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Weiterverkauf von Software: EuGH soll klären

Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat dem Gerichtshof der Europäischen Union am 3. Feburaur 2011 Fragen zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Vertriebs von gebrauchter (wie es in der Pressemitteilung in Anführungszeichen heißt)  Softwarelizenzen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gebrauchte Software unterscheidet sich von der nagelneuen dadurch, dass jemand an den Rechtsinhaber bereits Entgelt für die Nutzung der Software bezahlt hat und diese Position unter Aufgabe der eigenen Rechte nun auf einen anderen übertragen will.  Das missfällt manchen Rechtsinhabern, denn der Käufer ist ja offenbar bereit Geld für die Nutzung des Software zu bezahlen (nur an den falschen, nämlich nicht an den Rechtsinhaber).  Geklagt hatte im vom BGH nun dem EuGH vorgelegten Fall der Konzern Oracle, der im geschäftlichen Vertrieb gebrauchter Softwarelizenzen einen Verstoß gegen sein Urheberrecht sah.

Das  OLG München entschied am 3. Juli 2008 (Az. 6 U 2759/07) ebenso wie das LG München I ganz im Sinne des Rechtsinhabers. Der Verkauf von Einzelplatzlizenzen sowie der Vertrieb von — sogenannten — „gebrauchen“ Lizenzen sei auch bei Übergabe eines Originaldatenträgers nicht zulässig.  Oracle  vertreibt in der Regel die Software in der Weise, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Rechner herunterladen. In den Lizenzverträgen der Klägerin ist vorgesehen, dass das Nutzungsrecht, das Oracle seinen Kunden an den Computerprogrammen einräumt, nicht abtretbar ist.

Der Beklagte handelt mit Softwarelizenzen und bot im Oktober 2005 bereits benutzte (bezahlte) Lizenzen für Programme von Oracle  an, bei denen der  ursprüngliche Lizenznehmer bestätigt hatte, dass er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese aber nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe. Kunden des Beklagten laden nach dem Erwerb dieses diffusen Rechts die entsprechende Software von der Internetseite von Oracle auf einen Datenträger herunter. Oracle vertrat die Rechtsauffassung, der Beklagte verletze dadurch, dass er die Erwerber der Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfältigen, das Urheberrecht an diesen Programmen und hat deshalb den  Beklagten  auf Unterlassung in Anspruch genommen. Kompliziert, denn offenbar wurde die Software von Oracle zur Verfügung gestellt und die dürfen die Software ja auf jeden Fall vervielfältigen. Die Kunden des Beklagten glauben aber offenbar, sie dürften rechtmäßig die Software von Oracle beziehen, während Oracle das an bestimmte Bedingungen geknüpft sehen will. Der beklagte Händler hat also selbst gar nicht die Bits und Bytes weitergegeben, sondern nur seinen Kunden — gegen Entgelt — gesagt, sie dürften die Software bei Oracle kopieren und müssten dafür nichts bezahlen, weil dafür bereits einmal bezahlt wurde.

Nachdem der Beklagte beide Instanzen verloren hat, hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Die Kunden des Beklagten greifen durch das Herunterladen der Computerprogramme  in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der Computerprogramme ein. Da der Beklagte seine Kunden durch das Angebot gebrauchter Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, kann er auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls seine Kunden nicht zur Vervielfältigung der Programme berechtigt sind. Die Kunden des Beklagten können sich nach Auffassung des BGH allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms — solange nichts anderes vereinbart ist — nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine gebrauchte Softwarelizenz erworben hat, als ,,rechtmäßiger Erwerber„ des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist. In diesem Zusammenhang kann sich auch die weitere Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in Verkehr gebracht worden ist.

Früher, als die Nutzung von urheberrechtlichem Material noch mit dem klassischen Buch verbunden war, konnte jeder seine gesamte Bibliothek zum Antiquar tragen und gegen einen neue austauschen (aus dieser Vorstellungswelt stammt wohl auch der Begriff der gebrauchten Lizenzen).  Das Recht des Rechtsinhabers an dem einen Exemplar des urheberrechtlich geschützten Werks war „erschöpft“, wie es in der Rechtssprache heißt, wenn der Rechtsinhaber das Werkexemplar in den Verkehr gebracht hatte.  Jetzt gibt es kein Werkexemplar als körperlichen Anknüpfungspunkt mehr, sondern nur noch ein Recht und ein Vertrag.

Nachdem die Digitalisierung die Trennung von Inhalt und dem für die Nutzung notwendigen körperlichen Gerät herbeigeführt hat, dürften sich diese Änderungen bald in vielen Bereichen durchsetzen. Die Verbindung von dem Gerät (device) mit dem Handel (mit den Lizenzen) wird  so zu einem immer einträglicheren Geschäft, bei dem jeder Nutzer für jede Nutzung seinen Obulus wird entrichten müssen.

Morgens beim Device-Lesen und Device-Hören reduziert sich dann in der braven neuen Welt minütlich der Kontostand für die Nutzung des wertvollen Contents. Und wenn wir von einem Filmstar träumen, wird sich daraus  auch noch irgendeine kostenpflichtige Nutzung konstruieren lassen;  zur Not über ein Leistungsschutzrecht, denn ohne die Leistung der Filmfirma hätten wir ja gar nicht den schönen Traum träumen können. Immerhin: Presseerklärungen, Reden der Politiker und Werbung werden wir noch ohne Angst um den Geldbeutel konsumieren können (damit die Volksbildung für die Epsilon-Minus-Menschen nicht auf der Strecke bleibt).

Markenschutz für den goldenen Osterhasen 2

Der BGH war im Juli 2010 in die Verlegenheit geraten, zwei Farben von goldenen Osterhasen vergleichen zu müssen, obwohl die entsprechenden Farbmuster nicht bei den Akten waren. Zu dieser Frage konnte es in dem Streit um zwei Schokoladenhasen kommen, weil in Deutschland eine Marke als wirksam angesehen werden.
Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass der goldene Osterhase mit rotem Band als Europäische Marke nicht akzeptiert wird.
Vor dem EuGH wurde auch über diese Marken gestritten: Die Fa. Lindt & Sprüngli meldete beim Europäischen Markenamt vier Marken an:
  • die Form eines Schokoladenhasen mit rotem Band, die die Farben Rot, Gold und Braun aufweist (Rs. T-336/08),
  • die Form eines Rentiers aus Schokolade mit rotem Band, die die Farben Rot, Gold und Braun aufweist (Rs. T-337/08),
  • die Form eines goldenen Glöckchens mit rotem Band (Rs. T-346/08) und
  • die Form eines Schokoladenhasen in der Farbe Gold (Rs. T-395/08).
Am 10. Juni 2005 meldete außerdem die August Storck AG eine einfache Quadergrundform aus Schokolade, auf deren Oberseite sich ein Relief in Form einer Maus befindet und die die Farbe Braun aufweist, als eine dreidimensionale Gemeinschaftsmarke an (Rs. T-13/09).
Der EuGH erläuterte in dem heute ergangenen Urteil, dass die für den Bestand der Marke erforderliche Unterscheidungskraft einer Marke bedeute, dass diese Marke es ermöglicht, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Die angemeldeten Marken wurden nicht als geeignet angesehen, auf die betriebliche Herkunft der mit ihnen gekennzeichneten Waren hinzuweisen. Dieses Fehlen von Unterscheidungskraft rührt insbesondere daher, dass der Verbraucher aus den verschiedenen Merkmalen der angemeldeten Marken, nämlich der Form, der goldfarbenen Verpackung oder dem roten Band (der von Lindt & Sprüngli angemeldeten Marken) bzw. der Form und der Farbe (der von Storck angemeldeten Marke), nicht auf die betriebliche Herkunft der gekennzeichneten Waren schließen kann.

Unterscheidungskraft einer Marke bedeutet, dass diese Marke es ermöglicht, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die angemeldeten Marken könnten jedoch nicht als geeignet angesehen werden, auf die betriebliche Herkunft der mit ihnen gekennzeichneten Waren hinzuweisen.

Was die Form der von Lindt & Sprüngli angemeldeten Marken anbelangt, wies das Gericht darauf hin, dass ein Hase, ein Rentier und ein Glöckchen zu bestimmten Jahreszeiten, insbesondere zu Ostern und zu Weihnachten, typische Formen von Schokolade und Schokoladewaren sind. Überdies wickeln, was die Verpackung angeht, auch andere Unternehmen Schokolade und Schokoladewaren in eine goldfarbene Folie. Was schließlich das rote Band mit Glöckchen anbelangt, ist es nach Ansicht des Gerichts üblich, Schokoladetiere oder ihre Verpackung mit Schleifen, roten Bändern und Glocken zu verzieren. Als einfaches dekoratives Element hat das rote Band mit Glöckchen daher keine Unterscheidungskraft.

Die von Storck angemeldete Marke besteht nach Auffassung des Gerichts aus einer Kombination nahe liegender und typischer Gestaltungsmerkmale der erfassten Waren. Sie ist eine Variante der im Süßwarensektor üblicherweise verwendeten Grundformen und unterscheidet sich nicht wesentlich von der Norm oder der Branchenüblichkeit. Sie ermöglicht es daher nicht, die Süßwaren von Storck von denen anderer Süßwarenhersteller zu unterscheiden.

Wie es beim BGH weitergeht, steht damit noch nicht fest, denn das EuGH-Urteil betrifft nur die Europäischen Marken, nicht die in Deutschland angemeldeten. In Deutschland können sich also die Einkaufsmöglichkeiten für durchschnittliche Einkommen immer noch denen nähern, wie man sie früher von der DDR kannte: Grau in Grau.

Ein erteilter Patentanspruch hat Rechtsnormcharakter

Der BGH behandelt ein Patent wie ein virtuelles Grundstück. Wer das Grundstück betreten will, muss den Inhaber um eine Genehmigung fragen. Diese wird entweder verweigert oder erteilt, wobei für die Erteilung zumeist ein Entgelt zu bezahlen ist. Da es sich um ein virtuelles Grundstück handelt, sind die Grenzen oft nicht so genau zu erkennen.

Dies ist insbesondere aus mehreren Gründen problematisch: Je leichter ein Patent zu erlangen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dritter unbeabsichtigt das virtuelle Grundstück eines anderen nutzt. Umgekehrt werden immer mehr Patente erteilt. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es ein Patent übersieht oder nicht erkennt, dass das Patentamt einer altbekannten Technik eine Schutz gewährt hat oder einfach die komplex formulierten Patentansprüche schlichtweg nicht versteht. Würden die Unternehmen den Anforderungen der Rechtsprechung an die Überwachung des täglichen Patentgeschehens gestellt werden, erfüllen, würden zig-Tausende von kleinen und mittleren Unternehmen bis hin zu Programmierern mit der jedenfalls vollkommen unproduktiven Tätigkeit beschäftigen, herauszufinden, ob sie  nun ihr Arbeitsergebnis verwerten dürfen oder nicht.

Wenn man die rechtlichen Folgen eines Patentverletzung bedenkt,

  • Unterlassen für die Zukunft;
  • Auskunftsanspruch über Kunden, Verkaufszahlen, Umsätze oder Werbung — Rechnungslegung;
  • Schadensersatz oder Bezahlung eines fiktiven Lizenzentgelts;
  • unter Umständen — wenn man dem Begehren des Patentinhabers nicht nachgibt — Prozesskosten, die für die erste Instanz in der Regel schon  50.000 Euro und mehr betragen können.

können die Folgen gerade bei den kleineren Unternehmen das Ende bedeuten. Aber auch wenn man die Anmeldungen bei den verschiedenen Patentämtern beobachtet, entstehen ganz erhebliche Kosten, die insbesondere die Neueinsteiger und kleinen erheblich belasten. Wer neben den Inhabern an den Patenten besonders verdient und deren Vorteile gerne im großen und kleinen Kreis anpreist (wie McDonalds den Nährwert seiner Fritten), das kann man an den Google-Anzeigen oben auf dieser Seite erkennen.

