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Leistungsschutzrecht — Kapital gegen Arbeitskraft 3 : 0

Das Duell über die Ergänzung des Urheberrechts um das  Leistungsschutzrecht für Presseverleger  ist vorläufig beendet.

Spielbericht: Angetreten sind  Axel Springer, Burda, Google, Gruner + Jahr, WAZ, FAZ sowie ein unüberschaubarer Haufen an Statisten aus den Papier- und Netzgemeinden.  Es war ein Spiel mit zwei Mannschaften auf Augenhöhe. Es wurde mit viel Raffinesse, allerdings auch mit  vielen Fouls gekämpft.  Gleichwohl war der Ablauf wie in jeder normalen Hollywood-Produktion absehbar, auch wenn beide Parteien sich Mühe gaben, den eigentlichen Showdown möglichst spannend zu gestalten. Die letzten Tage wurden  wie ein  High-Noon-Klassiker stilisiert. Aber am Ergebnis konnte dies nichts ändern:

Wenn die eine Seite  (Verleger) vom Gegner etwas fordert, was die andere Seite (Google) ablehnt, und man dann einen Kompromiss der streitenden Interessenten herbeiführt, mag dieser Vorgang das Ergebnis für die streitenden Parteien  legitimieren, aber noch kein allgemein gültiges Gesetz.   Wenn zwei sich um einen Kuchen streiten, den hauptsächlich viele vereinzelten Dritte gebacken haben, und dann unsere Bundestagsabgeordneten die Verteilung zwischen den beiden Streitparteien irgendeinem Ergebnis zuführen, was haben die Dritten davon? Erfahrungsgemäß genau so viel, dass sie gerade ausreichend erhalten, um weiterhin billig zu produzieren.  Das hatten sie vorher schon und daran sollte sich nichts ändern, weil daran weder die Presseverleger noch Google ein Interesse haben.

Das Duell endete mit dem absehbaren Sieg der Champions, weil auf Dauer jeder  Wettbewerb von denen gewonnen wird, die am besten für die jeweilige Disziplin gerüstet sind:

Gewinner also: Die großen Presseverlage und Google.

Verlierer:  Autoren.

Schöner marxistischer Titel, oder nicht?

Abmahnwellen sind übrigens unwahrscheinlich.  Neue Geschäftsmodelle auf der Grundlage des Leistungsschutzrechts wird es kaum geben, denn die waren vorher genauso möglich. Allenfalls werden einige störende Kleinunternehmen ,,beseitigt“ werden.  Und an die Stelle mancher Smartphoneanwendung werden vielleicht andere Anwendungen treten.

Lex Google ohne Google

Bei dem sogenannten Leistungsschutzrecht für Presseverlage geht es darum, ob Presseverlage ein eigenes Recht haben sollen, anderen Anbietern die Nutzung von Teilen des Presseerzeugnisses, insbesondere Texte, zu verbieten. Der erste Entwurf war noch an alle potentiellen gewerblichen Anbieter gerichtet. Der zweite Entwurf beschränkte sich im Prinzip auf Internet-Suchmaschinen und automatische Nachrichtensammler. Damit sollte — so die Begründung — den Presseverlagen die Möglichkeit verschafft werden, Lizenzgebühren für die gewerbliche Nutzung der Leistungen der Presseverlage verlangen zu können.

Die Regierungskoalition hat sich in eder letzten Änderung auf einen Kompromiss zum Leistungsschutzrecht geeinigt. Demnach sollen einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte, auch wenn sie in einem Presseerzeugnis erschienen sind, nun doch wieder zu gewerblichen Zwecken von Dritten öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen. Während der ursprüngliche Vorschlag die Übernahme auch der kleinsten Teile verboten wollte und eigentlich nur als grober Unfug zu bezeichnen war, hat man sich jetzt offenbar auf eine Art mutiertes Mini-Urheber-Verleger-Recht geeinigt, eine Lex Google ohne Google.

Mit dem neuen Entwurf will man wohl nur noch etwas verbieten, was vorher eigentlich auch schon verboten war. In der Begründung wird nicht mehr auf die ,,Metall auf Metall“-Entscheidung des BGH Bezug genommen, sondern auf die Rechtsprechung zu den Vorschaubildern (hier: I und II). In den zuletzgenannten Urteilen hat der BGH entschieden, dass ,,ein Urheber, der eine Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes ins Internet einstellt, ohne technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen, durch schlüssiges Verhalten seine (schlichte) Einwilligung in eine Wiedergabe der Abbildung als Vorschaubild und ein dadurch bewirktes öffentliches Zugänglichmachen des abgebildeten Werkes durch eine Suchmaschine erklärt.“ Dies würde nicht nur für die (urheberrechtlichen) Lichtbildwerke, sondern auch für die (leistungsschutzrechtlichen) Lichtbilder (und auch für — insoweit aber nicht entscheidungsrelevant — Texte) gelten. Die Anbieter wurden vom BGH darauf verwiesen, technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen, zu ergreifen. Die Bezugnahme auf diese Urteile kann so gedeutet werden, dass mit der Neuregelung verboten wird, was vorher auch schon verboten war, während erlaubt bleibt, was bislang erlaubt war.

Aber was  genau verboten werden soll, das konnten auch die Verfasser der Regelung nicht klären. Was ist beispielsweise der Unterschied zwischen kleinste und kleine Textausschnitte? Vom rein grammatikalischen Verständnis aus gesehen sind ,,kleinste Textausschnitte“ jedenfalls kleiner — also weniger — als einzelne Worte, denn es handelt sich um den Superlativ: Der ,,kleinste Textausschnitt“ ist — rein mengenmäßig gesehen — ein Buchstabe oder ein Satzzeichen, es sei denn, man liest noch eine gewisse Verständlichkeit hinein. Die Äußerungen hierzu erinnern ein wenig an das Fair-Use-Verständnis, das auf Einzelfall abstellt (welcher andere Maßstab hier angewandt werden soll, bleibt völlig im Dunkeln). Besonders sicher ist das alles nicht, denn einerseits wurde gerade kein konkretes Maß in das Gesetz aufgenommen, andererseits ist das Verbot an die Suchmaschinen und andere Aggregatoren adressiert, und Suchmaschinen agieren mechanisch, können etwa eine bestimmte Zeichenanzahl oder einen gewissen Prozentsatz vom Gesamttext übernehmen, aber nur sehr unzureichend auf der Grundlage kognitiver Regeln (auch diese Regeln müssen programmiert werden) das Ausmaß der zulässigen Übernahme bestimmen.

