Archiv der Kategorie: Patentrecht

Titel für das MPI in München gesucht

1966 wurde das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht gegründet. Irgendwann — 1993? — wurde das von dem Institut behandelte Rechtsgebiet umbenannt in gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht und dann — 2002? —  in Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht. Man findet dementsprechend noch einige Reste der Bezeichnung: MPI für Geistiges Eigentum auf der Website dieses Instituts. Der Begriff des geistigen Eigentums hat nun offenbar ausgedient und wurde wieder in den begriffsjuristischen M(ar)ottenschrank verbannt.

Zum 1. Januar 2011 — nachdem das Steuerrecht von dem anderen Rechtsgebiet getrennt wurde  — wählte man die Bezeichnung Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht.

Wir rätseln zur Zeit, welche Bezeichnung als nächstes für das Rechtsgebiet Du weißt schon welches  kommen wird.  Bislang wurden vorgeschlagen:

  • MPI für das Recht des  geistigen Schaffens
  • MPI für das Recht der kulturellen Produktion
  • MPI für das Recht der Objektvergleichung und die Verbotsüberschreitungsfolgen
  • MPI zur Vermeidung der Ausweitung des Eigentumsbegriffes und geistiger Monopolbildung
  • Es, dessen Name nicht genannt werden darf (Nein! nicht Voldemort)
Weitere Ideen sind willkommen. Vorgeschlagen wurden bereits (teilweise nur als Kategorie):
  • geistiges Eigentum
  • Autorrecht und Erfinderrecht
  • literarisches Eigentum
  • Recht der Persönlichkeit
  • Immaterialgüterrecht
  • gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
  • Individualrecht
  • Schutz der Persönlichkeitssphäre
  • Privileg
  • künstlerisches Eigentum
  • Reflex einer Verbotsnorm
  • Monopol
  • persönliches Recht
  • Schrifteigentum
  • Persönlichkeitsrecht
  • Verlagsrecht
  • unzweifelhaftes Eigentum
  • unbestreitbares Eigentum
  • heiliges Eigentum
  • Menschenrecht
  • Ausschließlichkeitsrecht
  • Werkherrschaft

 


[Ergänzung: 25. 3. 2011]: Wie so oft in diesem Bereich handelt es sich bei der Frage nach der „richtigen Bezeichnung“ um aufgewärmte Debatten, die ähnlich sinnvoll sind wie die Frage nach der Henne und dem Ei. 1838 hat der Franzose Augustin Charles Renouard (von dem ungefähr 50 % der deutschen Juristen im 19. Jahrhundert abgeschrieben haben, wenn es ums Urheberrecht ging) schon festgestellt, dass das droit d’auteur eigentlich ein Monopol sei (allerdings ein notwendiges).  Eigentum (propriété) würde in den Ohren der Allgemeinheit aber besser klingen. Man könnte jeder Kritik entgegenhalten, dass man das Eigentum nicht im Namen des Monopols oder Privilegs angreifen dürfe.

Mit einer so dürftigen Begründung wollte man sich aber nicht zufrieden gegeben und es wurde hart daran gearbeitet, die richtige Begründung herauszustellen.  Viktor Böhmert etwa hat 1869 zum Patentschutz (es  lässt  sich Eins zu Eins auf das Urheberrecht übertragen) folgendes festgestellt:

Der Patentschutz wird nicht blos in Rücksichten der Zweckmässigkeit und Nützlichkeit, sondern auch aus Gründen des Rechts und der Billigkeit gefordert. Um dieser Institution eine möglichst unerschütterliche Rechtsbasis zu geben, stützt man sich entweder auf die Lehre vom sogenannten geistigen Eigenthum, oder man behauptet, dass die einseitige gewerbliche Ausbeutung der Geistesarbeit Anderer durch Reproduktion ihrer Erzeugnisse als ein Eingriff in die berechtigte Erwerbssphäre des Autors und als eine Störung der naturgemässen Ordnung der Wirthschaftsgemeinschaft zu betrachten sei.

Wenn es ums liebe Geld ging, wurden schon im 19. Jahrhundert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels  oder der Verein der deutschen Ingenieure zu großen Philosophen. Wir zitieren hier die Ingenieure:  „Wenn wir sagen, der Erfinder habe ein Recht auf ein Erfindungspatent, so stehen wir damit nicht auf dem Boden des positiven Rechts, sondern auf dem Boden der Rechtsphilosophie. Wir sprechen damit aus, dass der Staat aus rechtsphilosophischen Gründen das geistige Eigenthum des Erfinders schützen soll.“ 1877 hat diese rechtsphilosophische Sicht sich durchgesetzt und es wurde ein Patentgesetz für das Kaiserreich erlassen.

Gezüchtete Tomate nicht patentierbar

In dem Streit über die Patentierbarkeit von Ergebnissen gewöhnlicher Züchtungen hat das Europäische Patentamt am 9. Dezember 2010 entschieden. Zumindest nach der Großen Beschwerdekammer werden die umstrittenen Anmeldungen  — es ging um Brokkoli- und Tomatenzüchtungen — nicht als Europäische Patente anerkannt. Wenn das Ergebnis von gewöhnlichen Kreuzungen und Selektion als solches nicht patentierbar sei, so führe auch  das Hinzufügen weiterer technischer Verarbeitungsschritte vor oder nach den einzelnen Schritten der  Kreuzung und Selektion nicht dazu, das das Ergebnis des Prozesses patentierbar ist. Die siebzig Seiten lange Entscheidung finden Sie hier.

Ein erteilter Patentanspruch hat Rechtsnormcharakter

Der BGH behandelt ein Patent wie ein virtuelles Grundstück. Wer das Grundstück betreten will, muss den Inhaber um eine Genehmigung fragen. Diese wird entweder verweigert oder erteilt, wobei für die Erteilung zumeist ein Entgelt zu bezahlen ist. Da es sich um ein virtuelles Grundstück handelt, sind die Grenzen oft nicht so genau zu erkennen.

Dies ist insbesondere aus mehreren Gründen problematisch: Je leichter ein Patent zu erlangen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dritter unbeabsichtigt das virtuelle Grundstück eines anderen nutzt. Umgekehrt werden immer mehr Patente erteilt. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es ein Patent übersieht oder nicht erkennt, dass das Patentamt einer altbekannten Technik eine Schutz gewährt hat oder einfach die komplex formulierten Patentansprüche schlichtweg nicht versteht. Würden die Unternehmen den Anforderungen der Rechtsprechung an die Überwachung des täglichen Patentgeschehens gestellt werden, erfüllen, würden zig-Tausende von kleinen und mittleren Unternehmen bis hin zu Programmierern mit der jedenfalls vollkommen unproduktiven Tätigkeit beschäftigen, herauszufinden, ob sie  nun ihr Arbeitsergebnis verwerten dürfen oder nicht.