Der Großteil der Patentstreitigkeiten betrifft zwei Fragen:

  1. Ist  das Patent überhaupt wirksam erteilt worden oder wurde das Patent vom Patentamt zu Unrecht geschaffen. Gerade in den Fällen, in denen die Frage zweifelhaft ist, ist es für Patentprüfer  einfachsten, einer Patentanmeldung stattzugeben, weil er dann am wenigsten Arbeit mit dem Patent hat. Das Patentamt überlässt es den Unternehmen, sich  über die Wirksamkeit des Patents zu  streiten.
  2. Wird durch einen bestimmten Gegenstand oder die Anwendung eines bestimmten Verfahrens das Patent verletzt.

In diesem Rahmen wird die Eigentumslogik des BGH noch bedenklicher. Wenn ein Patent erteilt, aber unverständlich formuliert wurde, dürfe der Richter (die  Patentkammern der Landgerichte sind mit spezialisierten Richtern besetzt) sich nicht darauf zurückziehen, dass er den Erfindungsgegenstand ganz oder teilweise nicht bestimmen könne. Kehrt man nochmals auf das Beispiel mit dem  Grundstück zurück, bedeutet dies: Wenn nach zwei Instanzen und Sachverständigengutachten die Grenzen des Grundstücks sich nicht genau feststellen lassen, darf der Richter nicht sagen, er kann das virtuelle Grundstück nicht genau erkennen und deshalb auch nicht sagen, ob der angebliche Verletzer nun das Grundstück betreten hat oder nicht.

Ist ein Patent einmal erteilt, muss vielmehr trotz unerkennbarer Grenzen ein virtueller Zaun ermittelt werden. Das geschieht im Zweifel vor den Zivilgerichten. Wenn diese Grenzen feststehen, darf der Inhaber von dem angeblichen Verletzer die oben genannten Ansprüche geltend machen. Wenn niemand gegen das erteilte Patent vorgeht, kann sich das teure Vergnügen noch oft wiederholen.

Der BGH bestätigte ferner  seine Auffassung, dass ein erteilter Patentanspruch Rechtsnormcharakter hat. Das bedeutet, der Patentanmelder kann das Patentamt veranlassen, Regelungen zu erlassen, die den Charakter von Gesetzen haben. Der Patentanmelder wird so zum kleinen Gesetzgeber. Wenn es sich um einen aktiven Patentanmelder handelt, der eine Vielzahl von Patenten innehat, kann er so schon zum großen Gesetzgeber werden, der in manchen Branchen genau bestimmen kann, wer was darf und wer nicht. In der Regel zermahlen die großen Patentinhaber die kleinen und sorgen so dafür, dass Neuensteiger schnell wieder zu Aussteigern werden.

Urteil

Leitsatz: Die Patentverletzungsklage darf nicht mit der Begründung abgewiesen werden, Angaben des Patentanspruchs seien unklar und ihr Sinngehalt sei unaufklärbar, so der BGH im Urteil vom 31. März 2009 (Aktenzeichen: X ZR 95/05, Vorinstanzen: OLG München, LG München I)

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Gröning
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Klägerin wird das am 16. Juni 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
  2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Begründung

  1. Tatbestand:

    Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 916 004 (Klagepatents), das zwölf Patentansprüche umfasst und dessen Anspruch 1 in der Verfahrenssprache ohne Bezugszeichen wie folgt lautet:

    ,,Straßenbaumaschine zum Bearbeiten von Fahrbahnen,

    • mit einem selbst fahrenden Fahrwerk bestehend aus einer lenkbaren vorderen Fahrwerkachse mit mindestens einem Stützrad und zwei hinteren Stützrädern,
    • mit einem im Bereich der hinteren Stützräder angeordneten Fahrstand für einen Fahrzeugführer auf einem von dem Fahrwerk getragenen Maschinenrahmen,
    • mit einer in oder an dem Maschinenrahmen gelagerten Arbeitseinrichtung, die auf einer Seite, nämlich auf der so genannten Nullseite des Maschinenrahmens, in etwa bündig mit diesem abschließt,
    • mit einem Antriebsmotor für die für den Antrieb der Arbeitseinrichtung und den Fahrbetrieb benötigte Antriebsleistung,
    • wobei das auf der Nullseite befindliche hintere Stützrad aus einer über die Nullseite vorstehenden äußeren Endposition in eine eingeschwenkte innere Endposition verschwenkbar ist, in der das Stützrad nicht über die Nullseite übersteht,
    • dadurch gekennzeichnet, dass das schwenkbare Stützrad über ein in einer horizontalen Ebene liegendes, mit einer Antriebsreinrichtung gekoppeltes Getriebe von der äußeren Endposition unter Beibehaltung der Laufrichtung in die innere parallel verschobene Endposition verschwenkbar ist.

  2. Die Beklagte vertreibt Kaltfräsen in zwei Ausführungsformen (xx1 = angegriffene Ausführungsform 1 und xx2 = angegriffene Ausführungsform 2).
  3. Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.
  4. Die Beklagte weist den Patentverletzungsvorwurf zurück. Beide angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten das die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffende Merkmal des Patentanspruchs 1 (= zweiter Spiegelstrich) nicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 seien ferner die nach dem ersten Spiegelstrich im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale teilweise und das im letzten Spiegelstrich benannte Merkmal nicht vorhanden. Im Übrigen stehe ihr auch ein Weiterbenutzungsrecht nach § 12 PatG zu.
  5. Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Beide angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten das die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffende Merkmal wortsinngemäß. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 seien ferner auch die beiden weiteren streitigen Merkmale wortsinngemäß bzw. in abgewandelter Form verwirklicht. Auf ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG könne sich die Beklagte nicht berufen, weil das hierfür ins Feld geführte Modell einer Fräse nicht von allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 Gebrauch mache.
  6. Die Beklagte hat sich hiergegen mit der Berufung gewendet. Das Oberlandesgericht hat bei dem bereits erstinstanzlich hinzugezogenen gerichtlichen Sachverständigen ein Ergänzungsgutachten eingeholt und diesen Sachverständigen mündlich angehört. Aufgrund dieser Beweiserhebung hat es die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abgewiesen.
  7. Hiergegen wendet sich nunmehr die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision und dem Antrag, die landgerichtliche Verurteilung wieder herzustellen.
  8. Die Beklagte tritt diesem Begehren entgegen.
  9. Entscheidungsgründe:

    Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

  10. 1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Patentverletzungsklage wie folgt begründet:
  11. Es müsse zunächst der Gegenstand der geschützten Erfindung festgestellt werden. Hierzu gehöre auch die Ermittlung des Sinngehalts der die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffenden Anweisung im Patentanspruch 1. Die nötige Feststellung, was das Patent unter diesem Merkmal verstehe, sei aber trotz der erfolgten Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe nicht möglich, weil der gerichtliche Sachverständige sich außerstande gesehen habe, eine Definition dieses Merkmals anzugeben. Es könne deshalb nicht festgestellt werden, ob der Fahrstand der angegriffenen Ausführungsformen, der sich knapp vor den hinteren Stützrädern befinde, „im Bereich der hinteren Stützräder“ liege, und eine Prüfung der angegriffenen Ausführungsformen darauf, ob sie eine wortsinngemäße oder äquivalente Verletzung des Klagepatents darstellten, sei nicht möglich.
  12. 2. Mit dieser Begründung kann die Patentverletzungsklage nicht abgewiesen werden.
  13. a) Richtig ist allerdings, dass sich der Schutzbereich einer patentierten Lehre zum technischen Handeln, deren Verwirklichung behauptet ist, aus dem betreffenden Patentanspruch ergibt (Art. 69 EPÜ bzw. – für das deutsche Patentrecht – § 14 PatG) und dass deshalb im Patentverletzungsprozess der erste Schritt bei der Entscheidungsfindung darin besteht, den Wortlaut dieses Patentanspruchs dahin auszulegen, welcher Sinngehalt ihm zukommt (st. Rspr., z.B. BGHZ 171, 120 Tz. 18 f. – Kettenradanordnung; BGHZ 172, 108 Tz. 13 – Informationsübermittlungsverfahren I). Da im Streitfall der Patentanspruch 1 auch Angaben zur räumlichen Anordnung des Fahrstandes enthält, kann ferner nicht beanstandet werden, dass das Berufungsgericht auch insoweit eine inhaltliche Erfassung des geschützten Gegenstands für notwendig gehalten hat. Auch das steht in Einklang mit Art. 69 EPÜ (bzw. § 14 PatG) und berücksichtigt die Rechtsprechung des Senats, dass der Schutzbereich eines Patents keine Unterkombination der Merkmale der beanspruchten technischen Lehre umfasst (BGHZ 172, 798 Tz. 26 ff. – Zerfallszeitmessgerät).
  14. b) Im Übrigen beruht das angefochtene Urteil jedoch auf grundlegenden Rechtsfehlern, wie die Revision zu Recht rügt.
  15. (1) Die Ausführungen im angefochtenen Urteil legen die Deutung nahe, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, der Sinngehalt eines Patentanspruchs bzw. eines zu ihm gehörenden Merkmals sei ein Umstand, der als oder wie eine klagebegründende Tatsache zur Überzeugung des Gerichts mittels gesetzlich zugelassener Beweismittel dargetan sein müsse; bei verbleibenden Zweifeln müsse deshalb die Klage abgewiesen werden („non liquet“).
  16. Dabei wird verkannt, dass ein erteilter Patentanspruch Rechtsnormcharakter hat (so wörtlich Sen.Beschl. v. 8.7.2008 – X ZB 13/06 Tz. 13, GRUR 2008, 887 – Momentanpol II) und es eine Rechtsfrage ist, was sich aus einem Patentanspruch als geschützter Gegenstand ergibt (st. Rspr. seit BGHZ 142, 7 – Räumschild, vgl. z.B. BGHZ 160, 204 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Damit verbietet es sich, diese Frage unbeantwortet zu lassen. Denn in der verbindlichen Beantwortung von Rechtsfragen besteht die Aufgabe des angerufenen Gerichts, von der es auch dann nicht entbunden ist, wenn die Rechtsnorm unklar oder deren Auslegung schwierig ist. Gerade im Hinblick auf die Patentauslegung hat der Senat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass hiermit unter anderem etwaige Unklarheiten behoben werden müssen (z.B. BGHZ 150, 149 – Schneidmesser I; Sen.Urt. v. 28.10.2003 – X ZR 76/00, GRUR 2004, 413 – Geflügelkörperhalterung). Das duldet nicht, dass der Verletzungsrichter sich darauf zurückzieht, den Erfindungsgegenstand ganz oder teilweise nicht bestimmen zu können. In jedem Fall hat das Verletzungsgericht diejenige Bedeutung der Angaben des auszulegenden Patentanspruchs zu bestimmen, die nach dem sonstigen Inhalt der Patentansprüche unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen als sinnvoll erkannt werden kann. Nur das steht auch in Einklang mit der Erfahrung, dass Fachleute bestrebt sind, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (Sen.Beschl. v. 8.7.2008 – X ZB 13/06 Tz. 21, GRUR 2008, 887 – Momentanpol II; Sen.Urt. v. 23.10.2007 – X ZR 275/07 Tz. 19).
  17. Vergeblich verweist die Beklagte demgegenüber darauf, dass ausweislich Art. 84 Satz 2 EPÜ der Anmelder bei der Formulierung seiner Patentansprüche die Verantwortung für deren Klarheit und Deutlichkeit trage. Daraus folgt nicht die Zulässigkeit eines Verzichts auf ein Auslegungsergebnis im Patentverletzungsprozess. Eine Unklarheit im Ausdruck kann lediglich Anlass bieten, der betreffenden Angabe im Patentanspruch einen beschränkten Sinngehalt bis hin zum engstmöglichen sinnvollen Verständnis zuzuweisen, wenn anders der im Protokoll über die Auslegung des Art. 69 EPÜ enthaltenen Vorgabe, bei der Patentauslegung auch ausreichende Rechtssicherheit für Dritte zu wahren, nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Nachdem ein Patent mit dem im Nachhinein vom Verletzungsgericht als unklar empfundenen Wortlaut erteilt ist, hat nur in diesem Sinne das Schlagwort Berechtigung, ein offenes Auslegungsergebnis gehe zu Lasten des Patentinhabers. Die Versagung jeglichen Patentschutzes, zu dem die vom Berufungsgericht für zulässig und geboten gehaltene Vorgehensweise führt, ist im Übrigen auch deshalb nicht mit der geltenden Gesetzeslage vereinbar, weil die Patenterteilung dem Patentinhaber aus jedem Patentanspruch Rechte zuweist, die der Verletzungsrichter so lange als gegeben hinzunehmen hat, als der betreffende Patentanspruch nicht widerrufen oder für nichtig erklärt ist (vgl. Sen.Beschl. v. 12.11.2002 – X ZR 176/01, GRUR 2003, 550 – Richterablehnung).
  18. c) Des Weiteren ist es rechtsfehlerhaft, der die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffenden Angabe im Patentanspruch 1 allein deshalb keinen die weitere Prüfung der Verletzungsfrage ermöglichenden Bedeutungsinhalt zuzuerkennen, weil der gerichtliche Sachverständige – wie sich das Berufungsgericht dessen Ergänzungsgutachten und mündliche Anhörung zusammenfassend ausgedrückt hat – nicht angeben konnte, was das Patent unter dem mit dieser Angabe umschriebenen Merkmal versteht. Denn hierin kommt zum Ausdruck, dass das Berufungsgericht selbst keine Wertung der betreffenden Angabe des Patentanspruchs 1 vorgenommen hat. Auch das missachtet, dass die Würdigung, was sich aus in einem Patentanspruch benannten Merkmalen im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, eine Rechtsfrage ist. Denn diese muss das angerufene Gericht mittels eines wertenden Aktes eigenverantwortlich beantworten (st. Rspr., z.B. Sen.Urt. v. 17.4.2007 – X ZR 1/05 Tz. 20, GRUR 2007, 59 – Pumpeinrichtung; BGHZ 171, 120 Tz. 18 f. – Kettenradanordnung, jeweils m.w.N.). Hierbei hat das Gericht sich zwar an der Sicht des angesprochenen Fachmanns zu orientieren (st. Rspr., z.B. BGHZ 172, 297 Tz. 38 – Zerfallszeitmessgerät; 171, 120 Tz. 18 – Kettenradanordnung, jeweils m.w.N.). Da eine eigenverantwortliche Bewertung des Patentanspruchs durch das Gericht, welche Lehre dieser dem angesprochenen Fachmann vermittelt, erforderlich ist, heißt aber auch das nicht, dass das, was ein gerichtlicher Sachverständiger schriftlich oder mündlich ausgeführt hat, eine gerichtliche Entscheidung schon deshalb tragen könnte, weil das Gericht an der Sachkunde des Sachverständigen insoweit keine Zweifel hat und dieser deshalb insoweit als sachkundig gelten kann (vgl. näher Sen.Urt. v. 12.2.2008 – X ZR 153/05 Tz. 32, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).
  19. 3. Das Berufungsgericht wird nach allem nunmehr die gebotene Auslegung des Patentanspruchs 1 vornehmen müssen und dabei in eigenständiger Würdigung des durch die Beschreibung und die Zeichnungen erläuterten Wortlauts auch den Sinngehalt der die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffenden Angabe bestimmen müssen. Wenn das Berufungsgericht eine Auslegung des Schutzanspruchs unterlassen hat, ist nämlich für eine Sachentscheidung des Senats aufgrund einer eigenen Auslegung des Anspruchs regelmäßig kein Raum (BGHZ 172, 298 Tz. 39 – Zerfallszeitmessgerät). Dies gilt im Streitfall schon deshalb, weil der Senat ohnehin eine abschließende Sachentscheidung nicht treffen könnte. Denn im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts zu dem insoweit von der Beklagten geltend gemachten Weiterbenutzungsrecht, und im Hinblick auf die Ausführungsform 2 mangelt es an Feststellungen, die ein abschließendes Urteil über die Verwirklichung der beiden weiteren streitigen Merkmale des Patentanspruchs 1 erlauben.
  20. 4. Vorsorglich weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:
  21. a) Die zur Erläuterung des Patentanspruchs 1 heranzuziehende allgemeine Beschreibung des Streitpatents befasst sich lediglich im Zusammenhang mit der Darstellung der aus der FR-A-264 27 73 vorbekannten Fräse überhaupt mit der Frage der räumlichen Anordnung eines Fahrstandes. Es wird bemängelt, dass von diesem Fahrstand, der als oberhalb der auf Höhe der hinteren Stützräder mit ihrer Achse angebrachten Fräswalze befindlich beschrieben ist (Sp. 1 Z. 34 f., 50 f.), der Arbeitsraum vor der Fräswalze wegen der bei dem bekannten Gerät gewählten, viel Platz benötigenden Vorrichtung zum Verschwenken des hinteren Stützrades nicht frei einsehbar sei (Sp. 1 Z. 53 ff.). Da die Lösung nach dem Streitpatent statt dessen ein horizontal liegendes Getriebe verlangt, das den vertikalen Platzbedarf für die Schwenkeinrichtung verringert (Kennzeichen des Patenanspruchs 1 und Sp. 2 Z. 23 ff.), könnte es eine sinnvolle und den Geboten der Rechtssicherheit genügende Deutung darstellen, Patentanspruch 1 solle mit seiner Angabe zur räumlichen Anordnung des Fahrstandes zum Ausdruck bringen, dass der aus der FR-A-264 27 73 bekannte Ort des Fahrstandes beibehalten werden könne und solle, und dass die Worte „im Bereich“ gewählt worden seien, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die hinteren Stützräder selbst in Fahrtrichtung gesehen einen gewissen Raum einnehmen und auch zwischen sich Platz beanspruchen.
  22. b) Wegen der insoweit erhobenen Gegenrüge der Beklagten wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls ferner in tatrichterlicher Würdigung des zu den angegriffenen Ausführungsformen Vorgebrachten damit befassen müssen, ob der Fahrstand tatsächlich, wie in dem angefochtenen Urteil eher beiläufig bemerkt, knapp vor den hinteren Stützrädern oder nach seiner ganzen Ausdehnung etwa in der Mitte zwischen den hinteren und den vorderen Stützrädern angeordnet ist.
  23. c) Sollte das Berufungsgericht wegen der bislang festgestellten oder der von der Beklagten behaupteten räumlichen Anordnung des Fahrstandes oder im Hinblick auf die anderen streitigen Merkmale eine wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruchs 1 verneinen, sind schließlich die unter anderem in dem Urteil mit dem Schlagwort „Schneidmesser I“ (BGHZ 150, 149) wiedergegebenen Fragen zu behandeln, deren Beantwortung nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Wertung erlaubt, dass die betreffende Ausführungsform trotz vorhandener Abweichung vom Sinngehalt des Patentanspruchs in dessen Schutzbereich fällt. Insoweit erscheint im Hinblick auf die Angabe zur räumlichen Anordnung des Fahrstandes erwägenswert, dass die Wortwahl „im Bereich“ dem nacharbeitenden Fachmann ohnehin eine Entscheidung über den Ort abverlangt. Das könnte die Möglichkeit in den Blick rücken, den Fahrstand auch außerhalb des vom Wortsinn her vorgesehenen Bereichs anzuordnen, jedenfalls dann, wenn die betreffende Ausführungsform dies nach ihrer nicht durch den Patentanspruch 1 vorgegebenen Bauart trotz des erfindungsgemäßen platzsparenden Getriebes im Hinblick auf die erstrebte, im Vergleich zu der aus der FR-A-264 27 73 bekannten Fräse bessere Sicht als sinnvoll erscheinen lässt.

Markenschutz für den goldenen Osterhasen

Der BGH hatte am 15. Juli 2010 zu entscheiden, ob mittels der für Schokoladenwaren eingetragenen dreidimensionalen Marke „Lindt-Goldhase“ der Vertrieb ähnlicher Schokoladenhasen untersagt werden kann.

Die am 6. Juli 2001 eingetragene Marke besteht aus einem in Goldfolie eingewickelten sitzenden Schokoladenhasen mit rotem Halsband mit Schleife und Glöckchen sowie dem Aufdruck „Lindt GOLDHASE“. Der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli wendet sich mit der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gerichteten Klage gegen die Herstellung und den Vertrieb eines seiner Ansicht nach mit seiner Marke verwechselbaren Schokoladenhasen der Firma Riegelein.

Offenbar ist das OLG Frankfurt nicht willens, der Klage stattzugeben, so dass Lindt & Sprüngli gegen die erste Klageabweisung des OLG Revision zum BGH eingelegt hat. Der BGH hat den Streit wieder an das OLG Frankfurt zurückverwiesen. Im zweiten Berufungsverfahren hat das OLG Frankfurt wiederum eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Schokoladenhasen verneint, weil die sich gegenüberstehenden Gestaltungen seiner Ansicht nach nicht hinreichend ähnlich seien.

Der BGH hat nun auch diese Entscheidung aufgehoben und die Sache erneut an das OLG zurückverwiesen. Der Osterhase hatte sich selbst versteckt, war jedenfalls nicht mehr auffindbar — was bei den Temperaturen kein Wunder ist. In der Verhandlung vor dem OLG wurde jedenfalls ein Exemplar des Riegelein-Hasen vorgelegt worden. Da es dem OLG auf die genaue Farbgebung ankam, die sich aus den bei den Akten befindlichen Fotografien nicht zuverlässig ergab, hatte die Klägerin ihren Antrag umgestellt und auf einen „Schokoladenhasen gemäß dem in der Sitzung … überreichten Exemplar“ bezogen. In seiner die Verwechslungsgefahr verneinenden Entscheidung hatte sich das OLG gerade auch auf die Farbe der Folie gestützt; der zu den Akten gereichte Riegelein-Hase zeichne sich durch eine eher bronzefarbene Folie aus, die sich deutlich von der leuchtenden Goldfolie des Lindt-Hasen unterscheide.

Der BGH war so nicht in der Lage, diese Beurteilung zu überprüfen, denn der in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht überreichte Riegelein-Hase befand sich nicht mehr bei den zum BGH gelangten Akten. Auch eine Nachforschung beim OLG war erfolglos geblieben. Zwischen den Parteien bestand auch keine Einigkeit, ob ein im Revisionsverfahren vorgelegter Riegelein-Hase mit dem verlorengegangenen Hasen in der Farbgebung übereinstimmte.

Dieser Umstand war allerdings nicht allein für die Aufhebung des Berufungsurteils entscheidend: Nach Ansicht des BGH kann die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Schokoladenhasen nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden. Den sich aus den einzelnen Bestandteilen (Form und Farbe der Hasen sowie den weiteren Gestaltungsmerkmalen wie rotes Bändchen mit Glöckchen, aufgemaltes Gesicht) zusammensetzenden Gesamteindruck der beiden Gestaltungen habe das Berufungsgericht nicht zutreffend ermittelt. Insbesondere habe es die Ergebnisse einer Verkehrsbefragung nicht rechtsfehlerfrei berücksichtigt. Die Verkehrsbefragung betraf einen nur in Goldfolie eingewickelten, mit keiner Schrift und keinen aufgemalten Gestaltungsmerkmalen versehenen sitzenden Lindt-Hasen. Auf die Frage nach der betrieblichen Herkunft hatte ein Großteil der Befragten Lindt & Sprüngli genannt.