Nach der neuen Version konkurrieren nunmehr aber zugleich der Urheber und der Verleger (weil sie jetzt ja beide ,,Rechte“ haben), während vorher (im gesetzlichen Normfall) allein der Urheber Berechtigter war. Ein simples Beispiel: Es gibt jemanden, der unter den Tatbestand der Neuregelung fällt und bereit ist, eine Lizenzgebühr zu bezahlen (etwa 200 Euro). Vorher musste er sich im Zweifel (im gesetzlichen Normfall) nur mit dem Autor einigen, nun wohl zusätzlich noch mit dem Verleger. Zumindest auf den ersten Blick scheint die Neuregelung sich darauf zu beschränken. Die ersten Verlierer stehen damit zumindest fest: Die Urheber, vor allem also die freien Journalisten.

Nur noch Fragen
Allseits nur noch offene Fragen

Dass das manche Journalisten, die vorher noch für die Gesetzesänderung plädiert haben, inzwischen nicht mehr witzig finden, kann man verstehen. Den Zweck dieser Variante neben oder zusätzlich zu dem Verbot im Urheberrecht (der EuGH hat bereits entschieden, dass einzelne Wörter gemeinfrei seien) haben bislang allerdings weder die Papier- noch die Netzgemeinde und auch nicht die Politiker so recht darlegen können. Wie auf dieser Grundlage neuartige Geschäftsmodelle entstehen können, steht in den Sternen, denn vorher waren die nämlichen Möglichkeiten bereits da — nur nicht zwingend mit den Verlegern als zusätzlichen Rechtsinhabern. Und dass die Verleger ohne Zustimmung der jeweils (noch berechtigten) Autoren Lizenzen vergeben können, kann wohl nicht der Zweck der Gesetzesänderung sein. Ein solcher Effekt käme einer versteckten cessio legis gleich. Aber so ganz klar ist das in dem Gesetz nicht, denn die Verleger erhalten ein eigenes ,,ausschließliches Recht“, das unabhängig von den Autoren ist.

Nun gut, die Verleger haben gezeigt, dass  die Steuergesetzgebung erhebliche Schwächen hat (Google zahlt zu wenig Steuern), dass Marktmacht problematisch ist (Google hat Marktmacht), dass Google angeblich die Suchergebnisse falsch sortiert (manipuliert) oder dass der — vom Patentrecht in den Vordergrund gestellte —  technische Fortschritt unter Umständen (wenn  durch die kapitalintensivere oder technisch Produktion der Faktoreinsatz Arbeit in erheblichem Umfang durch Kapital substituiert wird)  nur dann sozial verträglich ist, wenn es auch ein funktionierendes Sozialsystem gibt. Aber muss man dann nicht — anstelle neuer Monopole, die eigentlich immer nur den führenden Unternehmen der mit dem Ausschließlichkeitsrecht bedachten Gruppe helfen —  die Steuergesetze ändern oder beispielsweise das Kartellrecht konsequenter anwenden?

Der Großteil der vielfach geäußerten Bedenken wurde mit der neuen Variante zudem nicht ausgeräumt, sondern allenfalls die Wirkung des geplanten Gesetzes minimiert: Im Dunklen bleibt vor allem die Frage, wieso die Verleger überhaupt  ein originäres Ausschließlichkeitsrecht erhalten.  Wenn die eine Seite etwas fordert (Verleger), was die andere Seite (Google) ablehnt, und man dann einen Kompromiss der streitenden Interessenten herbeiführt, mag dieser Vorgang das Ergebnis für die streitenden Parteien  legitimieren, aber noch kein allgemein gültiges Gesetz. Wieso also ein originäres Ausschließlichkeitsrecht für  die Presseverleger, wenn das weitgehend deckungsgleiche Recht den Urhebern zusteht? Jahrzehntelang wurde jedenfalls die Meinung, der Verleger würde mit der Veröffentlichung eines Textes  ein originäres Verlagseigentum erwerben, als Irrweg bekämpft. Das ändert sich nun offenbar Schritt für Schritt. Die Wiedereinführung des Verlagseigentums ist also wahrscheinlich auch nur noch eine Frage der Zeit.

Tatsächlich galt aber auch für das Urheberrecht von Anbeginn an das Primat der Wirtschaft. Und diese Vorgänge sind typisch für Marktwirtschaft: Solange in einem Markt überdurchschnittliche Gewinne erwirtschaftet werden, besteht ein Anreiz für Unternehmer, sich dort zu engagieren, um an den Gewinnen zu partizipieren. Mit dem Auftreten von immer mehr Konkurrenten beginnt die Einschränkung des freien Zugangs zu den ökonomisch nutzbaren Möglichkeiten auf einem ursprünglich freien Betätigungsfeld. Der Wettbewerb um ökonomische Chancen führt mit wachsender Zahl der Konkurrenten im Verhältnis zum geringer wachsenden Erwerbsspielraum zu dem Interesse, die Konkurrenz irgendwie einzuschränken, weil eine Überproduktion vorliegt oder vorhandene Produktionskapazitäten nicht wünschenswert ausgeschöpft werden. Sobald das betroffene Marktsegment ,,reifer“ wird, sinken die Gewinne und die Verteilungskämpfe setzen ein. Dieses Interesse an der Beherrschung des Marktes führt letztlich oft zu einer teilweisen oder vollständigen Monopolisierung der Erwerbschancen, wobei die Abgrenzung und Legitimation des Monopols stets ein Kampf der Unternehmen untereinander ist. Über lange Zeit genügen zumeist aber zwei natürliche Markteintrittsschranken: fallende Stückkosten und der ganz erhebliche Kapitalaufwand. Beide Markteintrittsschranken zeitigen aber gerade in den neuen Bereichen noch keine Wirkung.

