichung erzielten Werbeeinnahmen. Die Beklagten haben zwar geltend gemacht, die durch die Ausstrahlung von Werbung an diesem Tag erzielten Einnahmen stünden in keinem Zusammenhang mit den am selben Tag veröffentlichten Nachrichten, weil die Kunden die Werbung bereits Monate im Voraus in Auftrag gegeben hätten. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kommt es hierauf bei der Ermittlung des Verletzergewinns aber nicht an. Die Werbenden erwarten, dass die Beklagten die Werbung in einem Nachrichtenumfeld platzieren. Hierzu rechnete am fraglichen Tag auch der ausgestrahlte Videofilm. Dass die Beklagten statt des Videofilms andere Nachrichten hätten senden können, hebt den Zusammenhang zwischen der Verletzung des Rechts des Klägers und den von den Beklagten erzielten Werbeeinnahmen nicht auf.


[Ergänzung: 4. Feb. 2011]
Urteil vom 25. März 2010 – I ZR 122/08
Leitsatz:
Wird das ausschließliche Recht des Herstellers von Laufbildern, die Bildfolge öffentlich zugänglich zu machen, dadurch schuldhaft verletzt, dass ein Nachrichtensender die Bildfolge ausstrahlt, kann der Verletzte nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns einen Bruchteil der Werbeeinnahmen beanspruchen, die der Betreiber des Nachrichtensenders dadurch erzielt, dass er Werbung im Umfeld der Nachrichtensendung platziert.

Tatbestand:

  1. Der Kläger filmte am 5. Juni 2003 den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers Jürgen Möllemann.
  2. Die Beklagte, die einen Nachrichtensender betreibt, strahlte den Videofilm am 29. Juni 2007 mehrfach aus. Den Film hatte sie von einer Gesellschaft des S.-Konzerns erworben.
  3. Der Kläger hat geltend gemacht, für die am 29. Juni 2007 von der Beklagten erzielten Werbeeinnahmen sei die Ausstrahlung seines Videofilms zumindest teilweise ursächlich gewesen. Die Beklagte habe das ihm an der Bildfolge zustehende Schutzrecht schuldhaft verletzt und sei deshalb zur Auskunft im verlangten Umfang verpflichtet. Diese benötige er, um seinen Schadensersatzanspruch berechnen zu können.
  4. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
    1. …
    2.   ihm Auskunft zu erteilen über die am 29. Juni 2007 in Deutschland generierten Werbeerlöse des TV-Senders und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;
    3.   ihm Auskunft zu erteilen über die in Deutschland im Juni 2007 an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) generierten Werbeerlöse und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;
    4.   ihm Auskunft zu erteilen über die entsprechenden Vergleichszahlen aus dem Monat Juni der Jahre 2005 und 2006.
  5. Den Klageantrag zu 1 haben die Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte über die Anzahl der Ausstrahlungen und die Sendezeiten am 29. Juni 2007 Auskunft erteilt hatte.
  6. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, zwischen den an einem Tag erzielten Werbeeinnahmen und dem Inhalt der Nachrichtensendungen bestehe kein Zusammenhang. Die Werbung für einen bestimmten Tag werde von den Kunden Monate zuvor gebucht.
  7. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
  8. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    Entscheidungsgründe:

  9. I. Das Berufungsgericht hat den Auskunftsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V. mit § 242 BGB für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
  10. Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie dessen Recht an den auf dem Videofilm aufgenommenen Laufbildern i.S. von § 95 UrhG schuldhaft verletzt habe. Die Aktivlegitimation des Klägers sei unstreitig. Die Beklagte habe die Laufbilder am 29. Juni 2007 im Fernsehen ausgestrahlt, ohne mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen, ob die Gesellschaft des S.-Konzerns, von der sie die Rechte herleite, zu deren Einräumung imstande gewesen sei. Dem Kläger sei durch die Verletzung seines Schutzrechts an den Laufbildern ein Schaden entstanden. Zu dessen Berechnung benötige er die verlangten Angaben über die Werbeeinnahmen. Die Werbeerlöse am 29. Juni 2007 seien mittelbar auf die rechtswidrige Nutzung des Schutzrechts des Klägers an den Laufbildern zurückzuführen. Auch ein nur mittelbar erzielter Gewinn könne bei der Schadensbemessung nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns berücksichtigt werden. Unerheblich sei, dass der Kläger die Vermarktung des Videofilms nicht beabsichtigt habe.
  11. II. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie gegen die Verurteilung zur Auskunft nach dem Klageantrag zu 2 gerichtet ist. Dagegen ist die gegen die Verurteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 gerichtete Revision begründet.
  12. 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht den mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Auskunftsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V. mit § 242 BGB bejaht.
  13. a) Die Frage, inwieweit dem Kläger ein Schadensersatzanspruch und zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs ein unselbständiger Auskunftsanspruch zustehen, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlung geltenden Recht. Das vorliegende Verfahren hat rechtsverletzende Handlungen am 29. Juni 2007 zum Gegenstand. Auf den in Rede stehenden Schadensersatzanspruch und den seiner Durchsetzung dienenden Auskunftsanspruch ist danach § 97 Abs. 1 UrhG a.F. anwendbar.
  14. b) Der aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB abgeleitete unselbständige Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass die Beklagte widerrechtlich und schuldhaft ein dem Kläger nach dem Urheberrechtsgesetz zustehendes Recht verletzt hat (dazu unter II 1 b aa), dem Kläger aufgrund dieser Rechtsverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht (dazu unter II 1 b bb), zu dessen Berechnung die Auskunft erforderlich ist und der Kläger in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren ist (dazu unter II 1 b cc), während die Beklagte unschwer Aufklärung geben kann (dazu unter II 1 b dd; allgemein hierzu BGH, Urt. v. 7.12.1979 – I ZR 157/77, GRUR 1980, 227, 232 f. — Monumenta Germaniae Historica; Urt. v. 13.12.2001 – I ZR 44/99, GRUR 2002, 602, 603 = WRP 2002, 715 – Musikfragmente). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
  15. aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in das dem Kläger zustehende Recht an den Laufbildern über den Fallschirmabsturz des Politikers Möllemann widerrechtlich und schuldhaft eingegriffen hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. i.V. mit § 94 Abs. 1 Satz 1, § 95 UrhG). Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass der Kläger den Videofilm hergestellt hat. Dieser genießt als Bildfolge i.S. von § 95 UrhG Laufbildschutz. Das dem Kläger als Hersteller nach § 94 Abs. 1 Satz 1, § 95 UrhG zustehende ausschließliche Recht, die Bildfolge für eine Fernsehsendung zu benutzen, hat die Beklagte am 29. Juni 2007 durch viermalige Ausstrahlung des Videofilms über ihren Nachrichtensender verletzt.
  16. Die Beklagte hat die Verletzungshandlungen schuldhaft, und zwar fahrlässig begangen. Sie war verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, dass sie durch die Ausstrahlung des Videofilms nicht in die Rechte des Klägers als Hersteller der Laufbilder eingreift (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1987 — I ZR 164/85, GRUR 1988, 373, 375 – Schallplattenimport III; Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 36 f. – Bedienungsanweisung). Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgekommen. Das zieht die Revision auch nicht in Zweifel.
  17. bb) Aufgrund der schuldhaften Verletzung seines ausschließlichen Schutzrechts an den Laufbildern steht dem Kläger als Hersteller nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. ein Schadensersatzanspruch zu. Hierfür stehen die drei Berechnungsarten zur Verfügung: die konkrete Schadensberechnung einschließlich des entgangenen Gewinns, Schadensersatz in Höhe der angemessenen Lizenzgebühr oder Herausgabe des Verletzergewinns (BGHZ 57, 116, 118 – Wandsteckdose II; 181, 98 Tz. 41 f. – Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, Urt. v. 2.10.2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Tz. 22 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train).
  18. Die Verletzungshandlung liegt nach dem 29. April 2006 und damit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 195, S. 16) nach ihrem Art. 20 Abs. 1 Satz 1 spätestens von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Deshalb ist auch die Auslegung des vor diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen § 97 Abs. 1 UrhG a.F. so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten (vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.1994 – C-91/92, Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 Tz. 26 – Dori/Recreb). Für die hier interessierende Frage der Möglichkeit der Berechnung des Schadensersatzes auf dreierlei Weise hat sich durch die Richtlinie 2004/48/EG nichts geändert. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 lit. a und b der Richtlinie 2004/48/EG sieht die Möglichkeit der Berechnung des Schadensersatzanspruchs anhand des konkreten, dem Verletzten entstandenen Schadens, des vom Verletzer erzielten Gewinns oder der Lizenzanalogie vor (hierzu auch Erwägungsgrund 26 der Richtlinie).
  19. cc) Die mit dem Klageantrag zu 2 verlangte Auskunft über die am 29. Juni 2007 in Deutschland erzielten Werbeerlöse des TV-Senders anhand einer Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben ist zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs erforderlich. Allerdings kann ein aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB abgeleiteter unselbständiger Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nur in dem Umfang bestehen, in dem eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt werden kann (vgl. BGHZ 166, 233 Tz. 45 — Parfümtestkäufe). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger die begehrte Auskunft über die Werbeeinnahmen der Beklagten vom 29. Juni 2007 für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns benötigt. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
  20. (1) Der Kläger kann die Herausgabe des Verletzergewinns insoweit verlangen, als dieser auf der Rechtsverletzung beruht (vgl. BGHZ 181, 98 Tz. 41 — Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 87/07, GRUR 2010, 237 Tz. 20 = WRP 2010, 390 – Zoladex). Der herauszugebende Gewinn muss aus der Schutzrechtsverletzung gezogen worden sein. Jeder ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erlangten Gewinn reicht grundsätzlich aus (BGH, Urt. v. 29.5.1962 – I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II). Dagegen ist der Gewinn nicht herauszugeben, soweit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem vom Verletzer erzielten Gewinn ganz oder teilweise fehlt (BGH, Urt. v. 30.1.1959 – I ZR 82/57, GRUR 1959, 379, 380 – Gasparone I).
  21. (2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat zu Recht angenommen, ein Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem von der Beklagten erzielten Gewinn sei im Streitfall gegeben, weil die Werbeerlöse auf die rechtswidrige Nutzung des ausschließlichen Schutzrechts des Klägers zurückzuführen seien. Bei einer mittelbaren Medienfinanzierung komme es nicht darauf an, wie hoch die Zahlungsbereitschaft der Werbeinteressenten für das tatsächlich benutzte Gut sei. Es genüge die Zahlungsbereitschaft für vergleichbare Inhalte.
  22. (3) Die Revision setzt dem ohne Erfolg entgegen, für die Erzielung der Werbeerlöse am 29. Juni 2007 sei die Ausstrahlung des fraglichen Videofilm an diesem Tag nicht kausal, weil die Werbekunden die Werbeaufträge bereits mehrere Wochen vor der Ausstrahlung des Videos gebucht hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht bekannt gewesen, ob und wann das Video gesendet würde.
  23. Für die Beurteilung, ob die Ausstrahlung des Videofilms ursächlich für die Werbeeinnahmen geworden ist, kommt es nicht darauf an, ob die Werbekunden den Inhalt der Nachrichtensendungen vorhersehen konnten. Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Werbeeinnahmen und der Ausstrahlung des Videofilms reicht es vielmehr aus, dass die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung platzieren. Das folgt aus der Gestaltung der Sendung der Beklagten, bei der Nachrichten und Werbung gesendet werden und bei der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von der Aktualität der Nachrichteninhalte ausgehende Aufmerksamkeit des Publikums dazu benutzt wird, das dadurch geweckte Zuschauerinteresse auf die bezahlte Werbung umzulenken. Mit diesem Ziel platzieren die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass den Werbeaufträgen der Kunden der Beklagten die Einbindung der Werbung in ein Nachrichtenumfeld zugrunde liegt. Das liegt bei einem Auftrag, der eine Ausstrahlung von Werbung auf einem Nachrichtensender zum Gegenstand hat, auch auf der Hand. Damit sind die ausgestrahlten Nachrichtensendungen mitursächlich für die Werbeeinnahmen. Da am 29. Juni 2007 zu den Nachrichten auch die vom Kläger hergestellte Bildfolge zählte, ist diese mitursächlich für die Werbeeinnahmen der Beklagten geworden.
  24. Dieser ursächliche Zusammenhang zwischen den ausgestrahlten Nachrichten und den Werbeeinnahmen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Höhe der Werbeeinnahmen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, zu denen nicht ausschließlich die tagesaktuellen Nachrichten, sondern weitere Umstände zählen, zu denen etwa das allgemeine Zuschauerinteresse, das der Nachrichtensendung der Beklagten entgegengebracht wird, die Stellung der Beklagten im Markt und ihre Akquisitionsbemühungen im Hinblick auf Werbeaufträge zu rechnen sind. Diese für die erzielten Werbeeinnahmen ebenfalls mitbestimmenden Faktoren schließen den ursächlichen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Nachrichten und den Werbeeinnahmen nicht aus. Daraus ergibt sich nur, dass der Verletzergewinn lediglich zu einem Bruchteil auf der Urheberrechtsverletzung der Beklagten beruht und nur in diesem Umfang herauszugeben ist.
  25. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Nachrichtensendungen am 29. Juni 2007 mit anderen Nachrichten als dem Inhalt des Videofilms hätte füllen können. Mit diesem Einwand ist die Beklagte nach Sinn und Zweck der Schadensberechnung anhand des Verletzergewinns ausgeschlossen.
  26. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weis auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verlet zung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte (vgl. BGHZ 145, 366, 371 – Gemeinkostenanteil; 181, 98 Tz. 76 – Tripp-Trapp-Stuhl). Mit diesem Rechtsgedanken stünde es in Widerspruch, wenn der Verletzer den auf einer Rechtsverletzung beruhenden Gewinn behalten könnte, weil er von der Möglichkeit andere Nachrichteninhalte zu senden, gerade keinen Gebrauch gemacht hat, sondern schuldhaft das Schutzrecht des Klägers verletzt hat. Dies wird im vorliegenden Fall besonders dadurch deutlich, dass die Beklagte die Ausstrahlung des Videofilms trotz der durch den Kläger ausgesprochenen Abmahnung vorgenommen hat.
  27. (4) Der Kläger ist auch in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren. Er hat keine andere Möglichkeit, sich die für die Berechnung des Verletzergewinns erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.
  28. dd) Schließlich kann die Beklagte unschwer über die Werbeerlöse am 29. Juni 2007 Auskunft erteilen.
  29. Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, die Verpflichtung zur Offenlegung der Werbeeinnahmen zur Berechnung des Verletzergewinns stelle einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit und das durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Interesse an der Geheimhaltung der Geschäftsdaten dar und sei unverhältnismäßig.
  30. (1) Der Anspruch des Klägers auf die begehrte Auskunft braucht nicht hinter der grundgesetzlich geschützten Rundfunkfreiheit der Beklagten zurückzutreten.
  31. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Rundfunkfreiheit schützt die Eigenständigkeit des Rundfunks von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht (BVerfGE 66, 116, 133). Der Rundfunkfreiheit kommt ein besonders hoher Rang zu (BVerfGE 35, 202, 221 f.). Die Rundfunkfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Hierzu gehören § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB, die Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs sind. Die Vorschriften dienen der wirksamen Durchsetzung von Ansprüchen nach einer Verletzung der im Urheberrechtsgesetz begründeten ausschließlichen Schutzrechte. Die aus den allgemeinen Gesetzen sich ergebenden Grenzen der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits im Licht dieser Grundrechte gesehen und selbst wieder eingeschränkt werden (BVerfGE 7, 198, 208 f.).
  32. Die danach grundsätzlich erforderliche Abwägung zwischen der Rundfunkfreiheit, auf die die Beklagte sich berufen kann, und dem Anspruch des Klägers auf effektive Verfolgung seines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung seines Schutzrechts geht zugunsten des Klägers aus. Die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit wird durch die begehrte Auskunft in einem allenfalls geringen Ausmaß betroffen, weil die begehrte Auskunft sich nur auf die mit der Ausstrahlung der Rundfunksendungen verbundenen Werbeerlöse unter Angabe der Einnahmen und Ausgaben bezieht. Demgegenüber dient die Rundfunkfreiheit nicht dazu, dass sich die Beklagte durch rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in ein ausschließliches Schutzrecht des Klägers in unzulässiger Weise Vorteile im wirtschaftlichen Wettbewerb verschafft.
  33. (2) Das durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Geheimhaltungsinteresse der Beklagten überwiegt das Interesse des Klägers an einer effektiven Rechtsdurchsetzung ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat zu einem konkreten Geheimhaltungsinteresse der Beklagten keine Feststellungen getroffen, ohne dass die Revision Vortrag der Beklagten als übergangen rügt.
  34. 2. Die Revision hat dagegen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 richtet.
  35. Mit diesen Klageanträgen verlangt der Kläger Auskunft über die an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) jeweils im Juni 2005, 2006 und 2007 generierten Werbeerlöse durch eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben. Der Kläger kann die Erteilung einer Auskunft mit diesem Inhalt von der Beklagten nicht verlangen, weil sie ohne Einfluss auf die Berechnung seines Schadensersatzanspruchs ist. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Werbeeinnahmen auf Werbeaufträgen beruhen, die regelmäßig Monate im Voraus vor dem Sendetermin erteilt worden sind. Davon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen. Gegenteiliges hat es jedenfalls nicht festgestellt, ohne dass die Revisionserwiderung insoweit eine Gegenrüge erhebt. Bei diesem Auftragsverhalten der Werbekunden beeinflusst die Ausstrahlung des in Rede stehenden Videos am 29. Juni 2007 nicht die Höhe der Werbeeinnahmen in diesem Monat, über die der Kläger gleichwohl mit dem Klageantrag zu 3 Auskunft begehrt.
  36. Ohne Belang für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs sind ebenfalls die mit dem Klageantrag zu 4 verlangten Angaben über die Werbeeinnahmen der Monate Juni 2005 und 2006. Aus einem Vergleich dieser Angaben mit den Werbeerlösen aus Juni 2007 können sich keine Erkenntnisse für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs des Klägers ergeben, weil die Ausstrahlung des Videos am 29. Juni 2007 keinen Einfluss auf die Werbeeinnahmen im Juni 2007 hatte.

Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 31.01.2008 – 8 O 312/07 –
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.06.2008 – I-4 U 43/08 –

Keine Urheberrechtsverletzung durch Bildersuche bei Google

Der Bundesgerichtshof hat am 29. 4. 2010  entschieden, dass Google nicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn urheberrechtlich geschützte Werke in Vorschaubildern ihrer Suchmaschine wiedergegeben werden.

Die von Google betriebene Internetsuchmaschine verfügt über eine textgesteuerte Bildsuchfunktion, mit der man durch Eingabe von Suchbegriffen nach Abbildungen suchen kann, die Dritte im Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchwort ins Internet gestellt haben. Die von der Suchmaschine aufgefundenen Bilder werden in der Trefferliste als verkleinerte und in ihrer Pixelanzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte Vorschaubilder gezeigt (sog. Thumbnails). Die Vorschaubilder enthalten einen elektronischen Verweis (Link), über den man zu der Internetseite gelangen kann, die die entsprechende Abbildung enthält. Zur Verkürzung des Suchvorgangs durchsucht Google das Internet in regelmäßigen Intervallen nach Abbildungen und hält diese als Vorschaubilder auf ihren Servern vor, so dass kurze Zeit nach Eingabe eines Suchworts die Trefferliste mit den entsprechenden Vorschaubildern angezeigt werden kann.

Die Klägerin ist bildende Künstlerin und unterhält eine eigene Internetseite, auf der Abbildungen ihrer Kunstwerke eingestellt sind. Im Februar 2005 wurden bei Eingabe ihres Namens als Suchwort in die Suchmaschine der Beklagten Abbildungen ihrer Kunstwerke als Vorschaubilder angezeigt.

Die Vorinstanzen haben die auf Unterlassung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte zwar das Urheberrecht der Klägerin widerrechtlich verletzt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei jedoch rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die Beklagte schon keine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung begangen hat. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung Google ein Recht zur Nutzung ihrer Werke als Vorschaubilder im Rahmen der Bildersuche eingeräumt hat. Der in der Wiedergabe in Vorschaubildern liegende Eingriff in das Recht der Klägerin, ihre Werke öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a UrhG), ist jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig, weil die Beklagte dem Verhalten der Klägerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Erklärung) entnehmen durfte, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen.

Für Fälle, in denen – anders als im jetzt entschiedenen Fall – die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder angezeigten Abbildungen von dazu nicht berechtigten Personen in das Internet eingestellt worden sind, hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass Suchmaschinenbetreiber nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Dienstleistungen die Haftungsbeschränkungen für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr in Anspruch nehmen können (EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 Tz. 106 ff. – Google France/Louis Vuitton). Danach käme eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers erst dann in Betracht, wenn er von der Rechtswidrigkeit der von ihm gespeicherten Information Kenntnis erlangt hat.

Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder


Vielleicht hatte die Klägerin gehofft, sie könnte sich einen Teil der Werbeeinnahmen von Google für einen gewissen Zeitraum als Schadensersatz geltend machen. Zu einer Schadensersatzzahlung wäre es wohl kaum gekommen, sondern nur zu einer Auskunftsklage über Nutzung der Vorschaubilder durch Google und dann zu einem mehr oder minder lukrativen Vergleich.

  • Wer von den Suchmaschinen nicht gefunden werden will, kann dies auf seiner Website mit einem entsprechenden META-Tag — <META NAME=“ROBOTS“ CONTENT=“NOINDEX, NOFOLLOW“> —  unterbinden.
  • Wer nicht will, dass andere seine Bilder nicht anschauen, sollte sie am besten nicht ins Internet stellen.
  • Wer nicht will, dass seine Texte gelesen und verbreitet werden, kann sie in der Schublade oder auf seiner heimischen Festplatte lassen.

Ausschließlichkeitsrechte und Wettbewerb

Rechtssache C–451/03 — Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl gegen Giuseppe Calafiori (Vorabentscheidungsersuchen der Corte d’appello Mailand) zu den Themen „Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Für Unternehmen geltende Wettbewerbsvorschriften – Staatliche Beihilfen – Steuerbeistandszentren – Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen – Ausschließliches Recht – Vergütung dieser Tätigkeiten“

Urteil des Gerichtshofes
vom 30. März 2006

Leitsätze des Urteils

  1. Wettbewerb – öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren – Schaffung einer beherrschenden Stellung. (Artikel 82 EG und 86 Absatz 1 EG)Die bloße Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 86 Absatz 1 EG ist als solche noch nicht mit Artikel 82 EG unvereinbar. Ein Mitgliedstaat verstößt nur dann gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen bereits durch die Ausübung der ihm übertragenen besonderen oder ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzen oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht.(vgl. Randnr. 23)
  2. Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des GerichtshofesWeist im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit mit keinem ihrer Elemente über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinaus, so kann eine Antwort dem vorlegenden Gericht dennoch von Nutzen sein, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht vorschriebe, dass einem Staatsbürger dieses Mitgliedstaats die Rechte zustehen, die einem Staatsbürger eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Gemeinschaftsrechts zuständen. Ein solches Ersuchen ist daher als zulässig anzusehen, da zu prüfen ist, ob die Bestimmungen des Vertrages, um deren Auslegung ersucht wird, der Anwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung entgegenstehen, soweit diese auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Personen angewandt würde. (vgl. Randnrn. 28-30)
  3. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr. (Artikel 43 EG und 49 EG)Die Artikel 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen Steuerbeistandszentren (CAF) vorbehält, die in Form von Aktiengesellschaften zu errichten sind, auf der Grundlage einer Genehmigung des Finanzministeriums tätig werden und nur von bestimmten, in einem Decreto legislativo bezeichneten Rechtssubjekten errichtet werden können. Eine solche Regelung schließt nämlich zum einen den Zugang von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Wirtschaftsteilnehmern zum Markt der fraglichen Dienstleistungen vollständig aus und ist, indem sie die Möglichkeit zur Gründung von CAF bestimmten Rechtssubjekten vorbehält, die strikte Voraussetzungen erfüllen, darunter bei einigen dieser Rechtssubjekte sogar die Voraussetzung, dass sie ihren Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat haben, zum anderen geeignet, die Ausübung des Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten zustehenden Rechts, sich zur Erbringung der fraglichen Dienstleistungen in dem entsprechenden Mitgliedstaat niederzulassen, zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. (vgl. Randnrn. 7, 33-34, 50, Tenor 1)
  4. Staatliche Beihilfen – Begriff. (Artikel 87 Absatz 1 EG)Eine Maßnahme, mit der ein Mitgliedstaat die Zahlung eines vom Staatshaushalt zu tragenden Ausgleichs zugunsten bestimmter Unternehmen vorsieht, die damit betraut sind, den Steuerpflichtigen bei der Erstellung von Steuererklärungen und ihrer Übermittlung an die Finanzverwaltung beizustehen, ist als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG zu qualifizieren, wenn zum einen die Höhe des Ausgleichs über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken, und wenn zum anderen der Ausgleich nicht auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt wird, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind. (vgl. Randnr. 72, Tenor 2)

Schlussantäge des Generalanwalts D. Ruiz–Jarabo Colomer vom 28. Juni 2005

URTEIL DES GERICHTSHOFES

30. März 2006 (Verfahrenssprache: Italienisch)

„Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Für Unternehmen geltende Wettbewerbsvorschriften – Staatliche Beihilfen – Steuerbeistandszentren – Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen – Ausschließliches Recht – Vergütung dieser Tätigkeiten“

In der Rechtssache C-451/03 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Corte d’appello Mailand (Italien) mit Entscheidung vom 15. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2003, in dem Verfahren

Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl
gegen
Giuseppe Calafiori,
unterstützt durch:Pubblico Ministero,

erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung (…)

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl, vertreten durch F. Capelli und M. Valcada, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2005 folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 4 EG, 10 EG, 82 EG, 86 EG und 98 EG im Bereich Wettbewerb, der Artikel 43 EG, 48 EG und 49 EG in den Bereichen Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr sowie des Artikels 87 EG im Bereich staatliche Beihilfen.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl (im Folgenden: ADC Servizi) und dem Notar Guiseppe Calafiori über dessen Weigerung, den Beschluss der Gesellschafterversammlung von ADC Servizi über eine Änderung ihres Gesellschaftsvertrags im Handelsregister Mailand einzutragen.

Nationaler rechtlicher Rahmen

3 Der nationale rechtliche Rahmen kann, so wie er sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, wie folgt zusammengefasst werden.

4 Nach dem Decreto legislativo Nr. 241 vom 9. Juli 1997, ergänzt durch das Decreto legislativo Nr. 490 vom 28. Dezember 1998 (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 241/97), sind allein die Centri di Assistenza Fiscale (Steuerbeistandszentren, im Folgenden: CAF) berechtigt, bestimmte Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen auszuüben, darunter die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der jährlichen Einkommensteuererklärung der Arbeitnehmer und der ihnen gleichgestellten Personen.

5 Artikel 34 Absatz 4 des Decreto legislativo Nr. 241/97 überträgt den CAF eine ausschließliche Befugnis zur Abwicklung der mit einem vereinfachten Formblatt (Formblatt 730) vorgenommenen Einkommensteuererklärung, darunter die Überlassung einer Kopie der ausgefüllten Erklärung und der Aufstellung über die geschuldete Steuer an den Steuerpflichtigen, die Mitteilung des Ergebnisses der Erklärung an die abzugsverpflichteten Arbeitgeber, damit ein Ausgleich an der Quelle vorgenommen werden kann, und die Übersendung der Erklärungen an die Finanzverwaltung.

