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Sonderrecht für Presseverleger (Leistungsschutz?)

Unsere, also die deutsche  Bundesregierung hat einen Entwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger veröffentlicht. An sich könnte man ja einen ausführlichen Kommentar zum Entwurf der Bundesregierung und den einzelnen Regelungen schreiben, aber dafür ist der Vorschlag doch zu absurd (und vollkommen gaga sind unsere Abgeordneten hoffentlich nicht, so dass der Entwurf wohl kaum umgesetzt werden wird). Dass die Begründung wesentlich auf die absehbar harsche Kritik im Netz (Blogger, Facebooknutzer etc.) abstellt und kaum auf die im Kern nachteilig betroffenen gewerblichen Unternehmen, offenbart eigentlich, wie unzureichend durchdacht der Vorschlag ist. Aber wir haben es vielleicht auch mit ein paar schlitzohrigen Abgeordneten zu tun, die einerseits die Presse nicht verärgen wollen (und einen Entwurf vorlegen), andererseits aber genau wissen, dass der Unfug kaum durchkommen wird.

Der Vorschlag sieht wie folgt aus:

In das geltende Urhebergesetz  sollen folgende Bestimmungen aufgenommen werden:

§ 87f  Presseverleger

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

(2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

§ 87g Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts
(1) Das Recht des Presseverlegers nach § 87f Absatz 1 Satz 1 ist übertragbar. Die §§ 31 und 33 gelten entsprechend.

(2) Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presseerzeugnisses.

usw.

Dort steht zusammengesetzt:

Der Presseverleger hat das ausschließliche Recht, die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken zu veröffentlichen.

Was die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge sein soll?  Damit ist vermutlich die kopierbare Leistung der Presseverleger gemeint, nicht das Erscheinungsbild einer Zeitung oder Website. Die kopierbare Leistung gilt es offenbar zu schützen gilt, weil die Zeitungsverleger schon im 19. Jahrhundert gejammert haben, dass andere bei ihnen abgeschrieben haben (so kann man in der Begründung zum Entwurf lesen — zugrunde gegangen sind sie daran aber nicht). Mit den digitalen Techniken und dem Internet sei das alles noch viel schlimmer geworden. Allein das Urheberrecht (für Werke im Sinne des UrhG) und die Leistungsschutzrechte etwa für Fotografien seien nicht ausreichend, unter anderen weil diese Rechte ja nicht zwingend den Verlegern zustehen, sondern gelegentlich — je nach Vertrag — auch den Autoren oder Fotografen. Dass diese selbst entscheiden könnten, kommt den Verlegern offenbar nicht in den Sinn. Wahrscheinlich sind Autoren jedoch dankbar, wenn ihre alten Artikel zumindest über Suchmaschinen oder andere Hinweise noch gefunden werden, weil sie dann noch gelesen werden. Fällt das sogenannte Deep Linking weg, verschwinden die meisten Artikel für die meisten Interessenten nahezu unauffindbar irgendwo im Datenbankdickicht des jeweiligen Content Management Systems. Und schließlich, was geht es die Verleger überhaupt an, an wenn jemand einen Presseartikel kopiert, an dem sie keine exklusiven Rechte erworben haben?

Deshalb, weil sie so viel gejammert haben, kriegen nun die Presseverleger ein Sonderrecht.  Der Presseverlegerverband hat schon mitgeteilt, dass das Gesetz so in Ordnung wäre. Andere Veröffentlicher bekommen hingegen kein Verbotsrecht, weil sie keine redaktionell-technische Festlegung leisten (sondern einfach so veröffentlichen). Mit der Hervorhebung der Leistung der Verleger (redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge genannt) will man ersichtlich verschleiern, dass es tatsächlich um die Teile geht, also die Teile, aus denen sich eine Zeitung oder ein Online-Auftritt eines Presseverlegers zusammen setzt: Texte, Töne, Bilder  oder Kombinationen davon.

Eine untere Grenze, was wir unter den Teilen dieser redaktionell-technischen Festlegung verstehen dürfen, ist  in dem Entwurf nicht ersichtlich. Es wird weder irgend eine besondere Qualität oder Originalität, nicht einmal die Neuheit gefordert, im Gegenteil: hierauf soll es nach dem Entwurf nicht ankommen, weil jeder Schnipsel Teil der Leistung des Presseverlegers ist. Da sollen sich nach der Meinung unserer Bundesregierung offenbar die gewerblichen Verbreiter streiten, wem so interessante Teile der journalistischen Festlegung wie DAX leicht im Plus gehören (dazu bereits hier). DAX leicht im Minus darf wahrscheinlich ein anderer Presseverleger ein Jahr lang exklusiv gewerblich verbreiten. Alle, die das gleiche gewerblich verbreiten wollen, sollen nach der Vorstellung unserer Bundesregierung mit dem  Rechtsinhaber über eine Genehmigung verhandeln. Es wird angesichts dieser kruden Vorstellungen wahrscheinlich hunderte von Aspiranten geben, die meinen, sie hätten das Ausschließlichkeitsrecht für solche Standardformulierungen, denn die können eine wahre Goldgrube sein.


Edit: 18. 6. 2012


Nach Ablauf eines Jahres erlischt das Recht. Vermutlich muss der der Rechtsinhaber jedoch kurz vor Ablauf der Frist nur einmal Mal wieder Dax leicht im Plus schreiben und schon hat er ein neues Ausschließlichkeitsrecht für ein weiteres Jahr (usw. etc.). Für diese Vermutung spricht, dass nicht die besondere Qualität des Teiles des Presseerzeugnisses ausschlaggebend sein soll, sondern die redaktionell-technische Leistung. Wenn diese erneut erbracht wurde, müsste sie erneut das Verbotsrecht auslösen.

Gewerblich tätig im Sinne des Entwurfs ist  offenbar jeder, der irgendeinen Umsatz irgendwie im Zusammenhang mit seinen Veröffentlichungen macht oder machen könnte: Taucht auf meiner Katzenfotosammlung im Internet (1) eine Werbung und  (2) so ein Schnipsel auf und hat  (3) ein Presseverleger im Laufe des letzten Jahres den gleichen Schnipsel verbreitet, kann er von mir Unterlassung verlangen.

Man muss nicht einmal schreiben, dass man beispielsweise die Formulierung: ,,Das Treffen im kleinen Kreis wurde für den Wirtschaftsminister zu einem Fiasko, weil …“ von der Website eines anderen Presseverlegers übernommen hat. Allein die Übernehme des Satzes würde dann einen Verstoß gegen das Exklusivrecht des ersten Presseverlegers darstellen. Wer die journalistische Praxis kennt, der weiß, dass in den Redaktionen — wie sonst auch — eifrig abgekupfert wird. Wenn man einen Artikel zu einem Thema schreibt, übernimmt man oft eine Formulierung hier, eine andere dort. Das entspricht der menschlichen Natur und der Begrenztheit der Mittel, weil sich zwar für manche Formulierungen verschiedene Varianten anbieten, aber irgendwann ist Schluss mit den Möglichkeiten. Man kann vielleicht auf fünf oder zehn Arten ein Ereignis beschreiben. Aber irgendwann werden auch die Paraphrasen unverständlich.

Was passiert, wenn ich sage, dass ich nicht kopiert habe, sondern der Satz: ,,Die sind besonders süß„, auf meinem Mist gewachsen ist: Das soll vermutlich trotzdem verboten sein, weil andernfalls das Recht des Presseverlegers ausgehöhlt werden würde (oder es gibt eine Beweislastumkehr: ich muss beweisen, dass ich nicht abgeschrieben habe).

Selbst wenn dem nicht so wäre, also eine Art Kopier- oder Übernahmehandlung erforderlich sein sollte — es müssen jedoch auf jeden Fall die automatisierten Vorgänge bei den Nachrichtenaggregatoren erfasst werden — wenn also irgend eine auch automatisierte Übernahme von dem Presseerzeugnis notwendig sein sollte: Dies wäre eine Beweisfrage, die im Zweifelsfall vor Gericht zu klären wäre. Und die Beweislast trägt typischerweise derjenige, der sich auf bestimmte Umstände beruft. Das heißt, der erste Verleger muss nur nachweisen, dass ein bestimmter Schnipsel a) Bestandteil des eigenen Presseerzeugnisses ist, b) dieses vor der angeblich das Ausschließlichkeitsrecht verletzenden anderen Veröffentlichung erschienen ist und c) die Schnipsel identisch sind. Der andere wird hingegen die Beweislast haben, dass er nicht die Veröffentlichung des ersten Presseverlegers zur Kenntnis genommen hat. Am besten arbeitet man wohl mit Autoren zusammen, die blind und taub sind, denn bei denen dürfte der Nachweis, dass sie eine bestimmte Formulierung nicht woanders übernommen haben, am leichtesten fallen.

Wohin so eine Gesetzesänderung wahrscheinlich führen wird: Die großen Verlage würden sich  großzügig gegenseitig befreien (kennt man ja schon von den Patenten), während die kleinen gewerblichen Websites allesamt von der Gnade der Großen abhängen werden, denn gegen dieses Ausschließlichkeitsrecht (Teile einer  redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge anderer zu veröffentlichen) kann man eigentlich nur dann nicht verstoßen, wenn man sich der Verwendung aller geläufigen Sprachen dieser Welt enthält.

Nun steht zwar im Entwurf, dass das Recht nicht zum Nachteil des Urhebers oder eines Leistungsschutzberechtigten geltend gemacht werden darf, dessen Werk oder nach diesem Gesetz geschützter Schutzgegenstand im Presseerzeugnis enthalten ist — aber damit sind wohl nur die Verfasser der Teile der redaktionell-technischen Festlegung gemeint, nicht andere Autoren.

Vor allem die Macht der großen Verlage wird so gestärkt werden, weil sie ein Instrument in die Hand bekommen, gegen die kleine Konkurrenz vorzugehen. Sie müssen das Leistungsschutzrecht nicht einsetzen, sie können es aber.