Wir haben in diesem wunderbaren — selten so in der Öffentlichkeit  ausgetragenen —  Schauspiel der Beeinflussung der Gesetzgebung außerdem gelernt, dass man lange über eine Sache sprechen und dann die ganzen Diskussion für obsolet erklären kann, um  eine völlig andere Regelung zu erlassen, über die im Prinzip nie ernsthaft diskutiert wurde:  Die Verleger haben — zu Recht oder nicht, das lassen wir einmal offen —  Stimmung gegen Google gemacht, allerlei Wahrheiten, Halbwahrheiten und Erfundenes über Google verbreitet. Es wurde mindestens die gleiche Textmenge  wie in Tolstois ,,Krieg und Frieden“ allein über die robots.txt-Datei geschrieben. Der erste Entwurf des Gesetzes wurde angepasst und ziemlich genau auf Google zugeschnitten, indem nur noch die Aggregatoren unmittelbar angesprochen werden: Es wurde sozusagen in den Gesetzestext geschrieben: Die Methode der Darstellung, wie sie bei der Google-Suche oder bei Google-News stattfindet, wird bei Erzeugnissen der Presse verboten. Es wurden Sachverständige zu den Suchmaschinen angehört, Gutachten zu den Suchmaschinen eingeholt und eigentlich nur über Google und das Verhältnis zu den Presseverlegern gesprochen, geschrieben, getwittert, diskutiert, gebloggt, gepostet, demonstriert oder was auch immer die Papier- und die Netzgemeinde heutzutage tut. Dann wird weiter verhandelt und schließlich wird das sogenannte ,,Lex Google“ leicht verändert auf den Weg gebracht: Die Methode der Darstellung, wie sie bei der Google-Suche oder bei Google-News stattfindet, wird bei Erzeugnissen der Presse verboten, es sei denn, es handelt sich um die Methode von Google.

Nur noch Fragen
Allseits nur noch offene Fragen

Renaissance des Verlagseigentums?

Back to the roots

Wer in der ein oder andere Darstellung zur Geschichte des Urheberrechts blättert, wird dort  nahezu unweigerlich auf das  (zumeist übel angesehene) sogenannte ,,Verlagseigentum“ stoßen. Inzwischen sind wir auf dem besten Weg in die Vergangenheit: Das Leistungsschutzrecht für die Presse soll ein Verlagseigentum begründen, allerdings unter neuem Namen: Leistungsschutzrecht eben. Der Weg zurück  zum  Verlagseigentum alter (zünftiger) Schule scheint nur noch eine Frage der Zeit.  Dies erbost auch viele Urheberrechtler, denn bald stehen die gewerblichen Unternehmen auch im Gesetz  besser da als die Urheber.

Ein Kernargument für das Leistungsschutzrecht lautet: Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt werden als andere Werkvermittler. Wir [aktuelle Regierungskoalition]  streben deshalb die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet an.

Merkwürdig an diesem „Äpfel-Birnen“-Vergleich ist zunächst einmal: Andere Verlage, die Texte auf den Markt bringen, haben (noch) kein Leistungsschutzrecht.  Bislang hat ein Verlag, der beispielsweise Texte von Flaubert oder Shakespeare veröffentlicht, an dem Text keinerlei Ausschließlichkeitsrechte.

Zauberformel Leistungsschutzrecht
Zauberformel Leistungsschutzrecht

Bislang, denn wenn man der Logik folgt, so dürfte das nur eine Frage der Zeit sein, bis Buchverlage sagen: Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt werden als andere Werkvermittler, also etwa die Presseverlage. Wenn ein Buchverleger also Goethes Faust veröffentlicht, dann muss diese Leistung geschützt werden vor den Trittbrettfahrern.

Das könnte beispielsweise durch folgende Ergänzung des Urheberrechtsgesetzes geschehen:

§ 87i Buchverleger

(1) Der Hersteller eines Buches (Buchverleger) hat das ausschließliche Recht, das Buch oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Buch in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

(2) Ein Buch ist die redaktionell-technische Festlegung literarischer Beiträge, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Literarische Beiträge sind insbesondere Texte und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

 § 87j Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts

(1) Das Recht des Buchverlegers nach § 87i Absatz 1 Satz 1 ist übertragbar. Die §§ 31 und 33 gelten entsprechend.

(2) Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Buches.

(3) Das Recht des Buchverlegers kann nicht zum Nachteil des Urhebers oder eines Leistungsschutzberechtigten geltend gemacht werden, dessen Werk oder nach diesem Gesetz geschützter Schutzgegenstand im Buch enthalten ist. § 87h gilt entsprechend, sofern deren Rechte noch nicht erloschen sind.

(4) Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Büchern oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 entsprechend.

Durch das Verlagseigentum könnte die Bibel oder Goethe wieder appropriiert werden. Eine Besonderheit bei dem Leistungsschutzrecht für Verleger ist nämlich der Umstand, dass keine Anforderungen an dasjenige gestellt werden, was unter das Leistungsschutzrecht fällt, außer der Veröffentlichung in einem Verlag. Es muss weder neu noch originell sein, kann vollkommen sinnfreies Gekritzel sein — egal (ein Computer hätte auch gewisse Schwierigkeiten bei der Unterscheidung): Dementsprechend (weil es nicht auf die Neuheut ankommt) würde der Abdruck von Schillers Glocke — ein Text, der 1867, 62 Jahre nach Schillers Tod, gemeinfrei wurde — das ausschließliche Recht begründen, den Text zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. So jedenfalls liest sich derzeit der Entwurf des Gesetzes.

Ein weiterer Aspekt des Gesetzentwurfes ist die Dauer des Verbots. Das Verbotsrecht erlischt ein Jahr nach Veröffentlichung. Nun werden Inhalte auf Websites eigentlich ununterbrochen neu veröffentlicht. Jedesmal, wenn die entsprechenden Daten von einem Nutzer abgerufen werden, wird der Inhalt neu veröffentlicht. Beginnt mit jedem  Aufruf die Jahresfrist neu?

Wenn es auf die erste Veröffentlichung ankommen sollte: Was passiert, wenn die Verlage auf die nicht gerade sonderlich abwegige Idee kommen, alle sechs Monate die Texte geringfügig zu ändern — das lässt sich automatisieren — gilt das dann stets eine Erstveröffentlichung? Es werden, wie gesagt, keinerlei qualitative Anforderungen an den Inhalt gestellt (da auch kleinste Teile eines Presseerzeugnisses erfasst werden sollen, impliziert dies die Absurdität, dass  bereits  ein I-Punkt unter das Leistungsschutzrecht fällt).

