Urheberrechtliche Komplikationen beim Besuch eines Unbekannten

Den meisten ist überhaupt nicht klar, dass man froh sein kann, wenn man abends im Lokal sich noch unterhalten darf, ohne gegen irgend jemandens Eigentum zu verstoßen.

Es ist die logische Konsequenz aus der rechtlichen Konstruktion des Urheberrechts:  Jede Nutzung ist grundsätzlich verboten und bedarf der Einwilligung des Rechtsinhabers.

Es ist also  z. B. verboten, ein Liebesgedicht einer unbekannten Schönen zukommen zu lassen, wenn das Gedicht nicht gemeinfrei ist (der Autor also zumeist irgendwann ab dem letzten Drittel des  19. Jahrhunderts  geboren wurde;  Thomas Mann oder Gerhard Hauptmann sind z. B. noch nicht gemeinfrei).

Die Münchner Schauspielschulen zahlen bspw. Pauschalen an die VG Wort, damit die Schauspielschüler in der Schule Texte
aufsagen dürfen. Wenn aber der Autor nicht Mitglied bei der VG Wort ist, kann die VG Wort auch keine Befreiung von dem Verbot erteilen (weil sie nicht Rechtsinhaberin ist). Der Buch-Verlag hat die Aufführungsrechte oft auch nicht erworben, weil das außerhalb des typischen Geschäftsbereichs  der Verlage liegt. Folglich muss man die Genehmigung des Autors einholen. Hat man sich einen Text von einem  Autor aus dem Senegal ausgewählt, braucht man die Genehmigung des Senegalesen und die des Übersetzers …

Richtig lustig wird das mit dem geistigen Eigentum dann, wenn man Musik oder Texte von jemanden nimmt, der nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft ist. Um dann rechtmäßig zu handeln, muss man dann den/die Urheber persönlich (alle) um Erlaubnis bitten, die einem dann vielleicht mitteilen, dass sie ihre Rechte an einen Verleger abgetreten haben könnten oder auch nicht  (wer versteht schon sieben Seiten kleingedruckte Rechteabtretungen in den typischen Verträgen mit den Verlegern?).

Was bedeutet privat?

  • Auf’s Geld kann es nicht ankommen, sonst wäre das Filesharing ja erlaubt.
  • Auf den Ort, wo die Handlung stattfindet, kann es nicht ankommen, sonst würde ich in meinem Wohnzimmer einen schwunghaften Handel mit CDs aufmachen.
  • Auf die persönliche Anwesenheit kann es nicht ankommen, weil sonst könnte ich nicht einmal meiner Tochter eine E-Mail mit einem fremden Bild zusenden.
  • Eine flüchtige Bekanntschaft  kann es auch nicht sein, weil sonst würden alle WIssenschaftler — die sich ja ständig bei irgendwelchen Tagungen über den Weg laufen — sich ununterbrochen Kopien zuschicken. Das ist natürlich verboten.
  • Auf den Anlass kann es auch nicht ankommen, weil wir uns da im Kreis drehen würden: Privat ist es, wenn ein privater Anlass vorliegt. Ein privater Anlass liegt vor, wenn ???

Also hat man das Ganze „im Interesse der Urheber“, deren Rechte ja andernfalls ausgehebelt werden könnten (Schutzlücken sind möglichst zu schließen …) wie folgt geklärt: Nicht öffentlich ist die Familie (die Hochzeit mit 100 Gästen fällt nicht darunter) und der engere Freundeskreis. Flüchtige Bekannte fallen nicht darunter. Die GEMA erklärt das sehr schön:

Für die Musik, die ich in meinen eigenen vier Wänden abspiele,  muss ich grundsätzlich keine Lizenzgebühren an die GEMA bezahlen. Grundsätzlich bedeutet, wie jeder Jurist weiß:  Es gibt Ausnahmen. So auch hier: Wenn ich  Musik öffentlich wiedergebe, sieht die Sache anders aus.  Im Urheberrechtsgesetz steht dazu in § 15 Abs. 3

Die Wiedergabe eines Werkes ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Für die GEMA bedeutet das vereinfacht: Jede Nutzung ist öffentlich, bei der wenigstens zwei Personen, die nicht miteinander verwandt oder eng befreundet sind, Musik hören.

Hier noch der Fragebogen der GEMA, den ich ausfüllen darf.

https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Musiknutzer/Formulare/Formulare_aida/fragebogen_veranstaltungen.pdf

Wenn ich nichts an die GEMA zahlen will, weil ich sage, es wird keine Musik gespielt, deren Rechte die GEMA hat, darf ich eine vollständige Liste aller gespielten Musiktitel, die Musiker und Komponisten bei der GEMA einreichen, weil es eine Vermutung gibt, dass die GEMA alle Rechte von jedem Musikstück weltweit hat. Die haben zwar kein Monopol (heißt es). weil jederzeit eine zweite Verwertungsgesellschaft gegründet werden kann (nur hat die bei der GEMA-Vermutung nichts zu verwerten).

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