Wenn man die rechtlichen Folgen eines Patentverletzung bedenkt,

  • Unterlassen für die Zukunft;
  • Auskunftsanspruch über Kunden, Verkaufszahlen, Umsätze oder Werbung — Rechnungslegung;
  • Schadensersatz oder Bezahlung eines fiktiven Lizenzentgelts;
  • unter Umständen — wenn man dem Begehren des Patentinhabers nicht nachgibt — Prozesskosten, die für die erste Instanz in der Regel schon  50.000 Euro und mehr betragen können.

können die Folgen gerade bei den kleineren Unternehmen das Ende bedeuten. Aber auch wenn man die Anmeldungen bei den verschiedenen Patentämtern beobachtet, entstehen ganz erhebliche Kosten, die insbesondere die Neueinsteiger und kleinen erheblich belasten. Wer neben den Inhabern an den Patenten besonders verdient und deren Vorteile gerne im großen und kleinen Kreis anpreist (wie McDonalds den Nährwert seiner Fritten), das kann man an den Google-Anzeigen oben auf dieser Seite erkennen.

Der Großteil der Patentstreitigkeiten betrifft zwei Fragen:

  1. Ist  das Patent überhaupt wirksam erteilt worden oder wurde das Patent vom Patentamt zu Unrecht geschaffen. Gerade in den Fällen, in denen die Frage zweifelhaft ist, ist es für Patentprüfer  einfachsten, einer Patentanmeldung stattzugeben, weil er dann am wenigsten Arbeit mit dem Patent hat. Das Patentamt überlässt es den Unternehmen, sich  über die Wirksamkeit des Patents zu  streiten.
  2. Wird durch einen bestimmten Gegenstand oder die Anwendung eines bestimmten Verfahrens das Patent verletzt.

In diesem Rahmen wird die Eigentumslogik des BGH noch bedenklicher. Wenn ein Patent erteilt, aber unverständlich formuliert wurde, dürfe der Richter (die  Patentkammern der Landgerichte sind mit spezialisierten Richtern besetzt) sich nicht darauf zurückziehen, dass er den Erfindungsgegenstand ganz oder teilweise nicht bestimmen könne. Kehrt man nochmals auf das Beispiel mit dem  Grundstück zurück, bedeutet dies: Wenn nach zwei Instanzen und Sachverständigengutachten die Grenzen des Grundstücks sich nicht genau feststellen lassen, darf der Richter nicht sagen, er kann das virtuelle Grundstück nicht genau erkennen und deshalb auch nicht sagen, ob der angebliche Verletzer nun das Grundstück betreten hat oder nicht.

Ist ein Patent einmal erteilt, muss vielmehr trotz unerkennbarer Grenzen ein virtueller Zaun ermittelt werden. Das geschieht im Zweifel vor den Zivilgerichten. Wenn diese Grenzen feststehen, darf der Inhaber von dem angeblichen Verletzer die oben genannten Ansprüche geltend machen. Wenn niemand gegen das erteilte Patent vorgeht, kann sich das teure Vergnügen noch oft wiederholen.

Der BGH bestätigte ferner  seine Auffassung, dass ein erteilter Patentanspruch Rechtsnormcharakter hat. Das bedeutet, der Patentanmelder kann das Patentamt veranlassen, Regelungen zu erlassen, die den Charakter von Gesetzen haben. Der Patentanmelder wird so zum kleinen Gesetzgeber. Wenn es sich um einen aktiven Patentanmelder handelt, der eine Vielzahl von Patenten innehat, kann er so schon zum großen Gesetzgeber werden, der in manchen Branchen genau bestimmen kann, wer was darf und wer nicht. In der Regel zermahlen die großen Patentinhaber die kleinen und sorgen so dafür, dass Neuensteiger schnell wieder zu Aussteigern werden.

Urteil

Leitsatz: Die Patentverletzungsklage darf nicht mit der Begründung abgewiesen werden, Angaben des Patentanspruchs seien unklar und ihr Sinngehalt sei unaufklärbar, so der BGH im Urteil vom 31. März 2009 (Aktenzeichen: X ZR 95/05, Vorinstanzen: OLG München, LG München I)

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Gröning
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Klägerin wird das am 16. Juni 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
  2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Begründung

  1. Tatbestand:

    Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 916 004 (Klagepatents), das zwölf Patentansprüche umfasst und dessen Anspruch 1 in der Verfahrenssprache ohne Bezugszeichen wie folgt lautet:

    ,,Straßenbaumaschine zum Bearbeiten von Fahrbahnen,

    • mit einem selbst fahrenden Fahrwerk bestehend aus einer lenkbaren vorderen Fahrwerkachse mit mindestens einem Stützrad und zwei hinteren Stützrädern,
    • mit einem im Bereich der hinteren Stützräder angeordneten Fahrstand für einen Fahrzeugführer auf einem von dem Fahrwerk getragenen Maschinenrahmen,
    • mit einer in oder an dem Maschinenrahmen gelagerten Arbeitseinrichtung, die auf einer Seite, nämlich auf der so genannten Nullseite des Maschinenrahmens, in etwa bündig mit diesem abschließt,
    • mit einem Antriebsmotor für die für den Antrieb der Arbeitseinrichtung und den Fahrbetrieb benötigte Antriebsleistung,
    • wobei das auf der Nullseite befindliche hintere Stützrad aus einer über die Nullseite vorstehenden äußeren Endposition in eine eingeschwenkte innere Endposition verschwenkbar ist, in der das Stützrad nicht über die Nullseite übersteht,
    • dadurch gekennzeichnet, dass das schwenkbare Stützrad über ein in einer horizontalen Ebene liegendes, mit einer Antriebsreinrichtung gekoppeltes Getriebe von der äußeren Endposition unter Beibehaltung der Laufrichtung in die innere parallel verschobene Endposition verschwenkbar ist.