Schließlich: Was ist mit den zahllosen Textschnipseln, die in vielen Presseerzeugnisses tagtäglich mit dem gleichen Wortlaut erscheinen. Wer darf den Weihnachtssegen des Papstes oder eine Regierungserklärung noch verbreiten? Der erste Verleger oder alle Presseverlage (obwohl sie doch gewiss auch als Anbieter von Diensten, die Inhalte aufbereiten, gelten können)?

Ende Januar wird ein Ausschuss die Sachverständigen anhören. In manchen Kreisen, deren Mitglieder nicht einmal unmittelbar betroffen sind, scheint der Entwurf offenbar nur auf wenig Zustimmung (gar keine) zu stoßen.

Renaissance des Verlagseigentums?

Wie oben kurz dargestellt wurde, berufen die Presseverleger darauf, dass andere Verwerter auch ein sogenanntes Leistungsschutzrecht eingeräumt bekommen:

  • der Hersteller eines Tonträgers (§ 85 UrhG)
  • der Veranstalter von Konzerten, Schauspielen etc. (§ 81 UrhG)
  • Sendeunternehmen (§ 87)
  • Filmhersteller, Hersteller von Laufbilder oder Fotografien (72, 94 Abs. 4, 95 UrhG)

Kein Leistungsschutzrecht haben hingegen die Buch- und Zeitschriftenverlage, also diejenigen, die ursprünglich die einzigen waren, die neben den Autoren exklusive Rechte bekommen haben. Nun gab es gute Gründe, wieso man den Verlegern kein Ausschließlichkeitsrecht an den von ihnen auf den Markt gebrachten Titeln mehr gewährte. Aber im 19. und 20. Jahrhundert ist es einer Heerschar von klugen Köpfen gelungen, das an sich als schädlich angesehene Monopol mittels eines Immaterialguts und des geistigen Eigentums in etwas Positives zu verwandeln.

Heutzutage  stellen die Verleger das Fehlen eines eigenen Monopols für die von ihnen angebotenen Waren als einen Verzicht auf ein an sich gerechtfertigtes Exklusivrecht dar. Die Verleger hätten, so der hoch angesehene Urheberrechtler Prof. Dreier in einem Gutachten für den Börsenverein des deutschen Buchhandels (S. 19), ,,in der rechtpolitischen Debatte der Vergangenheit ganz bewußt darauf verzichtet […], ein eigenständiges Leistungsschutzrecht für ihre verlegerische Leistung einzufordern.“

Dies  ist wiederum eingebettet in einen größeren Zusammenhang, nämlich den der Verteilung der Einnahmen, die die VG Wort an Autoren und Verlage ausschüttet. Von der VG Wort bekommen die Verlage einen ganz erheblichen Teil der Einnahmen ausgezahlt.  Diese Auszahlungen stehen nun aber in Frage, weil die Legitimation der Einnahmen der VG Wort (und anderer Verwertungsgesellschaften) auf den unterschiedlichen Rechtsinhabern zugeordneten Verbotsrechten beruht. Wenn aber — so schlagartig zusammengefasst  die heftig umkämpfte Entscheidung des LG München vom 24. Mai 2012  (hier) — die VG Wort treuhänderisch die Rechte der Autoren geltend macht, so darf sie nicht einfach willkürlich einen ganz erheblichen Teil der Einnahmen den Verlagen ausschütten, denn deren Rechte würde sie  nicht geltend machen:

Verlage haben kein eigenes Leistungsschutzrecht. Deshalb können sie allenfalls vom Urheber abgeleitete Rechte bei der Beklagten beibringen. Im Falle des Klägers führt die in dem Wahrnehmungsvertrag aus dem Jahr 1984 erklärte Abtretung aller bestehenden und zukünftigen Rechte an die Beklagte dazu, dass die Verlage, die Werke des Klägers verlegen, von ihm keine Rechte erwerben können. Soweit ersichtlich handelt es sich dabei um keinen Einzelfall, da zumindest eine Vielzahl von Autoren einen solchen Wahrnehmungsvertrag unterzeichnen, um in den Genuß der Ausschüttungen der Beklagten zu kommen. In dieser Art von Fallgestaltungen werden Abtretungen an Verlage deshalb regelmäßig zeitlich später liegen. Sie gehen dann ins Leere, weil der jeweilige Autor keine Rechte mehr hat, die er abtreten kann.

Hier wird deutlich, dass das Leistungsschutzrecht sich auch nachteilig für die Urheber auswirken kann. Allerdings war es bereits bereits bei Einführung des sogenannten ,,Urheberrechts“ typischerweise der Fall: Der Verleger konnte dem Urheber (nach Erwerb der Rechte) die Weitergabe der selbstverfassten Werke untersagen (es sei denn, er hat das Werkexemplar beim Verleger — mit oder ohne Autorenrabatt — erworben).

Was das Urteil des LG München, sofern es nicht aufgehoben wird,  für die Verlage bedeutet, liegt auf der Hand. Der Satz „Verlage haben kein eigenes Leistungsschutzrecht“ muss in das Gegenteil verkehrt werden. Für die Dauer dieses Leistungsschutzrechts kann man dann auf die Erfahrungen der Vergangenheit zurückgreifen:

Im Buchhandel hatten die Venezianer schon im 16. Jahrhundert die Klaviatur des Neuen ausgelotet: Absolut neuen Werken wurde ein Privileg mit der längsten Dauer zugesprochen, territorial neue Werke erhielten eine mittlere und Neuauflagen von seit längerem vergriffenen Werken eine kurze Dauer (hier, S. 162).

Zu diesem Thema auch das Video.

Logik des Leistungsschutzrechts

Die Argumentation der Presseverleger, sie dürften nicht schlechter gestellt werden, als die Tonträgerhersteller (der sich nun offenbar größere Teile der Regierungskoalition angeschlossen hat), wird dazu führen, dass die Buchverleger — praktisch mit der gleichen Legitimation — ein ähnliches Recht fordern werden (siehe hier). Der Anreiz hierfür wird durch die drohende Gefahr des Einnahmeausfalles bei der VG Wort gesteigert.

Umgekehrt hat der Gesetzgeber, wenn er einmal diese Sonderrechte geschaffen hat, kaum noch die Chance, diese wieder abzuschaffen, weil eine Aufhebung entweder als Enteignung, wenn bestehenden Sonderrechte aufgehoben werden, oder als nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung angegriffen werden.