6 Ferner ist den CAF nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe b des Decreto legislativo Nr. 241/97 die Kontrolle der Übereinstimmung der in der Erklärung angegebenen Daten mit ihren Anlagen vorbehalten.

7 Die CAF sind in Form von Aktiengesellschaften zu errichten, die auf der Grundlage einer Genehmigung des Finanzministeriums tätig werden. Sie können nur von den in den Artikeln 32 und 33 des Decreto legislativo Nr. 241/97 bezeichneten Rechtssubjekten errichtet werden. Dabei handelt es sich u. a. um Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, von diesen beauftragte Gebietsorganisationen mit mindestens 50 000 Mitgliedern, bestimmte steuerabzugsverpflichtete Arbeitgeber mit mindestens 50 000 Beschäftigten und Arbeitnehmervereinigungen, die Fürsorgewerke (istituti di patronato) gegründet haben und mindestens 50 000 Mitglieder zählen. Einige der im Decreto legislativo Nr. 241/97 genannten Rechtssubjekte sind nur dann zur Errichtung von CAF befugt, wenn sie in Italien niedergelassen sind.

8 Weiterhin ist in Artikel 33 Absatz 2 des Decreto legislativo Nr. 241/97 vorgesehen, dass die CAF einen oder mehrere Verantwortliche für den Beistand in Steuerfragen benennen, bei denen es sich um in der Liste der Diplomkaufleute oder der der Buchprüfer eingetragene Personen handeln muss.

9 Die fragliche Regelung sieht vor, dass für die den CAF vorbehaltenen Tätigkeiten eine Vergütung aus dem Staatshaushalt gezahlt wird, die ursprünglich auf 25 000 LIT je ausgefüllter und übermittelter Erklärung festgelegt worden war und später auf rund 14 Euro angehoben wurde.

Ausgangsrechtsstreit

10 Die ADC Servizi, die in Mailand niedergelassen ist, hatte den Beistand und die Beratung in Buchhaltungs- und Verwaltungsfragen zum Zweck.

11 Am 25. Februar 2003 beschloss die außergewöhnliche Gesellschafterversammlung dieser Gesellschaft die Annahme eines neuen Gesellschaftsvertrags, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Gesellschaft auch Tätigkeiten des Beistands in Steuerfragen für Unternehmen, Arbeitnehmer und ihnen gleichgestellte Personen sowie Rentner ausübte.

12 Der protokollführende Notar, Herr Calafiori, weigerte sich, die Eintragung dieses Beschlusses im Handelsregister Mailand zu veranlassen, da er die Änderung des Gesellschaftsvertrags, mit der die Gesellschaft zur Ausübung der genannten Tätigkeiten des Beistands in Steuerfragen ermächtigt wurde, als einen Verstoß gegen Artikel 34 des Decreto legislativo Nr. 241/97 ansah.

13 Die ADC Servizi beantragte beim Tribunale Mailand, die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister Mailand anzuordnen. Mit Beschluss vom 15. Mai 2003 wies dieses Gericht die Klage ab.

14 Die ADC Servizi legte gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel bei der Corte d’appello Mailand ein und machte geltend, dass die Bestimmungen des Decreto legislativo Nr. 241/97, indem sie bestimmte Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen den CAF vorbehielten, gegen den EG-Vertrag verstießen.

15 Die Corte d’appello Mailand ist der Ansicht, dass sich im Hinblick auf die Entscheidung des bei ihr anhängigen Rechtsstreits Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts stellten.

16 Sie führt zunächst aus, dass Arbeitnehmer, Rentner und ihnen gleichgestellte Personen dazu gebracht würden, sich an die CAF auch mit Fragen zu wenden, die diesen nach der fraglichen Regelung nicht vorbehalten seien, wodurch der Wettbewerb auf dem entsprechenden Markt verfälscht werde. Folglich stehe dieses System im Widerspruch zu den Artikeln 10 EG, 81 EG, 82 EG und 86 EG.

17 Die Corte d’appello Mailand legt weiter dar, dass der Umstand, dass die Erstellung und die Abgabe von Steuererklärungen bestimmten Rechtssubjekten, die präzise Voraussetzungen erfüllten, vorbehalten seien, nicht nur für den inländischen Wirtschaftsteilnehmer, sondern auch für den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer ein Hindernis für die Ausübung seiner Tätigkeit darstelle, das eine nach den Artikeln 43 EG, 48 EG und 49 EG verbotene Beschränkung darstellen könne.

18 Schließlich werde die in Randnummer 9 dieses Urteils genannte Vergütung, die ausschließlich zugunsten der CAF vorgesehen und aus dem Staatshaushalt zu zahlen sei, möglicherweise vom Verbot der Artikel 87 EG und 88 EG erfasst.

Vorlagefragen

19 Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat die Corte d’appello Mailand beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Sind die Artikel 4 EG, 10 EG, 82 EG, 86 EG und 98 EG dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie derjenigen entgegenstehen, die sich aus dem Decreto legislativo Nr. 241/97 in Verbindung mit dem Testo unico betreffend die Einkommensteuern (Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 917 vom 22. Dezember 1986) und dem Gesetz Nr. 413 vom 30. Dezember 1991 ergibt und die das Recht, bestimmte Tätigkeiten der Steuerberatung auszuführen, einer einzigen Gruppe von Rechtssubjekten, den CAF, vorbehält und den anderen Wirtschaftsteilnehmern des Sektors auch dann, wenn sie eine Ermächtigung zur Berufsausübung im Bereich der steuerlichen und buchhalterischen Beratung besitzen (Diplom-Betriebswirte, Buchprüfer, Rechtsanwälte und Arbeitsberater), die Ausübung der den CAF vorbehaltenen Tätigkeiten unter gleichen Voraussetzungen und Modalitäten versagt?
  2. Sind die Artikel 43 EG, 48 EG und 49 EG dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie derjenigen entgegenstehen, die sich aus dem Decreto legislativo Nr. 241/97 in Verbindung mit dem Testo unico betreffend die Einkommensteuern (Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 917) und dem Gesetz Nr. 413 vom 30. Dezember 1991 ergibt und die das Recht, bestimmte Tätigkeiten der Steuerberatung auszuführen, einer einzigen Gruppe von Rechtssubjekten, den CAF, vorbehält und den anderen Wirtschaftsteilnehmern des Sektors auch dann, wenn sie eine Ermächtigung zur Berufsausübung im Bereich der steuerlichen und buchhalterischen Beratung besitzen (Diplom-Betriebswirte, Buchprüfer, Rechtsanwälte und Arbeitsberater), die Ausübung der den CAF vorbehaltenen Tätigkeiten unter gleichen Voraussetzungen und Modalitäten versagt?
  3. Ist Artikel 87 EG dahin auszulegen, dass eine Maßnahme, wie sie sich aus der Regelung des Decreto legislativo Nr. 241/97, insbesondere dessen Artikel 38, ergibt und die zugunsten der CAF eine Vergütung zulasten des Staatshaushalts für die Tätigkeiten des Artikels 34 Absatz 4 und für die Tätigkeiten des Artikels 37 Absatz 2 des Decreto legislativo Nr. 241/97 vorsieht, eine staatliche Beihilfe darstellt?

Zur ersten Frage

20 Einleitend ist darauf zu verweisen, dass in den Artikeln 4 EG und 98 EG die Grundprinzipien der Wirtschaftpolitik der Gemeinschaftsordnung definiert werden und der Kontext dargelegt wird, in dem die Wettbewerbsvorschriften der Artikel 82 EG und 86 EG stehen. Die Bezugnahme des nationalen Gerichts auf die Artikel 4 EG und 98 EG erfordert somit keine gegenüber der Antwort auf die Frage nach der Auslegung der Artikel 82 EG und 86 EG eigene Antwort.

21 Folglich ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob die Artikel 82 EG und 86 EG einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, die das Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen den CAF vorbehält.

22 Nach Artikel 82 EG ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten.

23 Die bloße Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 86 Absatz 1 EG ist als solche noch nicht mit Artikel 82 EG unvereinbar. Ein Mitgliedstaat verstößt nur dann gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen bereits durch die Ausübung der ihm übertragenen besonderen oder ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzen oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht (Urteil vom 25. Oktober 2001 in der Rechtssache C–475/99, Ambulanz Glöckner, Slg. 2001, I–8089, Randnr. 39).

24 Folglich ist nicht nur zu klären, ob die nationale Regelung bewirkt, dass den CAF besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Artikel 86 Absatz 1 EG verliehen werden, sondern auch, ob eine solche Regelung zum Missbrauch einer beherrschenden Stellung führen konnte.

25 Unabhängig von der Frage, ob den CAF mit der nationalen Regelung solche besonderen oder ausschließlichen Rechte verliehen wurden, ist jedoch festzustellen, dass dem Gerichtshof weder mit der Vorlageentscheidung noch mit den schriftlichen Erklärungen die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte an die Hand gegeben werden, die ihm die Feststellung erlauben würden, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung oder eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne von Artikel 82 EG erfüllt sind.

26 Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nicht in der Lage, die erste Frage sachgerecht zu beantworten.

Zur zweiten Frage

27 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 43 EG und 49 EG einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, die das Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen den CAF vorbehält.

28 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die italienische Regierung diese Frage für unzulässig hält, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit mit keinem ihrer Elemente über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweise.

29 Dazu ist zu bemerken, dass eine Antwort dem vorlegenden Gericht nichtsdestoweniger von Nutzen sein kann, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht in einem Verfahren der vorliegenden Art vorschriebe, dass einem italienischen Staatsbürger die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsbürger eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Gemeinschaftsrechts zuständen (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2005 in der Rechtssache C–250/03, Mauri, Slg. 2005, I–1267, Randnr. 21).

30 Somit ist zu prüfen, ob die Bestimmungen des Vertrages, um deren Auslegung ersucht wird, der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, soweit diese auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Personen angewandt würde.

31 Die Artikel 43 EG und 49 EG schreiben die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vor; als solche Beschränkungen sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheiten unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. u. a. Urteil vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C–439/99, Kommission/Italien, Slg. 2002, I–305, Randnr. 22).

32 Insoweit ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das Decreto legislativo Nr. 241/97 den CAF eine ausschließliche Befugnis überträgt, den Steuerpflichtigen bestimmte Dienstleistungen der Beratung und des Beistands in Steuerfragen und insbesondere Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Personen Dienstleistungen des Steuerbeistands bei der Erstellung der Steuererklärung in der vereinfachten Form anzubieten.

33 Was den freien Dienstleistungsverkehr betrifft, so schließt eine solche nationale Regelung, indem sie die genannten Tätigkeiten den CAF vorbehält, den Zugang von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Wirtschaftsteilnehmern zum Markt der fraglichen Dienstleistungen vollständig aus.

34 Was die Niederlassungsfreiheit anbelangt, so ist eine solche Regelung, indem sie die Möglichkeit zur Gründung von CAF bestimmten Rechtssubjekten vorbehält, die strikte Voraussetzungen erfüllen, darunter bei einigen dieser Rechtssubjekte, wie sich aus den vorgelegten Informationen ergibt, die Voraussetzung, dass sie ihren Sitz in Italien haben, geeignet, die Ausübung des Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten zustehenden Rechts, sich zur Erbringung der fraglichen Dienstleistungen in Italien niederzulassen, zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen.

35 Dass den CAF eine ausschließliche Befugnis übertragen wird, bestimmte Dienstleistungen der Beratung und des Beistands in Steuerfragen anzubieten, stellt somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs dar, die nach den Artikeln 43 EG und 49 EG grundsätzlich verboten ist.

36 Die Bestimmungen der nationalen Regelung, nach denen nur bestimmte, bereits in Italien niedergelassene Rechtssubjekte CAF gründen können, sind diskriminierend. Solche Bestimmungen können nur mit den in den Artikeln 46 EG und 55 EG vorgesehenen Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt werden, die im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht worden sind (vgl. Urteil vom 29. Mai 2001 in der Rechtssache C–263/99, Kommission/Italien, Slg. 2001, I–4195, Randnr. 15).

37 Dagegen können diejenigen Bestimmungen der in Rede stehenden nationalen Regelung, die für alle im Aufnahmemitgliedstaat tätigen Personen oder Unternehmen gelten, gerechtfertigt sein, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen und soweit sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2002 in der Rechtssache C–79/01, Payroll u. a., Slg. 2002, I–8923, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38 Insoweit kann das Allgemeininteresse am Schutz der Empfänger der betreffenden Dienstleistungen vor einem Schaden, der ihnen durch Dienstleistungen entstehen könnte, die von Personen erbracht werden, die nicht die erforderlichen beruflichen oder persönlichen Qualifikationen besitzen, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C–76/90, Säger, Slg. 1991, I–4221, Randnrn. 15 bis 17).

39 Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 49 seiner Schlussanträge betont hat, sind einige der den CAF vorbehaltenen Dienstleistungen wie die Aushändigung einer Kopie der Steuererklärung und der Aufstellung über die geschuldete Steuer, die Übersendung der Steuererklärungen an die Finanzverwaltung sowie die Mitteilung des Ergebnisses der Steuererklärung an die abzugsverpflichteten Arbeitgeber im Wesentlichen einfacher Art und erfordern keine besonderen beruflichen Qualifikationen.

40 Offenkundig kann es die Natur dieser Dienstleistungen nicht rechtfertigen, ihre Ausübung den Inhabern einer besonderen beruflichen Qualifikation vorzubehalten.