  2. Die Beklagte vertreibt Kaltfräsen in zwei Ausführungsformen (xx1 = angegriffene Ausführungsform 1 und xx2 = angegriffene Ausführungsform 2).
  3. Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.
  4. Die Beklagte weist den Patentverletzungsvorwurf zurück. Beide angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten das die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffende Merkmal des Patentanspruchs 1 (= zweiter Spiegelstrich) nicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 seien ferner die nach dem ersten Spiegelstrich im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale teilweise und das im letzten Spiegelstrich benannte Merkmal nicht vorhanden. Im Übrigen stehe ihr auch ein Weiterbenutzungsrecht nach § 12 PatG zu.
  5. Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Beide angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten das die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffende Merkmal wortsinngemäß. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 seien ferner auch die beiden weiteren streitigen Merkmale wortsinngemäß bzw. in abgewandelter Form verwirklicht. Auf ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG könne sich die Beklagte nicht berufen, weil das hierfür ins Feld geführte Modell einer Fräse nicht von allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 Gebrauch mache.
  6. Die Beklagte hat sich hiergegen mit der Berufung gewendet. Das Oberlandesgericht hat bei dem bereits erstinstanzlich hinzugezogenen gerichtlichen Sachverständigen ein Ergänzungsgutachten eingeholt und diesen Sachverständigen mündlich angehört. Aufgrund dieser Beweiserhebung hat es die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abgewiesen.
  7. Hiergegen wendet sich nunmehr die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision und dem Antrag, die landgerichtliche Verurteilung wieder herzustellen.
  8. Die Beklagte tritt diesem Begehren entgegen.
  9. Entscheidungsgründe:

    Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

  10. 1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Patentverletzungsklage wie folgt begründet:
  11. Es müsse zunächst der Gegenstand der geschützten Erfindung festgestellt werden. Hierzu gehöre auch die Ermittlung des Sinngehalts der die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffenden Anweisung im Patentanspruch 1. Die nötige Feststellung, was das Patent unter diesem Merkmal verstehe, sei aber trotz der erfolgten Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe nicht möglich, weil der gerichtliche Sachverständige sich außerstande gesehen habe, eine Definition dieses Merkmals anzugeben. Es könne deshalb nicht festgestellt werden, ob der Fahrstand der angegriffenen Ausführungsformen, der sich knapp vor den hinteren Stützrädern befinde, „im Bereich der hinteren Stützräder“ liege, und eine Prüfung der angegriffenen Ausführungsformen darauf, ob sie eine wortsinngemäße oder äquivalente Verletzung des Klagepatents darstellten, sei nicht möglich.
  12. 2. Mit dieser Begründung kann die Patentverletzungsklage nicht abgewiesen werden.
  13. a) Richtig ist allerdings, dass sich der Schutzbereich einer patentierten Lehre zum technischen Handeln, deren Verwirklichung behauptet ist, aus dem betreffenden Patentanspruch ergibt (Art. 69 EPÜ bzw. – für das deutsche Patentrecht – § 14 PatG) und dass deshalb im Patentverletzungsprozess der erste Schritt bei der Entscheidungsfindung darin besteht, den Wortlaut dieses Patentanspruchs dahin auszulegen, welcher Sinngehalt ihm zukommt (st. Rspr., z.B. BGHZ 171, 120 Tz. 18 f. – Kettenradanordnung; BGHZ 172, 108 Tz. 13 – Informationsübermittlungsverfahren I). Da im Streitfall der Patentanspruch 1 auch Angaben zur räumlichen Anordnung des Fahrstandes enthält, kann ferner nicht beanstandet werden, dass das Berufungsgericht auch insoweit eine inhaltliche Erfassung des geschützten Gegenstands für notwendig gehalten hat. Auch das steht in Einklang mit Art. 69 EPÜ (bzw. § 14 PatG) und berücksichtigt die Rechtsprechung des Senats, dass der Schutzbereich eines Patents keine Unterkombination der Merkmale der beanspruchten technischen Lehre umfasst (BGHZ 172, 798 Tz. 26 ff. – Zerfallszeitmessgerät).
  14. b) Im Übrigen beruht das angefochtene Urteil jedoch auf grundlegenden Rechtsfehlern, wie die Revision zu Recht rügt.
  15. (1) Die Ausführungen im angefochtenen Urteil legen die Deutung nahe, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, der Sinngehalt eines Patentanspruchs bzw. eines zu ihm gehörenden Merkmals sei ein Umstand, der als oder wie eine klagebegründende Tatsache zur Überzeugung des Gerichts mittels gesetzlich zugelassener Beweismittel dargetan sein müsse; bei verbleibenden Zweifeln müsse deshalb die Klage abgewiesen werden („non liquet“).
  16. Dabei wird verkannt, dass ein erteilter Patentanspruch Rechtsnormcharakter hat (so wörtlich Sen.Beschl. v. 8.7.2008 – X ZB 13/06 Tz. 13, GRUR 2008, 887 – Momentanpol II) und es eine Rechtsfrage ist, was sich aus einem Patentanspruch als geschützter Gegenstand ergibt (st. Rspr. seit BGHZ 142, 7 – Räumschild, vgl. z.B. BGHZ 160, 204 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Damit verbietet es sich, diese Frage unbeantwortet zu lassen. Denn in der verbindlichen Beantwortung von Rechtsfragen besteht die Aufgabe des angerufenen Gerichts, von der es auch dann nicht entbunden ist, wenn die Rechtsnorm unklar oder deren Auslegung schwierig ist. Gerade im Hinblick auf die Patentauslegung hat der Senat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass hiermit unter anderem etwaige Unklarheiten behoben werden müssen (z.B. BGHZ 150, 149 – Schneidmesser I; Sen.Urt. v. 28.10.2003 – X ZR 76/00, GRUR 2004, 413 – Geflügelkörperhalterung). Das duldet nicht, dass der Verletzungsrichter sich darauf zurückzieht, den Erfindungsgegenstand ganz oder teilweise nicht bestimmen zu können. In jedem Fall hat das Verletzungsgericht diejenige Bedeutung der Angaben des auszulegenden Patentanspruchs zu bestimmen, die nach dem sonstigen Inhalt der Patentansprüche unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen als sinnvoll erkannt werden kann. Nur das steht auch in Einklang mit der Erfahrung, dass Fachleute bestrebt sind, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (Sen.Beschl. v. 8.7.2008 – X ZB 13/06 Tz. 21, GRUR 2008, 887 – Momentanpol II; Sen.Urt. v. 23.10.2007 – X ZR 275/07 Tz. 19).
  17. Vergeblich verweist die Beklagte demgegenüber darauf, dass ausweislich Art. 84 Satz 2 EPÜ der Anmelder bei der Formulierung seiner Patentansprüche die Verantwortung für deren Klarheit und Deutlichkeit trage. Daraus folgt nicht die Zulässigkeit eines Verzichts auf ein Auslegungsergebnis im Patentverletzungsprozess. Eine Unklarheit im Ausdruck kann lediglich Anlass bieten, der betreffenden Angabe im Patentanspruch einen beschränkten Sinngehalt bis hin zum engstmöglichen sinnvollen Verständnis zuzuweisen, wenn anders der im Protokoll über die Auslegung des Art. 69 EPÜ enthaltenen Vorgabe, bei der Patentauslegung auch ausreichende Rechtssicherheit für Dritte zu wahren, nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Nachdem ein Patent mit dem im Nachhinein vom Verletzungsgericht als unklar empfundenen Wortlaut erteilt ist, hat nur in diesem Sinne das Schlagwort Berechtigung, ein offenes Auslegungsergebnis gehe zu Lasten des Patentinhabers. Die Versagung jeglichen Patentschutzes, zu dem die vom Berufungsgericht für zulässig und geboten gehaltene Vorgehensweise führt, ist im Übrigen auch deshalb nicht mit der geltenden Gesetzeslage vereinbar, weil die Patenterteilung dem Patentinhaber aus jedem Patentanspruch Rechte zuweist, die der Verletzungsrichter so lange als gegeben hinzunehmen hat, als der betreffende Patentanspruch nicht widerrufen oder für nichtig erklärt ist (vgl. Sen.Beschl. v. 12.11.2002 – X ZR 176/01, GRUR 2003, 550 – Richterablehnung).
  18. c) Des Weiteren ist es rechtsfehlerhaft, der die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffenden Angabe im Patentanspruch 1 allein deshalb keinen die weitere Prüfung der Verletzungsfrage ermöglichenden Bedeutungsinhalt zuzuerkennen, weil der gerichtliche Sachverständige – wie sich das Berufungsgericht dessen Ergänzungsgutachten und mündliche Anhörung zusammenfassend ausgedrückt hat – nicht angeben konnte, was das Patent unter dem mit dieser Angabe umschriebenen Merkmal versteht. Denn hierin kommt zum Ausdruck, dass das Berufungsgericht selbst keine Wertung der betreffenden Angabe des Patentanspruchs 1 vorgenommen hat. Auch das missachtet, dass die Würdigung, was sich aus in einem Patentanspruch benannten Merkmalen im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, eine Rechtsfrage ist. Denn diese muss das angerufene Gericht mittels eines wertenden Aktes eigenverantwortlich beantworten (st. Rspr., z.B. Sen.Urt. v. 17.4.2007 – X ZR 1/05 Tz. 20, GRUR 2007, 59 – Pumpeinrichtung; BGHZ 171, 120 Tz. 18 f. – Kettenradanordnung, jeweils m.w.N.). Hierbei hat das Gericht sich zwar an der Sicht des angesprochenen Fachmanns zu orientieren (st. Rspr., z.B. BGHZ 172, 297 Tz. 38 – Zerfallszeitmessgerät; 171, 120 Tz. 18 – Kettenradanordnung, jeweils m.w.N.). Da eine eigenverantwortliche Bewertung des Patentanspruchs durch das Gericht, welche Lehre dieser dem angesprochenen Fachmann vermittelt, erforderlich ist, heißt aber auch das nicht, dass das, was ein gerichtlicher Sachverständiger schriftlich oder mündlich ausgeführt hat, eine gerichtliche Entscheidung schon deshalb tragen könnte, weil das Gericht an der Sachkunde des Sachverständigen insoweit keine Zweifel hat und dieser deshalb insoweit als sachkundig gelten kann (vgl. näher Sen.Urt. v. 12.2.2008 – X ZR 153/05 Tz. 32, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).
  19. 3. Das Berufungsgericht wird nach allem nunmehr die gebotene Auslegung des Patentanspruchs 1 vornehmen müssen und dabei in eigenständiger Würdigung des durch die Beschreibung und die Zeichnungen erläuterten Wortlauts auch den Sinngehalt der die räumliche Anordnung des Fahrstandes betreffenden Angabe bestimmen müssen. Wenn das Berufungsgericht eine Auslegung des Schutzanspruchs unterlassen hat, ist nämlich für eine Sachentscheidung des Senats aufgrund einer eigenen Auslegung des Anspruchs regelmäßig kein Raum (BGHZ 172, 298 Tz. 39 – Zerfallszeitmessgerät). Dies gilt im Streitfall schon deshalb, weil der Senat ohnehin eine abschließende Sachentscheidung nicht treffen könnte. Denn im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts zu dem insoweit von der Beklagten geltend gemachten Weiterbenutzungsrecht, und im Hinblick auf die Ausführungsform 2 mangelt es an Feststellungen, die ein abschließendes Urteil über die Verwirklichung der beiden weiteren streitigen Merkmale des Patentanspruchs 1 erlauben.
  20. 4. Vorsorglich weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:
  21. a) Die zur Erläuterung des Patentanspruchs 1 heranzuziehende allgemeine Beschreibung des Streitpatents befasst sich lediglich im Zusammenhang mit der Darstellung der aus der FR-A-264 27 73 vorbekannten Fräse überhaupt mit der Frage der räumlichen Anordnung eines Fahrstandes. Es wird bemängelt, dass von diesem Fahrstand, der als oberhalb der auf Höhe der hinteren Stützräder mit ihrer Achse angebrachten Fräswalze befindlich beschrieben ist (Sp. 1 Z. 34 f., 50 f.), der Arbeitsraum vor der Fräswalze wegen der bei dem bekannten Gerät gewählten, viel Platz benötigenden Vorrichtung zum Verschwenken des hinteren Stützrades nicht frei einsehbar sei (Sp. 1 Z. 53 ff.). Da die Lösung nach dem Streitpatent statt dessen ein horizontal liegendes Getriebe verlangt, das den vertikalen Platzbedarf für die Schwenkeinrichtung verringert (Kennzeichen des Patenanspruchs 1 und Sp. 2 Z. 23 ff.), könnte es eine sinnvolle und den Geboten der Rechtssicherheit genügende Deutung darstellen, Patentanspruch 1 solle mit seiner Angabe zur räumlichen Anordnung des Fahrstandes zum Ausdruck bringen, dass der aus der FR-A-264 27 73 bekannte Ort des Fahrstandes beibehalten werden könne und solle, und dass die Worte „im Bereich“ gewählt worden seien, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die hinteren Stützräder selbst in Fahrtrichtung gesehen einen gewissen Raum einnehmen und auch zwischen sich Platz beanspruchen.
  22. b) Wegen der insoweit erhobenen Gegenrüge der Beklagten wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls ferner in tatrichterlicher Würdigung des zu den angegriffenen Ausführungsformen Vorgebrachten damit befassen müssen, ob der Fahrstand tatsächlich, wie in dem angefochtenen Urteil eher beiläufig bemerkt, knapp vor den hinteren Stützrädern oder nach seiner ganzen Ausdehnung etwa in der Mitte zwischen den hinteren und den vorderen Stützrädern angeordnet ist.
  23. c) Sollte das Berufungsgericht wegen der bislang festgestellten oder der von der Beklagten behaupteten räumlichen Anordnung des Fahrstandes oder im Hinblick auf die anderen streitigen Merkmale eine wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruchs 1 verneinen, sind schließlich die unter anderem in dem Urteil mit dem Schlagwort „Schneidmesser I“ (BGHZ 150, 149) wiedergegebenen Fragen zu behandeln, deren Beantwortung nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Wertung erlaubt, dass die betreffende Ausführungsform trotz vorhandener Abweichung vom Sinngehalt des Patentanspruchs in dessen Schutzbereich fällt. Insoweit erscheint im Hinblick auf die Angabe zur räumlichen Anordnung des Fahrstandes erwägenswert, dass die Wortwahl „im Bereich“ dem nacharbeitenden Fachmann ohnehin eine Entscheidung über den Ort abverlangt. Das könnte die Möglichkeit in den Blick rücken, den Fahrstand auch außerhalb des vom Wortsinn her vorgesehenen Bereichs anzuordnen, jedenfalls dann, wenn die betreffende Ausführungsform dies nach ihrer nicht durch den Patentanspruch 1 vorgegebenen Bauart trotz des erfindungsgemäßen platzsparenden Getriebes im Hinblick auf die erstrebte, im Vergleich zu der aus der FR-A-264 27 73 bekannten Fräse bessere Sicht als sinnvoll erscheinen lässt.