 

Nur so am Rande: Einiges Kopfzerbrechen bei der Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts dürfte allerdings der Umstand machen, dass beispielsweise Google über Google-Books inzwischen zahllose Titel veröffentlicht hat. Aber irgend eine Abgrenzung und eine Begründung, wieso Google und Konsorten nicht an der Ausschüttung beteiligt werden, wird sich sicherlich finden lassen — Papier ist geduldig.

 

Urheberrechtsdialog Tag 8 – Verwertungsgesellschaften

Sonderrecht für Presseverleger (Leistungsschutz?)

Unsere, also die deutsche  Bundesregierung hat einen Entwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger veröffentlicht. An sich könnte man ja einen ausführlichen Kommentar zum Entwurf der Bundesregierung und den einzelnen Regelungen schreiben, aber dafür ist der Vorschlag doch zu absurd (und vollkommen gaga sind unsere Abgeordneten hoffentlich nicht, so dass der Entwurf wohl kaum umgesetzt werden wird). Dass die Begründung wesentlich auf die absehbar harsche Kritik im Netz (Blogger, Facebooknutzer etc.) abstellt und kaum auf die im Kern nachteilig betroffenen gewerblichen Unternehmen, offenbart eigentlich, wie unzureichend durchdacht der Vorschlag ist. Aber wir haben es vielleicht auch mit ein paar schlitzohrigen Abgeordneten zu tun, die einerseits die Presse nicht verärgen wollen (und einen Entwurf vorlegen), andererseits aber genau wissen, dass der Unfug kaum durchkommen wird.

Der Vorschlag sieht wie folgt aus:

In das geltende Urhebergesetz  sollen folgende Bestimmungen aufgenommen werden:

§ 87f  Presseverleger

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

(2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

§ 87g Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts
(1) Das Recht des Presseverlegers nach § 87f Absatz 1 Satz 1 ist übertragbar. Die §§ 31 und 33 gelten entsprechend.

(2) Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presseerzeugnisses.

usw.

Dort steht zusammengesetzt:

Der Presseverleger hat das ausschließliche Recht, die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken zu veröffentlichen.

Was die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge sein soll?  Damit ist vermutlich die kopierbare Leistung der Presseverleger gemeint, nicht das Erscheinungsbild einer Zeitung oder Website. Die kopierbare Leistung gilt es offenbar zu schützen gilt, weil die Zeitungsverleger schon im 19. Jahrhundert gejammert haben, dass andere bei ihnen abgeschrieben haben (so kann man in der Begründung zum Entwurf lesen — zugrunde gegangen sind sie daran aber nicht). Mit den digitalen Techniken und dem Internet sei das alles noch viel schlimmer geworden. Allein das Urheberrecht (für Werke im Sinne des UrhG) und die Leistungsschutzrechte etwa für Fotografien seien nicht ausreichend, unter anderen weil diese Rechte ja nicht zwingend den Verlegern zustehen, sondern gelegentlich — je nach Vertrag — auch den Autoren oder Fotografen. Dass diese selbst entscheiden könnten, kommt den Verlegern offenbar nicht in den Sinn. Wahrscheinlich sind Autoren jedoch dankbar, wenn ihre alten Artikel zumindest über Suchmaschinen oder andere Hinweise noch gefunden werden, weil sie dann noch gelesen werden. Fällt das sogenannte Deep Linking weg, verschwinden die meisten Artikel für die meisten Interessenten nahezu unauffindbar irgendwo im Datenbankdickicht des jeweiligen Content Management Systems. Und schließlich, was geht es die Verleger überhaupt an, an wenn jemand einen Presseartikel kopiert, an dem sie keine exklusiven Rechte erworben haben?

Deshalb, weil sie so viel gejammert haben, kriegen nun die Presseverleger ein Sonderrecht.  Der Presseverlegerverband hat schon mitgeteilt, dass das Gesetz so in Ordnung wäre. Andere Veröffentlicher bekommen hingegen kein Verbotsrecht, weil sie keine redaktionell-technische Festlegung leisten (sondern einfach so veröffentlichen). Mit der Hervorhebung der Leistung der Verleger (redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge genannt) will man ersichtlich verschleiern, dass es tatsächlich um die Teile geht, also die Teile, aus denen sich eine Zeitung oder ein Online-Auftritt eines Presseverlegers zusammen setzt: Texte, Töne, Bilder  oder Kombinationen davon.

Eine untere Grenze, was wir unter den Teilen dieser redaktionell-technischen Festlegung verstehen dürfen, ist  in dem Entwurf nicht ersichtlich. Es wird weder irgend eine besondere Qualität oder Originalität, nicht einmal die Neuheit gefordert, im Gegenteil: hierauf soll es nach dem Entwurf nicht ankommen, weil jeder Schnipsel Teil der Leistung des Presseverlegers ist. Da sollen sich nach der Meinung unserer Bundesregierung offenbar die gewerblichen Verbreiter streiten, wem so interessante Teile der journalistischen Festlegung wie DAX leicht im Plus gehören (dazu bereits hier). DAX leicht im Minus darf wahrscheinlich ein anderer Presseverleger ein Jahr lang exklusiv gewerblich verbreiten. Alle, die das gleiche gewerblich verbreiten wollen, sollen nach der Vorstellung unserer Bundesregierung mit dem  Rechtsinhaber über eine Genehmigung verhandeln. Es wird angesichts dieser kruden Vorstellungen wahrscheinlich hunderte von Aspiranten geben, die meinen, sie hätten das Ausschließlichkeitsrecht für solche Standardformulierungen, denn die können eine wahre Goldgrube sein.


Edit: 18. 6. 2012


Nach Ablauf eines Jahres erlischt das Recht. Vermutlich muss der der Rechtsinhaber jedoch kurz vor Ablauf der Frist nur einmal Mal wieder Dax leicht im Plus schreiben und schon hat er ein neues Ausschließlichkeitsrecht für ein weiteres Jahr (usw. etc.). Für diese Vermutung spricht, dass nicht die besondere Qualität des Teiles des Presseerzeugnisses ausschlaggebend sein soll, sondern die redaktionell-technische Leistung. Wenn diese erneut erbracht wurde, müsste sie erneut das Verbotsrecht auslösen.