Der Entwurf ist eine Absurdität, über die sich gerne andere tiefer gehende Gedanken machen können, zum Beispiel hier: Till Kreutzer (Referentenentwurf zu, Leistungsschutzrecht. Eine erste ausführliche Analyse), der unter der URL http://irights.info/?q=content/referentenentwurf-zum-leistungsschutzrecht-eine-erste-ausfuhrliche-analyse seine Überlegung niedergelegt hat, ob das, was ich hier mache, schon unter das Verbotsrecht fällt, weil ich ja einen Teil der journalistisch-technischen Festlegung der Website wiedergegeben habe.


Ergänzung (19. 6. 2012):

SPIEGEL ONLINE hat am 15. 6. 2012 mitgeteilt, man dürfe auch in Zukunft mit Überschrift und Textanriss auf ihre Website verlinken. Auf der anderen Seite erklärt Christoph Keese wie die Verlage sich in Zukunft verhalten sollten: Keine Abmahnwellen, faire Preise! Wie das Leistungsschutzrecht genutzt werden sollte. Man muss hierzu noch sagen, dass wohl kaum ein anderer so für das Sonderrecht der Presseverleger getrommelt hat, wie Herr Keese (vorgeblich in seiner Freizeit, neben seiner Tätigkeit für den Axel-Springer-Verlag). Das sind zwei sehr interessante Aussagen:

  1. Spiegel Online erklärt vorab einen Verzicht auf den Kern des Leistungsschutzrechts.
  2. Herr Keese fordert die Presseverleger auf, sie sollten im Grundsatz ihr erhofftes Recht doch nicht so richtig durchsetzten, sondern in vielen Fällen Gnade walten lassen. Außerdem sollen ,,harmlose Blogger“, die gelegentlich die  Grenze zum erlaubten Zitat (wo diese Grenze genau verläuft, ist ein Mysterium) überschreiten und die ein wenig Werbung auf ihren Seiten unterbringen ,,völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können“,  etwa durch eine ,,preislich superattraktive Mehrjahresflatrate“, die ,,sie aller Sorgen enthebt“.

Hier offenbaren sich die besonderen Qualitäten des Gesetzentwurfes:Wenn die Presseverlage gnädig sind, das Recht gar nicht zur vollen Entfaltung gebracht wird, also das dauernde rechtswidrige Handeln Vieler lax gehandhabt wird, und die harmlosen Blogger brav einen geringen monatlichen Obolus an die Presseverleger leisten, wird es gar nicht so übel kommen, wie es auf den ersten Blick aussieht. Wer gleich eine Mehrjahresflatrate bucht, bekommt von Herrn Keese bestimmt einen Nachlass in Aussicht gestellt: Buche 36 Monate Presseverleger-Flatrate und zahle nur 30 Monate (oder so ähnlich).  Dieses alles nach dem Gutdünken der Verleger, die umgekehrt auch mal einen Blogger in die Pleite treiben können, denn dass sie ihr scharfes Schwert nicht einsetzen sollen, heißt noch lange nicht, dass sie es nicht tun.

Man kann es auch anders sagen: La propriété intellectuellec’est le vol !


Ergänzung (22. Feb. 2013):

Diese Aufnahme einer Anhörung von Mathias Döpfner, Julia Jäkel, Ulrich Lingnau, Rainer Esser, Christian Nienhaus und Stephan Weichert zur Lage der Presseverlage (Zusammenfassung und Hintergrundinformationen hier) im Bundestagsausschuss zur Zukunft des Qualitätsjournalismus im Ausschuss für Kultur und Medien am 20. Februar 2013 verdeutlicht die andere Seite der Problematik. Auffällig ist die vergleichsweise offen geäußerte „eine Hand wäscht die andere“-Logik: Wir, die Presse, sorgen seit Jahrzehnten dafür, dass keine ,,radikalen“ Parteien gewählt werden. Das soll wohl nichts anderes heißen als: Liebe Bundestagsabgeordnete, helft uns, denn wir helfen euch auch, indem wir politische Neueinsteiger oder Andersdenkende mit unseren Mitteln möglichst klein halten. Aber lassen wir dies (und das angesprochene Privileg für das  => Datensammeln) einmal beiseite, denn die Aussagen und Hoffnungen der Vertreter der großen Presseverlage im Hinblick auf das Leistungsschutzrecht erscheinen bestenfalls naiv.

Deutlich wird, dass die behauptete Krise der Verlage weniger mit den Suchmaschinen und anderen Sschnipselanbietern zusammen hängt, sondern in der Hauptsache auf dem Rückgang der Auflage und der Werbung beruht (Stichwort: Scout, siehe hier). Diese Umsatzeinbußen lassen sich ohne Frage auch auf das Internet zurückführen (obwohl wahrscheinlich früher auch das Radio und das Fernsehen zu Umsatzverlusten geführt haben). Mit Veröffentlichungen im Internet könnten Verlage nur in Ausnahmen Gewinne erwirtschaften. Das bedeutet aber nun nicht zwingend, dass nun die Unternehmen, die mit dem Internet Geld verdienen, zu einem Ausgleich verpflichtet sind, auch dann nicht, wenn symbiotische Verhältnisse bestehen.

Es stellt sich außerdem die Frage, wie die Verleger die teilweise widersprüchlichen Aussagen ,,unter einen Hut“ bekommen wollen.

  • Man kann doch nicht angeblich auf den freien Markt setzen;
  • den Rückgang der Nachfrage konstatieren (was im Markt zum Ausscheiden von Anbietern führen sollte, um das Überangebot zu ,,bereinigen“)
  • eine Subventionierung durch den Staat ablehnen (das Leistungsschutzrecht soll aber genau das sein, eine staatliche Maßnahme, die den Verlegern mehr Geld bringt);
  • und schließlich der seit Jahrhunderten als Dauerbrenner-Schein-Argument unter den Befürwortern der Monopole Widerspruch, nämlich,
    • dass es ein Überangebot gibt, das die Einnahmen verringert: deshalb braucht man ein Monopol);
    • und gleichzeitig das Monopol fordern, weil es ohne ein Monopol Unterangebot geben würde.

Ob überhaupt eine Ernst zu nehmende Nachfrage nach dem besteht, was die Presseverlage mittels des Leistungsschutzrechtes verkaufen wollen, wird bei all dem überhaupt nicht erörtert. Dass ein Interesse an längeren Beiträgen besteht, lässt sich wohl nicht von der Hand weisen. Jedoch, diese längeren Beiträge werden üblicherweise vom Urheberrecht erfasst und wieso sollte man den Verlagen zusätzlich Rechte verschaffen (die die Rechte der Urheber begrenzen, weil ja die Verlage ebenfalls Rechte an dem gleichen Text erhalten)?

Und ob es wirklich viele Unternehmen gibt, die bereit sind, für nicht vom Urheberrecht erfasste Schnipsel auch nur einen Cent zu bezahlen, ist zweifelhaft. Zum einen verdient der Großteil der Anbieter im Internet nun auch nicht mehr als die Presseverlage, während erfolgreiche Unternehmen — insbesondere wohl der Hauptgegner Google — nicht bereit sein werden, etwas zu bezahlen. Dementsprechend ist überhaupt nicht ersichtlich, was dieses ziemlich abstrus formulierte Leistungsschutzrecht außer Verwirrung, Verunsicherung, Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren überhaupt zeitigen soll. Tatsächlich wollen die Verlage ja, dass ihr Angebot mittels der Schnipsel im Internet bei anderen Anbietern erscheint, auch wenn sie sich für ein Verbot stark machen. Das, was durch das Leistungsschutzrecht verboten werden soll, soll nach dem Willen derjenigen, die das Verbot fordern, ja tatsächlich stattfinden.


Geistiges Eigentum v. Intellectual Property

Google Books bietet mit seinen statistischen Möglichkeiten und dem Ngram Viewer interessante Einblicke, wie oft Begriffe über einen längeren Zeitrum in den Büchern verwendet wurden. Für diese quantitativen Untersuchungen wurde von einigen Wissenschaftlern bereits ein Begriff erfunden: Culturomics.

Geistiges Eigentum

Nimmt man die Begriffe Geistiges Eigentum und das englische Pendant Intellectual Property, sind die Abweichungen der jeweiligen Entwicklungen immens. Dabei zeigen sich sehr interessante Unterschiede wie auch Parallelen.

In der Zeit von 1800 bis 2008 erlebte der Begriff geistiges Eigentum erst vor kurzem seinen neuen Höhepunkt. Der erste war um 1900 (1905), also just nach Inkrafttreten des BGB. Zwar wurden in die Zeit zwischen 1870/71 und 1900  auch die Gesetze über das Urheberrecht, das Patentrecht, den Musterschutz und das Markenrecht erlassen bzw. erneuert, jedoch fehlen im BGB praktisch sämtliche Bestimmungen zum den genannten Rechtsgebieten.

Geistiges Eigentum in Google Books 1800--2008

In der Rechtswissenschaft war es um 1880, als der Begriff zu seinem ersten Höhenflug in den Büchern ansetzte, weitgehend ausgemachte Sache, dass man den Begriff geistiges Eigentum als fachlich irreführend nicht nutzen sollte (auch wenn man sich über die Alternative nicht im Klaren war).

Allerdings wurde der Begriff geistiges Eigentum in Deutschland nicht ausschließlich im rechtlichen Sinne genutzt, sondern auch in der Bildung: Die Schüler sollten nicht nur das Wissen aufnehmen, sondern auch anwenden können. Erst dann sei das Wissen das „geistige Eigentum“ des Schülers oder Studenten geworden. Wer historische Konnotationen nicht beachtet, kann zu verzerrten Ergebnissen kommen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kristallisierte sich die Umschreibung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht als Zusammenfassung für die Rechtsgebiete  heraus.  In der Folgezeit ließ die Verwendung des Begriffs geistiges Eigentum nach, um erneut nach dem zweiten Weltkrieg — möglicherweise im Zusammenhang mit der Lobbyarbeit für die Neugestalung des Urhebergesetzes (1965) — einen neuen Aufschwung zu erleben. Der Höhepunkt war 1955. Ab Inkrafttreten des neuen Urhebergesetzes ließ die Nutzung wieder nach und stieg erst an, als auch der englische Begriff immer häufiger genutzt wurde.