41 Auch wenn demgegenüber bestimmte den CAF vorbehaltene Tätigkeiten vielschichtiger sind, insbesondere die Prüfung der Übereinstimmung der in der Steuererklärung gemachten Angaben mit ihren Anlagen, ist nicht ersichtlich, dass die zur Errichtung von CAF befugten Einrichtungen Gewähr für besondere berufliche Befähigungen zur Ausführung dieser Aufgaben bieten.

42 Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, benennen die CAF nach Artikel 33 Absatz 2 des Decreto legislativo Nr. 241/97 als für die Ausführung dieser Aufgaben Verantwortliche Personen, die in der Liste der Diplomkaufleute oder der der Buchprüfer eingetragen sind, d. h. Berufsträger, die die den CAF vorbehaltenen Tätigkeiten im eigenen Namen nicht ausüben können.

43 Angesichts dieser Umstände sind die Bestimmungen des Decreto legislativo Nr. 241/97, soweit sie den CAF eine ausschließliche Befugnis übertragen, bestimmte Dienstleistungen der Beratung und des Beistands in Steuerfragen anzubieten, offenbar nicht geeignet, das in Randnummer 38 dieses Urteils genannte Allgemeininteresse zu gewährleisten.

44 In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung geltend gemacht, dass die fragliche nationale Regelung jedenfalls gemäß den Artikeln 45 Absatz 1 EG und 55 EG gerechtfertigt sei, wonach die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr nicht für Tätigkeiten gälten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien.

45 Dazu ist darauf zu verweisen, dass die Artikel 45 EG und 55 EG als Ausnahmen vom Grundprinzip der Niederlassungsfreiheit so auszulegen sind, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmungen den Mitgliedstaaten zu schützen erlauben, unbedingt erforderlich ist (Urteile vom 15. März 1988 in der Rechtssache 147/86, Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 1637, Randnr. 7, und vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C–114/97, Kommission/Spanien, Slg. 1998, I–6717, Randnr. 34).

46 Somit muss sich die in diesen Artikeln vorgesehene Ausnahmeregelung nach ständiger Rechtsprechung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen (Urteile vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Randnr. 45, vom 13. Juli 1993 in der Rechtssache C–42/92, Thijssen, Slg. 1993, I–4047, Randnr. 8, Kommission/Spanien, Randnr. 35, und vom 31. Mai 2001 in der Rechtssache C–283/99, Kommission/Italien, Slg. 2001, I–4363, Randnr. 20).

47 Es ist festzustellen, dass die Überprüfung der Übereinstimmung der Angaben in der Steuererklärung mit deren Anlagen, auch wenn sie tatsächlich von der Finanzverwaltung selten in Frage gestellt wird, keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt, sondern eine Maßnahme, mit der die Erfüllung von der Finanzverwaltung obliegenden Aufgaben vorbereitet oder erleichtert werden soll.

48 Ebenso verhält es sich mit den anderen Aufgaben, die in den Artikeln 34 und 35 des Decreto legislativo Nr. 241/97 aufgeführt sind und die das nationale Gericht in seiner Vorlageentscheidung nennt, nämlich die Überlassung einer Kopie der ausgefüllten Steuererklärung und der Aufstellung über die geschuldete Steuer an den Steuerpflichtigen, die Mitteilung des Ergebnisses der Steuererklärungen an die abzugsverpflichteten Arbeitgeber und die Übersendung der Erklärungen an die Finanzverwaltung.

49 Folglich ist festzustellen, dass den CAF vorbehaltene Tätigkeiten wie die in der Vorlageentscheidung genannten von der in den Artikeln 45 EG und 55 EG vorgesehenen Ausnahmeregelung nicht erfasst werden.

50 Angesichts des Vorstehenden ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Artikel 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, die das Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen den CAF vorbehält.

Zur dritten Frage

51 Das vorlegende Gericht nimmt mit seiner dritten Frage gleichzeitig auf mehrere Bestimmungen des Decreto legislativo Nr. 241/97 Bezug: auf Artikel 38 über die Zahlung einer Vergütung an die CAF, auf Artikel 34 Absatz 4 über die von den CAF ausgeübten Tätigkeiten des Beistands in Steuerfragen sowie auf Artikel 37 Absatz 2 über die von anderen Einheiten erbrachten Tätigkeiten des Beistands in Steuerfragen.

52 In der Begründung seiner Entscheidung bezieht sich dieses Gericht jedoch nur auf die Zahlung einer Vergütung an die CAF.

53 Daher ist die Prüfung der dritten Frage auf die Vergütung zu beschränken, die den CAF nach den Artikeln 34 Absatz 4 und 38 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 241/97 gezahlt wird.

54 Somit ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seiner dritten Frage im Wesentlichen wissen will, ob eine Vergütung, wie sie die CAF nach den Artikeln 34 Absatz 4 und 38 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 241/97 für die Erstellung und Übermittlung einer Steuererklärung beziehen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellt.

55 Die Qualifizierung als „Beihilfe“ verlangt nach ständiger Rechtsprechung, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Urteile vom 21. März 1990 in der Rechtssache C–142/87, Belgien/Kommission, „Tubemeuse“, Slg. 1990, I–959, Randnr. 25, vom 14. September 1994 in den Rechtssachen C–278/92 bis C–280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I–4103, Randnr. 20, vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C–482/99, Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I–4397, Randnr. 68, und vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C–280/00, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Slg. 2003, I–7747, Randnr. 74).

56 Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss sie geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

57 Die erste Voraussetzung ist erfüllt, da die in Artikel 38 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 241/97 vorgesehene Vergütung vom Staatshaushalt zu tragen ist.

58 Was die zweite Voraussetzung betrifft, so dürften den CAF nach Artikel 38 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 241/97 bedeutende Beträge gezahlt werden, und es könnte Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten gestattet werden, CAF zu gründen, die in den Genuss dieser Beträge kommen. Die fragliche Maßnahme ist daher geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

59 Was die dritte und die vierte Voraussetzung angeht, so gelten als Beihilfen Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 84).

60 Dagegen wird eine staatliche Maßnahme nicht von Artikel 87 Absatz 1 EG erfasst, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 87).

61 Ein derartiger Ausgleich ist im konkreten Fall jedoch nur dann nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 88).

62 Erstens muss das durch einen derartigen Ausgleich begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 89).

63 Insoweit ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Mitgliedstaat die von den CAF nach Artikel 34 Absatz 4 des Decreto legislativo Nr. 241/97 gegenüber Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Personen erbrachten Dienstleistungen des Beistands in Steuerfragen, die den Steuerpflichtigen bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Verpflichtungen helfen und die Erfüllung der den Finanzbehörden obliegenden Aufgaben erleichtern sollen, als „gemeinwirtschaftlich“ qualifiziert.

64 Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent festzulegen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 90).

65 Der Ausgleich, der für jede erstellte und der Finanzverwaltung übermittelte Erklärung auf rund 14 Euro festgelegt wurde, ist geeignet, dieser Voraussetzung Genüge zu tun.

66 Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 92).

67 Viertens ist der Ausgleich auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind (Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Randnr. 93).

68 Die Prüfung dieser beiden letzten Voraussetzungen hinsichtlich der Höhe der fraglichen Vergütung macht eine Würdigung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits erforderlich.

69 Dabei ist zu beachten, dass der Gerichtshof nicht befugt ist, über den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu entscheiden oder die von ihm ausgelegten Gemeinschaftsvorschriften auf nationale Maßnahmen oder Gegebenheiten anzuwenden, da diese Fragen in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts fallen (vgl. Urteile vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68, Salgoil, Slg. 1968, 680, 690, vom 23. Januar 1975 in der Rechtssache 51/74, Van der Hulst, Slg. 1975, 79, Randnr. 12, vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C–320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I–285, Randnr. 11, vom 5. Oktober 1999 in den Rechtssachen C–175/98 und C–177/98, Lirussi und Bizzaro, Slg. 1999, I–6881, Randnr. 38, und vom 15. Mai 2003 in der Rechtssache C–282/00, RAR, Slg. 2003, I–4741, Randnr. 47).

70 Es ist somit Sache des nationalen Gerichts, im Licht des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens zu beurteilen, ob die in Artikel 38 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 241/97 vorgesehene Vergütung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellt.

71 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das nationale Gericht nicht befugt ist, die Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen oder einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist ausschließlich die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zuständig, die dabei der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters unterliegt (vgl. Urteile vom 21. November 1991 in der Rechtssache C–354/90, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon, Slg. 1991, I–5505, Randnr. 14, vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C–39/94, SFEI u. a., Slg. 1996, I–3547, Randnr. 42, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C–295/97, Piaggio, Slg. 1999, I–3735, Randnr. 31).

72 Angesichts des Vorstehenden ist auf die dritte Frage zu antworten, dass eine Maßnahme, mit der ein Mitgliedstaat die Zahlung eines vom Staatshaushalt zu tragenden Ausgleichs zugunsten bestimmter Unternehmen vorsieht, die damit betraut sind, den Steuerpflichtigen bei der Erstellung von Steuererklärungen und ihrer Übermittlung an die Finanzverwaltung beizustehen, als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG zu qualifizieren ist, wenn

  • die Höhe des Ausgleichs über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken, und
  • der Ausgleich nicht auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt wird, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.

Kosten

73 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

  1. Die Artikel 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, die das Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Beratung und des Beistands in Steuerfragen den Steuerbeistandszentren vorbehält.
  2. Eine Maßnahme, mit der ein Mitgliedstaat die Zahlung eines vom Staatshaushalt zu tragenden Ausgleichs zugunsten bestimmter Unternehmen vorsieht, die damit betraut sind, den Steuerpflichtigen bei der Erstellung von Steuererklärungen und ihrer Übermittlung an die Finanzverwaltung beizustehen, ist als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG zu qualifizieren, wenn
    • die Höhe des Ausgleichs über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken, und
    • der Ausgleich nicht auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt wird, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.
  3. Unterschriften.


Open Access-Resolution der Universität Freiburg

Die Universität unterstützt freien und gleichberechtigten Zugang zu Ergebnissen wissenschaftlichen Arbeitens und hat hierzu folgende Information versandt:

Die Universität Freiburg hat als Volluniversität des 21. Jahrhunderts den Auftrag, zukunftsträchtige Innovationen zu entwickeln und die Bildung künftiger Generationen zu gewährleisten. Sie steht zu ihrer Verpflichtung, das Wissen und die gemeinsame Leistung ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund unterstützt die Universität so genannte Open Access-Publikationsmodelle (engl. „offener Zugang“). Sie sieht darin eine Möglichkeit, allen Menschen einen freien und gleichberechtigten Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlichen Arbeitens zu ermöglichen und gleichzeitig für die optimale Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse zu sorgen.

Universitätsrektor Prof. Hans-Jochen Schiewer betont daher: „Forschungsergebnisse, die aus öffentlich geförderten Projekten hervorgehen, müssen der Allgemeinheit zugänglich sein. Die Open-Access-Politik der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland weist hier den richtigen Weg.“

Mit der Publikationsplattform FreiDok der Universitätsbibliothek (www.freidok.uni-freiburg.de) verfügt die Universität Freiburg über eine – auch im internationalen Vergleich – hervorragende Möglichkeit der Publikation im Open Access-Verfahren. So erreichte FreiDok im „Ranking Web of World Repositories“ Platz 47 der institutionellen Repositorien, an Universitäten oder Forschungseinrichtungen betriebene Dokumentenserver, weltweit (Stand: 01/2010). FreiDok ermöglicht sowohl Primärpublikationen („goldener Weg“) als auch Sekundärveröffentlichungen („grüner Weg“). Im Zuge der wachsenden Bedeutung von Open Access-Publikationen wird das Publikationsportal FreiDok in seiner Funktionalität laufend erweitert und an die aktuellen Anforderungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angepasst.

Open Access-Veröffentlichungen in anerkannten und wissenschaftlich geprüften Medien erreichen einen höheren Grad an allgemeiner Verfügbarkeit als vergleichbare Veröffentlichungen in zugangsbeschränkten Medien. Publikationen im Open Access-Verfahren steigern somit auch die Verfügbarkeit der jeweiligen wissenschaftlichen Arbeiten und machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die dahinter stehende Universität nach außen hin sichtbar. Hinzu kommt: Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Preise für Zeitschriften vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich immer weiter gestiegen, so dass Universitätsbibliotheken mehrfach Journale abbestellen mussten. Zunehmend eingeschränkte Zugriffsmöglichkeiten auf relevante wissenschaftliche Informationen waren die Konsequenz.

Daher ermuntert und unterstützt die Universität Freiburg ihre Forscherinnen und Forscher ausdrücklich, ihre wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem Weg des Open Access der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft sowie der allgemeinen Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei sollten sie als Urheber auf einen Selbstbehalt der Verwertungsrechte für die elektronischen Versionen bestehen. Die Universitätsbibliothek Freiburg bietet dazu Beratung und Unterstützung an.

Den vollständigen Wortlaut der Freiburger Resolution finden Sie bei der Max-Planck-Gesellschaft.

Ein Auszug von elf Worten kann ein geschütztes Werk sein

Der EuGH hat unter Bezugnahme auf die Begründungen der Richtlinien der Europäischen Union zum Urheberrecht, die ein hohes Schutzniveau fordern, gefolgert, dass dieses hohe Schutzniveau sich darin äußert, dass selbst kurze Folgen von elf Worten aus einem längeren Zeitungsartikel zu einem exklusiven Recht führen können. Bereits in diesen kurzen Textabschnitten könne man unter Umständen die Originalität der geistigen Schöpfung erkennen (was im Einzelfall anhand der Wortfolgen zu ermitteln ist). Ist dies der Fall, ist die Nutzung der kurzen Wortfolge nur rechtmäßig, wenn sie vom Urheber oder Erwerber des Schutzrechts zugelassen ist.