Gewerblich tätig im Sinne des Entwurfs ist  offenbar jeder, der irgendeinen Umsatz irgendwie im Zusammenhang mit seinen Veröffentlichungen macht oder machen könnte: Taucht auf meiner Katzenfotosammlung im Internet (1) eine Werbung und  (2) so ein Schnipsel auf und hat  (3) ein Presseverleger im Laufe des letzten Jahres den gleichen Schnipsel verbreitet, kann er von mir Unterlassung verlangen.

Man muss nicht einmal schreiben, dass man beispielsweise die Formulierung: ,,Das Treffen im kleinen Kreis wurde für den Wirtschaftsminister zu einem Fiasko, weil …“ von der Website eines anderen Presseverlegers übernommen hat. Allein die Übernehme des Satzes würde dann einen Verstoß gegen das Exklusivrecht des ersten Presseverlegers darstellen. Wer die journalistische Praxis kennt, der weiß, dass in den Redaktionen — wie sonst auch — eifrig abgekupfert wird. Wenn man einen Artikel zu einem Thema schreibt, übernimmt man oft eine Formulierung hier, eine andere dort. Das entspricht der menschlichen Natur und der Begrenztheit der Mittel, weil sich zwar für manche Formulierungen verschiedene Varianten anbieten, aber irgendwann ist Schluss mit den Möglichkeiten. Man kann vielleicht auf fünf oder zehn Arten ein Ereignis beschreiben. Aber irgendwann werden auch die Paraphrasen unverständlich.

Was passiert, wenn ich sage, dass ich nicht kopiert habe, sondern der Satz: ,,Die sind besonders süß„, auf meinem Mist gewachsen ist: Das soll vermutlich trotzdem verboten sein, weil andernfalls das Recht des Presseverlegers ausgehöhlt werden würde (oder es gibt eine Beweislastumkehr: ich muss beweisen, dass ich nicht abgeschrieben habe).

Selbst wenn dem nicht so wäre, also eine Art Kopier- oder Übernahmehandlung erforderlich sein sollte — es müssen jedoch auf jeden Fall die automatisierten Vorgänge bei den Nachrichtenaggregatoren erfasst werden — wenn also irgend eine auch automatisierte Übernahme von dem Presseerzeugnis notwendig sein sollte: Dies wäre eine Beweisfrage, die im Zweifelsfall vor Gericht zu klären wäre. Und die Beweislast trägt typischerweise derjenige, der sich auf bestimmte Umstände beruft. Das heißt, der erste Verleger muss nur nachweisen, dass ein bestimmter Schnipsel a) Bestandteil des eigenen Presseerzeugnisses ist, b) dieses vor der angeblich das Ausschließlichkeitsrecht verletzenden anderen Veröffentlichung erschienen ist und c) die Schnipsel identisch sind. Der andere wird hingegen die Beweislast haben, dass er nicht die Veröffentlichung des ersten Presseverlegers zur Kenntnis genommen hat. Am besten arbeitet man wohl mit Autoren zusammen, die blind und taub sind, denn bei denen dürfte der Nachweis, dass sie eine bestimmte Formulierung nicht woanders übernommen haben, am leichtesten fallen.

Wohin so eine Gesetzesänderung wahrscheinlich führen wird: Die großen Verlage würden sich  großzügig gegenseitig befreien (kennt man ja schon von den Patenten), während die kleinen gewerblichen Websites allesamt von der Gnade der Großen abhängen werden, denn gegen dieses Ausschließlichkeitsrecht (Teile einer  redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge anderer zu veröffentlichen) kann man eigentlich nur dann nicht verstoßen, wenn man sich der Verwendung aller geläufigen Sprachen dieser Welt enthält.

Nun steht zwar im Entwurf, dass das Recht nicht zum Nachteil des Urhebers oder eines Leistungsschutzberechtigten geltend gemacht werden darf, dessen Werk oder nach diesem Gesetz geschützter Schutzgegenstand im Presseerzeugnis enthalten ist — aber damit sind wohl nur die Verfasser der Teile der redaktionell-technischen Festlegung gemeint, nicht andere Autoren.

Vor allem die Macht der großen Verlage wird so gestärkt werden, weil sie ein Instrument in die Hand bekommen, gegen die kleine Konkurrenz vorzugehen. Sie müssen das Leistungsschutzrecht nicht einsetzen, sie können es aber.

Der Entwurf ist eine Absurdität, über die sich gerne andere tiefer gehende Gedanken machen können, zum Beispiel hier: Till Kreutzer (Referentenentwurf zu, Leistungsschutzrecht. Eine erste ausführliche Analyse), der unter der URL http://irights.info/?q=content/referentenentwurf-zum-leistungsschutzrecht-eine-erste-ausfuhrliche-analyse seine Überlegung niedergelegt hat, ob das, was ich hier mache, schon unter das Verbotsrecht fällt, weil ich ja einen Teil der journalistisch-technischen Festlegung der Website wiedergegeben habe.


Ergänzung (19. 6. 2012):

SPIEGEL ONLINE hat am 15. 6. 2012 mitgeteilt, man dürfe auch in Zukunft mit Überschrift und Textanriss auf ihre Website verlinken. Auf der anderen Seite erklärt Christoph Keese wie die Verlage sich in Zukunft verhalten sollten: Keine Abmahnwellen, faire Preise! Wie das Leistungsschutzrecht genutzt werden sollte. Man muss hierzu noch sagen, dass wohl kaum ein anderer so für das Sonderrecht der Presseverleger getrommelt hat, wie Herr Keese (vorgeblich in seiner Freizeit, neben seiner Tätigkeit für den Axel-Springer-Verlag). Das sind zwei sehr interessante Aussagen:

  1. Spiegel Online erklärt vorab einen Verzicht auf den Kern des Leistungsschutzrechts.
  2. Herr Keese fordert die Presseverleger auf, sie sollten im Grundsatz ihr erhofftes Recht doch nicht so richtig durchsetzten, sondern in vielen Fällen Gnade walten lassen. Außerdem sollen ,,harmlose Blogger“, die gelegentlich die  Grenze zum erlaubten Zitat (wo diese Grenze genau verläuft, ist ein Mysterium) überschreiten und die ein wenig Werbung auf ihren Seiten unterbringen ,,völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können“,  etwa durch eine ,,preislich superattraktive Mehrjahresflatrate“, die ,,sie aller Sorgen enthebt“.