So muss man bei diesen Statistiken vorsichtig sein: Wenn man den Begriff GRUR, die Abkürzung für „Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht“ (rote Linie in der folgenden Abbildung) dem geistigen Eigentum entgegensetzt, so scheint dieser Begriff die Diskussion vollständig zu beherrschen. Tatsächlich wird hier nur deutlich, dass die Verwendung des Begriffs GRUR stark zugenommen hat. Über das Verhältnis zum anderen Begriff geistiges Eigentum besagt die Statistik deshalb wenig, weil es eine Zeitschrift gibt, die sich GRUR nennt. Je öfter diese Zeitschrift zitiert wurde, desto höher ist deshalb auch der Wert in der Grafik. Allerdings lässt sich durchaus eine Korrelation mit dem Begriff geistiges Eigentum erkennen, also der Anstieg um 1950 (der allerdings auch mit dem Kartellrecht in Verbindung gebracht werden kann, denn zum 1.1. 1958 trat das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft), sowie die erneute, ununterbrochene Zunahmen seit 1980.

GRUR in Google Books 1900--2008

Welche Aussagekraft solche Untersuchungen haben, steht auf einem anderen Blatt. Wer von dem aktuellen Verständnis eines Begriffs ausgeht, wird im Ergebnis nur die sehr begrenzte Erkenntnis über die Nutzung des Worts erzielen.  Die Kultur lässt sich mit einer rein quantitativen Methode kaum erfassen.

Andere, ganz erhebliche Ungenauigkeiten ergeben sich auch aus den Fehlern bei der Texterkennung. So wird beispielsweise eine auffällige Häufigkeit des Begriffs Immaterialgut angezeigt, die jedoch oft auf einer Verwechslung mit Immaterialität beruht.

Intellectual Property

Intellectual Property in Google Books 1800--2008

Der Begriff Intellectual Property begann erst um 1980 buchfähig zu werden. Während der Begriff bis 1900 praktisch kaum erschien und um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert nur kurzzeitig genutzt wurde, stieg die Zahl ab 1980 gewaltig an. Dabei muss man sich den Maßstab der beiden Grafiken vor Augen halten: In der deutschsprachigen Literatur endet die Skala bei 0,0006 Promille  (0,00006 %), in der englischsprachigen Literatur bei 0,004 Promille (0,0004%).

Trittbrettfahrer und Freerider

Interessant scheint auch die in Deutschland noch immer vorhandene Steigerung des Begriffs Trittbrettfahrer, der inzwischen im Englischen seinen Höhepunkt überwunden zu haben scheint.

Trittbrettfahrer in Google Books 1950--2008

Dieser Begriff Trittbrettfahrer wird oft zur Begründung von Monopolpositionen wie sie das geistige Eigentum schaffen kann benutzt und dient nicht nur den Presseverlegern bei ihrem unverhohlen geäußerten Wunsch nach mehr Geld bei der Überzeugungsarbeit.

Freerider in Google Books 1950--2008

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger begründet den von ihm vorgetragenen Wunsch nach einem Leistungsschutzrecht mit einer zirkulären Argumentation: „durch die Nicht-Verfolgbarkeit der Rechtsverletzungen entgehe ihnen bares Geld„. Gemeint sind die deutschen  Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die keine eigenen Rechte haben (sondern nur die von den Urhebern abgeleiteten) und folglich auch keinen eigenen Rechtsverletzungen, die sie verfolgen könnten, zu beklagen haben.

Dabei lenken die Verlage von der Tatsache ab, dass sie auf einem bereits weitgehend gesättigten Markt tätig sind. Ihre besondere Leistung, mit der sie sich geltend machen wollen, wird  von den Kunden offenbar als nahezu wertlos eingeschätzt (andernfalls würden die Kunden ja etwas dafür bezahlen). Modelle, bei denen die die Nutzer etwas für die Leistung der Verleger bezahlen, sind im Internet ja kein Unding. Ein Unding ist in einer freien Marktwirtschaft eher die Vorstellung der Verleger, dass ihre von den Kunden als wertlos eingeschätzte Leistung vom Staat durch die Hintertür versilbert wird.


Ergänzung [9. 1. 2010]:  Vgl. hierzu auch:

Markenschutz für den goldenen Osterhasen 2

Der BGH war im Juli 2010 in die Verlegenheit geraten, zwei Farben von goldenen Osterhasen vergleichen zu müssen, obwohl die entsprechenden Farbmuster nicht bei den Akten waren. Zu dieser Frage konnte es in dem Streit um zwei Schokoladenhasen kommen, weil in Deutschland eine Marke als wirksam angesehen werden.
Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass der goldene Osterhase mit rotem Band als Europäische Marke nicht akzeptiert wird.
Vor dem EuGH wurde auch über diese Marken gestritten: Die Fa. Lindt & Sprüngli meldete beim Europäischen Markenamt vier Marken an:
  • die Form eines Schokoladenhasen mit rotem Band, die die Farben Rot, Gold und Braun aufweist (Rs. T-336/08),
  • die Form eines Rentiers aus Schokolade mit rotem Band, die die Farben Rot, Gold und Braun aufweist (Rs. T-337/08),
  • die Form eines goldenen Glöckchens mit rotem Band (Rs. T-346/08) und
  • die Form eines Schokoladenhasen in der Farbe Gold (Rs. T-395/08).
Am 10. Juni 2005 meldete außerdem die August Storck AG eine einfache Quadergrundform aus Schokolade, auf deren Oberseite sich ein Relief in Form einer Maus befindet und die die Farbe Braun aufweist, als eine dreidimensionale Gemeinschaftsmarke an (Rs. T-13/09).
Der EuGH erläuterte in dem heute ergangenen Urteil, dass die für den Bestand der Marke erforderliche Unterscheidungskraft einer Marke bedeute, dass diese Marke es ermöglicht, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Die angemeldeten Marken wurden nicht als geeignet angesehen, auf die betriebliche Herkunft der mit ihnen gekennzeichneten Waren hinzuweisen. Dieses Fehlen von Unterscheidungskraft rührt insbesondere daher, dass der Verbraucher aus den verschiedenen Merkmalen der angemeldeten Marken, nämlich der Form, der goldfarbenen Verpackung oder dem roten Band (der von Lindt & Sprüngli angemeldeten Marken) bzw. der Form und der Farbe (der von Storck angemeldeten Marke), nicht auf die betriebliche Herkunft der gekennzeichneten Waren schließen kann.

Unterscheidungskraft einer Marke bedeutet, dass diese Marke es ermöglicht, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die angemeldeten Marken könnten jedoch nicht als geeignet angesehen werden, auf die betriebliche Herkunft der mit ihnen gekennzeichneten Waren hinzuweisen.

Was die Form der von Lindt & Sprüngli angemeldeten Marken anbelangt, wies das Gericht darauf hin, dass ein Hase, ein Rentier und ein Glöckchen zu bestimmten Jahreszeiten, insbesondere zu Ostern und zu Weihnachten, typische Formen von Schokolade und Schokoladewaren sind. Überdies wickeln, was die Verpackung angeht, auch andere Unternehmen Schokolade und Schokoladewaren in eine goldfarbene Folie. Was schließlich das rote Band mit Glöckchen anbelangt, ist es nach Ansicht des Gerichts üblich, Schokoladetiere oder ihre Verpackung mit Schleifen, roten Bändern und Glocken zu verzieren. Als einfaches dekoratives Element hat das rote Band mit Glöckchen daher keine Unterscheidungskraft.

Die von Storck angemeldete Marke besteht nach Auffassung des Gerichts aus einer Kombination nahe liegender und typischer Gestaltungsmerkmale der erfassten Waren. Sie ist eine Variante der im Süßwarensektor üblicherweise verwendeten Grundformen und unterscheidet sich nicht wesentlich von der Norm oder der Branchenüblichkeit. Sie ermöglicht es daher nicht, die Süßwaren von Storck von denen anderer Süßwarenhersteller zu unterscheiden.

Wie es beim BGH weitergeht, steht damit noch nicht fest, denn das EuGH-Urteil betrifft nur die Europäischen Marken, nicht die in Deutschland angemeldeten. In Deutschland können sich also die Einkaufsmöglichkeiten für durchschnittliche Einkommen immer noch denen nähern, wie man sie früher von der DDR kannte: Grau in Grau.

Markenschutz für den goldenen Osterhasen

Der BGH hatte am 15. Juli 2010 zu entscheiden, ob mittels der für Schokoladenwaren eingetragenen dreidimensionalen Marke „Lindt-Goldhase“ der Vertrieb ähnlicher Schokoladenhasen untersagt werden kann.

Die am 6. Juli 2001 eingetragene Marke besteht aus einem in Goldfolie eingewickelten sitzenden Schokoladenhasen mit rotem Halsband mit Schleife und Glöckchen sowie dem Aufdruck „Lindt GOLDHASE“. Der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli wendet sich mit der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gerichteten Klage gegen die Herstellung und den Vertrieb eines seiner Ansicht nach mit seiner Marke verwechselbaren Schokoladenhasen der Firma Riegelein.

Offenbar ist das OLG Frankfurt nicht willens, der Klage stattzugeben, so dass Lindt & Sprüngli gegen die erste Klageabweisung des OLG Revision zum BGH eingelegt hat. Der BGH hat den Streit wieder an das OLG Frankfurt zurückverwiesen. Im zweiten Berufungsverfahren hat das OLG Frankfurt wiederum eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Schokoladenhasen verneint, weil die sich gegenüberstehenden Gestaltungen seiner Ansicht nach nicht hinreichend ähnlich seien.

Der BGH hat nun auch diese Entscheidung aufgehoben und die Sache erneut an das OLG zurückverwiesen. Der Osterhase hatte sich selbst versteckt, war jedenfalls nicht mehr auffindbar — was bei den Temperaturen kein Wunder ist. In der Verhandlung vor dem OLG wurde jedenfalls ein Exemplar des Riegelein-Hasen vorgelegt worden. Da es dem OLG auf die genaue Farbgebung ankam, die sich aus den bei den Akten befindlichen Fotografien nicht zuverlässig ergab, hatte die Klägerin ihren Antrag umgestellt und auf einen „Schokoladenhasen gemäß dem in der Sitzung … überreichten Exemplar“ bezogen. In seiner die Verwechslungsgefahr verneinenden Entscheidung hatte sich das OLG gerade auch auf die Farbe der Folie gestützt; der zu den Akten gereichte Riegelein-Hase zeichne sich durch eine eher bronzefarbene Folie aus, die sich deutlich von der leuchtenden Goldfolie des Lindt-Hasen unterscheide.