Leitsätze des Urteils

  1. Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29 – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Vervielfältigungsrecht – Teilweise Vervielfältigung – Begriff (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2001/29, Art. 2 Buchst. a)Eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, das darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, kann unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft fallen, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile – was vom nationalen Gericht zu prüfen ist – die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen.Das Urheberrecht im Sinne des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 kann nämlich nur in Bezug auf ein Schutzobjekt angewandt werden, bei dem es sich um ein Original in dem Sinne handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Teile eines Werkes sind urheberrechtlich geschützt, da sie als solche an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben. Die verschiedenen Teile eines Werkes sind somit unter der Voraussetzung, dass sie bestimmte Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers zum Ausdruck bringen, nach dieser Vorschrift geschützt. Da der Schutzumfang des Art. 2 dieser Richtlinie weit auszulegen ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte einzelne Sätze oder sogar Satzteile des betreffenden Textes dazu geeignet sind, dem Leser die Originalität einer Publikation wie etwa eines Zeitungsartikels zu vermitteln, indem sie ihm einen Bestandteil mitteilen, der als solcher Ausdruck der eigenen geistigen Schöpfung des
    Urhebers dieses Artikels ist. Solche Sätze oder solche Satzteile können also Schutzobjekt des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie sein. (vgl. Randnrn. 37-39, 47-48, 51, Tenor 1)
  2. Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29 – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Vervielfältigungsrecht – Ausnahmen und Beschränkungen – Voraussetzungen – Vervielfältigungshandlung vorübergehender Art (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2001/29, Art. 5 Abs. 1)Das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs, der im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens erfolgt, das im Einscannen von Zeitungsartikeln und deren anschließender Umwandlung in eine Textdatei, einer elektronischen Verarbeitung der Vervielfältigung, der Speicherung eines Teils der Vervielfältigung und deren Ausdruck besteht, erfüllt nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, und daher darf dieses Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden.Eine Handlung ist nämlich nur dann „flüchtig“ im Sinne der zweiten Voraussetzung dieser Vorschrift, wenn ihre Lebensdauer auf das für das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden technischen Verfahrens Erforderliche beschränkt ist, wobei dieses Verfahren derart automatisiert sein muss, dass es diese Handlung automatisch, ohne Beteiligung einer natürlichen Person löscht, sobald ihre Funktion, die Durchführung eines solchen Verfahrens zu ermöglichen, erfüllt ist. Jedoch wird mit der letzten Vervielfältigungshandlung des fraglichen Datenerfassungsverfahrens eine Vervielfältigung außerhalb des Informatikbereichs vorgenommen, indem Dateien, die die aus elf Wörtern bestehenden Auszüge enthalten, ausgedruckt und so diese Auszüge auf Papier vervielfältigt werden. Wenn die Vervielfältigung auf einem solchen materiellen Träger festgehalten ist, verschwindet sie erst mit dessen Zerstörung. Da das Datenerfassungsverfahren überdies offensichtlich nicht in der Lage ist, einen solchen Träger selbst zu zerstören, hängt die Löschung der fraglichen Vervielfältigung allein vom Willen des Nutzers eines solchen Verfahrens ab, von dem nicht einmal sicher bekannt ist, ob er sich des Trägers entledigen will. Folglich besteht die Gefahr, dass die Vervielfältigung je nach Bedarf des Nutzers für einen längeren Zeitraum fortbesteht. Unter diesen Umständen ist die letzte Handlung des im Ausgangsverfahren fraglichen Datenerfassungsverfahrens, mit der die aus elf Wörtern bestehenden Auszüge ausgedruckt werden, keine flüchtige Handlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. (vgl. Randnrn. 64, 67-70, 74, Tenor 2)

URTEIL DES GERICHTSHOFS

16. Juli 2009, 4. Kammer (Verfahrenssprache: Dänisch)

„Urheberrechte – Informationsgesellschaft – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 2 und 5 – Werke der Literatur und Kunst – Begriff der Vervielfältigung – ‚Teilweise‘ Vervielfältigung – Vervielfältigung kurzer Auszüge aus Werken der Literatur – Zeitungsartikel – Vorübergehende und flüchtige Vervielfältigungen – Technisches Verfahren, das im Einscannen von Artikeln und deren anschließender Umwandlung in eine Textdatei, einer elektronischen Verarbeitung der Vervielfältigung, der Speicherung eines Teils der Vervielfältigung und deren Ausdruck besteht“

In der Rechtssache C-5/08 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2008, in dem Verfahren Infopaq International A/S gegen Danske Dagblades Forening erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter), Generalanwältin: V. Trstenjak, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Infopaq International A/S, vertreten durch A. Jensen, advokat,
  • der Danske Dagblades Forening, vertreten durch M. Dahl Pedersen, advokat,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Februar 2009 folgendes

Urteil

  1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Auslegung von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10) und zum anderen die Voraussetzungen für die Ausnahmen von vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie.
  2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Infopaq International A/S (im Folgenden: Infopaq) und der Danske Dagblades Forening (im Folgenden: DDF) betreffend die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, für Vervielfältigungshandlungen von Zeitungsartikeln mittels eines automatisierten Verfahrens, das im Einscannen der Artikel, ihrer Umwandlung in eine digitale Datei und deren anschließenden elektronischen Verarbeitung besteht, die Zustimmung der Rechtsinhaber einzuholen.

    Rechtlicher Rahmen

    Völkerrecht

  3. Gemäß Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation, das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigt wurde, gilt:

    „Die Mitglieder befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu. …“

  4. Art. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) bestimmt:

    „(1) Die Bezeichnung ‚Werke der Literatur und Kunst‘ umfasst alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks, wie: Bücher, Broschüren und andere Schriftwerke; …

    (5) Sammlungen von Werken der Literatur oder Kunst, wie zum Beispiel Enzyklopädien und Anthologien, die wegen der Auswahl oder der Anordnung des Stoffes geistige Schöpfungen darstellen, sind als solche geschützt, unbeschadet der Rechte der Urheber an jedem einzelnen der Werke, die Bestandteile dieser Sammlungen sind.

    (8) Der Schutz dieser Übereinkunft besteht nicht für Tagesneuigkeiten oder vermischte Nachrichten, die einfache Zeitungsmitteilungen darstellen.“

  5. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Berner Übereinkunft genießen die Urheber von Werken der Literatur und Kunst, die durch diese Übereinkunft geschützt sind, das ausschließliche Recht, die Vervielfältigung dieser Werke zu erlauben, gleichviel, auf welche Art und in welcher Form sie vorgenommen wird.

    Gemeinschaftsrecht

  6. Art. 1 der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 122, S. 42) bestimmte:

    „(1) Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. …

    (3) Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden.“

  7. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77, S. 20) lautet:

    „Gemäß dieser Richtlinie werden Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen, als solche urheberrechtlich geschützt. Bei der Bestimmung, ob sie für diesen Schutz in Betracht kommen, sind keine anderen Kriterien anzuwenden.“

  8. Die Erwägungsgründe 4, 6, 9 bis 11, 20 bis 22, 31 und 33 der Richtlinie 2001/29 lauten:

    „(4) Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substanzielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern …

    (6) Ohne Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene könnten Gesetzgebungsinitiativen auf einzelstaatlicher Ebene, die in einigen Mitgliedstaaten bereits in die Wege geleitet worden sind, um den technischen Herausforderungen zu begegnen, erhebliche Unterschiede im Rechtsschutz und dadurch Beschränkungen des freien Verkehrs von Dienstleistungen und Produkten mit urheberrechtlichem Gehalt zur Folge haben, was zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts und zu rechtlicher Inkohärenz führen würde. Derartige rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten werden sich im Zuge der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft, in deren Gefolge die grenzüberschreitende Verwertung des geistigen Eigentums bereits stark zugenommen hat, noch stärker auswirken. Diese Entwicklung wird und sollte fortschreiten. Erhebliche rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten in Bezug auf den Rechtsschutz können die Erzielung von Größenvorteilen für neue Produkte und Dienstleistungen mit urheber- und
    leistungsschutzrechtlichem Gehalt beschränken.

    (9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. …

    (10) Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten …

    (11) Eine rigorose und wirksame Regelung zum Schutz der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte ist eines der wichtigsten Instrumente, um die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren und die Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler zu wahren.

    (20) Die vorliegende Richtlinie beruht auf den Grundsätzen und Bestimmungen, die in den einschlägigen geltenden Richtlinien bereits festgeschrieben sind, und zwar insbesondere in den Richtlinien 91/250/EWG und 96/9/EG. Die betreffenden Grundsätze und Bestimmungen werden fortentwickelt und in den Rahmen der Informationsgesellschaft eingeordnet. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten unbeschadet der genannten Richtlinien gelten, sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt.

    (21) Diese Richtlinie sollte den Umfang der unter das Vervielfältigungsrecht fallenden Handlungen in Bezug auf die verschiedenen Begünstigten bestimmen. Dabei sollte der gemeinschaftliche Besitzstand zugrunde gelegt werden. Um die Rechtssicherheit im Binnenmarkt zu gewährleisten, muss die Definition dieser Handlungen weit gefasst sein.

    (22) Die Verwirklichung des Ziels, die Verbreitung der Kultur zu fördern, darf nicht durch Verzicht auf einen rigorosen Schutz der Urheberrechte oder durch Duldung der unrechtmäßigen Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken erfolgen.

    (31) Es muss ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern sowie zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden. …

    (33) Eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht sollte für bestimmte vorübergehende Vervielfältigungshandlungen gewährt werden, die flüchtige oder begleitende Vervielfältigungen sind, als integraler und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens erfolgen und ausschließlich dem Ziel dienen, entweder die effiziente Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder die rechtmäßige Nutzung eines Werks oder sonstiger Schutzgegenstände zu ermöglichen. Die betreffenden Vervielfältigungshandlungen sollten keinen eigenen wirtschaftlichen Wert besitzen. Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, erfasst diese Ausnahme auch Handlungen, die das ‚Browsing‘ sowie Handlungen des ‚Caching‘ ermöglichen; dies schließt Handlungen ein, die das effiziente Funktionieren der Übertragungssysteme ermöglichen, sofern der Vermittler die Information nicht verändert und nicht die erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten
    über die Nutzung der Information, die von der gewerblichen Wirtschaft weithin anerkannt und verwendet werden, beeinträchtigt. Eine Nutzung sollte als rechtmäßig gelten, soweit sie vom Rechtsinhaber zugelassen bzw. nicht durch Gesetze beschränkt ist.“

  9. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 bestimmt:

    „Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

    a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke“.

  10. Art. 5 der Richtlinie sieht Folgendes vor:

    „(1) Die in Artikel 2 bezeichneten vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist,

    a) eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder

    b) eine rechtmäßige Nutzung

    eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben, werden von dem in Artikel 2 vorgesehenen Vervielfältigungsrecht ausgenommen.

    (5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“

  11. Art. 6 der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 372, S. 12) bestimmt:

    „Fotografien werden gemäß Artikel 1 [der die Schutzdauer des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst im Sinne des Artikels 2 der Berner Übereinkunft bestimmt] geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden. Die Mitgliedstaaten können den Schutz anderer Fotografien vorsehen.“

    Nationales Recht

  12. Die Art. 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 wurden durch die §§ 2 und 11a Abs. 1 des Gesetzes Nr. 395 über das Urheberrecht (lov Nr. 395 om ophavsret) vom 14. Juni 1995 (Lovtidende 1995 A, S. 1796) in u. a. durch das Gesetz Nr. 1051 (lov Nr. 1051 om ændring af ophavsretsloven) vom 17. Dezember 2002 (Lovtidende 2002 A, S. 7881) in geänderter und kodifizierter Fassung in dänisches Recht umgesetzt.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