Hier offenbaren sich die besonderen Qualitäten des Gesetzentwurfes:Wenn die Presseverlage gnädig sind, das Recht gar nicht zur vollen Entfaltung gebracht wird, also das dauernde rechtswidrige Handeln Vieler lax gehandhabt wird, und die harmlosen Blogger brav einen geringen monatlichen Obolus an die Presseverleger leisten, wird es gar nicht so übel kommen, wie es auf den ersten Blick aussieht. Wer gleich eine Mehrjahresflatrate bucht, bekommt von Herrn Keese bestimmt einen Nachlass in Aussicht gestellt: Buche 36 Monate Presseverleger-Flatrate und zahle nur 30 Monate (oder so ähnlich).  Dieses alles nach dem Gutdünken der Verleger, die umgekehrt auch mal einen Blogger in die Pleite treiben können, denn dass sie ihr scharfes Schwert nicht einsetzen sollen, heißt noch lange nicht, dass sie es nicht tun.

Man kann es auch anders sagen: La propriété intellectuellec’est le vol !


Ergänzung (22. Feb. 2013):

Diese Aufnahme einer Anhörung von Mathias Döpfner, Julia Jäkel, Ulrich Lingnau, Rainer Esser, Christian Nienhaus und Stephan Weichert zur Lage der Presseverlage (Zusammenfassung und Hintergrundinformationen hier) im Bundestagsausschuss zur Zukunft des Qualitätsjournalismus im Ausschuss für Kultur und Medien am 20. Februar 2013 verdeutlicht die andere Seite der Problematik. Auffällig ist die vergleichsweise offen geäußerte „eine Hand wäscht die andere“-Logik: Wir, die Presse, sorgen seit Jahrzehnten dafür, dass keine ,,radikalen“ Parteien gewählt werden. Das soll wohl nichts anderes heißen als: Liebe Bundestagsabgeordnete, helft uns, denn wir helfen euch auch, indem wir politische Neueinsteiger oder Andersdenkende mit unseren Mitteln möglichst klein halten. Aber lassen wir dies (und das angesprochene Privileg für das  => Datensammeln) einmal beiseite, denn die Aussagen und Hoffnungen der Vertreter der großen Presseverlage im Hinblick auf das Leistungsschutzrecht erscheinen bestenfalls naiv.

Deutlich wird, dass die behauptete Krise der Verlage weniger mit den Suchmaschinen und anderen Sschnipselanbietern zusammen hängt, sondern in der Hauptsache auf dem Rückgang der Auflage und der Werbung beruht (Stichwort: Scout, siehe hier). Diese Umsatzeinbußen lassen sich ohne Frage auch auf das Internet zurückführen (obwohl wahrscheinlich früher auch das Radio und das Fernsehen zu Umsatzverlusten geführt haben). Mit Veröffentlichungen im Internet könnten Verlage nur in Ausnahmen Gewinne erwirtschaften. Das bedeutet aber nun nicht zwingend, dass nun die Unternehmen, die mit dem Internet Geld verdienen, zu einem Ausgleich verpflichtet sind, auch dann nicht, wenn symbiotische Verhältnisse bestehen.

Es stellt sich außerdem die Frage, wie die Verleger die teilweise widersprüchlichen Aussagen ,,unter einen Hut“ bekommen wollen.

  • Man kann doch nicht angeblich auf den freien Markt setzen;
  • den Rückgang der Nachfrage konstatieren (was im Markt zum Ausscheiden von Anbietern führen sollte, um das Überangebot zu ,,bereinigen“)
  • eine Subventionierung durch den Staat ablehnen (das Leistungsschutzrecht soll aber genau das sein, eine staatliche Maßnahme, die den Verlegern mehr Geld bringt);
  • und schließlich der seit Jahrhunderten als Dauerbrenner-Schein-Argument unter den Befürwortern der Monopole Widerspruch, nämlich,
    • dass es ein Überangebot gibt, das die Einnahmen verringert: deshalb braucht man ein Monopol);
    • und gleichzeitig das Monopol fordern, weil es ohne ein Monopol Unterangebot geben würde.

Ob überhaupt eine Ernst zu nehmende Nachfrage nach dem besteht, was die Presseverlage mittels des Leistungsschutzrechtes verkaufen wollen, wird bei all dem überhaupt nicht erörtert. Dass ein Interesse an längeren Beiträgen besteht, lässt sich wohl nicht von der Hand weisen. Jedoch, diese längeren Beiträge werden üblicherweise vom Urheberrecht erfasst und wieso sollte man den Verlagen zusätzlich Rechte verschaffen (die die Rechte der Urheber begrenzen, weil ja die Verlage ebenfalls Rechte an dem gleichen Text erhalten)?

Und ob es wirklich viele Unternehmen gibt, die bereit sind, für nicht vom Urheberrecht erfasste Schnipsel auch nur einen Cent zu bezahlen, ist zweifelhaft. Zum einen verdient der Großteil der Anbieter im Internet nun auch nicht mehr als die Presseverlage, während erfolgreiche Unternehmen — insbesondere wohl der Hauptgegner Google — nicht bereit sein werden, etwas zu bezahlen. Dementsprechend ist überhaupt nicht ersichtlich, was dieses ziemlich abstrus formulierte Leistungsschutzrecht außer Verwirrung, Verunsicherung, Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren überhaupt zeitigen soll. Tatsächlich wollen die Verlage ja, dass ihr Angebot mittels der Schnipsel im Internet bei anderen Anbietern erscheint, auch wenn sie sich für ein Verbot stark machen. Das, was durch das Leistungsschutzrecht verboten werden soll, soll nach dem Willen derjenigen, die das Verbot fordern, ja tatsächlich stattfinden.