Das Berufungsgericht hatte daraus geschlossen, dass sich die gesteigerte Kennzeichnungskraft des Lindt-Hasen auch aus Form und Farbe herleite. Vor diesem Hintergrund hat der BGH beanstandet, dass das Oberlandesgericht seine Auffassung nicht hinreichend begründet hat, dass den sonstigen, sich bei den beiden Hasen unterscheidenden Gestaltungsmerkmalen eine maßgebliche Bedeutung zukommt.

Der Markenschutz für goldene Osterhasen an sich ist allerdings auch merkwürdig. Wenn von dieser Schutzmöglichkeit intensiv Gebrauch gemacht wird, werden alsbald alle Farben von einzelnen Unternehmen appropriiert sein und die Einkaufsmöglichkeiten für Durchschnittsverdiener nähern sich denen, wie man sie früher von der DDR kannte: Grau in Grau.

Metall auf Metall: kleinste Tonfetzen geschützt

Eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk wurde elektronisch kopiert („gesampelt“) und einem Titel der Interpretin Sabrina Setlur („Nur mir“) unterlegt. Es wurde — wie das OLG Hamburg es ausdrückte — die Keimzelle von „Metall auf Metall“ — ein bestimmtes Rhythmusgefüge mehrerer Schlaginstrumente von zwei Takten Dauer — übernommen. Das war rechtswidrig, so der BGH.

In erster Linie geht es in dem Urteil um Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller. Tonträgerhersteller ist jemand, der die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen. Diese sind nach der Wertung des Gesetzes besonders schutzwürdig (im Gegensatz zu den anderen anderen Unternehmern, die die organisatorische Verantwortung für die Herstellung von Nicht-Tonträgern getragen haben).

Schildbürger bei der Arbeit
Schildbürger transportieren Baumstämme

Schutzrechte bedeuten, dass man einen Rechtsinhaber um Erlaubnis fragen muss, bevor man rechtmäßig eine bestimmte Handlung vornehmen darf.  Erfasst ist praktisch jede Microsekunde, denn, so der BGH: Wenn nicht die kleinsten Partikel der Aufnahme erfasst werden würden, liefe der Schutz des Tonträgerherstellers weitgehend leer. Qualität oder Quantität der von einem Tonträger entnommenen Töne sei kein taugliches Kriterium für die Beurteilung, ob die Übernahme von Ausschnitten eines Tonträgers in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift. Es käme nicht darauf an, ob es sich bei der Tonfolge um ein schöpferisches Werk oder eine künstlerische Darbietung handelt und ob sie dementsprechend Urheberrechtsschutz oder Leistungsschutz genießt. Ein Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers besteht beispielsweise auch an Tonträgern, auf denen Tierstimmen aufgenommen sind. Wie bei dem Leistungsschutzrecht an Fotografien, bei dem das Betätigen des Auslösers zum Schutzrecht führt, genügt es für ein Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers, dass der Aufnahmeschalter gedrückt wurde.

Nachdem so der Maßstab für die  Beurteilung (Qualität und Quantität sind vollkommen belanglos) festgelegt wurde, stellt sich für den BGH die Frage, ob irgend etwas die Nutzung selbst kleinster Partikel einer Aufnahme rechtfertigen könnte.

Es käme jedenfalls nicht darauf an, ob derjenige, der in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift, dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt oder eigenen Aufwand erspart oder ob der Tonträgerhersteller durch diesen Eingriff einen messbaren und nachweisbaren wirtschaftlichen Nachteil erleidet. Dies könnte den unbefugten Eingriff in die unternehmerische Leistung des Herstellers (d. i. Aufnahmeschalter betätigen) nicht rechtfertigen.

Auch wenn Samples in der modernen Musikproduktion wesentliche Bausteine des musikalischen Schaffens seien, gebe dies den Musikschaffenden keinen Freibrief für die ungenehmigte Entnahme von Tonfolgen aus fremden Tonträgern. Es sei nicht zu befürchten, dass die musikalische Entwicklung in vielen Musikbereichen schlagartig zum Erliegen käme. Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, sei — soweit diese keinen Urheberrechtsschutz genießen — nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen.
Ownership
Sei er hierzu nicht willens oder imstande, könne er den Rechteinhaber um eine entsprechende Erlaubnis ersuchen. Dadurch ließe sich eine angemessene Beteiligung an dem unternehmerischen Aufwand des Rechteinhabers sicherstellen, ohne dass die Freiheit der musikalischen Entwicklung behindert werde. Die Möglichkeit der freien Benutzung scheint im Ergebnis auf die Nutzung von sogenannten O-Tönen, also einmalige und nicht reproduzierbare, aufgezeichnete akustische Ereignisse, beschränkt zu sein, auch wenn der BGH das nicht ausdrücklich bestätigt. Wieso allerdings die Tonträgerhgersteller „eine angemessene Beteiligung an ihrem unternehmerischen Aufwand“ bekommen sollen, während der Wettbewerb gerade darauf beruht, dass fremde Leistungen übernommen werden können, das bleibt im Dunkeln.

Schildbuerger Rathaus
Die Schildbürger tragen das Licht ins Rathaus

Welchen Zweck das Schutzrecht hat, wenn jemand gezwungen wird, die gewünschte Abfolge von Tönen oder Geräuschen selbst einzuspielen (zu lassen)? Die erzwungene doppelte Arbeit scheint wirtschaftlich zumindest ähnlich sinnvoll zu sein, wie manch andere Tätigkeiten: Die Schildbürger fingen den Sonnenschein in Eimer und Kessel, Kannen und Töpfe. Andre hielten Kartoffelsäcke ins Sonnenlicht, banden dann die Säcke schnell zu und schleppten sie ins Rathaus. Dort banden sie die Säcke auf, schütteten das Licht ins Dunkel und rannten wieder auf den Markt hinaus, wo sie die leeren Säcke wieder vollschaufelten. So machten sie es bis zum Sonnenuntergang. Aber im Rathaus war es noch dunkel wie am Tag zuvor.

Mehr produziert wird bei Umsetzung der Rechtsprechung des BGH auch nicht, allenfalls Geld umverteilt und die Produktion neuer kultureller Produkte überflüssig verteuert oder verhindert. Aber immerhin bleiben uns die Werke der unwilligen oder unfähigen Künstler erspart; jedenfalls dann, wenn sie kein Geld haben, eine angemessene Beteiligung an dem unternehmerischen Aufwand des Rechteinhabers sicherzustellen (oder wenn die Suche nach dem oder den Rechteinhabern ergebnislos verläuft).


Ergänzung [5. Feb. 2011]

Die Problematik wird  in diesem Beitrag von Philipp Otto (vor allem den dortigen Videos) dargestellt. Die Nutzung der Beispiele in den Videos ist übrigens grundsätzlich auch eine rechtswidrige Verbreitung. Ob sie ausnahmsweise zulässig ist? — wir hoffen, die Spezialisten wissen, was sie tun.


BGH, Urt. v. 20. November 2008 – I ZR 112/06

Leitsätze

  1. Ein Eingriff in das durch§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers ist bereits dann gegeben, wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden.
  2. Die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG ist im Falle der Benutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend anwendbar. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen oder es sich bei der erkennbar dem benutzten Tonträger entnommenen und dem neuen Werk zugrunde gelegten Tonfolge um eine Melodie handelt.

Tatbestand

  1. Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe „Kraftwerk“. Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Stück „Metall auf Metall“ befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels „Nur mir“, den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur in zwei Versionen eingespielt hat. Diese Musikstücke befinden sich auf zwei im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern.
  2. Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt. Sie meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller und ausübende Künstler sowie das Urheberrecht des Klägers zu 1 verletzt, der den Titel komponiert und sein Urheberrecht in den von ihnen gemeinsam betriebenen Musikverlag eingebracht habe.
  3. Die Kläger haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.
  4. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 3 = ZUM 2006, 758). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