Der BGH war so nicht in der Lage, diese Beurteilung zu überprüfen, denn der in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht überreichte Riegelein-Hase befand sich nicht mehr bei den zum BGH gelangten Akten. Auch eine Nachforschung beim OLG war erfolglos geblieben. Zwischen den Parteien bestand auch keine Einigkeit, ob ein im Revisionsverfahren vorgelegter Riegelein-Hase mit dem verlorengegangenen Hasen in der Farbgebung übereinstimmte.

Dieser Umstand war allerdings nicht allein für die Aufhebung des Berufungsurteils entscheidend: Nach Ansicht des BGH kann die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Schokoladenhasen nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden. Den sich aus den einzelnen Bestandteilen (Form und Farbe der Hasen sowie den weiteren Gestaltungsmerkmalen wie rotes Bändchen mit Glöckchen, aufgemaltes Gesicht) zusammensetzenden Gesamteindruck der beiden Gestaltungen habe das Berufungsgericht nicht zutreffend ermittelt. Insbesondere habe es die Ergebnisse einer Verkehrsbefragung nicht rechtsfehlerfrei berücksichtigt. Die Verkehrsbefragung betraf einen nur in Goldfolie eingewickelten, mit keiner Schrift und keinen aufgemalten Gestaltungsmerkmalen versehenen sitzenden Lindt-Hasen. Auf die Frage nach der betrieblichen Herkunft hatte ein Großteil der Befragten Lindt & Sprüngli genannt.

Das Berufungsgericht hatte daraus geschlossen, dass sich die gesteigerte Kennzeichnungskraft des Lindt-Hasen auch aus Form und Farbe herleite. Vor diesem Hintergrund hat der BGH beanstandet, dass das Oberlandesgericht seine Auffassung nicht hinreichend begründet hat, dass den sonstigen, sich bei den beiden Hasen unterscheidenden Gestaltungsmerkmalen eine maßgebliche Bedeutung zukommt.

Der Markenschutz für goldene Osterhasen an sich ist allerdings auch merkwürdig. Wenn von dieser Schutzmöglichkeit intensiv Gebrauch gemacht wird, werden alsbald alle Farben von einzelnen Unternehmen appropriiert sein und die Einkaufsmöglichkeiten für Durchschnittsverdiener nähern sich denen, wie man sie früher von der DDR kannte: Grau in Grau.

Domänennamen und missbräuchliche Registrierungen

Nachdem die Toplevel-Domain „eu“ angekündigt war, haben viele versucht, sich gewisse Domainnamen zu sichern, da sie sich hierdurch Vorteile versprochen haben. Bei der Zuteilung der Domainnamen wurden unter anderem Inhaber von Marken bevorzugt behandelt. Um Domänennamen in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung anmelden zu können, meldete ein Unternehmen beim schwedischen Markenamt erfolgreich insgesamt 33 Gattungsbegriffe als Marken an, und zwar jeweils unter Verwendung des Sonderzeichens „&“ vor und nach jedem Buchstaben. Reine Gattungsbegriffe lassen sich nach dem Markenrecht nicht schützen. So meldete das Unternehmen am 11. August 2005 die Wortmarke &R&E&I&F&E&N& (REIFEN) für die Waren „Sicherheitsgurte“ an, die am 25. November 2005 eingetragen wurde. Die Gestaltung wurde offenbar gewählt, den hinter der Marke verborgenen Gattungsbegriff zu kaschieren.

Bei der Zuteilung der Domainnamen wurden sodann das Sonderzeichen & aufgrund der besonderen Funktion im Rahmen der Nutzung des Internets gestrichen und nur noch „reifen.eu“ angemeldet. Ob und inwieweit diese Methode zulässig ist, war Gegenstand der EuGH-Entscheidung vom 3. Juni 2010.


URTEIL DES GERICHTSHOFS

(Zweite Kammer)
3. Juni 2010

Schlagwörter: Internet,  Domäne oberster Stufe ‚.eu‘, Verordnung (EG) Nr. 874/2004, Domänennamen, Gestaffelte Registrierung, Sonderzeichen, Spekulative und missbräuchliche Registrierungen, Begriff ‚Bösgläubigkeit‘

In der Rechtssache C-569/08 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Beschluss vom 18. November 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2008, in dem Verfahren

Internetportal und Marketing GmbH

gegen

Richard Schlicht

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung (…)

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Internetportal und Marketing GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte T. Höhne und T. Bettinger,
  • von Herrn R. Schlicht, vertreten durch Rechtsanwältin J. Puhr,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Februar 2010 folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung (ABl. L 162, S. 40).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Internetportal und Marketing GmbH, die Internetportale betreibt und Produkte im Internet vermarktet sowie Inhaberin der schwedischen Marke &R&E&I&F&E&N& ist, und Herrn Richard Schlicht, der Inhaber der Benelux-Marke Reifen ist, wegen des Domänennamens „www.reifen.eu“.

Rechtlicher Rahmen

3 Die Verordnung (EG) Nr. 733/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. April 2002 zur Einführung der Domäne oberster Stufe „.eu“ (ABl. L 113, S. 1) enthält nach ihrem Art. 1 allgemeine Regeln zur Einführung der Domäne oberster Stufe „.eu“ einschließlich der Benennung eines Registers und steckt den allgemeinen Regelungsrahmen für die Arbeit des Registers ab.

4 Laut dem 16. Erwägungsgrund dieser Verordnung „sollte eine allgemeine Regelung für die Behandlung spekulativer und missbräuchlicher Eintragungen von Domänennamen erlassen werden, wonach Inhabern älterer Rechte, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, und Einrichtungen des öffentlichen Rechts eine besondere Vorregistrierungsfrist (‚sunrise period‘) eingeräumt wird, während der die Registrierung ihrer Domänennamen ausschließlich [diesen] Inhabern … sowie Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorbehalten ist“.

5 Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung verabschiedet die Kommission „allgemeine Regeln“ wie u. a. „Maßnahmen betreffend die spekulative und missbräuchliche Eintragung von Domänennamen, einschließlich der Möglichkeit einer stufenweisen Registrierung von Domänennamen, so dass die Inhaber älterer Rechte, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, sowie Einrichtungen des öffentlichen Rechts die notwendige Zeit für die Registrierung ihrer Namen erhalten“.

6 In Anwendung dieser Bestimmung erließ die Kommission die Verordnung Nr. 874/2004.

7 Der 12. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 874/2004 lautet:

Zur Wahrung früherer, nach Gemeinschaftsrecht oder nationalem Recht anerkannter Rechte sollte ein zeitlich gestaffeltes Registrierungsverfahren vorgesehen werden. Die gestaffelte Registrierung sollte in zwei Phasen erfolgen, um sicherzustellen, dass die Inhaber früherer Rechte ausreichend Gelegenheit erhalten, solche Namen, auf die sie frühere Rechte innehaben, registrieren zu lassen. Das Register sollte dafür sorgen, dass diese Rechte durch dafür bestellte Prüfer überprüft werden. Die Prüfer sollten die beanspruchten Rechte auf einen bestimmten Namen auf der Grundlage der von den Antragstellern eingereichten Nachweise beurteilen. Beantragen zwei oder mehr Antragsteller, die jeder ein früheres Recht innehaben, den gleichen Domänennamen, sollte dessen Vergabe nach dem Windhundverfahren erfolgen.

8 Art. 10 („Antragsberechtigte und registrierbare Namen“) der Verordnung Nr. 874/2004 sieht vor:

(1)      Nur die Inhaber früherer Rechte, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, sowie öffentliche Einrichtungen sind berechtigt, Domänennamen während einer Frist für gestaffelte Registrierung zu beantragen, bevor die allgemeine Registrierung für die Domäne‚.eu‘ beginnt.

Frühere Rechte‘ sind unter anderem registrierte nationale und Gemeinschaftsmarken, geografische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen sowie auch – sofern sie nach dem einzelstaatlichen Recht des jeweiligen Mitgliedstaats geschützt sind – nicht eingetragene Marken, Handelsnamen, Geschäftsbezeichnungen, Unternehmensnamen, Familiennamen und charakteristische Titel geschützter literarischer oder künstlerischer Werke.

(2)      Die Registrierung aufgrund eines früheren Rechts besteht in der Registrierung des vollständigen Namens, für den das frühere Recht besteht, in Übereinstimmung mit den schriftlichen Unterlagen, durch die dieses Recht nachgewiesen wird.

9 Art. 11 („Sonderzeichen“) der Verordnung Nr. 874/2004 bestimmt:

Enthält ein Name, für den frühere Rechte beansprucht werden, Sonderzeichen sowie Leer- und Interpunktionszeichen, so werden diese aus dem entsprechenden Domänennamen entweder ganz entfernt, durch Bindestriche ersetzt oder, falls möglich, transkribiert.

In Unterabsatz 2 genannte Sonderzeichen und Interpunktionszeichen umfassen insbesondere die Folgenden:

~ @ # $ % ^ & * ( ) + = < > { } [ ] | \ / : ; ‚ , . ?

10 Nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 erstreckt sich die gestaffelte Registrierung über einen Zeitraum von vier Monaten, und erst nach ihrem Abschluss beginnt die allgemeine Registrierung von Domänennamen.

11 Nach dieser Bestimmung besteht die gestaffelte Registrierung ihrerseits aus zwei Phasen mit einer Dauer von je zwei Monaten. In der ersten Phase der gestaffelten Registrierung dürfen nur registrierte nationale und Gemeinschaftsmarken, geografische Angaben und die Namen und Abkürzungen öffentlicher Einrichtungen zur Registrierung als Domänennamen angemeldet werden.

12 In der zweiten Phase der gestaffelten Registrierung dürfen die Namen, die schon in der ersten Phase registriert werden dürfen, sowie Namen, auf die sonstige frühere Rechte bestehen, zur Registrierung als Domänennamen angemeldet werden.