  13. Infopaq ist im Bereich der Beobachtung und Analyse von Printmedien tätig und erstellt im Wesentlichen Zusammenfassungen von ausgewählten Artikeln aus der dänischen Tagespresse und verschiedenen Zeitschriften. Diese Auswahl der Artikel erfolgt nach von den Kunden ausgesuchten Themen und in einem sogenannten „Datenerfassungsverfahren“. Die Zusammenfassungen werden den Kunden per E-Mail zugesandt.
  14. Die DDF ist der Fachverband der dänischen Tageszeitungen, dessen Zweck u. a. darin besteht, seine Mitglieder in urheberrechtlichen Fragen zu unterstützen.
  15. Im Laufe des Jahres 2005 erfuhr die DDF, dass Infopaq Zeitungsartikel ohne die Zustimmung der jeweiligen Rechtsinhaber zu kommerziellen Zwecken bearbeitete. Da sie eine solche Zustimmung für eine Bearbeitung von Artikeln mittels des fraglichen Verfahrens für erforderlich hielt, teilte sie Infopaq ihre Haltung mit.
  16. Das Datenerfassungsverfahren umfasst die nachstehend aufgeführten fünf Schritte, die nach Ansicht der DDF zu vier Vervielfältigungshandlungen von Zeitungsartikeln führen.
  17. In einem ersten Schritt werden die betreffenden Publikationen von den Mitarbeitern von Infopaq manuell in einer elektronischen Datenbank registriert.
  18. Im zweiten Schritt werden die Publikationen eingescannt, nachdem zuvor der Rücken abgeschnitten wurde, so dass alle Blätter lose sind. Der Teil der Publikation, der bearbeitet werden soll, wird aus der Datenbank ausgewählt, bevor die Publikation in den Scanner eingelegt wird. Dieses Vorgehen ermöglicht es, von jeder Seite der Publikation eine Datei im TIFF-Format (Tagged Image File Format) zu erstellen. Danach wird die TIFF-Datei auf einen Server für optische Zeichenerkennung (Optical Character Recognition, im Folgenden: OCR) übertragen.
  19. Im dritten Schritt wandelt der OCR-Server die TIFF-Datei in Daten um, die digital bearbeitet werden können. Während dieses Verfahrens wird das Bild jedes Buchstabens in einen digitalen Code umgewandelt, anhand dessen der Computer die Art des Buchstabens erkennen kann. So wird etwa das Bild der Buchstaben „TDC“ in eine Information umgewandelt, die der Computer wie die Buchstaben „TDC“ behandelt und in ein Textformat umwandelt, das vom System des Computers erkannt werden kann. Diese Daten werden als Textdateien gespeichert, die von jedem Textverarbeitungsprogramm gelesen werden können. Das OCR-Verfahren endet mit dem Löschen der TIFF-Datei.
  20. Im vierten Schritt wird die Textdatei analysiert, um zuvor festgelegte Suchwörter zu finden. Jedes Mal wird eine Datei erstellt, die den Titel, den Teil und die Seitenzahl der Publikation, die das Suchwort enthält, sowie einen in Prozentzahlen zwischen 0 und 100 angegebenen Wert angibt, der die Stellung des Suchworts in dem Artikel bezeichnet. Dadurch wird die Lektüre des Artikels erleichtert. Um das Auffinden des Suchworts bei der Lektüre des Artikels noch zu verbessern, wird es mit den fünf ihm vorangehenden und den fünf ihm nachfolgenden Wörtern verbunden (im Folgenden: aus elf Wörtern bestehender Auszug). Dieser Schritt endet mit dem Löschen der Textdatei.
  21. Im fünften Schritt kommt die Datenerfassung mit dem Ausdruck eines Belegs für jede Seite der Publikation, auf der das Suchwort vorkommt, zum Abschluss. Ein Beleg könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen:„4. November 2005 – Dagbladet Arbejderen Seite 3:TDC: 73 % ‚der anstehende Verkauf des Telekommunikationskonzerns TDC, mit dessen Übernahme gerechnet wird‘“.
  22. Infopaq bestritt, dass für diese Tätigkeit die Zustimmung der jeweiligen Rechtsinhaber erforderlich sei, und erhob beim Østre Landsret Klage gegen die DDF, mit der sie beantragte, die DDF solle anerkennen, dass Infopaq berechtigt sei, das oben beschriebene Verfahren ohne die Zustimmung des Fachverbands oder seiner Mitglieder anzuwenden. Der Østre Landsret wies die Klage ab. Daraufhin legte Infopaq beim vorlegenden Gericht Rechtsmittel ein.
  23. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist unstreitig, dass die Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte für eine Tätigkeit, die in der Beobachtung der Printmedien und der Erstellung von Zusammenfassungen von Zeitungsartikeln besteht, nicht erforderlich ist, solange jede Publikation von einer natürlichen Person gelesen wird, die Auswahl der relevanten Artikel anhand zuvor festgelegter Suchwörter erfolgt und dem Autor der Zusammenfassung ein manuell erstellter Beleg übergeben wird, in dem das in einem Artikel gefundene Suchwort und der Fundort des Artikels in einer Publikation angegeben sind. Ebenso ist zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens unstreitig, dass die Erstellung einer Zusammenfassung als solche rechtmäßig ist und nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf.
  24. Ferner ist unstreitig, dass dieses Datenerfassungsverfahren zwei Vervielfältigungshandlungen umfasst, nämlich das Erstellen der TIFF-Dateien beim Einscannen der Presseartikel und das Erstellen von Textdateien durch die Umwandlung der TIFF-Dateien. Überdies ist unstreitig, dass durch dieses Verfahren Teile der digitalisierten Artikel vervielfältigt werden, wenn der aus elf Wörtern bestehende Auszug elektronisch gespeichert wird und die elf Wörter auf Papier ausgedruckt werden.
  25. Dagegen streiten die Parteien des Ausgangsverfahrens über die Frage, ob es sich bei den letzten beiden oben beschriebenen Schritten um Vervielfältigungshandlungen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 handelt. Uneinigkeit besteht auch darüber, ob gegebenenfalls alle im Ausgangsverfahren fraglichen Handlungen von der in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht umfasst sind.
  26. Unter diesen Umständen hat der Højesteret das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    1. Sind die Speicherung und das anschließende Ausdrucken eines Textauszugs aus einem Zeitungsartikel, der aus einem Suchwort sowie den fünf vorangehenden und den fünf nachfolgenden Wörtern besteht, als geschützte Vervielfältigungshandlungen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG anzusehen?
    2. Ist es für die Bestimmung, ob die vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen als „flüchtig“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 anzusehen sind, von Bedeutung, in welchem Zusammenhang sie vorgenommen werden?
    3. Ist eine vorübergehende Vervielfältigungshandlung als „flüchtig“ anzusehen, wenn die Vervielfältigung bearbeitet wird, z. B. durch Erstellung einer Textdatei auf der Grundlage einer Bilddatei oder durch das Suchen von Textstellen auf der Grundlage einer Textdatei?
    4. Ist eine vorübergehende Vervielfältigungshandlung als „flüchtig“ anzusehen, wenn ein Teil der aus einem oder mehreren Textauszügen von elf Wörtern bestehenden Vervielfältigung gespeichert wird?
    5. Ist eine vorübergehende Vervielfältigungshandlung als „flüchtig“ anzusehen, wenn ein Teil der aus einem oder mehreren Textauszügen von elf Wörtern bestehenden Vervielfältigung ausgedruckt wird?
    6. Ist es für die Bestimmung, ob die vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen einen „integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellen, von Bedeutung, in welchem Stadium des technischen Verfahrens sie vorgenommen werden?
    7. Können vorübergehende Vervielfältigungshandlungen einen „integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens“ darstellen, wenn sie aus dem manuellen Einscannen ganzer Zeitungsartikel bestehen, wodurch diese von einem Printmedium in ein digitales Medium umgewandelt werden?
    8. Können vorübergehende Vervielfältigungshandlungen einen „integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens“ darstellen, wenn sie aus dem Ausdrucken eines Teils der aus einem oder mehreren Textauszügen von elf Wörtern bestehenden Vervielfältigung bestehen?
    9. Umfasst die „rechtmäßige Nutzung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 jede Form der Nutzung, die nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf?
    10. Umfasst die „rechtmäßige Nutzung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 das Einscannen ganzer Zeitungsartikel, die anschließende Bearbeitung der Vervielfältigung sowie die Speicherung und das etwaige Ausdrucken eines Teils der aus einem oder mehreren Textauszügen von elf Wörtern bestehenden Vervielfältigung durch ein Unternehmen für Zwecke des Schreibens von Zusammenfassungen, obwohl der Rechtsinhaber diesen Handlungen nicht zugestimmt hat?
    11. Nach welchen Kriterien ist zu beurteilen, ob die vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen „von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 sind, sofern die übrigen Voraussetzungen der Bestimmung erfüllt sind?
    12. Können durch die vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen erzielte Rationalisierungsgewinne des Nutzers in die Beurteilung der Frage einfließen, ob diese Handlungen „von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 sind?
    13. Sind das Einscannen ganzer Zeitungsartikel, die darauf folgende Bearbeitung der Vervielfältigung sowie die Speicherung und das etwaige Ausdrucken eines Teil der aus einem oder mehreren Textauszügen von elf Wörtern bestehenden Vervielfältigung durch ein Unternehmen ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers im Sinne von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29 „bestimmte Sonderfälle, in denen die normale Verwertung“ der Zeitungsartikel „nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden“?

    Zu den Vorlagefragen

    Vorbemerkung

  27. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitssatz verlangen, die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die – wie Art. 2 der Richtlinie 2001/29 – für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen (vgl. insbesondere Urteile vom 6. Februar 2003, SENA, C-245/00, Slg. 2003, I-1251, Randnr. 23, und vom 7. Dezember 2006, SGAE, C-306/05, Slg. 2006, I-11519, Randnr. 31).
  28. Diese Erfordernisse gelten insbesondere für die Richtlinie 2001/29, wie der Wortlaut ihrer Erwägungsgründe 6 und 21 zeigt.
  29. Folglich kann die österreichische Regierung nicht mit Erfolg geltend machen, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, den in Art. 2 der Richtlinie 2001/29 verwendeten, dort aber nicht definierten Begriff „teilweise Vervielfältigung“ zu definieren (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf den Begriff „öffentlich“ des Art. 3 der Richtlinie Urteil SGAE, Randnr. 31).

    Zur ersten Frage

  30. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „teilweise Vervielfältigung“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er Handlungen zur elektronischen Speicherung eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs und das Ausdrucken eines solchen Auszugs auf Papier umfasst.
  31. Die Richtlinie 2001/29 definiert weder den Begriff „Vervielfältigung“ noch den Begriff „teilweise Vervielfältigung“.
  32. Unter diesen Umständen sind diese Begriffe im Hinblick auf den Wortlaut und den Zusammenhang des Art. 2 der Richtlinie 2001/29, in dem sie erwähnt werden, sowie im Licht der Ziele sowohl der gesamten Richtlinie als auch des Völkerrechts zu definieren (vgl. in diesem Sinne Urteil SGAE, Randnrn. 34 und 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
  33. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 sieht vor, dass die Urheber das ausschließliche Recht haben, die Vervielfältigung ihrer Werke ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Daraus folgt, dass Schutzobjekt des Rechts des Urhebers, die Vervielfältigung zu erlauben oder zu verbieten, ein „Werk“ ist.
  34. Insoweit geht aus dem Gesamtzusammenhang der Berner Übereinkunft, insbesondere aus deren Art. 2 Abs. 5 und 8, hervor, dass der Schutz bestimmter Schutzgüter als Werke der Literatur und Kunst voraussetzt, dass es sich dabei um geistige Schöpfungen handelt.
  35. Ebenso sind gemäß Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 91/250, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/9 und Art. 6 der Richtlinie 2001/116 Werke wie Computerprogramme, Datenbanken oder Fotografien nur urheberrechtlich geschützt, wenn sie Originale in dem Sinne sind, dass es sich bei ihnen um eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers handelt.
  36. Indem die Richtlinie 2001/29 einen harmonisierten Rechtsrahmen des Urheberrechts festlegt, beruht sie, wie aus ihren Erwägungsgründen 4, 9 bis 11 und 20 hervorgeht, auf demselben Grundsatz.
  37. Unter diesen Umständen kann das Urheberrecht im Sinne des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 nur in Bezug auf ein Schutzobjekt angewandt werden, bei dem es sich um ein Original in dem Sinne handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.
  38. Nichts in der Richtlinie 2001/29 oder in einer anderen maßgeblichen Richtlinie deutet darauf hin, dass die Teile eines Werkes einer anderen Regelung unterliegen als das Gesamtwerk. Folglich sind sie urheberrechtlich geschützt, da sie als solche an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben.
  39. Unter Berücksichtigung der Erwägungen in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils sind die verschiedenen Teile eines Werkes somit unter der Voraussetzung, dass sie bestimmte Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers zum Ausdruck bringen, nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 geschützt.
  40. In Bezug auf den Umfang eines solchen Schutzes des Werkes geht aus den Erwägungsgründen 9 bis 11 der Richtlinie 2001/29 hervor, dass das Hauptziel der Richtlinie darin besteht, ein hohes Schutzniveau u. a. zugunsten der Urheber sicherzustellen und diesen eine angemessene Vergütung für die Nutzung einschließlich der Vervielfältigung ihrer Werke zu ermöglichen, damit sie weiterhin schöpferisch und kreativ tätig sein können.
  41. Mit derselben Ausrichtung verlangt der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, dass die unter das Vervielfältigungsrecht fallenden Handlungen weit verstanden werden.
  42. Diese Forderung nach einer weiten Definition dieser Handlungen ist außerdem auch im Wortlaut von Art. 2 der Richtlinie zu finden, der Wendungen wie „unmittelbar oder mittelbar“, „vorübergehend oder dauerhaft“, „auf jede Art und Weise“ und „in jeder Form“ verwendet.
  43. Folglich muss der Schutz im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 2001/29 weitreichend sein.
  44. Bei Zeitungsartikeln ergibt sich die in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils erwähnte eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers regelmäßig aus der Art und Weise, in der das Thema dargestellt wird, sowie aus dem sprachlichen Ausdruck. Im Übrigen ist im Ausgangsverfahren unstreitig, dass es sich bei Zeitungsartikeln als solchen um Werke der Literatur im Sinne der Richtlinie 2001/29 handelt.
  45. In Bezug auf die unter den Schutz fallenden Bestandteile solcher Werke ist festzustellen, dass die Werke aus Wörtern bestehen, die einzeln betrachtet keine geistige Schöpfung des Urhebers sind, der sie verwendet. Erst mit Hilfe der Auswahl, der Anordnung und der Kombination dieser Wörter vermag der Urheber seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen und zu einem Ergebnis zu gelangen, das eine geistige Schöpfung darstellt.
  46. Wörter als solche stellen somit keine vom Schutz erfassten Bestandteile dar.
  47. Gleichwohl kann, da der Schutzumfang des Art. 2 der Richtlinie 2001/29 weit auszulegen ist, nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte einzelne Sätze oder sogar Satzteile des betreffenden Textes dazu geeignet sind, dem Leser die Originalität einer Publikation wie etwa eines Zeitungsartikels zu vermitteln, indem sie ihm einen Bestandteil mitteilen, der als solcher Ausdruck der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers dieses Artikels ist. Solche Sätze oder solche Satzteile können also Schutzobjekt des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie sein.
  48. Im Hinblick auf diese Erwägungen kann der Ausdruck eines Auszugs aus einem geschützten Werk, der – wie im Ausgangsverfahren – aus elf aufeinander folgenden Wörtern des Werkes besteht, eine teilweise Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 darstellen, wenn ein solcher Auszug – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – einen Bestandteil des Werkes enthält, der als solcher die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringt.
  49. Außerdem ist festzustellen, dass das von Infopaq verwendete Datenerfassungsverfahren die Wiederholung einer Vielzahl von Ausschnitten der geschützten Werke ermöglicht. Bei diesem Verfahren wird nämlich jedes Mal, wenn im betreffenden Werk ein Suchwort erscheint, ein aus elf Wörtern bestehender Auszug wiedergegeben, und es arbeitet überdies oft mit mehreren Suchwörtern, da bestimmte Kunden Infopaq um anhand mehrerer Kriterien erstellte Zusammenfassungen bitten.
  50. Dadurch erhöht dieses Verfahren die Wahrscheinlichkeit, dass Infopaq teilweise Vervielfältigungen im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 vornimmt, weil die Sammlung dieser Auszüge dazu führen kann, dass längere Ausschnitte rekonstruiert werden, die die Originalität des betreffenden Werkes dadurch widerspiegeln können, dass sie eine Anzahl von Bestandteilen enthalten, die geeignet sind, eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers dieses Werks zum Ausdruck zu bringen.
  51. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, das darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 fallen kann, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen.