Wird die Evolution privatisiert?

2002 erhielt die Firma Plant Bioscience ein Patent (EP1069819) auf ein Verfahren, mit dem bei der Zucht von Brokkoli der Anteil eines bestimmten Inhaltsstoffs in den Pflanzen erhöht werden kann. Obwohl dieses Verfahren konventionelle Züchtungsschritte enthält, hat das Europäische Patentamt (EPA)  die  Selektion als technisches und damit patentfähiges Verfahren betrachtet.  Bei dem Verfahren werden bestimmte Gene in der Pflanze ermittelt und gekennzeichnet und so die ausgewählten Brokkolipflanzen mit einer hohen Konzentration des gewünschten Stoffs in der Pflanzenzucht eingesetzt.

Homunculus
Schaffung des Homunculus in Goethes Faust II

Dass Früchte oder andere Pflanzen patentiert werden können, ist ja keine Neuheit. Jedoch geht es nunmehr um das Ergebnis gewöhnlicher Züchtungen. Das Patentamt hat in diesem Rahmen auch ein Problem mit dem Begriff der Natur oder dem Verständnis, was als natürlicher Vorgang anzusehen ist. Einerseits werden nach dem Gesetz Verfahren, die vollständig auf natürlichen Phänomenen beruhen, als im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen angesehen. Andererseits werden Kreuzung und Selektion als Beispiele für natürliche Phänomene genannt. Die technische Beschwerdekammer des Patentamts sieht darin einen Widerspruch, weil das systematisches Kreuzen und Selektieren der traditionellen Pflanzenzüchtung in der Natur ohne den Eingriff des Menschen nicht vorkommen würde. Verständlicherweise ist es für einen Menschen schwer zu ermitteln, was in der Natur ohne den Menschen vorkommen würde und was nicht, denn der Mensch ist Bestandteil dieser Natur und der Mensch greift ständig — auch durch Züchtung und Selektion — in diese Natur ein. Insofern ist dieses Tun ein natürliches Phänomen. Die Beschwerdekammer möchte nun wissen, ob ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, das auf Kreuzung und Selektion beruht, deshalb patentierbar ist, weil es mit einem technischen Schritt verbunden ist. Dieser technische Schritt liegt darin, dass man die Selektion mit technischen Mitteln unterstützt. Allerdings beschränkt sich das Patent nicht auf diese Methode, sondern greift darüberhinaus, denn nach den Ansprüchen 9 bis 11 sollen genießbare Brassica-Pflanzen, genießbare Teile einer Brokkoli-Pflanze und Samen einer Brokkoli-Pflanze exklusiv vom Patentanmelder genutzt werden dürfen, wenn sie mit diesem Verfahren hergestellt wurde.

Das erscheint auf den ersten Blick gleich, ist es aber tatsächlich nicht. Wenn das Patent beispielsweise in Deutschland eingetragen ist, in Frankreich hingegen nicht, so kann man in Frankreich das Verfahren nutzen und Brokkoli nach dem Verfahren anbauen und verkaufen. In Deutschland dürfte man das Verfahren nicht nutzen. Da jedoch auch das Ergebnis der Anwendung des Verfahrens geschützt ist, darf man in Deutschland auch keinen nach diesem Verfahren hergestellten Brokkoli etwa aus Frankreich kaufen. Das Patent entfaltet also nicht nur in den Staaten, in denen Brokkoli angebaut wird, sondern auch in den Staaten, in denen (importierter) Brokkoli konsumiert wird, seine Wirkung. Damit wird das Ergebnis eines evolutionären Vorgangs patentiert, denn nicht der Patentanmelder hat die Brokkolipflanze geschaffen, sondern die üblichen Vorgänge in der Natur (auch wenn diese beeinflusst wurden).

Montesanto hat vor kurzem vom EuGH zu lesen bekommen, dass ohne den besonderen Schutz die Vermarktung nicht verboten werden kann. Die betroffene genetisch veränderte Sojapflanze wird in Argentinien, wo für die Erfindung von Monsanto kein Patentschutz besteht, in großem Umfang angebaut und nach Europa importiert. Das sei zulässig, so der EuGH. Es wäre jedoch nicht mehr zulässig, wenn die Tomate oder die Brokkolifrüchte selbst geschützt werden (wie in den streitigen Patenten vorgesehen).

Ein ähnlicher Fall ist das Patent EP 1211926 B1: Das israelische Landwirtschaftsministerium meldete im Jahr 2000 ein Patent auf ein Zuchtverfahren von Tomaten mit geringem Wassergehalt und dessen Produkte an, das 2003 erteilt wurde.