13 Art. 21 („Spekulative und missbräuchliche Registrierungen“) der Verordnung Nr. 874/2004 sieht vor:

(1)      Ein Domänenname wird aufgrund eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahrens widerrufen, wenn er mit einem anderen Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt, für den Rechte bestehen, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, darunter die in Artikel 10 Absatz 1 genannten Rechte, und wenn dieser Domänenname

a)      von einem Domäneninhaber registriert wurde, der selbst keinerlei Rechte oder berechtigte Interessen an diesem Domänennamen geltend machen kann, oder

b)      in böser Absicht registriert oder benutzt wird.

(3)      Bösgläubigkeit im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn

a)      aus den Umständen ersichtlich wird, dass der Domänenname hauptsächlich deshalb registriert oder erworben wurde, um ihn an den Inhaber eines Namens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder an eine öffentliche Einrichtung zu verkaufen, zu vermieten oder anderweitig zu übertragen;

b)      der Domänenname registriert wurde, um zu verhindern, dass der Inhaber eines solchen Namens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder eine öffentliche Einrichtung diesen Namen als entsprechenden Domänennamen verwenden kann, sofern:

i)      dem Domäneninhaber eine solche Verhaltensweise nachgewiesen werden kann; oder

ii)      der Domänenname mindestens zwei Jahre lang ab der Registrierung nicht in einschlägiger Weise genutzt wurde; oder

iii)      der Inhaber eines Domänennamens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder der dem Namen einer öffentlichen Einrichtung entspricht, zu Beginn eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens seine Absicht erklärt hat, diesen Domänennamen in einschlägiger Weise zu nutzen, dies jedoch innerhalb von sechs Monaten nach dem Beginn des Streitbeilegungsverfahrens nicht getan hat;

c)      der Domänenname hauptsächlich registriert wurde, um die berufliche oder geschäftliche Tätigkeit eines Wettbewerbers zu stören; oder

d)      der Domänenname absichtlich benutzt wurde, um Internetnutzer aus Gewinnstreben auf eine dem Domäneninhaber gehörende Website oder [eine andere] Online-Adresse zu locken, indem eine Verwechslungsgefahr mit einem Namen, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder mit dem Namen einer öffentlichen Einrichtung geschaffen wird, wobei sich diese Verwechslungsmöglichkeit auf den Ursprung, ein Sponsoring, die Zugehörigkeit oder die Billigung der Website oder Adresse des Domäneninhabers oder eines dort angebotenen Produkts oder Dienstes beziehen kann; oder

e)      der registrierte Domänenname der Name einer Person ist und keine Verbindung zwischen dem Domäneninhaber und dem registrierten Domänennamen nachgewiesen werden kann.

14 Art. 22  („Alternatives Streitbeilegungsverfahren“) der Verordnung Nr. 874/2004 bestimmt:

(1)      Ein alternatives Streitbeilegungsverfahren kann von jedermann angestrengt werden, wenn

a)      die Registrierung spekulativ oder missbräuchlich im Sinne von Artikel 21 ist;

b)      eine Entscheidung des Registers gegen die vorliegende Verordnung oder die Verordnung (EG) Nr. 733/2002 verstößt.

(11)      In einem Verfahren gegen einen Domäneninhaber entscheidet die Schiedskommission, dass der Domänenname zu widerrufen ist, wenn sie [zu] der Auffassung gelangt, dass die Registrierung spekulativ oder missbräuchlich im Sinne von Artikel 21 ist. Der Domänenname wird auf den Beschwerdeführer übertragen, falls dieser die Registrierung dieses Domänennamens beantragt und die allgemeinen Voraussetzungen von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 733/2002 erfüllt.

In einem Verfahren gegen das Register entscheidet die Schiedskommission, ob eine Entscheidung des Registers gegen die vorliegende Verordnung oder die Verordnung (EG) Nr. 733/2002 verstößt. Die Schiedskommission entscheidet dann, dass die betreffende Entscheidung aufgehoben wird, und kann gegebenenfalls eine Entscheidung im Hinblick auf die Übertragung, den Widerruf oder die Vergabe des strittigen Domänennamens treffen, sofern die allgemeinen Voraussetzungen von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 733/2002 erfüllt sind.

(13)      Das Ergebnis der alternativen Streitbeilegung ist für alle Parteien und das Register verbindlich, wenn nicht innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Zustellung der Entscheidung an die Parteien vor Gericht Klage erhoben wird.

15 Mit Entscheidung vom 21. Mai 2003 (ABl. L 128, S. 29) benannte die Kommission gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 733/2002 die als Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht errichtete „European Registry for Internet Domains“ (im Folgenden: EURid) mit Sitz in Brüssel als Register für die Organisation und Verwaltung der Domäne oberster Stufe „.eu“.

16 EURid betraute mit der Zuständigkeit für das alternative Streitbeilegungsverfahren gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 874/2004 das Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik und der Landwirtschaftskammer der Tschechischen Republik (im Folgenden: Schiedsgericht).

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Salzburg (Österreich), betreibt Internetportale und vermarktet Produkte im Internet. Um Domänennamen in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung gemäß der Verordnung Nr. 874/2004 anmelden zu können, meldete sie beim schwedischen Markenamt erfolgreich insgesamt 33 Gattungsbegriffe als Marken an, und zwar jeweils unter Verwendung des Sonderzeichens „&“ vor und nach jedem Buchstaben. So meldete sie am 11. August 2005 die Wortmarke &R&E&I&F&E&N& für die Waren „Sicherheitsgurte“ in Klasse 9 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung an, die am 25. November 2005 unter der Nr. 376729 eingetragen wurde.

18 Den Akten ist indessen zu entnehmen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens niemals die Absicht hatte, diese Marke für Sicherheitsgurte zu benutzen.

19 In der Folge ließ die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung auf der Grundlage ihrer schwedischen Marke &R&E&I&F&E&N&, aus der gemäß einer der in Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004 vorgesehenen Übertragungsregeln die Sonderzeichen „&“ entfernt wurden, die Domäne „www.reifen.eu“ registrieren.

20 Nach den im Vorlagebeschluss enthaltenen Tatsachenfeststellungen verfolgt die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit der Registrierung des Domänennamens „www.reifen.eu“ die Absicht, ein Internetportal für den Reifenhandel zu betreiben, wobei sie jedoch für dessen Aufbau im Hinblick auf den anhängigen Prozess und das ihm vorangegangene Schiedsverfahren noch keine nennenswerten Vorbereitungen getroffen hat.

21 Dem Vorlagebeschluss ist weiter zu entnehmen, dass der Klägerin des Ausgangsverfahrens, als der Domänenname für sie registriert wurde, der Beklagte des Ausgangsverfahrens nicht bekannt war.

22 Aus dem Vorlagebeschluss geht auch hervor, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Registrierung von 180 Domänennamen beantragte, die alle aus Gattungsbegriffen gebildet sind.

23 Der Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Inhaber der am 28. November 2005 vom Benelux-Markenamt eingetragenen Wortmarke Reifen für die Waren „Wasch- und Bleichmittel; Reinigungsmittel, insbesondere Nano-Partikel enthaltende Reinigungsmittel für Fensterscheiben“ in Klasse 3 und „Dienstleistungen zur Unterstützung der Vermarktung derartiger Reinigungsmittel“ in Klasse 35 des Nizzaer Abkommens. Er meldete das Wortzeichen Reifen am 10. November 2005 auch als Gemeinschaftsmarke für die Klassen 3 und 35 an. Er will unter dieser Marke, die laut den Akten aus den jeweils ersten drei Buchstaben der Wörter „Reinigung“ und „Fenster“ gebildet wurde, europaweit Reinigungsmittel für fensterglasähnliche Oberflächen vermarkten. Mit deren Entwicklung beauftragte er das Unternehmen Bergolin GmbH & Co. KG; am 10. Oktober 2006 lag eine Probe der Reinigungslösung I (Reifen A) vor.

24 Der Beklagte des Ausgangsverfahrens bekämpfte die Registrierung des Domänennamens „www.reifen.eu“ durch die Klägerin des Ausgangsverfahrens vor dem Schiedsgericht. Mit Entscheidung vom 24. Juli 2006 (Verfahren Nr. 00910) gab das Schiedsgericht seiner Beschwerde statt, entzog der Klägerin den genannten Domänennamen und übertrug ihn auf den Beklagten. Das Schiedsgericht war der Auffassung, dass das in einer Marke enthaltene Zeichen „&“ nicht zu entfernen, sondern zu transkribieren sei. Es führte aus, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens offensichtlich mit einer Fülle von Registrierungsanträgen die Transkriptionsregel des Art. 11 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 habe umgehen wollen. Sie sei daher bei der Beantragung der Registrierung des im Ausgangsverfahren strittigen Domänennamens bösgläubig gewesen.

25 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erhob gegen diese Entscheidung eine Klage gemäß Art. 22 Abs. 13 der Verordnung Nr. 874/2004. Diese Klage wurde vom Erstgericht als unbegründet abgewiesen; auch der Berufung der Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde vom Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Daraufhin erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens außerordentliche Revision an das vorlegende Gericht.