    Zu den Fragen zwei bis zwölf

  52. Sofern die im Ausgangsverfahren fraglichen Handlungen unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung eines geschützten Werkes im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 fallen, geht aus den Art. 2 und 5 der Richtlinie hervor, dass eine solche Vervielfältigung nicht ohne die Zustimmung des betreffenden Urhebers erfolgen darf, es sei denn, diese Vervielfältigung erfüllt die Voraussetzungen von Art. 5 der Richtlinie.
  53. In diesem Kontext möchte das vorlegende Gericht mit seinen Fragen zwei bis zwölf wissen, ob die Vervielfältigungshandlungen, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen vorgenommen wurden, die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 erfüllen und ob dieses Verfahren demnach ohne die Zustimmung der betreffenden Inhaber der Urheberrechte erfolgen darf, wenn es darauf abzielt, das Schreiben einer Zusammenfassung von Zeitungsartikeln zuzulassen, und im Einscannen der gesamten Artikel, der Speicherung eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs und dem Ausdrucken dieses Auszugs besteht.
  54. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist eine Vervielfältigungshandlung nur vom Vervielfältigungsrecht nach Art. 2 der Richtlinie ausgenommen, wenn sie die folgenden fünf Voraussetzungen erfüllt:
    • diese Handlung ist vorübergehend;
    • sie ist flüchtig oder begleitend;
    • sie stellt einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens dar;
    • alleiniger Zweck des Verfahrens ist es, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines geschützten Werkes oder eines Schutzobjekts zu ermöglichen, und
    • die Handlung hat keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung.
  55. Zunächst ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen insofern kumulativ sind, als die Nichterfüllung einer einzigen Voraussetzung zur Folge hat, dass die Vervielfältigungshandlung nicht nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vom Vervielfältigungsrecht des Art. 2 der Richtlinie ausgenommen ist.
  56. Für die Auslegung der einzelnen Voraussetzungen ist sodann daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Bestimmungen einer Richtlinie, die von einem in dieser Richtlinie aufgestellten allgemeinen Grundsatz abweichen, eng auszulegen sind (Urteile vom 29. April 2004, Kapper, C-476/01, Slg. 2004, I-5205, Randnr. 72, und vom 26. Oktober 2006, Kommission/Spanien, C-36/05, Slg. 2006, I-10313, Randnr. 31).
  57. Dies ist bei der Ausnahme des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 der Fall, weil es sich dabei um eine Abweichung vom in dieser Richtlinie aufgestellten allgemeinen Grundsatz – dem Erfordernis einer Zustimmung des Inhabers des Urheberrechts für die jeweilige Vervielfältigung eines geschützten Werkes – handelt.
  58. Dies gilt umso mehr, als diese Ausnahme im Licht des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29 auszulegen ist, wonach sie nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden darf, in denen die normale Verwertung des Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.
  59. Gemäß den Erwägungsgründen 4, 6 und 21 der Richtlinie 2001/29 sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 auch im Licht der Rechtssicherheit der Urheber in Bezug auf den Schutz ihrer Werke auszulegen.
  60. In der vorliegenden Rechtssache macht Infopaq geltend, die im Ausgangsverfahren fraglichen Vervielfältigungshandlungen erfüllten die Voraussetzung, vorübergehender Art zu sein, da sie nach Abschluss des elektronischen Suchvorgangs gelöscht würden.
  61. Insoweit ist im Licht der dritten der in Randnr. 54 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Voraussetzungen festzustellen, dass eine vorübergehende und flüchtige Vervielfältigungshandlung darauf abzielt, die Durchführung eines technischen Verfahrens zu ermöglichen, von dem sie einen integralen und wesentlichen Teil darstellen muss. Unter diesen Umständen dürfen diese Vervielfältigungshandlungen im Hinblick auf die in den Randnrn. 57 und 58 des vorliegenden Urteils genannten Grundsätzen nicht über das hinausgehen, was für das ordnungsgemäße Funktionieren dieses technischen Verfahrens erforderlich ist.
  62. Die Rechtssicherheit der Inhaber von Urheberrechten gebietet es darüber hinaus, dass die Speicherung und die Löschung der Vervielfältigung nicht vom Willen einer natürlichen Person, insbesondere des Nutzers der geschützten Werke, abhängig sind. Sonst wäre nämlich nicht sichergestellt, dass der Betroffene die hergestellte Vervielfältigung auch tatsächlich löscht oder sie jedenfalls löscht, sobald ihr Fortbestehen im Hinblick auf ihre Funktion, die Durchführung eines technischen Verfahrens zu ermöglichen, nicht mehr gerechtfertigt ist.
  63. Diese Schlussfolgerung wird durch den 33. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 bestätigt, der anhand charakteristischer Beispiele von Handlungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie die Handlungen aufzählt, die das „Browsing“ sowie Handlungen des „Caching“ ermöglichen, einschließlich solcher, die das effiziente Funktionieren der Übertragungssysteme ermöglichen. Derartige Handlungen werden definitionsgemäß automatisch und ohne Beteiligung natürlicher Personen erzeugt und gelöscht.
  64. Nach alledem ist festzustellen, dass eine Handlung nur dann „flüchtig“ im Sinne der zweiten Voraussetzung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist, wenn ihre Lebensdauer auf das für das ordnungsgemäß Funktionieren des betreffenden technischen Verfahrens Erforderliche beschränkt ist, wobei dieses Verfahren derart automatisiert sein muss, dass es diese Handlung automatisch, ohne Beteiligung einer natürlichen Person löscht, sobald ihre Funktion, die Durchführung eines solchen Verfahrens zu ermöglichen, erfüllt ist.
  65. Im Ausgangsverfahren kann nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass die beiden ersten im Ausgangsverfahren fraglichen Vervielfältigungshandlungen, also das Erstellen der TIFF-Dateien und der durch deren Umwandlung erzeugten Textdateien, flüchtig sind, da sie automatisch von dem Rechner, auf dem sie gespeichert sind, gelöscht werden.
  66. Bei der dritten Vervielfältigungshandlung – der elektronischen Speicherung des aus elf Wörtern bestehenden Auszugs – kann anhand der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht beurteilt werden, ob das technische Verfahren derart automatisiert ist, dass die betreffende Datei ohne Beteiligung einer natürlichen Person nach kurzer Zeit wieder von dem Rechner, auf dem sie gespeichert ist, gelöscht wird. Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob ihre Löschung vom Willen des Nutzers der Vervielfältigung abhängt und ob die Gefahr besteht, dass die Datei gespeichert bleibt, nachdem sie ihre Funktion, das betreffende technische Verfahren durchzuführen, erfüllt hat.
  67. Unstreitig ist jedoch, dass Infopaq mit der letzten Vervielfältigungshandlung des Datenerfassungsverfahrens eine Vervielfältigung außerhalb des Informatikbereichs vorgenommen hat. Infopaq druckt Dateien aus, die die aus elf Wörtern bestehenden Auszüge enthalten, und vervielfältigt so diese Auszüge auf Papier.
  68. Wenn die Vervielfältigung auf einem solchen materiellen Träger festgehalten ist, verschwindet sie erst mit dessen Zerstörung.
  69. Da das Datenerfassungsverfahren überdies offensichtlich nicht in der Lage ist, einen solchen Träger selbst zu zerstören, hängt die Löschung der fraglichen Vervielfältigung allein vom Willen des Nutzers eines solchen Verfahrens ab, von dem nicht einmal sicher bekannt ist, ob er sich des Trägers entledigen will. Folglich besteht die Gefahr, dass die Vervielfältigung je nach Bedarf des Nutzers für einen längeren Zeitraum fortbesteht.
  70. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die letzte Handlung des im Ausgangsverfahren fraglichen Datenerfassungsverfahrens, mit der Infopaq die aus elf Wörtern bestehenden Auszüge ausdruckt, keine flüchtige Handlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist.
  71. Überdies ergibt sich weder aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen, dass eine solche Handlung begleitend wäre, noch ist dergleichen vorgetragen worden.
  72. Nach alledem erfüllt diese Handlung nicht die zweite Voraussetzung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und kann somit nicht von dem in deren Art. 2 vorgesehenen Vervielfältigungsrecht ausgenommen werden.
  73. Folglich kann das im Ausgangsverfahren fragliche Datenerfassungsverfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte durchgeführt werden, so dass nicht geprüft zu werden braucht, ob die vier Vervielfältigungshandlungen, aus denen dieses Verfahren besteht, die anderen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllen.
  74. Deshalb ist auf die Fragen zwei bis zwölf zu antworten, dass das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs, der im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen erfolgt, nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 erfüllt und dass dieses Verfahren daher nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden darf.

    Zur dreizehnten Frage

  75. Aufgrund der Antwort auf die Fragen zwei bis zwölf braucht die dreizehnte Frage nicht beantwortet zu werden.

    Kosten

  76. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

  1. Eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, das darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, kann unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft fallen, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen.
  2. Das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs, der im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen erfolgt, erfüllt nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, und daher darf dieses Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden.

Unterschriften


Zypries fordert europäisches Vorgehen gegen Google Books

Der Wettbewerbsfähigkeitsrat der Europäischen Union hat sich heute in Brüssel mit dem Thema „Google Books“ befasst. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen, um die anderen Mitgliedstaaten für die Auswirkungen von Google Books und des US-amerikanischen „Google Book Settlement“ auf die Rechte europäischer Schriftsteller und Verlage zu sensibilisieren. Ergebnis der Ratsdebatte war eine Bitte der Mitgliedstaaten an die Kommission, sich des Themas anzunehmen.

„Das Vorgehen von Google bei der Digitalisierung von Büchern ist nicht akzeptabel. Es ist mit den Grundsätzen des europäischen Urheberrechts nicht zu vereinbaren. Bei uns in Europa ist die Zustimmung des Urhebers einzuholen, bevor ein Werk digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht wird. Ich halte es für dringend erforderlich, dass der Rat ein klares politisches Signal sendet, um zu verhindern, dass Google die in den USA digitalisierten Werke ohne Einverständnis der Rechtsinhaber in Europa öffentlich zugänglich macht,“ erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Google hat in den USA ohne vorherige Zustimmung der Rechtsinhaber Bücher aus US-amerikanischen Bibliotheken eingescannt. Die digitalen Kopien nutzt Google für den Aufbau einer Datenbank, der sogenannten „Google Buchsuche“. Mit Hilfe dieser Datenbank werden einem Internetnutzer eine Ansicht der Titelseite und in den meisten Fällen auch kurze Ausschnitte aus den Büchern angezeigt, sogenannte „snippets“. Unter den gescannten Büchern befindet sich auch eine Vielzahl von Büchern europäischer Rechtsinhaber.

Eines der Hauptprobleme in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass das Urheberrecht unter anderem den Autoren helfen soll, finanzielle Vorteile aus ihren Werken zu ziehen. Bei Google werden in erster Linie wissenschaftliche Werke eingesehen. Romane werden selten ausschnittsweise gelesen und andere — eher austauschbare — Inhalte wie sie in Ratgebern, Kochbücher etc. zu finden sind, gibt es auf zahllosen Websites wie Sand am Meer. Da lohnt sich die Suche in Google-Books nicht. In Romane wird allenfalls hineingelesen — aber wenn das Buch den Leser interessiert, muss er es doch kaufen, es sei denn, er will nicht den Fortgang der Geschichte kennen. Bei den wissenschaftlichen Werken sind die meisten Autoren zwar ebenso wie die anderen Autoren an einer finanziellen Leistung für ihr Werk interessiert. Diese fällt aber in aller Regel — Urheberrecht hin, Urheberrecht her — zumeist sehr bescheiden aus. Die meisten wissenschaftlichen Autoren sind froh, wenn sie keinen Druckkostenzuschuss bezahlen müssen, damit ihr Werk überhaupt veröffentlicht wird. Für diese Autoren hat Google-Books eher Vorteile, denn so können ihre Texte wenigstens gelesen werden. Die Alternative ist das Untertauchen der Bücher in einigen Bibliotheken.

Amerikanische Autoren- und Verlegerverbände haben wegen der Verletzung von Urheberrechten gegen Google in den USA geklagt. Bei dieser Klage handelt es sich um eine Sammelklage — die sogenannte „class action“ –, die das deutsche Recht nicht kennt. Die Entscheidung bei einer „class action“ wirkt nicht nur für die Parteien des Rechtsstreits, sondern für alle Mitglieder einer „class“, also für alle Autoren und Verlage, die von Googles Vorgehen betroffen sind. Der Rechtsstreit soll durch einen Vergleich – der allerdings noch am 7. Oktober 2009 vom Gericht abschließend gebilligt werden muss – beigelegt werden. Der angestrebte Vergleich würde auch europäische Autoren und Verlage betreffen.