    Entscheidungsgründe

  5. I.
    Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten seien den Klägern gemäß § 97 Abs. 1 UrhG (a.F.) zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Auskunftserteilung sowie gemäß § 98 Abs. 1 UrhG (a.F.) zur Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verpflichtet, weil sie den Titel „Nur mir“ durchgängig mit dem Rhythmusgefüge zweier Takte aus dem Titel „Metall auf Metall“ unterlegt und dadurch die Tonträgerherstellerrechte der Kläger aus § 85 Abs. 1 UrhG verletzt hätten. Hierzu hat es ausgeführt:
  6. Die Kläger seien Tonträgerhersteller der Aufnahme „Metall auf Metall“, weil sie die maßgebliche organisatorische Verantwortung für deren Herstellung getragen hätten. Das den beiden Aufnahmen des Titels „Nur mir“ durchgängig unterlegte Schlagzeugsample sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Takten 19 und 20 der Aufnahme „Metall auf Metall“ entnommen worden. Grundsätzlich greife auch die ungenehmigte ausschnittweise Vervielfältigung und Verbreitung eines Tonträgers in die Rechte des Tonträgerherstellers ein. Es könne dahinstehen, ob eine Verletzung der Tonträgerherstellerrechte zu verneinen sei, wenn lediglich kleinste Tonpartikel einer fremden Tonaufnahme verwendet würden. Im Streitfall sei die „Keimzelle“ der Tonaufnahme „Metall auf Metall“ — ein bestimmtes Rhythmusgefüge mehrerer Schlaginstrumente, das fortlaufend wiederholt werde — im Wege des Sampling übernommen worden. Dieses Rhythmusgefüge sei in seiner charakteristischen Ausprägung noch deutlich in dem Lied „Nur mir“ wahrnehmbar. Die Beklagten hätten sich dadurch, dass sie gerade dieses Element komplett übernommen und dem Stück „Nur mir“ ebenfalls fortlaufend unterlegt hätten, im Ergebnis die ganze Tonaufnahme, die aus der ständigen Wiederholung dieses prägenden Teils bestehe, angeeignet und eigenen Aufwand erspart.
  7. II.
    Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  8. 1.
    Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Kläger seien Tonträgerhersteller der Aufnahme „Metall auf Metall“, weil sie die maßgebliche organisatorische Verantwortung für deren Herstellung getragen hätten, erhebt die Revision keine Einwände. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Tonträgerhersteller und Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 85 UrhG ist, wer die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 4; Schricker/Vogel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 31).
  9. 2.
    Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die Beklagten in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger eingegriffen haben, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ entnommen und diese dem Stück „Nur mir“ unterlegt haben. Durch die Verwendung der fremden Tonaufnahme bei der Herstellung des eigenen Tonträgers und das anschließende Inverkehrbringen dieses Tonträgers haben die Beklagten in das ausschließliche Recht der Kläger eingegriffen, den von ihnen hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V. mit §§ 16, 17 UrhG).
  10. a)
    Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich bereits die ausschnittweise ungenehmigte Vervielfältigung oder Verbreitung der auf einem Tonträger aufgezeichneten Tonaufnahmen in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift (ebenso Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 42; Wandtke/Bullinger/Schaefer, Urheberrecht, 3. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 25, jeweils m.w.N.). Die vereinzelt vertretene Gegenauffassung, die Rechte des Tonträgerherstellers seien nur bei einer ungenehmigten Vervielfältigung oder Verbreitung des gesamten Tonträgers verletzt (so Hoeren, GRUR 1989, 580 f.; anders aber ders., Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 128), ist mit den Bestimmungen der Art. 2 und 1 des Genfer Tonträger-Abkommens unvereinbar, wonach die Tonträgerhersteller bereits vor einer Vervielfältigung und Verbreitung wesentlicher Teile der in dem Tonträger festgelegten Töne zu schützen sind (Häuser, Sound und Sampling, 2002, S. 109, 114 f.; Wegener, Sound Sampling, 2007, S. 238; Ullmann in jurisPR-WettbR 10/2006, Anm. 3). Wäre nur die ungenehmigte Vervielfältigung und Verbreitung des gesamten Tonträgers untersagt, liefe, wie die Revisionserwiderung zutreffend bemerkt, der Schutz des Tonträgerherstellers — gerade im Hinblick auf moderne digitale Aufnahme-, Vervielfältigungs- und Wiedergabetechniken — weitgehend leer.
  11. b)
    Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Rechtsfrage, ob in die Rechte des Tonträgerherstellers auch dann eingegriffen wird, wenn einem Tonträger lediglich kleinste Tonpartikel entnommen werden, im Streitfall nicht offenbleiben. Dem von den Klägern hergestellten Tonträger sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ und damit nur kleinste Tonpartikel entnommen worden. Soweit das Berufungsgericht weiter ausgeführt hat, „im Ergebnis“ sei die ganze Tonaufnahme übernommen worden, handelt es sich nicht um eine gegenteilige Tatsachenfeststellung, sondern um die rechtliche Beurteilung, dass die Entnahme dieser Tonpartikel unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht anders als eine Übernahme der Gesamtaufnahme zu bewerten sei. Die vom Berufungsgericht für diese Bewertung gegebene Begründung vermag rechtlich zwar nicht zu überzeugen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar. Ein Eingriff in das durch § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers ist bereits dann gegeben, wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Fromm/Nordemann/Hertin, Urheberrecht, 9. Aufl., § 85 UrhG Rdn. 8; Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Hertin, GRUR 1989, 578; Schorn, GRUR 1989, 579, 580; Hertin, GRUR 1991, 722, 730 f.; Spieß, ZUM 1991, 524, 534; Schulze, ZUM 1994, 15, 20; Müller, ZUM 1999, 555, 558; Weßling, Der zivilrechtliche Schutz gegen digitales Sound-Sampling, 1995, S. 159 ff.; Dierkes, Die Verletzung der Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers, 2000, S. 23 ff.; a.A. Bortloff, ZUM 1993, 476, 478; ders., Der Tonträgerpiraterieschutz im Immaterialgüterrecht, 1995, S. 110 f.; Münker, Urheberrechtliche Zustimmungserfordernisse beim Digital Sampling, 1995, S. 252 f., 257 f.; Häuser aaO S. 113; Wegener aaO S. 238 ff.; Hoeren, Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 128 ff.; vgl. auch Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43; vgl. weiter United States Court of Appeals for the Sixth Circuit — Bridgeport Music, Inc., et al. v. Dimension Films, et al., 383 F. 3d 390 [6th Cir. 2004] zum Recht der Vereinigten Staaten).
  12. aa)
    Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, die Rechte der Kläger als Tonträgerhersteller seien verletzt, weil im Ergebnis die ganze Tonaufnahme übernommen worden sei, im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei der den Takten 19 und 20 des Titels „Metall auf Metall“ entnommenen Rhythmussequenz handele es sich um den prägenden Teil (die „Keimzelle“) dieser Tonaufnahme; diese bestehe aus dessen ständiger Wiederholung. In dem Titel „Nur mir“ sei dieser Teil der Tonaufnahme noch deutlich in seiner charakteristischen Ausprägung wahrnehmbar; er sei auch diesem Stück fortlaufend unterlegt. Das Berufungsgericht hat es zur Beurteilung der Frage, ob die Übernahme von Ausschnitten eines Tonträgers in das Recht des Tonträgerherstellers eingreift, demnach als maßgebend erachtet, ob qualitativ oder quantitativ wesentliche Teile der auf dem Tonträger fixierten Tonfolge übernommen werden (ebenso Hoeren, Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 129; ähnlich Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43; vgl. auch Knies, Die Rechte der Tonträgerhersteller in internationaler und rechtsvergleichender Sicht, 1999, S. 193; Wegener aaO S. 240 ff.). Dem kann nicht zugestimmt werden.
  13. Die Qualität oder die Quantität der von einem Tonträger entnommenen Töne kann, wie die Revision mit Recht rügt, kein taugliches Kriterium für die Beurteilung sein, ob die Übernahme von Ausschnitten eines Tonträgers in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift. Die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers bestehen unabhängig von der Qualität oder der Quantität der auf dem Tonträger festgelegten Töne und erstrecken sich auf Tonträger mit Tonaufnahmen jeglicher Art (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 15; Hertin, GRUR 1989, 578; ders., GRUR 1991, 722, 730; Häuser aaO S. 109 f.). Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei der Tonfolge um ein schöpferisches Werk oder eine künstlerische Darbietung handelt und ob sie dementsprechend Urheberrechtsschutz oder Leistungsschutz genießt. Ein Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers besteht beispielsweise auch an Tonträgern, auf denen Tierstimmen aufgenommen sind. Desgleichen ist die Länge der Tonaufnahme ohne Bedeutung. Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst auch Tonträger, die nur wenige Töne enthalten. Nicht nur der Tonträger mit der Aufnahme einer mehrsätzigen Sinfonie, sondern auch der Tonträger mit der Aufnahme eines kurzen Vogelgezwitschers ist geschützt (Schulze, ZUM 1994, 15, 20). Darüber hinaus würde ein Abstellen auf qualitative oder quantitative Kriterien — wie beispielsweise darauf, ob ein substantieller Teil des Tonträgers vervielfältigt wird, in dem sich seine wettbewerbliche Eigenart widerspiegelt (Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43), oder ob der entnommene Teil im übernehmenden Stück erkennbar bleibt (Ullmann in jurisPR-WettbR 10/2006, Anm. 3; Wegener aaO S. 240 ff.) — zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit führen (Dierkes aaO S. 26).
  14. bb)
    Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Selbst die Entnahme kleinster Tonpartikel stellt einen Eingriff in die durch § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Leistung des Tonträgerherstellers dar. Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist nicht der Tonträger oder die Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. IV/270 in UFITA 45 [1965], 240, 314; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 UrhG Rdn. 15; Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 18; Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 2). Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringt, gibt es keinen Teil des Tonträgers, auf den nicht ein Teil dieses Aufwands entfiele und der daher nicht geschützt wäre (vgl. zum Leistungsschutz des Filmherstellers nach §§ 94, 95 UrhG BGHZ 175, 135 Tz. 18 f. — TV-Total). Die für die Aufnahme erforderlichen Mittel müssen für den kleinsten Teil der Aufnahme genauso bereitgestellt werden wie für die gesamte Aufnahme (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 85 Rdn. 25); selbst der kleinste Teil einer Tonfolge verdankt seine Festlegung auf dem Tonträger der unternehmerischen Leistung des Herstellers (Spieß, ZUM 1991, 524, 534; Weßling aaO S. 161; Bindhardt, Der Schutz von in der Popularmusik verwendeten elektronisch erzeugten Einzelsounds nach dem Urheberrechtsgesetz und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 1998, S. 129 f.). In diese unternehmerische Leistung greift auch derjenige ein, der einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnimmt.
  15. Es kommt nicht darauf an, ob derjenige, der in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift, dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt oder eigenen Aufwand erspart oder ob der Tonträgerhersteller durch diesen Eingriff einen messbaren und nachweisbaren wirtschaftlichen Nachteil erleidet (Hertin, GRUR 1991, 722, 730 f.; a.A. OLG Hamburg GRUR Int. 1992, 390, 391 und NJW-RR 1992, 746, 748; Münker aaO S. 252 f.; Bindhardt aaO S. 131 f.; Häuser aaO S. 111). Selbst wenn, wie die Revision vorbringt, die Übernahme kurzer Sequenzen, die nicht als Samples aus anderen Tonträgern erkennbar sind, regelmäßig keine Auswirkungen auf die Verwertung des Original-Tonträgers hätte (Münker aaO S. 253; Bindhardt aaO S. 133; Häuser aaO S. 111 ff.; Wegener aaO S. 239 f.) und die Übernahme längerer Sequenzen, die als Samples aus anderen Musikproduktionen erkennbar blieben, sogar häufig eine Nachfrage nach dem Original-Tonträger auslöste (Hoeren, Festschrift Hertin, 2000, S. 113, 129), könnte dies den unbefugten Eingriff in die unternehmerische Leistung des Herstellers nicht rechtfertigen. Es ist im Streitfall daher, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, ohne Bedeutung, ob sich die Übernahme eines Teils der Aufnahme „Metall auf Metall“ in die Aufnahme „Nur mir“ nachteilig auf den Absatz des von den Klägern hergestellten Tonträgers ausgewirkt hat oder ob dies, wie die Revision geltend macht, schon deshalb ausgeschlossen erscheint, weil sich die beiden Aufnahmen an völlig unterschiedliche Hörerkreise wenden. Im Übrigen wird dem Hersteller des Tonträgers durch die ungenehmigte Übernahme selbst kleinster Teile einer Tonaufnahme regelmäßig eine mit seiner unternehmerischen Leistung geschaffene Verwertungsmöglichkeit entzogen (a.A. OLG Hamburg GRUR Int. 1992, 390, 391 und NJW-RR 1992, 746, 748). Auch kleinste Teile von Tonaufnahmen haben — wie der Handel mit Sound-Samples zeigt — einen wirtschaftlichen Wert (vgl. Münker aaO S. 253; Dierkes aaO S. 25; zum Samplingvertrag vgl. Zimmermann, in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Aufl., S. 1180 ff.).
  16. cc)