26 Da der Oberste Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Entscheidung über den Rechtsstreit von der Auslegung des Unionsrechts, insbesondere des Art. 21 der Verordnung Nr. 874/2004, abhängt, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 dahin auszulegen, dass ein Recht im Sinne dieser Bestimmung auch dann vorliegt,
    1. wenn eine Marke ohne Absicht, sie für Waren oder Dienstleistungen zu nutzen, nur zu dem Zweck erworben wurde, die Registrierung einer mit einer – der deutschen Sprache entnommenen – Gattungsbezeichnung übereinstimmenden Domäne in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung beantragen zu können?
    2. Wenn die der Domänenregistrierung zugrunde liegende und mit einer – der deutschen Sprache entnommenen – Gattungsbezeichnung übereinstimmende Marke von der Domäne insofern abweicht, als die Marke Sonderzeichen enthält, die aus dem Domänennamen entfernt wurden, obwohl die Sonderzeichen einer Transkription zugänglich wären und deren Entfernung dazu führt, dass sich die Domäne in einer die Verwechslungsgefahr ausschließenden Weise von der Marke unterscheidet?
  2. Ist Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 874/2004 dahin auszulegen, dass nur in den in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a bis c genannten Fällen ein berechtigtes Interesse vorliegt?
  3. Für den Fall der Verneinung dieser Frage: Liegt ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 874/2004 auch dann vor, wenn der Domäneninhaber die mit einer – der deutschen Sprache entnommenen – Gattungsbezeichnung übereinstimmende Domäne für ein themenbezogenes Internetportal nutzen will?
  4. Für den Fall der Bejahung der zu Punkt 1 und zu Punkt 3 gestellten Fragen: Ist Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 dahin auszulegen, dass nur die in Buchst. a bis e genannten Tatbestände eine Bösgläubigkeit im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 begründen?
  5. Für den Fall der Verneinung dieser Frage: Liegt Bösgläubigkeit im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 auch dann vor, wenn die Domäne in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung aufgrund einer mit einer – der deutschen Sprache – entnommenen Gattungsbezeichnung übereinstimmenden Marke registriert wurde, die der Domäneninhaber nur erworben hat, um die Registrierung der Domäne in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung beantragen zu können und damit anderen Interessenten und allenfalls auch den Inhabern von Rechten an dem Zeichen zuvorzukommen?

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkung

27 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens macht zunächst geltend, dass ihr allfällige Fehler seitens des Registers bei der Registrierung des im Ausgangsverfahren fraglichen Domänennamens nicht entgegengehalten werden könnten. Derartige Fehler hätten ihrer Auffassung nach in einem Verfahren gegen das Register gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 geltend gemacht werden müssen, nicht aber in einem Verfahren gegen den Domäneninhaber.

28 Obgleich das vorlegende Gericht zu diesem Aspekt keine Frage gestellt hat, ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof, da das Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht ohne Bedeutung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ist, Aufgabe des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, die ihm die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit ermöglicht (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juni 1999, Piaggio, C?295/57, Slg. 1999, I?3735, Randnr. 25).

29 Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 22 Abs. 11 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 874/2004 jedermann ein alternatives Streitbeilegungsverfahren entweder, wenn die Registrierung spekulativ oder missbräuchlich ist, gegen einen Domäneninhaber oder, wenn eine Entscheidung des Registers gegen die Verordnungen Nrn. 733/2002 oder 874/2004 verstößt, gegen das Register einleiten kann. Da der Ausgangsrechtsstreit, der gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 874/2004 eingeleitet wurde, eine Registrierung betrifft, die spekulativ oder missbräuchlich sein soll, konnte das Verfahren rechtmäßig gegen den Domäneninhaber angestrengt werden.

30 Das Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens zu diesem Aspekt ist daher unbegründet.

Zur vierten Frage

31 Mit seiner vierten Frage, die an erster Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Umstände, die Bösgläubigkeit begründen können, in Art. 21 Abs. 3 Buchst. a bis e der Verordnung Nr. 874/2004 abschließend aufgeführt sind.

32 Es ist zunächst festzustellen, dass zwischen den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 gewisse Abweichungen bestehen. So heißt es in der deutschen Fassung der Vorschrift: „Bösgläubigkeit im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b liegt vor, wenn …“ Diese Formulierung könnte nahelegen, dass die Fälle der Bösgläubigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auf die ausdrücklich in Abs. 3 aufgeführten Tatbestände beschränkt sind.

33 Jedoch ist diese Bestimmung nicht nur in ihrer deutschen Fassung zu prüfen, da die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C-280/04, Slg. 2005, I-10683, Randnr. 31, und vom 3. April 2008, Endendijk, C?187/07, Slg. 2008, I-2115, Randnr. 22).

34 Aus den anderen Sprachfassungen des Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 als der deutschen Fassung geht jedoch hervor, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Aufführung von Umständen, die Bösgläubigkeit begründen, nur beispielhaft ist. So lautet die französische Fassung der Bestimmung: „La mauvaise foi au sens du paragraphe 1, point b), [dudit article] peut être démontrée quand …“ Der durch das Verb „pouvoir“ ausgedrückte Sinngehalt findet sich auch in anderen Sprachfassungen, so in der englischen („may“), der italienischen („può“), der spanischen („podrá“), der polnischen („mo?na“), der portugiesischen („pode“), der niederländischen („kan“) und der bulgarischen („????“).

35 Nach ständiger Rechtsprechung schließt es die Notwendigkeit einheitlicher Anwendung und damit Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts aus, sie in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet vielmehr, sie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck namentlich im Licht ihrer Fassung in allen Sprachen auszulegen (vgl. u. a. Urteile vom 12. November 1969, Stauder, 29/69, Slg. 1969, 419, Randnr. 3, vom 22. Oktober 2009, Zurita García und Choque Cabrera, C?261/08 und C?348/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 54, und vom 28. Januar 2010, Eulitz, C?473/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22).

36 Im Übrigen ist insoweit hervorzuheben, dass mit der Verordnung Nr. 733/2002 insbesondere bezweckt wird, allgemeine Regeln im Hinblick auf spekulative und missbräuchliche Registrierungen von Domänennamen zu schaffen, durch die die Wahrung älterer Rechte, die nach nationalem und/oder Unionsrecht anerkannt oder festgelegt sind, gewährleistet wird. Diese allgemeinen Regeln werden in Art. 21 der Verordnung Nr. 874/2004 konkretisiert, der im Wesentlichen den Widerruf eines spekulativ oder missbräuchlich registrierten Domänennamens vorsieht.

37 Das damit verfolgte Ziel, spekulative oder missbräuchliche Registrierungen von Domänennamen zu vereiteln, die ihrem Wesen nach durch verschiedenartige tatsächliche und rechtliche Umstände gekennzeichnet sein können, würde jedoch gefährdet, wenn Bösgläubigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 nur durch in Art. 21 Abs. 3 Buchst. a bis e erschöpfend aufgeführte Umstände nachgewiesen werden könnte.

38 Schließlich ergibt sich aus dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 874/2004, dass das Register die international bewährten Praktiken in diesem Bereich und insbesondere die einschlägigen Empfehlungen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) zu berücksichtigen hat, um spekulative und missbräuchliche Registrierungen soweit wie möglich zu verhindern. Wie die Kommission geltend gemacht hat, geht jedoch aus dem Schlussbericht der WIPO vom 30. April 1999 über das Anhörungsverfahren zu den Domänennamen im Internet und insbesondere aus Abs. 2 der Empfehlung Nr. 171, der den Begriff der „Bösgläubigkeit“ betrifft, eindeutig hervor, dass die Aufführung der Bösgläubigkeit begründenden Umstände, die im Übrigen zu einem großen Teil der Auflistung in Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 entspricht, nicht abschließend ist.

39 Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, dass Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 dahin auszulegen ist, dass Bösgläubigkeit durch andere Umstände als die in den Buchst. a bis e dieser Bestimmung aufgeführten nachgewiesen werden kann.

Zur fünften Frage

40 Mit seiner fünften Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, ersucht das vorlegende den Gerichtshof im Wesentlichen um eine Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004.

41 Nach dieser Bestimmung wird ein registrierter Domänenname, der mit einem Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt, für den nach nationalem und/oder Unionsrecht anerkannte oder festgelegte Rechte bestehen, widerrufen, wenn er in böser Absicht registriert worden ist oder benutzt wird.

42 Dabei ist Bösgläubigkeit unter Berücksichtigung aller im Einzelfall erheblichen Faktoren umfassend zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C?529/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).

43 Was im Einzelnen die Merkmale angeht, die für ein Verhalten wie das der Klägerin des Ausgangsverfahrens kennzeichnend sind, so erscheinen angesichts der im Vorlagebeschluss enthaltenen Tatsachenfeststellungen die folgenden Hinweise angezeigt.

44 Es sind zunächst die Umstände zu prüfen, unter denen die Wortmarke &R&E&I&F&E&N& eingetragen wurde.

45 Insoweit ist erstens als ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss, die Absicht der Klägerin des Ausgangsverfahrens zum Zeitpunkt der Anmeldung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, Randnrn. 41 und 42).

46 Die Anmeldung einer Marke ohne die Absicht, sie als solche zu benutzen, sondern zu dem alleinigen Zweck, anschließend auf der Grundlage der Rechte an dieser Marke einen Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung gemäß der Verordnung Nr. 874/2004 eintragen zu lassen, kann unter bestimmten Umständen ein Verhalten als bösgläubig im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung kennzeichnen.

47 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass die Klägerin, obgleich sie die Wortmarke &R&E&I&F&E&N& in Schweden für Sicherheitsgurte eintragen ließ, in Wirklichkeit beabsichtigte, ein Internetportal für den Reifenhandel zu betreiben, dessen Registrierung sie plante.

48 Folglich besaß die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts, und wie sie selbst einräumt, nicht die Absicht, die so eingetragene Marke für die von ihr erfassten Waren zu benutzen.

49 Zweitens kann für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, auch die Gestaltung der in Frage stehenden Marke relevant sein (vgl. entsprechend Urteil Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, Randnr. 50).

50 Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Wortmarke &R&E&I&F&E&N&, wenn man die jeden Buchstaben umgebenden Sonderzeichen weglässt, im Deutschen einem Gattungsbegriff entspricht, nämlich „Reifen“. Es ist ferner festzustellen, dass diese Marke in semantischer und visueller Hinsicht durch eine unübliche und sprachlich widersinnige Gestaltung gekennzeichnet ist. Das vor und nach jedem Buchstaben eingefügte Sonderzeichen „&“ ermangelt infolgedessen jedes semantischen Gehalts. Eine solche Gestaltung kann es daher nahelegen, dass das Sonderzeichen nur eingefügt wurde, um den hinter der Marke verborgenen Gattungsbegriff zu kaschieren.

51 Drittens kann für die Beurteilung der Frage, ob ein Verhalten bösgläubig im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 ist, auch sein Wiederholungscharakter berücksichtigt werden. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Schweden insgesamt 33 Marken eintragen ließ, die in der deutschen Sprache Gattungsbegriffen entsprechen, wobei in allen angemeldeten Zeichen vor und nach jedem Buchstaben das Sonderzeichen „&“ eingefügt wurde.