Geschützt wird mit von dem Patent nicht nur das Verfahren, sondern auch die auf üblichem Wege gezüchteten Tomaten. Obwohl das Patent aus nichts anderem als dem  biologischen Verfahren zur Züchtung einer bestimmten Tomatensorte beinhaltet, wurde das Patent vom Europäischen Patentamt im Jahr 2003 erteilt.  Geschützt wurde mit dem Patent folgendes „Verfahren zum Züchten von Tomatenpflanzen, die Tomaten mit verringertem Fruchtwassergehalt erzeugen, umfassend die Schritte:

  • Kreuzen von mindestens einer Lycopersicum esculentum-Pflanze mit einem Lycopersicon spp., um Hybridsamen zu erzeugen;
  • Sammeln der ersten Generation von Hybridsamen;
  • Züchten von Pflanzen aus der ersten Generation von Hybridsamen;
  • Bestäuben der Pflanzen der jüngsten Hybridgeneration;
  • Sammeln der Samen, die von der jüngsten Hybridgeneration erzeugt wurden;
  • Züchten von Pflanzen aus Samen der jüngsten Hybridgeneration;
  • Gestatten, dass die Pflanzen über den Punkt des normalen Reifens hinaus an dem Stängel verbleiben;und Durchmustern auf verringerten Fruchtwassergehalt, wie durch die verlängerte Konservierung der reifen Frucht und Faltung der Fruchthaut angezeigt.“
Tomate am Strauch. Valter Jacinto. Some rights reserved. Licensed under Creative Commons
Tomate am Strauch. Valter Jacinto. Some rights reserved. Licensed under Creative Commons

Es handelt sich um da bekannte Verfahren: Kreuzen, Sammeln der Samen, Züchten, Bestäuben, Sammeln der Samen usw. Nach Anspruch 15 ist auch das Ergebnis geschätzt, nämlich eine Tomatenfrucht, gekennzeichnet durch eine Fähigkeit der natürlichen Dehydratisierung, während sie sich auf einer Tomatenpflanze befindet, wobei die natürliche Dehydratisierung als Faltung der Haut der Tomatenfrucht definiert ist, wenn man die Frucht nach einem normalen reifen Erntezustand auf der Pflanze bleiben lässt, wobei die natürliche Dehydratisierung im Allgemeinen nicht von einem mikrobiellen Verderben begleitet ist. Das spielt sich offenbar alles im Rahmen eines natürlichen Vorgangs ab. Dass man keine verfaulten Tomaten patentieren wollte, ist selbstverständlich.

Die wasserarmen Tomaten sind für die Ketchup-Herstellung besonders geeignet. Inhalt des Patents ist die Kreuzung verschiedener Tomatenarten und die Tatsache, die Tomate etwas länger als gewöhnlich an der Staude zu lassen. Gegen die Patentierung legte das niederländische Unternehmen Unilever im Jahr 2004 Einspruch ein und verlangte aus denselben Gründen wie im Brokkoli-Verfahren den Widerruf des Patents. Auch dieses Verfahren befindet sich vor der Beschwerdeinstanz des EPA.

§ 9 des deutschen Patentgesetzes
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

  1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
  2. ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
  3. das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Nachdem es jedem gewerblich Tätigen verboten ist, die geschütze Tomate ohne Zustimmung des Patentinhabers herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, sind die Befürchtungen mancher nicht unberechtigt. Laut Spiegel-Online fürchtet Greenpeace-Patentexperte Christoph Then, dass wenige Konzerne sich künftig die Rechte an den wichtigsten Lebensmitteln sichern und damit die ganze Nahrungsmittelproduktion kontrollieren könnten: „Nicht nur Verbraucher werden zu Sklaven der Großkonzerne, sondern auch Landwirte, weil sie auf das Saatgut einiger weniger angewiesen sind.“

Im laufenden Verfahren findet am 20. und 21. Juli 2010 in München eine mündliche Verhandlung zu der Brokoli-Frage statt. Die Große Beschwerdekammer befasst sich damit, ob die marker-gestützte Selektion ein biologisches Zuchtverfahren oder ein technisches Verfahren und damit patentfähig ist. Im Anschluss an die Verhandlung ist das Urteil nicht zu erwarten — es dürfte aber wohl noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.

Maßgeblich für die Patentierungspraxis im Bereich Biotechnologie ist die 1998 verabschiedete EU-Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen, die u.a. die Patentfähigkeit von Pflanzen und Tieren grundsätzlich bejaht. Der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts (EPA)  hat die Richtlinie in das Europäische Patentübereinkommen übernommen. Die Biopatentrichtlinie kann jedoch nicht alle Praxisfälle regulieren und definiert auch die Grenzen zwischen klassischer Züchtung, Kreuzung, Selektion und modernen Züchtungsmethoden mit biotechnologischen Mitteln nicht eindeutig.

Das EPA entschuldigte sich schon im Voraus, wenn es nunmehr Vorgänge in der Natur oder deren Ergebnisse für patentenfähig erklärt werden sollten. Die Frage nach der Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren stünde nicht zur Diskussion:

„Die Rolle des Europäischen Patentamts beschränkt sich auf die Überprüfung, ob eine Patentanmeldung eine neuartige und wirtschaftlich nutzbare technische Entwicklung ist, die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Eine soziale, ökonomische oder ökologische Folgenabschätzung liegt nicht in seiner Kompetenz und Möglichkeit. Dies ist eine Aufgabe des Gesetzgebers bzw. der zuständigen europäischen und nationalen Regulierungsbehörden.“

Auf den Gesetzgeber zu vertrauen, scheint aber eine hoffnungslose Angelegenheit, so lange sich der Irrglaube hält, geistiges Eigentum fördere die Innovation. Das Patent beruht auf der Biopatentrichtlinie. Diese hatte zum Ziel, eine Harmonisierung der unterschiedlichen Patentrechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich der Biopatente zu erreichen. Ein wirksamer und harmonisierter Schutz – so Erwägungsgrund 3 der Richtlinie – sei wesentliche Voraussetzung dafür, dass Investitionen auf dem Gebiet der Biotechnologie fortgeführt und gefördert würden. Irgendwelche Aussagen, ob und in welchem Umfang die Umsetzung der Richtlinie vorteilhafte Wirkungen hat, lässt sich bislang nicht sagen. Die nachteiligen liegen auf der Hand: Einige Unternehmen können in einen weiteren Bereich ohne den lästigen Wettbewerb ihre Interessen verfolgen.

Vgl. hierzu:

  • Interview mit der Biologin Ruth Tippe in der Süddeutschen Zeitung;
  • der Brokkoli-Fall bei No Patents on Seeds;
  • Tomaten mit niedrigem Wassergehalt und Produkte dieses Verfahrens bei No Patents on Seeds;
  • Spiegel-Online vom 20. 7. 2010
  • Süddeutsche Zeitung vom 20. 7. 2010
  • Verhandlungsbericht vom 21. 7. 2010 bei Heise Online
  • Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des deutschen Bundestags vom  17. 06. 2009, in dem vor allem steht, dass diese Entwicklung nicht beabsichtigt gewesen sei:
    Sowohl die für das Europäische Patentamt geltenden Regelungen als auch das deutsche Patentgesetz sehen vor, für „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren“ Patente nicht zu erteilen. Der Deutsche Bundestag hat mit der Umsetzung der Biopatent-Richtlinie die Absicht verbunden, den Gegensatz des nicht patentierbaren biologischen Verfahrens zur patentierbaren technischen Erfindung ausreichend sicher zu beschreiben. Der Deutsche Bundestag erwartet daher, dass die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zu einer Interpretation führt, die für eine klare Abgrenzung biotechnologischer Erfindungen von herkömmlichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten wie Züchtung und Kreuzung sorgt und die Patentierung herkömmlicher landwirtschaftlicher Tätigkeiten wie Züchtung und Kreuzung ausschließt.