    Die Revision wendet ohne Erfolg ein, der Tonträgerhersteller erhielte, wenn er gegen die Übernahme kürzester Teilstücke einer Tonfolge vorgehen könnte, weitergehende Schutzrechte als der Urheber der musikalischen Werke (so aber Hoeren, GRUR 1989, 581; Bortloff, ZUM 1999, 476, 478; ders., Der Tonträgerpiraterieschutz im Immaterialgüterrecht, 1995, S. 110 f.; Münker aaO S. 252). Entgegen der Ansicht der Revision liegt kein Wertungswiderspruch darin, dass selbst kleinsten Tonpartikeln eines Tonträgers Leistungsschutz zukommt, während Teile eines Musikwerkes nur dann Urheberrechtsschutz genießen, wenn sie für sich genommen den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen genügen (vgl. zum Schutz von Werkteilen BGHZ 9, 262, 266 ff. — Lied der Wildbahn I; BGHZ 28, 234, 237 — Verkehrskinderlied; BGH, Urt. v. 23.6.1961 — I ZR 105/59, GRUR 1961, 631, 633 — Fernsprechbuch; zum Werkteilschutz bei Musikwerken Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rdn. 122 m.w.N.). Der von der Revision angestellte Vergleich ist nicht stichhaltig, da der Leistungsschutz für Tonträger und der Urheberrechtsschutz für Musikwerke unterschiedliche Schutzgüter haben (Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 25; Hertin, GRUR 1989, 578; Müller, ZUM 1999, 555, 558; Weßling aaO S. 161; Dierkes aaO S. 25 f.; von Lewinski in Schricker, Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, S. 230 f.; vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 20 ff. — TV-Total, zum Verhältnis zwischen dem Leistungsschutz für Filmträger nach §§ 94, 95 UrhG und dem Urheberechtsschutz für Filmwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG). Während § 85 UrhG den Schutz der wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Leistung des Tonträgerherstellers zum Gegenstand hat, schützt § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG die persönliche geistige Schöpfung des Komponisten (vgl. § 2 Abs. 2 UrhG). Wegen ihres gänzlich unterschiedlichen Schutzgegenstands sind das Leistungsschutzrecht am Tonträger und das Urheberrecht am Musikwerk einem Vergleich des Schutzumfangs nicht ohne weiteres zugänglich.
  17. dd)
    Entgegen der Ansicht der Revision ist es dem Tonträgerhersteller aus Rechtsgründen nicht zuzumuten, im Interesse einer freien musikalischen Entwicklung generell auf einen Leistungsschutz für kleinste Teile von Tonaufnahmen zu verzichten (so aber Bindhardt aaO S. 132; vgl. auch Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43). Es mag sein, dass — wie die Revision geltend macht — Samples in der modernen Musikproduktion wesentliche Bausteine des musikalischen Schaffens geworden sind. Das gibt den Musikschaffenden aber keinen Freibrief für die ungenehmigte Entnahme von Tonfolgen aus fremden Tonträgern. Anders als die Revision meint, ist nicht zu befürchten, dass die musikalische Entwicklung in vielen Musikbereichen schlagartig zum Erliegen kommt, wenn den Berechtigten insoweit Leistungsschutz gewährt wird. Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, ist — soweit diese keinen Urheberrechtsschutz genießen (vgl. dazu Schulze in Dreier/Schulze aaO § 2 UrhG Rdn. 136; Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rdn. 122; Wandtke/Bullinger/Loewenheim § 2 UrhG Rdn. 71, jeweils m.w.N.) — nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen. Ist er hierzu nicht willens oder imstande, kann er den Rechteinhaber um eine entsprechende Erlaubnis ersuchen, dem Tonträger diese Töne oder Klänge zu entnehmen. Dadurch lässt sich, wie die Revisionserwiderung zutreffend anmerkt, eine angemessene Beteiligung an dem unternehmerischen Aufwand des Rechteinhabers sicherstellen, ohne dass die Freiheit der musikalischen Entwicklung behindert wird.
  18. ee)
    Die Revision macht schließlich ohne Erfolg geltend, trotz der überwältigenden Zunahme des Einsatzes von Samples gebe es kaum einen Fall, in dem ein Tonträgerhersteller gegen die Übernahme kurzer Bestandteile aus einem von ihm hergestellten Tonträger gerichtlich vorgehe. Es mag sein, dass gerichtliche Auseinandersetzungen dieser Art (jedenfalls bislang) nicht besonders häufig sind. Das kann zahlreiche Gründe haben (vgl. Weßling aaO S. 161 ff.; Wegener aaO S. 248 ff.) und dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass der Rechteinhaber die Übernahme kleinster Tonpartikel oft gar nicht bemerken wird oder nur schwer beweisen kann (vgl. Schricker/Vogel aaO § 85 UrhG Rdn. 43; Wandtke/Bullinger/Schaefer aaO § 85 UrhG Rdn. 25). Schwierigkeiten bei der Feststellung und dem Nachweis einer Rechtsverletzung können aber kein Grund für eine Einschränkung des Rechtsschutzes sein. Den Klägern kann es jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen, dass andere Inhaber von Tonträgerherstellerrechten — aus welchen Gründen auch immer — von einer Durchsetzung ihrer Rechte absehen.
  19. 3.
    Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen können. Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
  20. a)
    Die Vorschrift ist hier allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nach ihrem Wortlaut die Benutzung des Werkes eines anderen voraussetzt. Diese Voraussetzung ist bei der — vorliegend gegebenen — Benutzung eines fremden Tonträgers nicht erfüllt. Ein Tonträger ist nach § 85 Abs. 1 UrhG — wie bereits oben unter II 2 b bb ausgeführt ist — nicht als Werk, also als persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG), sondern wegen der in ihm verkörperten unternehmerischen Leistung geschützt.
  21. b)
    Die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG ist jedoch im Falle der Benutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend anwendbar (Rehbinder, Urheberrecht, 15. Aufl., Rdn. 815 und 379; Wegener aaO S. 245; vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 24 ff. — TV-Total, zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 UrhG auf eine Benutzung von Filmträgern; a.A. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl., Rdn. 624; Dierkes aaO S. 23 f.). Auf die Verwertungsrechte des Tonträgerherstellers sind nach § 85 Abs. 4 UrhG die für das Urheberrecht geltenden Schrankenregelungen im 6. Abschnitt des 1. Teils des UrhG entsprechend anzuwenden. Auch bei der Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG handelt es sich der Sache nach um eine, wenn auch an anderer Stelle des Urheberrechtsgesetzes geregelte Schranke des Urheberrechts. Die Revision weist zudem mit Recht darauf hin, dass es Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG, eine kulturelle Fortentwicklung zu ermöglichen, zuwiderliefe, wenn zwar der Urheber eine freie Benutzung des Werkes hinnehmen müsste, der Tonträgerhersteller aber eine freie Benutzung des das Werk enthaltenden Tonträgers verhindern könnte. Muss selbst der Urheber eine Beschränkung seines Urheberrechts hinnehmen, ist auch dem Tonträgerhersteller eine Einschränkung seines Leistungsschutzrechts zuzumuten (vgl. Bindhardt aaO S. 132).
  22. c)
    Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG kommt allerdings in den beiden folgenden Fällen nicht in Betracht:
  23. aa)
    Aus dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG, eine Fortentwicklung des Kulturschaffens zu ermöglichen, ergibt sich nicht nur der Grund, sondern auch eine Grenze für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung. Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, imstande, diese selbst herzustellen, stehen die Rechte des Tonträgerherstellers einer Fortentwicklung des Kulturschaffens nicht im Wege. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in seine unternehmerische Leistung keine Rechtfertigung. Die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG ist daher nicht entsprechend anwendbar, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen. Es kann nicht abschließend beurteilt werden, ob im vorliegenden Rechtsstreit aus diesem Grund eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ausscheidet. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagten die übernommene Rhythmussequenz selbst hätten erzeugen können.
  24. bb)
    Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist ferner ausgeschlossen, wenn es sich bei der auf dem Tonträger aufgezeichneten Tonfolge um ein Werk der Musik handelt und diesem durch die Benutzung des Tonträgers erkennbar eine Melodie entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird (§ 24 Abs. 2 UrhG). In einem solchen Fall kann sich derjenige, der in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers eingreift, ebenso wenig wie derjenige, der in das Urheberrecht des Komponisten eingreift, auf ein Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen. Auch insoweit kann mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden, ob eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ausgeschlossen ist.
  25. d)
    Bei der entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf Tonträger gelten grundsätzlich keine anderen Anforderungen als bei der unmittelbaren Anwendung auf Werke. Auch die Benutzung fremder Tonträger ist ohne Zustimmung des Berechtigten nur erlaubt, wenn dabei ein selbständiges Werk geschaffen wird (vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 25 ff. – TV-Total, zur Benutzung eines Filmträgers). Einer entsprechenden Heranziehung der nach § 24 UrhG geltenden Anforderungen an eine freie Benutzung steht, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht entgegen, dass der zur Beurteilung der Selbständigkeit erforderliche Vergleich zwischen dem schöpferischen Gehalt des benutzten Tonträgers und dem schöpferischen Gehalt des neuen Werkes nicht möglich ist, weil die durch § 85 Abs. 1 UrhG geschützte unternehmerische Leistung des Tonträgerherstellers keinen eigenschöpferischen Gehalt hat (vgl. Dierkes aaO S. 23 f.). Die für eine freie Benutzung nach § 24 UrhG erforderliche Selbständigkeit des neuen Werkes gegenüber dem benutzten Werk setzt zwar voraus, dass das neue Werk einen ausreichenden Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält, wobei dies nur dann der Fall ist, wenn die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes angesichts der Eigenart des neuen Werkes verblassen (BGHZ 122, 53, 60 — Alcolix; 141, 267, 280 — Laras Tochter; 175, 135 Tz. 29 — TV-Total). Bei der Beurteilung der Benutzung eines Tonträgers kann jedoch in entsprechender Weise geprüft werden, ob das neue Werk einen ausreichenden Abstand zu den dem benutzten Tonträger entnommenen Tonfolgen wahrt. Selbst wenn diese für sich genommen nicht den urheberrechtlichen Schutzanforderungen genügen, steht dies nicht dem zur Beurteilung der Selbständigkeit erforderlichen Vergleich entgegen, ob das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tonfolge einen so großen Abstand hält, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist (vgl. BGHZ 175, 135 Tz. 36 zur einem Filmträger entlehnten Bildfolge).
  26. 4.
    Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht sein Urteil auch hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der Tonträger an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung für vorläufig vollstreckbar erklärt hat. Auch insoweit handelt es sich bei der Entscheidung des Berufungsgerichts um ein Berufungsurteil in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit, das nach § 708 Nr. 10 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist. Dabei hat das Berufungsgericht gemäß § 711 ZPO ausgesprochen, dass die Beklagten eine Vollstreckung der Kläger wegen dieser Verurteilung gegen Sicherheitsleistung von 10.000 € abwenden können, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
  27. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, aus dem Umstand, dass bei Maßnahmen nach § 98 Abs. 1 UrhG a.F. gemäß § 98 Abs. 3 UrhG a.F. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei, ergebe sich, dass durch eine Vernichtung vor der Rechtskraft eines entsprechenden Urteils keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden dürften (so aber Dreier in Dreier/Schulze aaO § 98 UrhG Rdn. 7; Schricker/Wild aaO §§ 98/99 UrhG Rdn. 12; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 98 UrhG Rdn. 21). Die Revision berücksichtigt nicht, dass die frühere Bestimmung des § 98 Abs. 4 Satz 2 UrhG, wonach Vernichtungsmaßnahmen erst vollzogen werden dürfen, nachdem dem Eigentümer gegenüber rechtskräftig darauf erkannt worden ist, bei der Neufassung des § 98 UrhG durch das am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7. März 1990 (BGBl. I S. 422) ersatzlos entfallen ist. Diese gesetzgeberische Wertung würde unterlaufen, wenn eine Vollstreckung von Vernichtungsmaßnahmen vor Rechtskraft des Urteils nach wie vor unzulässig wäre. Den schutzwürdigen Interessen des Vollstreckungsschuldners ist zudem, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die Möglichkeit hinreichend Rechnung getragen, einen Schutzantrag nach den §§ 712, 714 ZPO zu stellen (falls die Vollstreckung den Nachteil bringen würde) und Schadensersatzansprüche nach § 717 Abs. 2 ZPO geltend zu machen (falls das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil aufgehoben oder abgeändert wird). Soweit die Revision geltend macht, die Vollstreckung eines später abgeänderten oder aufgehobenen Urteils könne nicht nur die nach den §§ 712, 714, 717 Abs. 2 ZPO geschützten Interessen des Schuldners, sondern auch Interessen Dritter — hier etwa die des Urhebers oder des darbietenden Künstlers — betreffen (vgl. nunmehr § 98 Abs. 4 Satz 2 UrhG in der Fassung des am 1.9.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 [BGBl. I S. 1191]), haben die Beklagten bereits nicht konkret dargelegt, inwieweit im vorliegenden Fall berechtigte Interessen Dritter beeinträchtigt sein könnten.
  28. III.
    Das Berufungsurteil ist danach auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  29. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger (§ 85 Abs. 1 Satz 1, §§ 16, 17 UrhG) auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen können. Sollte dies der Fall sein, ist die Klage unbegründet, weil dann auch die vom Berufungsgericht bislang nicht geprüften Ansprüche aus einem Urheberrecht des Klägers zu 1 (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 16, 17 UrhG) und aus Künstlerleistungsschutzrechten der Kläger (§§ 73, 77 Abs. 2 Satz 1, §§ 16, 17 UrhG) jedenfalls im Hinblick auf § 24 Abs. 1 UrhG ausscheiden. Sollten die Voraussetzungen einer freien Benutzung nicht vorliegen, ist die Klage dagegen begründet. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten den Klägern — im Falle einer Verletzung ihrer Rechte als Tonträgerhersteller — gemäß § 97 Abs. 1 UrhG a.F. zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Auskunftserteilung sowie gemäß § 98 Abs. 1 UrhG a.F. zur Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verpflichtet sind, hat die Revision keine Einwände erhoben und es sind insoweit auch keine Rechtsfehler ersichtlich.