52 Viertens kann auch die Geschehensabfolge ein relevanter Gesichtspunkt der Beurteilung sein. Im vorliegenden Fall verdient für die Beurteilung, ob möglicherweise Bösgläubigkeit vorliegt, ebenfalls der Umstand besondere Beachtung, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Wortmarke 3 erst kurz vor Beginn der ersten Phase der gestaffelten Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ eintragen ließ. Insoweit ist dem Vorlagebeschluss zu entnehmen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Marke bei der zuständigen schwedischen Behörde am 11. August 2005 anmeldete und diese sie am 25. November 2005 eintrug, wobei EURid angekündigt hatte, dass die Registrierung der Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ am 7. Dezember 2005 beginnen würde.

53 In diesem Kontext können, auch wenn die schwedische Wortmarke &R&E&I&F&E&N& gültig bleibt, solange sie nicht für verfallen oder nichtig erklärt worden ist, die Umstände, unter denen diese Marke eingetragen wurde, ein Verhalten als bösgläubig im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 kennzeichnen.

54 Was sodann die Umstände angeht, unter denen der Domänenname „www.reifen.eu“ registriert wurde, ist erstens darauf hinzuweisen, dass die missbräuchliche Verwendung eines Sonderzeichens oder Interpunktionszeichens in dem Namen, für den ein Recht beansprucht wurde, in Anbetracht der Übertragungsregeln des Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004 ein relevanter Faktor für die Beurteilung sein kann, ob der Inhaber eines Domänennamens bösgläubig gehandelt hat.

55 Nach Art. 11 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 werden, wenn ein Name, für den frühere Rechte beansprucht werden, Sonderzeichen wie das Zeichen „&“ enthält, „diese aus dem entsprechenden Domänennamen entweder ganz entfernt, durch Bindestriche ersetzt oder, falls möglich, transkribiert“. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Klägerin unter Nutzung der erstgenannten Möglichkeit die Entfernung aller „&“?Zeichen aus ihrer Wortmarke &R&E&I&F&E&N& erwirken und damit den Domänennamen „www.reifen.eu“ registrieren lassen konnte.

56 Insoweit kann nicht dem Vorbringen der Kommission gefolgt werden, dass die drei in Art. 11 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 vorgesehenen Übertragungsregeln in eine Rangordnung zu bringen seien. Die Kommission meint, dass Sonderzeichen mit semantischem Gehalt zu transkribieren, Sonderzeichen mit Trennungsfunktion durch Bindestriche zu ersetzen und nur Sonderzeichen, die weder einen semantischen Gehalt noch eine Trennungsfunktion besäßen, zu entfernen seien.

57 Wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die tschechische Regierung geltend machen, lässt jedoch nichts im Wortlaut des Art. 11 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 die Annahme zu, dass zwischen den drei Übertragungsregeln irgendeine Rangordnung bestünde.

58 Insoweit ist unerheblich, dass es in dieser Bestimmung heißt, Sonderzeichen seien zu transkribieren „falls möglich“. Diese Formulierung ist dahin zu verstehen, dass sie nicht irgendeine Rangordnung zwischen den verschiedenen Übertragungsmöglichkeiten schaffen soll, sondern sich darauf bezieht, dass bestimmte Sonderzeichen nicht transkribiert werden können.

59 Die Auffassung der Kommission hätte außerdem zur Konsequenz, dass bei spekulativen oder missbräuchlichen Registrierungen die Verwendung von Sonderzeichen bevorzugt würde, deren Entfernung möglich bliebe, während im Fall gutgläubig beantragter Registrierungen die Antragsteller hinsichtlich der Übertragung der Sonderzeichen keinerlei Auswahl hätten, so dass ihnen ein Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ zugeteilt werden könnte, der in ihren Augen nicht dem Namen entspräche, für den sie ein früheres Recht beansprucht haben.

60 Insoweit ist hervorzuheben, dass nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 die Registrierung eines Namens der Domäne oberster Stufe „.eu“ aufgrund eines früheren Rechts in der Registrierung des vollständigen Namens, für den dieses Recht besteht, in Übereinstimmung mit den das Recht nachweisenden schriftlichen Unterlagen besteht.

61 Da jedoch bestimmte Sonderzeichen, die in einem Namen, für den ein früheres Recht besteht, enthalten sein können, aus technischen Gründen nicht in einem Domänennamen enthalten sein können, hat der Gesetzgeber in Art. 11 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 für die Übertragung dieser Sonderzeichen bestimmte Regeln erlassen.

62 So ergibt sich aus Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004, dass die Anwendung der in Art. 11 Unterabs. 2 festgelegten Übertragungsregeln dem Ziel dient, die Identität oder größtmögliche Übereinstimmung des Domänennamens, dessen Registrierung beantragt wurde, mit dem Namen zu gewährleisten, für den ein früheres Recht beansprucht wird.

63 Das Vorhandensein von Sonderzeichen in dem Namen, für den ein früheres Recht beansprucht wird, sowie die Wahl, die der Antragsteller hinsichtlich der drei in Art. 11 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 874/2004 genannten Regeln für die Übertragung von Sonderzeichen trifft, nämlich die Entfernung, die Ersetzung durch Bindestriche oder die Transkription, können somit darauf hinweisen, dass ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, und zwar insbesondere dann, wenn der zur Registrierung angemeldete Domänenname nicht mit dem Namen übereinstimmt, für den ein früheres Recht beansprucht wird.

64 Insoweit ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass die in den Namen, für den ein früheres Recht beansprucht wurde, sprachlich widersinnig eingefügten Sonderzeichen in dem zur Registrierung angemeldeten Domänennamen entfernt und nicht durch Bindestriche ersetzt oder transkribiert wurden, so dass die Übereinstimmung zwischen diesem Domänennamen und dem Namen, der Gegenstand eines früheren Rechts war, beeinträchtigt wurde.

65 Zweitens ist zu beachten, dass die Verordnung Nr. 874/2004 laut ihrem zwölften Erwägungsgrund, um Inhabern früherer Rechte ausreichend Gelegenheit zur Registrierung der Namen zu geben, an denen sie frühere Rechte haben, ein gestaffeltes Registrierungsverfahren geschaffen hat.

66 Nach Art. 12 der Verordnung besteht dieses Verfahren aus zwei Phasen. In der ersten Phase dürfen nur registrierte nationale und Gemeinschaftsmarken, geografische Angaben sowie die Namen und Abkürzungen öffentlicher Einrichtungen zur Registrierung als Domänennamen angemeldet werden. In der zweiten Phase dürfen die Namen, die schon in der ersten Phase registriert werden dürfen, sowie Namen, auf die sonstige frühere Rechte bestehen, angemeldet werden.

67 Die allgemeine Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ sollte somit erst nach Abschluss der durch die gestaffelte Registrierung vorgesehenen Frist beginnen.

68 Folglich konnte ein Domänenname wie der im Ausgangsverfahren fragliche, der einer als solche gewünschten Gattungsbezeichnung entspricht, in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung nur infolge des Kunstgriffs einer zu diesem Zweck ersonnenen und eingetragenen Marke registriert werden.

69 Ohne vorherige Registrierung einer Wortmarke hätte die Klägerin des Ausgangsverfahrens nämlich für die Stellung ihres Antrags die allgemeine Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ abwarten müssen und wäre damit wie jeder andere an diesem Domänennamen Interessierte dem Risiko ausgesetzt gewesen, dass ihrem Antrag der vorher eingereichte Antrag eines anderen Interessierten nach dem „Windhundprinzip“ vorgegangen wäre.

70 Ein Verhalten, das offenkundig darauf abzielt, das durch die Verordnung Nr. 874/2004 vorgesehene Verfahren der gestaffelten Registrierung zu umgehen, ist somit bei der Beurteilung, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung vorliegt, zu berücksichtigen.

71 Drittens kann auch die Einreichung einer großen Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbegriffen entsprechen, ein relevantes Indiz sein, um im Licht des mit der Verordnung Nr. 874/2004 verfolgten Ziels, spekulativen oder missbräuchlichen Registrierungen oder Verwendungen von Domänennamen vorzubeugen oder sie zu vermeiden, das Vorliegen eines bösgläubigen Verhaltens zu beurteilen. Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens 180 derartige Anträge stellte.

72 Hingegen ist der im Vorlagebeschluss erwähnte Umstand, dass der Klägerin des Ausgangsverfahrens zum Zeitpunkt der Registrierung des fraglichen Domänennamens der Beklagte des Ausgangsverfahrens unbekannt war, unerheblich.

73 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat insoweit geltend gemacht, dass es im Ausgangsverfahren um die Registrierung eines Domänennamens gehe, der aus einem Gattungsbegriff bestehe, was in keinem Fall Rechte Dritte beeinträchtigen könne, da niemand ausschließliche Rechte an Gattungsbegriffen besitze. In Fällen der Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbegriffen entsprächen, seien daher spekulative oder missbräuchliche Verhaltensweisen, die mit den in Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 aufgeführten Tatbeständen der Bösgläubigkeit bekämpft werden sollten, definitionsgemäß ausgeschlossen. Folglich habe die Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht bösgläubig im Sinne von Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 gehandelt.

74 Dieses Vorbringen ist in zweifacher Hinsicht irrig. Zum einen beruht es auf der in den Randnrn. 31 bis 39 des vorliegenden Urteils zurückgewiesenen Prämisse, dass die in Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 enthaltene Aufführung von Fällen der Bösgläubigkeit abschließenden Charakter habe. Zum anderen wird mit diesem Vorbringen verkannt, dass an Gattungsbegriffen in legitimer Weise frühere Rechte bestehen können. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, steht nämlich das Unionsrecht, insbesondere Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1), der Eintragung eines Wortes als nationale Marke in einem Mitgliedstaat nicht entgegen, das der Sprache eines anderen Mitgliedstaats, in der es keine Unterscheidungskraft hat oder die für die Anmeldemarke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, entlehnt ist, es sei denn, dass die beteiligten Verkehrskreise in dem Mitgliedstaat, in dem die Marke zur Eintragung angemeldet worden ist, imstande sind, die Bedeutung dieses Wortes zu erkennen (vgl. Urteil vom 9. März 2006, Matratzen Concord, C-421/04, Slg. 2006, I?2303, Randnrn. 26 und 32 sowie Tenor).