Den Wirkungen des Vergleichs können sich die Urheber und Verlage nur dadurch entziehen, dass sie bis zum 4. September 2009 ihren Austritt aus dem Vergleich erklären. Damit behalten sie auch das Recht, selbst Klage gegen Google zu erheben. Unabhängig vom Austritt können sie bis zum 4. September 2009 Einwände gegen den Inhalt des Vergleichs vorbringen und Änderungen beantragen.

„Die Diskussion über Google Books muss in einer der nächsten Ratssitzungen fortgeführt werden. Wir haben die EU-Kommission gebeten, sich zwischenzeitlich des Themas anzunehmen. Sie sollte das Projekt „Google Books“ und die Auswirkungen des in den USA geschlossenen Vergleichs überprüfen, sowohl unter urheberrechtlichen als auch unter kulturpolitischen und kartellrechtlichen Aspekten. Brüssel muss gegebenenfalls weitere Maßnahmen zum Schutz der Rechtsinhaber einleiten. Googles Vorgehen ist nämlich nicht nur urheberrechtlich bedenklich, sondern kann sich auch auf die Medienkonzentration und die kulturelle Vielfalt in Europa auswirken“, betonte Zypries.

Googles Vorgehen ist in der Tat — trotz einiger Vorteile — problematisch. Jedoch ist der Rückschritt zur Literaturverknappung auch nicht die richtige Lösung, weil davon weder die Leser noch die Autoren profitieren.

Neues Urheberrecht tritt zum 1. Januar 2008 in Kraft

Der zweite Korb ist insbesondere wegen den Beschränkungen für Bibliotheken und Wissenschaftler und der Etablierung eines Straftatbestandes im Zusammenhang mit dem Kopierschutz umstritten. Es wurden weitgehend die Interessen der Industrie, nicht der der Allgemeinheit, berücksichtigt. So hat der Bundesrat für dringend geboten erachtet, ein bildungs- und wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht zu schaffen, das auch den Erfordernissen der nicht kommerziell ausgerichteten Einrichtungen in Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie dem Grundrecht auf Informationsfreiheit der Bürger weit stärker als bisher Rechnung trägt. Davon bewegt sich das Urheberrecht immer weiter weg. Vorteile für Verbraucher in der Novelle: Fehlanzeige.

Das Urheberrecht wird immer mehr zu einem Industrierecht und es wird immer undurchschaubarer. Man fragt sich inzwischen, ob man noch den neusten Schlager in der U-Bahn summen darf — oder ist das eine öffentliche Darbietung urheberrechtlich geschützten Materials? Beim Straßenmusiker ist das klar: was die machen, das ist nicht zulässig, oder doch?

Die Geltung des im Urheberrecht allgemein angewendeten Schutzlandprinzips bereitet den Informationsanbietern im Internetbereich unkalkulierbare Probleme. Diejenigen, die sich rechtmäßig verhalten wollen, müssen ihre Online-Auftritte nach den Urheberrechtsordnungen all derjenigen Staaten ausrichten, in denen ihr Angebot abrufbar ist, da jeder dieser Staaten potentiell als Schutzland in Betracht kommt. Eine praktisch undurchführbare Anforderung, sofern man nicht nur eigene Materialien verwendet.

Die Musikindustrie beklagt Umsatzrückgänge von bis zu 30 %. Das ist allerdings nicht auch nur zu einem überwiegenden Teil auf die Tauschbörsen zurückzuführen, sondern liegt daran, dass das Geld für Funktelefon oder Computerspiele ausgegeben wird, es mehr Radiosender gibt, die moderne Industriemusik immer austauschbarer klingt etc.

1. Privatkopie

Die private Kopie der Werke auch in digitaler Form bleibt nur noch unter Umständen erlaubt. Das neue Recht enthält eine Klarstellung: Bisher war die Kopie einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage verboten. Dieses Verbot wird nunmehr ausdrücklich auch auf unrechtmäßig online zum Download angebotene Vorlagen ausgedehnt. Auf diese Weise wird die Nutzung illegaler Tauschbörsen klarer erfasst. In Zukunft gilt also: Wenn für den Nutzer einer Peer-to-Peer-Tauschbörse offensichtlich ist, dass es sich bei dem angebotenen Film oder Musikstück um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt, darf er keine Privatkopie davon herstellen.

Wann etwas unrechtmäßig angeboten wird, ist allerdings ein nur auf den ersten Blick einfache Frage. Das fängt schon damit an, dass in Kanada die Schutzfrist kürzer, in den USA hingegen länger ist als Deutschland. Die ersten Lieder des Rock’n Roll (Buddy Holly, Ritchie Valens, Eddie Cochran) verlieren in Kanada gerade ihren Urheberschutz, sind in Deutschland aber noch geschützt. Ferner sind ja z.B. auch kurze Filmsequenzen wie sie in Videoportalen millionenfach angeboten werden geschützt. Gleichzeitig werden solche Abschnitte von der Industrie als Trailer, Preview oder dergleichen genauso millionenfach als Werbung verteilt — wie auch einzelnen Musiktitel oft genug umsonst als Lockmittel angeboten werden.

Das sind nur zwei Beispiele – es gibt zahllose andere, bei denen sich die Frage nach der Offensichtlichkeit stellt. Da ja auch beim bloßen Abspielen eine lokale Kopie der Daten angefertigt wird, sind hier viele Fragen zu klären und man kann nur hoffen, dass die Rechtsprechung restriktiv vorgeht.

§ 106 UrhG: Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das strafrechtlich bewehrte Verbot, einen Kopierschutz zu knacken, wird etabliert. Das Überwinden von Kopierschutzmaßnahmen zu kommerziellen Zwecken wurde mit der ersten Novelle zum Urheberrecht ein Straftatbestand. Die zulässige Privatkopie ist nicht mehr erlaubt, wenn von dem Verleger oder Hersteller des geschützen Werkes Kopierschutzmaßnahmen eingesetzt werden. Die Rechtsinhaber können ihr geistiges Eigentum durch derartige technische Maßnahmen selbst schützen.

Es gäbe kein „Recht auf Privatkopie“, offenbar auch kein Recht auf eine Sicherheitskopie oder die Möglichkeit, eine Musik-CD auf den mp3-Spieler zu übertragen. Dieses Recht auf eine Privatkopie ließe sich auch nicht aus den Grundrechten herleiten: Eine Privatkopie schaffe keinen Zugang zu neuen Informationen, sondern verdoppelt lediglich die bereits bekannten, das das Bundesjustizministerium.

2. Pauschalvergütung als Ausgleich für die Privatkopie

Als Ausgleich für die erlaubte Privatkopie bekommt der Urheber eine pauschale Vergütung. Sie wird auf Geräte und Speichermedien erhoben und über die Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgeschüttet. Privatkopie und Pauschalvergütung gehören also untrennbar zusammen. Dabei bleibt es auch. Allerdings ändert der Zweite Korb die Methode zur Bestimmung der Vergütung. Bisher waren die Vergütungssätze in einer Anlage zum Urheberrechtsgesetz gesetzlich festgelegt. Diese Liste wurde zuletzt 1985 geändert und ist veraltet. Das hat zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Vergütungspflichtigkeit neuer Geräte geführt, die bis heute die Gerichte beschäftigen.

Eine gesetzliche Anpassung der Vergütungssätze wäre hier keine ausreichende Lösung. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung im digitalen Zeitalter müsste die Liste schon nach kurzer Zeit erneut geändert werden. Nach dem neuen Recht sollen daher die Beteiligten selbst, also die Verwertungsgesellschaften und die Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller, die Vergütung miteinander aushandeln. Für den Streitfall sind beschleunigte Schlichtungs- und Entscheidungsmechanismen vorgesehen. Mit diesem marktwirtschaftlichen Modell soll flexibler auf neue technische Entwicklungen reagiert werden können.

Außerdem sollen Einigungen über die Vergütungszahlungen zügiger zustande kommen.

Vergütungspflichtig sind in Zukunft alle Geräte und Speichermedien, deren Typ zur Vornahme von zulässigen Vervielfältigungen benutzt wird. Keine Vergütungspflicht besteht für Geräte, in denen zwar ein digitaler, theoretisch für Vervielfältigungen nutzbarer Speicherchip eingebaut ist, dieser tatsächlich aber ganz anderen Funktionen dient.

Der Gesetzgeber gibt den Beteiligten nur noch einen verbindlichen Rahmen für die Vergütungshöhe vor. Sie soll sich nach dem tatsächlichen Ausmaß der Nutzung bemessen, in dem Geräte und Speichermedien typischer Weise für erlaubte Vervielfältigungen genutzt werden. Dies ist durch empirische Marktuntersuchungen zu ermitteln. Soweit nicht mehr privat kopiert werden kann, weil etwa Kopierschutz oder Digital-Rights-Management-Systeme (DRM) eingesetzt werden, gibt es auch keine pauschale Vergütung. Der Verbraucher wird also nicht doppelt belastet. Zugleich werden auch die Interessen der Hersteller der Geräte und Speichermedien berücksichtigt. Die ursprünglich vorgesehene 5 %-Obergrenze vom Verkaufspreis des Gerätes ist in den Beratungen im Bundestag zwar gestrichen worden. Die wirtschaftlichen Belange der Gerätehersteller werden gleichwohl hinreichend berücksichtigt. Es bleibt dabei, dass deren berechtigte Interessen nicht unzumutbar beeinträchtigt werden dürfen und die Vergütung in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder Speichermediums stehen muss.

3. Schranken für Wissenschaft und Forschung

Die Novelle erlaubt es öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven erstmalig, ihre Bestände an elektronischen Leseplätzen zu zeigen. Damit behalten diese Einrichtungen Anschluss an die neuen Medien, allerdings verbunden mit zusätzlichen Kosten, die für die sowieso nur noch wegen den rasant steigenden Kosten schlecht ausgestatten Bibliotheken nicht unbedingt ein Vorteil sein.

Neu ist auch, dass Bibliotheken auf gesetzlicher Basis Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken auf Bestellung anfertigen und versenden dürfen, z.B. per E-Mail. Das dient dem Wissenschaftsstandort Deutschland. Die berechtigten Interessen der Verlage werden dadurch gewahrt, dass diese Nutzungsmöglichkeiten bestimmten Einschränkungen unterliegen. So ist die Anzahl der Vervielfältigungen eines bestimmten Werkes, die an Leseplätzen gleichzeitig gezeigt werden dürfen, grundsätzlich an die Anzahl der Exemplare im Bestand der Einrichtung geknüpft. Wenn nur ein Exemplar vorhanden ist, darf nur ein Exemplar elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Nur bei Belastungsspitzen dürfe darüber hinausgegangen werden. Was das sein soll, bleibt im Dunkeln. Liegt eine Belastungsspitze vor, wenn mehrere Personen ein bestimmtes Werk zu sehen wünschen? — wohl kaum, denn dann wäre die Beschränkung auf die Anzahl der Vervielfältigungen eines bestimmten Werkes überflüssig.

Bibliotheken dürfen Kopien per E-Mail nur dann versenden, wenn der Verlag nicht ein offensichtliches eigenes Online-Angebot zu angemessenen Bedingungen bereithält. Diese Einschränkungen sind zum Schutz des geistigen Eigentums der Verlage und Autoren erforderlich, denn der Gesetzgeber darf keine Regelungen treffen, die es den Verlagen unmöglich machen, ihre Produkte am Markt zu verkaufen.

4. Unbekannte Nutzungsarten

Bisher durften keine Verträge über die Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in einer Nutzungsart geschlossen werden, die es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht gab, z. B. in einem zwischenzeitlich entwickelten Internet. Wollte der Verwerter das Werk auf diese neue Art nutzen, musste er nach Urhebern oder ihren Erben suchen und sich mit ihnen über die Verwertung einigen. Nach dem Gesetz soll der Urheber über seine Rechte auch für die Zukunft vertraglich verfügen können. Die Industrie kann sich damit in ihren „Standard-Verträgen“ die Verwertung von allem und für immer sichern.

Dies liege — so meint das Justizministerium — nicht nur im Interesse der Verwerter und der Verbraucher, sondern diene auch dem Urheber selbst. Sein Werk bleibe zukünftigen Generationen in neu entwickelten Medien erhalten. Der Urheber werde durch die Neuregelung auch ausreichend geschützt. Er erhält eine gesonderte, angemessene Vergütung, wenn sein Werk in einer neuen Nutzungsart verwertet wird. Nur — selber nutzen kann der Urheber es erst Mal nicht.

Außerdem muss der Verwerter den Urheber informieren, bevor er mit der neuartigen Nutzung beginnt. Das schwächt das Argument, die Industrie müsse vor der Nutzung in einer neuen Art nicht nach dem Urhebern suchen, deutlich ab. Danach kann der Urheber die Rechtseinräumung binnen drei Monaten widerrufen. Mit einer parallelen Regelung wird auch die Verwertung schon bestehender Werke, die in Archiven liegen, in neuen Nutzungsarten ermöglicht. Eine Öffnung der Archive liegt auch im Interesse der Allgemeinheit, weil sie gewährleistet, dass Werke aus der jüngeren Vergangenheit in den neuen Medien genutzt werden können und Teil des Kulturlebens bleiben.

Das Gesetz trägt auch den Besonderheiten des Films Rechnung. Dort sind typischerweise zahlreiche Mitwirkende beteiligt. Schon bislang galt deshalb die gesetzliche Vermutung, dass der Filmproduzent im Zweifel das Recht erwarb, den Film in allen bekannten Nutzungsarten zu verwerten. Diese Vermutung wird jetzt auf unbekannte Nutzungsarten ausgedehnt. Im Gegensatz zu anderen Medien haben die Urheber hier aber kein Widerrufsrecht. Das gibt den Produzenten ausreichende Sicherheit beim Erwerb der Rechte und gewährleistet, dass der deutsche Film künftig auch international präsent bleibt.