Patent zur Herstellung von Geldscheinen

Der für das Patentrecht zuständige Xa-Zivilsenat hat am 8. Juli 2010 über eine Nichtigkeitsklage der Europäischen Zentralbank gegen ein Patent entschieden, das ein Verfahren zur Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments, zum Beispiel von Geldscheinen, betrifft.

Das angegriffene Patent, das vom Europäischen Patentamt mit Wirkung für zahlreiche europäische Länder erteilt worden ist, betrifft ein Verfahren, mit dem Geldscheine insbesondere vor Fälschung mittels modernen Farbkopiergeräten geschützt werden sollen. Hierzu sollen die Geldscheine mit bestimmten Strukturen versehen werden, die beim Kopiervorgang ein so genanntes Moirémuster erzeugen, das die Kopie leicht erkennbar als Fälschung entlarvt.

Die Patentinhaberin führt gegen die Europäische Zentralbank in mehreren europäischen Ländern Rechtsstreitigkeiten. Sie macht geltend, bei der Herstellung der Euro-Banknoten werden von der patentierten Lehre Gebrauch gemacht. Die Europäische Zentralbank wehrt sich dagegen mit einer Nichtigkeitsklage, die in jedem Land, für das das Patent erteilt worden ist, gesondert erhoben werden muss. In verschiedenen Staaten, darunter Großbritannien und Frankreich, ist das Patent mit Wirkung für das jeweilige Land bereits rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In den Niederlanden und Spanien ist die Nichtigkeitsklage in erster Instanz erfolglos geblieben.

In Deutschland hat das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Nach seiner Auffassung greift keiner der von der Klägerin vorgetragenen Nichtigkeitsgründe.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Bundespatentgerichts abgeändert und das Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Er ist ähnlich wie die englischen und französischen Gerichte und wie das österreichische Patentamt zu der Auffassung gelangt, dass die erteilte Fassung des Patents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind die Rechtswirkungen des Patents damit rückwirkend entfallen. Man kann also die Technik kopieren, die das Kopieren der Geldscheine erschweren soll.

Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07

Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch Ausnutzung des Patentschutzes

Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung eine Geldbuße in Höhe von 46 Mio. Euro und der erstgenannten Klägerin eine weitere Geldbuße in Höhe von 14 Mio. Euro wegen Verstößen gegen Artikel 82 EG und Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auferlegt. Sie hat festgestellt, dass der AstraZeneca-Konzern seit 1993 gegenüber Patentanwälten, nationalen Gerichten und Patentämtern bewusst unrichtige Angaben gemacht hätten, um ergänzende Schutzzertifikate zu erhalten, auf die sie, wie sie gewusst hätten, für ihr patentiertes Produkt „Omeprazole“, den in ihrem Arzneimittel „Losec“ enthaltenen Wirkstoff, keinen Anspruch gehabt hätten. Außerdem hätten die Klägerinnen 1998/99 die Strategie verfolgt, ihre „Losec“-Kapseln selektiv vom Markt zu nehmen, sie durch „Losec“-Tabletten zu ersetzen und die Löschung der Verkehrsgenehmigung für die Kapseln in Dänemark, Norwegen und Schweden zu beantragen. Beide Verstöße seien in der Absicht begangen worden, den Wettbewerb durch Generika und Parallelimporte in unlauterer Weise zu beschränken.

Der AstraZeneca-Konzern focht die Feststellungen der Kommission auch aus aus rechtlichen und sachlichen Gründen an. Was die angeblichen unrichtigen Angaben in Bezug auf Patente angehe, so könnten derartige irreführenden Angaben bei der Beantragung gewerblicher Schutzrechte rechtlich keinen Missbrauch darstellen, sofern und solange die unredlich erworbenen Rechte nicht durchgesetzt würden oder durchgesetzt werden könnten. Außerdem seien die Klägerinnen nach zutreffender Auslegung von Artikel 82 EG nicht verpflichtet, eine Verkehrsgenehmigung für ein Produkt, das von ihnen nicht mehr vertrieben werde, nur deshalb aufrechtzuerhalten, weil dies den Wettbewerb für Generika und Parallelhändler erleichtern würde.

Das Gericht bestätigt im Wesentlichen die Entscheidung der Kommission, mit der diese festgestellt hat, dass der AstraZeneca-Konzern seine beherrschende Stellung missbrauchte, indem er das Inverkehrbringen von generischem Losec verhinderte Die Geldbuße wird jedoch von 60 Mio. Euro auf 52,5 Mio. Euro herabgesetzt, weil die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass sich der Widerruf der Arzneimittelzulassungen in bestimmten Mitgliedstaaten auf die Paralleleinfuhren auswirken konnte.

Mit Entscheidung vom 15. Juni 2005 (Entscheidung C (2005) 1757 final der Kommission vom 15. Juli 2005 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] und
Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/A.37.507/F3 – AstraZeneca)) verhängte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von 46 Mio. Euro gegen die AstraZeneca plc (Vereinigtes Königreich) und ihre Tochtergesellschaft AstraZeneca AB (Schweden) sowie eine zusätzliche Geldbuße in Höhe von 14 Mio. Euro gegen die AstraZeneca AB wegen Missbrauchs ihrer beherrschenden Stellung durch Ausnutzung des Systems des Patentschutzes und der Verfahren zur Zulassung von Arzneimitteln allein zu dem Zweck, den Markteintritt von generischen Arzneimitteln, die mit ihrem Magengeschwür-Arzneimittel Losec konkurrierten, zu verhindern oder zu verzögern oder Paralleleinfuhren von Losec zu verhindern.

Die Kommission stellte zum einen fest, dass AstraZeneca bei den Patentämtern in Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und dem Vereinigten Königreich absichtlich irreführende Angaben gemacht habe, um für Losec durch ein ergänzendes Schutzzertifikat eine Verlängerung des Patentschutzes zu erreichen. Diese Verlängerung habe ein Ausgleich für die Zeit vor der Zulassung des Arzneimittels sein sollen, während deren das Unternehmen dieses Arzneimittel nicht habe vermarkten können. AstraZeneca habe den nationalen Patentämtern den Zeitpunkt der Erstzulassung des Arzneimittels vorenthalten, wodurch sie einen ergänzenden Schutz habe erhalten können, der ihr nicht zugestanden habe.