75 Da somit das Bestehen früherer Rechte an einem Namen, der einem Gattungsbegriff entspricht, nicht ausgeschlossen werden kann, birgt ein Verhalten wie das der Klägerin des Ausgangsverfahrens die Gefahr der Schädigung der Inhaber solcher Rechte.

76 Ferner zielt ein Verhalten wie das in Randnr. 70 des vorliegenden Urteils beschriebene auf die Erlangung eines ungebührlichen Vorteils zum Nachteil jedes anderen an demselben Domänennamen Interessierten ab, der kein älteres Recht geltend machen kann und daher die allgemeine Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ abwarten muss, um einen Registrierungsantrag stellen zu können.

77 Auf die fünfte Frage ist daher zu antworten, dass das nationale Gericht für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, alle im Einzelfall erheblichen Faktoren und insbesondere die Umstände, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, sowie die Umstände, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, zu berücksichtigen hat.

Was die Umstände betrifft, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

  • die Absicht, die Marke nicht auf dem Markt zu benutzen, für den der Schutz beantragt wurde,
  • die Gestaltung der Marke,
  • die Tatsache, dass die Eintragung einer großen Zahl von anderen Marken, die Gattungsbegriffen entsprechen, erwirkt wurde, und
  • die Tatsache, dass die Eintragung der Marke kurz vor Beginn der gestaffelten Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ erwirkt wurde.

Was die Umstände betrifft, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

  • die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen im Sinne des Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004 zum Zweck der Anwendung der in diesem Artikel festgelegten Übertragungsregeln,
  • die Registrierung in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung gemäß der Verordnung Nr. 874/2004 auf der Grundlage einer Marke, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erlangt wurde, und
  • die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbegriffen entsprechen, eingereicht wurde.

Zu der ersten, der zweiten und der dritten Frage

78 Angesichts der Antworten auf die vierte und die fünfte Vorlagefrage sowie der Umstände des Ausgangsverfahrens sind die ersten drei Vorlagefragen nicht zu beantworten.

Kosten

79 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

  1. Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung ist dahin auszulegen, dass Bösgläubigkeit durch andere Umstände als die in den Buchst. a bis e dieser Bestimmung aufgeführten nachgewiesen werden kann.
  2. Für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, hat das nationale Gericht alle im Einzelfall erheblichen Faktoren und insbesondere die Umstände, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, sowie die Umstände, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, zu berücksichtigen.

Was die Umstände betrifft, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

  • die Absicht, die Marke nicht auf dem Markt zu benutzen, für den der Schutz beantragt wurde,
  • die Gestaltung der Marke,
  • die Tatsache, dass die Eintragung einer großen Zahl von anderen Marken, die Gattungsbegriffen entsprechen, erwirkt wurde, und
  • die Tatsache, dass die Eintragung der Marke kurz vor Beginn der gestaffelten Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ erwirkt wurde.

Was die Umstände betrifft, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

  • die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen im Sinne des Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004 zum Zweck der Anwendung der in diesem Artikel festgelegten Übertragungsregeln,
  • die Registrierung in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung gemäß der Verordnung Nr. 874/2004 auf der Grundlage einer Marke, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erlangt wurde, und
  • die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbegriffen entsprechen, eingereicht wurde.

Markenverletzung durch Spielzeugautos

Der auch  für Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern entschieden, dass der Hersteller eines Kraftfahrzeuges den Vertrieb von Spielzeugmodellautos, die als verkleinerte Nachbildung seines Originalfahrzeugs auch die Marke des Originalherstellers an der entsprechenden Stelle tragen, nicht unter Berufung auf seine Markenrechte verbieten kann.

Die Klägerin, die Adam Opel GmbH, ist Inhaberin einer für Kraftfahrzeuge und Spielzeug eingetragenen Bildmarke, die das Opel-Blitz-Zeichen wiedergibt. Sie wendet sich gegen den Vertrieb eines funkgesteuerten Spielzeugautos der Beklagten, das ein verkleinertes Abbild eines Opel Astra V8 Coupé darstellt und am Kühlergrill das Opel-Blitz-Zeichen trägt.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat zu der Frage, ob diese Nachbildung in verkleinertem Maßstab eine unzulässige Markenbenutzung darstellt, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeholt. Dieser hat entschieden, dass es maßgeblich auf die von dem vorlegenden Gericht zu treffende Feststellung ankomme, ob die angesprochenen Verkehrskreise das identische Zeichen auf den Spielzeugmodellautos als Angabe darüber verstünden, diese stammten von der Klägerin oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.

Das Landgericht hat die u.a. auf Unterlassung und Schadensersatz gerichtete Klage daraufhin abgewiesen. Es hat angenommen, der Verkehr sehe die auf einem verkleinerten Abbild eines großen Originalfahrzeugs an der richtigen Stelle angebrachte Marke als einen Teil des Modellfahrzeugs an und rechne sie weder dem Hersteller des Vorbilds zu noch gehe er von wirtschaftlichen, insbesondere lizenzvertraglichen Beziehungen zwischen den Herstellern des Vorbilds und des Spielzeugmodells an. Das Berufungsgericht hat diese Auffassung bestätigt. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Eine Verletzung der für Spielzeug eingetragenen Marke der Klägerin hat der Bundesgerichtshof verneint. Zwar liegen die Voraussetzungen einer Markenverletzung insoweit vor, als es sich bei der Anbringung des Opel-Blitz-Zeichens auf dem Spielzeugauto der Beklagten um die Benutzung eines mit der Klagemarke identischen Zeichens für identische Waren (Spielzeug) handelt. Dadurch werden jedoch weder die Hauptfunktion der Marke, die Verbraucher auf die Herkunft der Ware (hier: Spielzeugauto) hinzuweisen, noch sonstige Markenfunktionen beeinträchtigt, weil die angesprochenen Verbraucher das Opel-Blitz-Zeichen auf den Spielzeugautos der Beklagten nur als – originalgetreue – Wiedergabe der Marke verstehen, die das nachgebildete Auto der Klägerin an der entsprechenden Stelle trägt. Das Opel-Blitz-Zeichen wird nur als Abbildungsdetail der Wirklichkeit angesehen. Die Verbraucher sehen darin folglich keinen Hinweis auf die Herkunft des Modellautos.

Soweit die Marke der Klägerin für Kraftfahrzeuge eingetragen ist, handelt es sich nicht um ähnliche Waren (Spielzeugautos und Kraftfahrzeuge), so dass auch die Annahme einer Markenverletzung wegen Begründung einer Verwechslungsgefahr ausscheidet. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer – für Kraftfahrzeuge – bekannten Marke ist eine Markenverletzung gleichfalls zu verneinen. Insoweit fehlt es an einer unlauteren Beeinträchtigung oder Ausnutzung des Rufs der für Kraftfahrzeuge eingetragenen Marke der Klägerin.

Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 88/08 – Opel-Blitz II

Glück gehabt, kann man da nur sagen: Man darf  noch ein Abbild der Wirklichkeit machen, ohne von irgendwelchen Inhabern geistigen Eigentums in Anspruch genommen zu werden. Aber der Reigen hat damit ja in der Regel kein Ende, denn wenn jemand die die Spielzeugautos nachmacht, die ja auch zu einem Bestandteil der Wirklichkeit werden, gehen die Streitigkeiten von vorne los.

CCCP und DDR auf Kleidungssstücken

Der auch für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Fällen entschieden, dass Dritte auf Bekleidungsstücken Symbole ehemaliger Ostblockstaaten anbringen dürfen, obwohl diese Symbole mittlerweile als Marken für Bekleidungsstücke geschützt sind.

Der Kläger des Verfahrens I ZR 92/08 ist Inhaber der unter anderem für Bekleidungsstücke eingetragenen Wortmarke „DDR“. Er war außerdem Inhaber einer für Textilien eingetragenen Bildmarke, die das Staatswappen der DDR abbildete. Der Beklagte vertreibt sogenannte Ostprodukte. Er bewirbt und vertreibt T-Shirts mit der Bezeichnung „DDR“ und ihrem Staatswappen. Der Kläger hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht München I hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Das zweite Klageverfahren (I ZR 82/08) betraf die Verwendung der Buchstabenfolge „CCCP“ zusammen mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol auf TShirts. Die Buchstabenfolge „CCCP“ (in lateinischen Buchstaben SSSR) steht als Abkürzung der kyrillischen Schreibweise der früheren UdSSR. Die Klägerin ist Lizenznehmerin der Wortmarke „CCCP“, die für bestimmte Bekleidungsstücke (z.B. Hosen, Overalls) eingetragen ist. Die Beklagte vertreibt über das Internet bedruckte Bekleidungsstücke. Zu den zur Auswahl stehenden Motiven gehört auch ein Hammer-und-Sichel-Symbol mit der Buchstabenfolge „CCCP“. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs dieser Produkte in Anspruch genommen. Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg haben die Klage mangels markenmäßiger Benutzung der angegriffenen Bezeichnung abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat die klageabweisenden Entscheidungen im Hamburger Verfahren bestätigt. Im Münchner Verfahren I ZR 92/08 hat er das von der Vorinstanz ausgesprochene Verbot aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Im markenrechtlichen Verletzungsverfahren geht es nicht mehr um den Bestand der Marken. Die Ansprüche der Kläger aus ihren Marken hat der Bundesgerichtshof verneint, weil die Anbringung der Symbole der ehemaligen Ostblockstaaten auf Bekleidungsstücken die Markenrechte der Kläger nicht verletzen. Die markenrechtlichen Ansprüche setzen voraus, dass der Verkehr auf Bekleidungsstücken angebrachte Aufdrucke als Hinweis auf die Herkunft der Produkte von einem bestimmten Unternehmen und nicht nur als dekoratives Element auffasst, das nach Art des Motivs variieren kann. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die Verbraucher die auf der Vorderseite von TShirts angebrachten Symbole ehemaliger Ostblockstaaten ausschließlich als dekoratives Element auffassen und in ihnen kein Produktkennzeichen sehen.

Urteile vom 14. Januar 2010, Az. I ZR 82/08 – CCCP und I ZR 92/08 – DDR