Auskunftsanspruch über Werbeerlöse

Der BGH hat in zwei Fällen entschieden, dass die Betreiber eines Nachrichtensenders und eines Internetportals Auskunft über die an dem Tag erzielten Werbeeinahmen erteilen müssen, an dem sie das urheberrechtlich geschützte Recht des Herstellers eines Videofilms durch dessen Veröffentlichung schuldhaft verletzt haben.

Die Beklagte des Verfahrens I ZR 122/08 betreibt einen Nachrichtensender. Am 29. Juni 2007 strahlte sie mehrfach einen Videofilm aus, der den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers Jürgen Möllemann zeigte und den der Kläger von Bord des Flugzeugs aufgenommen hatte. Die Beklagte des Verfahrens I ZR 130/08 unterhält ein Internetportal, auf dem sie ebenfalls am 29. Juni 2007 diesen Videofilm öffentlich zugänglich machte.

Der Kläger hat die Beklagten auf Auskunft in Anspruch genommen, welche Werbeerlöse die Beklagten am Tag der Veröffentlichung des Films erzielt haben, um seinen Schadensersatzanspruch beziffern zu können.

Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Vor dem Berufungsgericht hatten die Auskunftsklagen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen des Oberlandesgerichts, wonach dem Kläger ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagten zusteht, bestätigt und lediglich den Umfang der Auskunftsansprüche eingeschränkt. Die Beklagten haben das Recht des Klägers als Hersteller des Videofilms widerrechtlich und schuldhaft durch die unerlaubte Ausstrahlung verletzt. Sie sind dem Kläger deshalb zum Schadensersatz verpflichtet.

Bunte ParagraphenDie Schadensersatzpflicht umfasst – je nach der Berechnungsart, die der Kläger wählt – die Herausgabe des Gewinns, den die Beklagten durch die Veröffentlichung erzielt haben. Um den Umfang dieses Gewinns berechnen zu können, benötigt der Kläger Angaben über die von den Beklagten am Tag der Veröffentlichung erzielten Werbeeinnahmen. Die Beklagten haben zwar geltend gemacht, die durch die Ausstrahlung von Werbung an diesem Tag erzielten Einnahmen stünden in keinem Zusammenhang mit den am selben Tag veröffentlichten Nachrichten, weil die Kunden die Werbung bereits Monate im Voraus in Auftrag gegeben hätten. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kommt es hierauf bei der Ermittlung des Verletzergewinns aber nicht an. Die Werbenden erwarten, dass die Beklagten die Werbung in einem Nachrichtenumfeld platzieren. Hierzu rechnete am fraglichen Tag auch der ausgestrahlte Videofilm. Dass die Beklagten statt des Videofilms andere Nachrichten hätten senden können, hebt den Zusammenhang zwischen der Verletzung des Rechts des Klägers und den von den Beklagten erzielten Werbeeinnahmen nicht auf.


[Ergänzung: 4. Feb. 2011]
Urteil vom 25. März 2010 – I ZR 122/08
Leitsatz:
Wird das ausschließliche Recht des Herstellers von Laufbildern, die Bildfolge öffentlich zugänglich zu machen, dadurch schuldhaft verletzt, dass ein Nachrichtensender die Bildfolge ausstrahlt, kann der Verletzte nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns einen Bruchteil der Werbeeinnahmen beanspruchen, die der Betreiber des Nachrichtensenders dadurch erzielt, dass er Werbung im Umfeld der Nachrichtensendung platziert.

Tatbestand:

  1. Der Kläger filmte am 5. Juni 2003 den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers Jürgen Möllemann.
  2. Die Beklagte, die einen Nachrichtensender betreibt, strahlte den Videofilm am 29. Juni 2007 mehrfach aus. Den Film hatte sie von einer Gesellschaft des S.-Konzerns erworben.
  3. Der Kläger hat geltend gemacht, für die am 29. Juni 2007 von der Beklagten erzielten Werbeeinnahmen sei die Ausstrahlung seines Videofilms zumindest teilweise ursächlich gewesen. Die Beklagte habe das ihm an der Bildfolge zustehende Schutzrecht schuldhaft verletzt und sei deshalb zur Auskunft im verlangten Umfang verpflichtet. Diese benötige er, um seinen Schadensersatzanspruch berechnen zu können.
  4. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
    1. …
    2.   ihm Auskunft zu erteilen über die am 29. Juni 2007 in Deutschland generierten Werbeerlöse des TV-Senders und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;
    3.   ihm Auskunft zu erteilen über die in Deutschland im Juni 2007 an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) generierten Werbeerlöse und diese durch eine dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu belegen;
    4.   ihm Auskunft zu erteilen über die entsprechenden Vergleichszahlen aus dem Monat Juni der Jahre 2005 und 2006.
  5. Den Klageantrag zu 1 haben die Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte über die Anzahl der Ausstrahlungen und die Sendezeiten am 29. Juni 2007 Auskunft erteilt hatte.
  6. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, zwischen den an einem Tag erzielten Werbeeinnahmen und dem Inhalt der Nachrichtensendungen bestehe kein Zusammenhang. Die Werbung für einen bestimmten Tag werde von den Kunden Monate zuvor gebucht.
  7. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
  8. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    Entscheidungsgründe:

  9. I. Das Berufungsgericht hat den Auskunftsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V. mit § 242 BGB für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
  10. Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie dessen Recht an den auf dem Videofilm aufgenommenen Laufbildern i.S. von § 95 UrhG schuldhaft verletzt habe. Die Aktivlegitimation des Klägers sei unstreitig. Die Beklagte habe die Laufbilder am 29. Juni 2007 im Fernsehen ausgestrahlt, ohne mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen, ob die Gesellschaft des S.-Konzerns, von der sie die Rechte herleite, zu deren Einräumung imstande gewesen sei. Dem Kläger sei durch die Verletzung seines Schutzrechts an den Laufbildern ein Schaden entstanden. Zu dessen Berechnung benötige er die verlangten Angaben über die Werbeeinnahmen. Die Werbeerlöse am 29. Juni 2007 seien mittelbar auf die rechtswidrige Nutzung des Schutzrechts des Klägers an den Laufbildern zurückzuführen. Auch ein nur mittelbar erzielter Gewinn könne bei der Schadensbemessung nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns berücksichtigt werden. Unerheblich sei, dass der Kläger die Vermarktung des Videofilms nicht beabsichtigt habe.
  11. II. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie gegen die Verurteilung zur Auskunft nach dem Klageantrag zu 2 gerichtet ist. Dagegen ist die gegen die Verurteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 gerichtete Revision begründet.
  12. 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht den mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Auskunftsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V. mit § 242 BGB bejaht.
  13. a) Die Frage, inwieweit dem Kläger ein Schadensersatzanspruch und zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs ein unselbständiger Auskunftsanspruch zustehen, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlung geltenden Recht. Das vorliegende Verfahren hat rechtsverletzende Handlungen am 29. Juni 2007 zum Gegenstand. Auf den in Rede stehenden Schadensersatzanspruch und den seiner Durchsetzung dienenden Auskunftsanspruch ist danach § 97 Abs. 1 UrhG a.F. anwendbar.
  14. b) Der aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB abgeleitete unselbständige Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass die Beklagte widerrechtlich und schuldhaft ein dem Kläger nach dem Urheberrechtsgesetz zustehendes Recht verletzt hat (dazu unter II 1 b aa), dem Kläger aufgrund dieser Rechtsverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht (dazu unter II 1 b bb), zu dessen Berechnung die Auskunft erforderlich ist und der Kläger in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren ist (dazu unter II 1 b cc), während die Beklagte unschwer Aufklärung geben kann (dazu unter II 1 b dd; allgemein hierzu BGH, Urt. v. 7.12.1979 – I ZR 157/77, GRUR 1980, 227, 232 f. — Monumenta Germaniae Historica; Urt. v. 13.12.2001 – I ZR 44/99, GRUR 2002, 602, 603 = WRP 2002, 715 – Musikfragmente). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
  15. aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in das dem Kläger zustehende Recht an den Laufbildern über den Fallschirmabsturz des Politikers Möllemann widerrechtlich und schuldhaft eingegriffen hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. i.V. mit § 94 Abs. 1 Satz 1, § 95 UrhG). Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass der Kläger den Videofilm hergestellt hat. Dieser genießt als Bildfolge i.S. von § 95 UrhG Laufbildschutz. Das dem Kläger als Hersteller nach § 94 Abs. 1 Satz 1, § 95 UrhG zustehende ausschließliche Recht, die Bildfolge für eine Fernsehsendung zu benutzen, hat die Beklagte am 29. Juni 2007 durch viermalige Ausstrahlung des Videofilms über ihren Nachrichtensender verletzt.
  16. Die Beklagte hat die Verletzungshandlungen schuldhaft, und zwar fahrlässig begangen. Sie war verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, dass sie durch die Ausstrahlung des Videofilms nicht in die Rechte des Klägers als Hersteller der Laufbilder eingreift (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1987 — I ZR 164/85, GRUR 1988, 373, 375 – Schallplattenimport III; Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 36 f. – Bedienungsanweisung). Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgekommen. Das zieht die Revision auch nicht in Zweifel.
  17. bb) Aufgrund der schuldhaften Verletzung seines ausschließlichen Schutzrechts an den Laufbildern steht dem Kläger als Hersteller nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. ein Schadensersatzanspruch zu. Hierfür stehen die drei Berechnungsarten zur Verfügung: die konkrete Schadensberechnung einschließlich des entgangenen Gewinns, Schadensersatz in Höhe der angemessenen Lizenzgebühr oder Herausgabe des Verletzergewinns (BGHZ 57, 116, 118 – Wandsteckdose II; 181, 98 Tz. 41 f. – Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, Urt. v. 2.10.2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Tz. 22 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train).
  18. Die Verletzungshandlung liegt nach dem 29. April 2006 und damit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 195, S. 16) nach ihrem Art. 20 Abs. 1 Satz 1 spätestens von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Deshalb ist auch die Auslegung des vor diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen § 97 Abs. 1 UrhG a.F. so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten (vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.1994 – C-91/92, Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 Tz. 26 – Dori/Recreb). Für die hier interessierende Frage der Möglichkeit der Berechnung des Schadensersatzes auf dreierlei Weise hat sich durch die Richtlinie 2004/48/EG nichts geändert. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 lit. a und b der Richtlinie 2004/48/EG sieht die Möglichkeit der Berechnung des Schadensersatzanspruchs anhand des konkreten, dem Verletzten entstandenen Schadens, des vom Verletzer erzielten Gewinns oder der Lizenzanalogie vor (hierzu auch Erwägungsgrund 26 der Richtlinie).
  19. cc) Die mit dem Klageantrag zu 2 verlangte Auskunft über die am 29. Juni 2007 in Deutschland erzielten Werbeerlöse des TV-Senders anhand einer Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben ist zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs erforderlich. Allerdings kann ein aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB abgeleiteter unselbständiger Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nur in dem Umfang bestehen, in dem eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt werden kann (vgl. BGHZ 166, 233 Tz. 45 — Parfümtestkäufe). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger die begehrte Auskunft über die Werbeeinnahmen der Beklagten vom 29. Juni 2007 für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns benötigt. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
  20. (1) Der Kläger kann die Herausgabe des Verletzergewinns insoweit verlangen, als dieser auf der Rechtsverletzung beruht (vgl. BGHZ 181, 98 Tz. 41 — Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 87/07, GRUR 2010, 237 Tz. 20 = WRP 2010, 390 – Zoladex). Der herauszugebende Gewinn muss aus der Schutzrechtsverletzung gezogen worden sein. Jeder ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erlangten Gewinn reicht grundsätzlich aus (BGH, Urt. v. 29.5.1962 – I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II). Dagegen ist der Gewinn nicht herauszugeben, soweit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem vom Verletzer erzielten Gewinn ganz oder teilweise fehlt (BGH, Urt. v. 30.1.1959 – I ZR 82/57, GRUR 1959, 379, 380 – Gasparone I).
  21. (2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat zu Recht angenommen, ein Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem von der Beklagten erzielten Gewinn sei im Streitfall gegeben, weil die Werbeerlöse auf die rechtswidrige Nutzung des ausschließlichen Schutzrechts des Klägers zurückzuführen seien. Bei einer mittelbaren Medienfinanzierung komme es nicht darauf an, wie hoch die Zahlungsbereitschaft der Werbeinteressenten für das tatsächlich benutzte Gut sei. Es genüge die Zahlungsbereitschaft für vergleichbare Inhalte.
  22. (3) Die Revision setzt dem ohne Erfolg entgegen, für die Erzielung der Werbeerlöse am 29. Juni 2007 sei die Ausstrahlung des fraglichen Videofilm an diesem Tag nicht kausal, weil die Werbekunden die Werbeaufträge bereits mehrere Wochen vor der Ausstrahlung des Videos gebucht hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht bekannt gewesen, ob und wann das Video gesendet würde.
  23. Für die Beurteilung, ob die Ausstrahlung des Videofilms ursächlich für die Werbeeinnahmen geworden ist, kommt es nicht darauf an, ob die Werbekunden den Inhalt der Nachrichtensendungen vorhersehen konnten. Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Werbeeinnahmen und der Ausstrahlung des Videofilms reicht es vielmehr aus, dass die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung platzieren. Das folgt aus der Gestaltung der Sendung der Beklagten, bei der Nachrichten und Werbung gesendet werden und bei der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von der Aktualität der Nachrichteninhalte ausgehende Aufmerksamkeit des Publikums dazu benutzt wird, das dadurch geweckte Zuschauerinteresse auf die bezahlte Werbung umzulenken. Mit diesem Ziel platzieren die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass den Werbeaufträgen der Kunden der Beklagten die Einbindung der Werbung in ein Nachrichtenumfeld zugrunde liegt. Das liegt bei einem Auftrag, der eine Ausstrahlung von Werbung auf einem Nachrichtensender zum Gegenstand hat, auch auf der Hand. Damit sind die ausgestrahlten Nachrichtensendungen mitursächlich für die Werbeeinnahmen. Da am 29. Juni 2007 zu den Nachrichten auch die vom Kläger hergestellte Bildfolge zählte, ist diese mitursächlich für die Werbeeinnahmen der Beklagten geworden.
  24. Dieser ursächliche Zusammenhang zwischen den ausgestrahlten Nachrichten und den Werbeeinnahmen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Höhe der Werbeeinnahmen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, zu denen nicht ausschließlich die tagesaktuellen Nachrichten, sondern weitere Umstände zählen, zu denen etwa das allgemeine Zuschauerinteresse, das der Nachrichtensendung der Beklagten entgegengebracht wird, die Stellung der Beklagten im Markt und ihre Akquisitionsbemühungen im Hinblick auf Werbeaufträge zu rechnen sind. Diese für die erzielten Werbeeinnahmen ebenfalls mitbestimmenden Faktoren schließen den ursächlichen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Nachrichten und den Werbeeinnahmen nicht aus. Daraus ergibt sich nur, dass der Verletzergewinn lediglich zu einem Bruchteil auf der Urheberrechtsverletzung der Beklagten beruht und nur in diesem Umfang herauszugeben ist.
  25. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Nachrichtensendungen am 29. Juni 2007 mit anderen Nachrichten als dem Inhalt des Videofilms hätte füllen können. Mit diesem Einwand ist die Beklagte nach Sinn und Zweck der Schadensberechnung anhand des Verletzergewinns ausgeschlossen.
  26. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weis auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verlet zung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte (vgl. BGHZ 145, 366, 371 – Gemeinkostenanteil; 181, 98 Tz. 76 – Tripp-Trapp-Stuhl). Mit diesem Rechtsgedanken stünde es in Widerspruch, wenn der Verletzer den auf einer Rechtsverletzung beruhenden Gewinn behalten könnte, weil er von der Möglichkeit andere Nachrichteninhalte zu senden, gerade keinen Gebrauch gemacht hat, sondern schuldhaft das Schutzrecht des Klägers verletzt hat. Dies wird im vorliegenden Fall besonders dadurch deutlich, dass die Beklagte die Ausstrahlung des Videofilms trotz der durch den Kläger ausgesprochenen Abmahnung vorgenommen hat.
  27. (4) Der Kläger ist auch in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren. Er hat keine andere Möglichkeit, sich die für die Berechnung des Verletzergewinns erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.
  28. dd) Schließlich kann die Beklagte unschwer über die Werbeerlöse am 29. Juni 2007 Auskunft erteilen.
  29. Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, die Verpflichtung zur Offenlegung der Werbeeinnahmen zur Berechnung des Verletzergewinns stelle einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit und das durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Interesse an der Geheimhaltung der Geschäftsdaten dar und sei unverhältnismäßig.
  30. (1) Der Anspruch des Klägers auf die begehrte Auskunft braucht nicht hinter der grundgesetzlich geschützten Rundfunkfreiheit der Beklagten zurückzutreten.
  31. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Rundfunkfreiheit schützt die Eigenständigkeit des Rundfunks von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht (BVerfGE 66, 116, 133). Der Rundfunkfreiheit kommt ein besonders hoher Rang zu (BVerfGE 35, 202, 221 f.). Die Rundfunkfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Hierzu gehören § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. und § 242 BGB, die Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs sind. Die Vorschriften dienen der wirksamen Durchsetzung von Ansprüchen nach einer Verletzung der im Urheberrechtsgesetz begründeten ausschließlichen Schutzrechte. Die aus den allgemeinen Gesetzen sich ergebenden Grenzen der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits im Licht dieser Grundrechte gesehen und selbst wieder eingeschränkt werden (BVerfGE 7, 198, 208 f.).
  32. Die danach grundsätzlich erforderliche Abwägung zwischen der Rundfunkfreiheit, auf die die Beklagte sich berufen kann, und dem Anspruch des Klägers auf effektive Verfolgung seines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung seines Schutzrechts geht zugunsten des Klägers aus. Die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit wird durch die begehrte Auskunft in einem allenfalls geringen Ausmaß betroffen, weil die begehrte Auskunft sich nur auf die mit der Ausstrahlung der Rundfunksendungen verbundenen Werbeerlöse unter Angabe der Einnahmen und Ausgaben bezieht. Demgegenüber dient die Rundfunkfreiheit nicht dazu, dass sich die Beklagte durch rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in ein ausschließliches Schutzrecht des Klägers in unzulässiger Weise Vorteile im wirtschaftlichen Wettbewerb verschafft.
  33. (2) Das durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Geheimhaltungsinteresse der Beklagten überwiegt das Interesse des Klägers an einer effektiven Rechtsdurchsetzung ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat zu einem konkreten Geheimhaltungsinteresse der Beklagten keine Feststellungen getroffen, ohne dass die Revision Vortrag der Beklagten als übergangen rügt.
  34. 2. Die Revision hat dagegen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 richtet.
  35. Mit diesen Klageanträgen verlangt der Kläger Auskunft über die an den einzelnen Wochentagen (Montag bis Freitag) jeweils im Juni 2005, 2006 und 2007 generierten Werbeerlöse durch eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben. Der Kläger kann die Erteilung einer Auskunft mit diesem Inhalt von der Beklagten nicht verlangen, weil sie ohne Einfluss auf die Berechnung seines Schadensersatzanspruchs ist. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Werbeeinnahmen auf Werbeaufträgen beruhen, die regelmäßig Monate im Voraus vor dem Sendetermin erteilt worden sind. Davon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen. Gegenteiliges hat es jedenfalls nicht festgestellt, ohne dass die Revisionserwiderung insoweit eine Gegenrüge erhebt. Bei diesem Auftragsverhalten der Werbekunden beeinflusst die Ausstrahlung des in Rede stehenden Videos am 29. Juni 2007 nicht die Höhe der Werbeeinnahmen in diesem Monat, über die der Kläger gleichwohl mit dem Klageantrag zu 3 Auskunft begehrt.
  36. Ohne Belang für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs sind ebenfalls die mit dem Klageantrag zu 4 verlangten Angaben über die Werbeeinnahmen der Monate Juni 2005 und 2006. Aus einem Vergleich dieser Angaben mit den Werbeerlösen aus Juni 2007 können sich keine Erkenntnisse für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs des Klägers ergeben, weil die Ausstrahlung des Videos am 29. Juni 2007 keinen Einfluss auf die Werbeeinnahmen im Juni 2007 hatte.

Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 31.01.2008 – 8 O 312/07 –
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.06.2008 – I-4 U 43/08 –

Keine Urheberrechtsverletzung durch Bildersuche bei Google

Der Bundesgerichtshof hat am 29. 4. 2010  entschieden, dass Google nicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn urheberrechtlich geschützte Werke in Vorschaubildern ihrer Suchmaschine wiedergegeben werden.

Die von Google betriebene Internetsuchmaschine verfügt über eine textgesteuerte Bildsuchfunktion, mit der man durch Eingabe von Suchbegriffen nach Abbildungen suchen kann, die Dritte im Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchwort ins Internet gestellt haben. Die von der Suchmaschine aufgefundenen Bilder werden in der Trefferliste als verkleinerte und in ihrer Pixelanzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte Vorschaubilder gezeigt (sog. Thumbnails). Die Vorschaubilder enthalten einen elektronischen Verweis (Link), über den man zu der Internetseite gelangen kann, die die entsprechende Abbildung enthält. Zur Verkürzung des Suchvorgangs durchsucht Google das Internet in regelmäßigen Intervallen nach Abbildungen und hält diese als Vorschaubilder auf ihren Servern vor, so dass kurze Zeit nach Eingabe eines Suchworts die Trefferliste mit den entsprechenden Vorschaubildern angezeigt werden kann.

Die Klägerin ist bildende Künstlerin und unterhält eine eigene Internetseite, auf der Abbildungen ihrer Kunstwerke eingestellt sind. Im Februar 2005 wurden bei Eingabe ihres Namens als Suchwort in die Suchmaschine der Beklagten Abbildungen ihrer Kunstwerke als Vorschaubilder angezeigt.

Die Vorinstanzen haben die auf Unterlassung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte zwar das Urheberrecht der Klägerin widerrechtlich verletzt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei jedoch rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die Beklagte schon keine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung begangen hat. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung Google ein Recht zur Nutzung ihrer Werke als Vorschaubilder im Rahmen der Bildersuche eingeräumt hat. Der in der Wiedergabe in Vorschaubildern liegende Eingriff in das Recht der Klägerin, ihre Werke öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a UrhG), ist jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig, weil die Beklagte dem Verhalten der Klägerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Erklärung) entnehmen durfte, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen.

Für Fälle, in denen – anders als im jetzt entschiedenen Fall – die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder angezeigten Abbildungen von dazu nicht berechtigten Personen in das Internet eingestellt worden sind, hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass Suchmaschinenbetreiber nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Dienstleistungen die Haftungsbeschränkungen für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr in Anspruch nehmen können (EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 Tz. 106 ff. – Google France/Louis Vuitton). Danach käme eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers erst dann in Betracht, wenn er von der Rechtswidrigkeit der von ihm gespeicherten Information Kenntnis erlangt hat.

Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder


Vielleicht hatte die Klägerin gehofft, sie könnte sich einen Teil der Werbeeinnahmen von Google für einen gewissen Zeitraum als Schadensersatz geltend machen. Zu einer Schadensersatzzahlung wäre es wohl kaum gekommen, sondern nur zu einer Auskunftsklage über Nutzung der Vorschaubilder durch Google und dann zu einem mehr oder minder lukrativen Vergleich.

  • Wer von den Suchmaschinen nicht gefunden werden will, kann dies auf seiner Website mit einem entsprechenden META-Tag — <META NAME=“ROBOTS“ CONTENT=“NOINDEX, NOFOLLOW“> —  unterbinden.
  • Wer nicht will, dass andere seine Bilder nicht anschauen, sollte sie am besten nicht ins Internet stellen.
  • Wer nicht will, dass seine Texte gelesen und verbreitet werden, kann sie in der Schublade oder auf seiner heimischen Festplatte lassen.