Zum anderen wurde AstraZeneca dafür belangt, dass sie für Losec in Kapselform in Dänemark, Norwegen und Schweden den Widerruf der Zulassung beantragt habe, um erstens die Vermarktung generischer Arzneimittel hinauszuzögern und zu erschweren und zweitens Paralleleinfuhren von Losec zu verhindern. Nach dem zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Unionsrecht habe das Referenzarzneimittel im betreffenden Mitgliedstaat noch zugelassen sein müssen, damit ein generisches Arzneimittel im vereinfachten Verfahren zugelassen werden könne, das schneller und für den Antragsteller billiger sei. Aufgrund des von AstraZeneca beantragten Widerrufs der Zulassungen für Losec in Kapselform habe dieses vereinfachte Verfahren nicht angewandt werden können, und es habe somit länger gedauert und sei schwieriger gewesen, die Marktzulassungen für die generischen Arzneimittel einzuholen, deren Markteinführung sich entsprechend verzögert habe.

Die AstraZeneca plc und die AstraZeneca AB haben beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission erhoben und hilfsweise die Herabsetzung der festgesetzten Geldbußen beantragt.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die meisten der von AstraZeneca vorgebrachten Argumente zurück und stellt fest, dass sie ihre beherrschende Stellung in zweifacher Weise missbraucht hat. Erstens hat AstraZeneca tatsächlich vor den nationalen Patentämtern irreführende Angaben gemacht. Zweitens bedeutet der Umstand, dass die Pharmaunternehmen in der Regel berechtigt sind, den Widerruf von Marktzulassungen ihrer Produkte zu verlangen, nicht, dass dieses Verhalten dem in Art. 82 EG vorgesehenen Verbot entzogen ist. Das Gericht erklärt jedoch die Entscheidung der Kommission für nichtig, soweit darin festgestellt wird, dass der Widerruf der Marktzulassungen von Losec in Kapselform in Dänemark und Norwegen geeignet war, Paralleleinfuhren zu beschränken.

Nach Auffassung des Gerichts hat die Kommission angesichts des rechtlichen Kontextes nicht nachgewiesen, dass der Widerruf der Marktzulassungen geeignet war, Paralleleinfuhren in Dänemark und Norwegen zu beschränken, geschweige denn, dass das Ende oder der starke Rückgang der Paralleleinfuhren von Losec in diese beiden Länder durch das Verhalten von AstraZeneca verursacht war. In Anwendung des Grundsatzes, dass Zweifel dem Adressaten der den Verstoß feststellenden Entscheidung zugute kommen müssen, setzt das Gericht die der AstraZeneca AB und der AstraZeneca plc gesamtschuldnerisch auferlegte Geldbuße auf 40 250 000 Euro und die der AstraZeneca AB auferlegte Geldbuße auf 12 250 000 Euro herab.

Urteil des EuGH vom 1. Juli 2010 in der Rechtssache T-321/05 AstraZeneca / Kommission

Vermarktung von Sojamehl mit patentierter DNA-Sequenz

Urteil des EuGH in der Rechtssache C-428/08 Monsanto Technology LLC / Cefetra BV u. a.

Monsanto kann die Vermarktung von argentinischem Sojamehl, das eine für diese Gesellschaft patentierte DNA-Sequenz als Rückstand enthält, in der EU nicht verbieten. Ein europäisches Patent kann nur für eine Erfindung geltend gemacht werden, die die Funktion, für die sie patentiert wurde, tatsächlich erfüllt.

Monsanto ist seit 1996 Inhaberin eines europäischen Patents für eine DNA-Sequenz, die bei Einbringung in die DNA einer Sojapflanze diese Pflanze gegen das in der Landwirtschaft häufig verwendete Herbizid Glyphosat resistent macht. Erzeuger können so das Unkraut vernichten, ohne dem Sojapflanzenanbau zu schaden.

Diese genetisch veränderte Sojapflanze, die RR-Sojapflanze, wird in Argentinien, wo für die Erfindung von Monsanto kein Patentschutz besteht, in großem Umfang angebaut.

Europäische Gesellschaften führten in den Jahren 2005 und 2006 Sojamehl aus Argentinien in die Niederlande ein. Eine auf Antrag von Monsanto vorgenommene Untersuchung ergab das Vorhandensein von Spuren der für die RR-Sojapflanze charakteristischen DNA, was bewies, dass das eingeführte Mehl mit diesem Sojapflanzentyp erzeugt worden war.

Die von Monsanto befasste Rechtbank ’s-Gravenhage (erstinstanzliches Gericht Den Haag, Niederlande) hat dem Gerichtshof die Frage gestellt, ob allein das Vorhandensein der durch ein europäisches Patent geschützten DNA-Sequenz für die Feststellung einer Verletzung des europäischen Patents von Monsanto anlässlich der Vermarktung des Mehls in der Europäischen Union ausreicht.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213, S. 13) den von einem europäischen Patent gewährten Schutz davon abhängig macht, dass die genetische Information, die in dem patentierten Erzeugnis enthalten ist oder die dieses darstellt, ihre Funktion in diesem Material selbst aktuell erfüllt.

Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Funktion der Erfindung von Monsanto erfüllt wird, wenn die genetische Information die Sojapflanze, in die sie Eingang gefunden hat, gegen die Wirkweise des Herbizids Glysophat schützt. Diese Funktion der geschützten DNA-Sequenz kann jedoch nicht mehr erfüllt werden, wenn die Sequenz als Rückstand in Sojamehl enthalten ist, das ein nach mehreren Verarbeitungsvorgängen der Sojapflanze gewonnenes totes Material ist. Folglich ist der europäischen Patenten gewährte Schutz ausgeschlossen, wenn die genetische Information aufgehört hat, ihre Funktion in der ursprünglichen Pflanze, aus der sie hervorgegangen ist, zu erfüllen.

Ein solcher Schutz kann nicht mit der Begründung gewährt werden, dass die im Sojamehl enthaltene genetische Information ihre Funktion in einer anderen Pflanze möglicherweise erneut erfüllen könnte. Hierzu wäre es nämlich erforderlich, dass die DNA-Sequenz tatsächlich in diese andere Pflanze eingebracht wird und so ein Schutz für diese aufgrund des europäischen Patents entstehen könnte.

Unter diesen Umständen kann Monsanto die Vermarktung von Sojamehl aus Argentinien, das seine biotechnologische Erfindung als Rückstand enthält, auf der Grundlage der Richtlinie nicht verbieten.

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die einer patentierten DNA-Sequenz als solcher einen absoluten Schutz gewährt, unabhängig davon, ob sie die Funktion, die sie innehat, in dem sie enthaltenden Material erfüllt oder nicht. Die Bestimmungen der Richtlinie, in denen das Kriterium der tatsächlichen Erfüllung dieser Funktion vorgesehen ist, stellen nämlich eine abschließende Harmonisierung dieses Gebiets in der Europäischen Union dar.