Vorschlag der SPD zu Open Access

Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (BT-Drs. 17/5053) initiiert, der ein Zweitverwertungsrecht insbesondere für wissenschaftliche Artikel zwingend vorsieht.  Der konkrete Vorschlag lautet:

§ 38 a

Zweitveröffentlichungsrecht

An wissenschaftlichen Beiträge, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Foschungstätigkeit entstanden sind und in Periodika oder Sammelwerken nach § 38 Abs. 2 [UrhG] erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, den Inhalt längstens nach Ablauf von sechs Monaten bei Periodika und von zwölf Monaten bei Sammelwerken seit der Erstveröffentlichung anderweitig nicht kommerziell öffentlich zugänglich zu machen. Die Zweitveröffentlichung ist in der Formatierung der Erstveröffentlichung zulässig; die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Ein dem Verleger eingeräumtes ausschließliches Nutzungsrecht bleibt im Übrigen unberührt. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Der Vorschlag weist in die richtige Richtung und stellt eine geeignete Grundlage für die weitere Diskussion der notwendigen Urheberrechtsreform überhaupt dar. Allerdings kann ein nur auf der vertraglichen Ebene ansetzendes Instrument durch entsprechende vertragliche Gestaltung, durch die Wahl ausländischen Rechts, grundsätzlich ausgehebelt werden (vor allem, wenn die Verträge mit Verlagen mit ausländischem Sitz geschlossen werden).

Für eine allgemeine Regelung ist der Vorschlag noch zu sehr an der aktuellen Open-Access-Diskussion orientiert. Er erlaubt insbesondere nur eine anderweitige nicht kommerzielle Veröffentlichung. Diese Einschränkung mag aufgrund der (überwiegeden) Finanzierung durch öffentliche Mittel gerechtfertigt sein. Sie ist aber für eine grundsätzliche Regelung  nicht sinnvoll. Vielmehr sollte jedem Urheber ein Zweit-, Dritt- oder Viertveröffentlichungsrecht auch auf kommerziellem Wege nach Ablauf einer Zeitspanne eingeräumt werden. Oder umgekehrt  (vgl. hier oder hier): die Übertragung von exklusiven Nutzungsrechten wird nicht zugelassen, sondern nur ein angemessener Zeitvorsprung für den ersten Veröffentlicher (im SPD-Vorschlag „Embargo-Frist“ genannt).

Eine entsprechende Regelung würde das Urheberrecht wieder auf die Füße stellen.


Ergänzung [21. 3. 2011]: Hierzu auch

  • Pressemitteilung von Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Sprecher des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” sowie
  • ein längerer Kommentar zu dem Vorschlag auf IUWIS.

(Keine) Neuigkeiten von der Leistungsschutzfront

Gehen wir einmal davon aus, dass der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) seiner Journalistenpflicht nachgekommen ist und die Pressemitteilung die Diskussion zum Leistungsschutzrecht für Verleger am 24. Januar 2011 gut zusammenfasst hat. Demnach kann man leider  nur mit einer Nicht-Nachricht aufwarten.

Das Thema lautete ,,ob ein neues Leistungsschutzrecht überhaupt erforderlich ist und ob die Verlage durch Suchmaschinen wie Google tatsächlich so stark benachteiligt werden.„ Das ist insofern interessant, weil wir zur Zeit eigentlich nur eines wissen: Die Verleger wollen ein Leistungsschutzrecht, weil andere Rechteverwerter auch ein Leistungsschutzrecht haben. Die Filmhersteller, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und  Datenbankhersteller seien bereits mit einem  Leistungsschutzrecht ausgestattet. Es sei daher nicht einzusehen, dass ein solches Recht den Presseverlegern vorenthalten werde.

Aber wie das überhaupt aussehen soll? Fehlanzeige: Anders als erwartet, so der BJV,  gab Prof. Schweizer keine Details dazu bekannt, wie das geplante Leistungsschutzgesetz in der Praxis umgesetzt werden soll. Offen blieb auch, ob eine eigene Verwertungsgesellschaft gegründet oder ob  die VG Wort mit der Beitreibung des erhofften Geldsegens betraut werden soll. Theoretisch kommen noch einzelne Verträge mit den Nutzern der Leistung der Verleger in Betracht, die jeder Presseverleger mit jedem Betroffenen abschließt. Wenn eine Verwertungsgesellschaft gegründet werden sollte, kann man spekulieren, wer die Nutznießer sein werden — wohl kaum die kleinen, die am ehesten Hilfe benötigen.

Tatsächlich weiß man bis heute noch nicht einmal, was überhaupt erfasst werden soll. So sprach Dr. Angelika Niebler, parlamentarische Geschäftsführerin der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, von den Googles und Apples dieser Welt. Nun bieten die beiden Unternehmen bislang — soweit bekannt — im Hinblick auf die Presse vollkommen unterschiedliche Leistungen an (wobei Apple  bis vor kurzem von der Presse hochgejubelt wurde  (vgl. z. B.  hier oder hier), bis ihnen auffiel, dass sie sich nur in die Fänge eines Unternehmens begeben hatten, das ihnen keinen Cent schenken will. Vielleicht ist der Geschäftsführerin der EVP-Fraktion auch nicht bekannt, was die genannten Unternehmen für Leistungen anbieten?

Vollkommen unklar bleibt weiterhin, wie die eigentlich dem Urheberrecht zugeordneten Beiträge der Journalisten sich von dem vom Leistungsschutzrecht erfassten Leistungen der Verleger unterscheiden sollen? Dr. Frey warnte davor, dass die Journalisten zu „Gefangenen des neuen Leistungsschutzrechtes“ werden könnten, wenn ihnen die Zweitverwertung ihrer Beiträge erschwert werde. Das würde aber voraussetzen, dass die Leistungen der Journalisten zugleich von dem Leistungsschutzrecht erfasst werden. Allerdings behauptet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), dass das Urheberrecht der Autoren vom Leistungsschutzrecht für Presseverleger unberührt bleibe. Beide Rechte stünden trennscharf nebeneinander. Wie diese Trennung allerdings mit der anderen  Behauptung des BDZV, nur wer gesetzlich geschützte Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, müsse die Zustimmung des Urhebers und des Leistungsschutzberechtigten einholen, zusammenpassen soll, steht in den Sternen. Entweder sind sie getrennt. Dann muss derjenige, der Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, nur einen  fragen. Oder sind sind miteinander verbunden.  Dann  droht allerdings die Gefahr, dass die Journalisten beispielsweise etwaige Zweitnutzungsrechte doch nur mit Zustimmung des Leistungsschutzberechtigten nutzen können.

Die Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes Rainer Reichert und des BJV Jutta Müller sagten, dass sie im Prinzip nicht gegen ein Leistungsschutzrecht seien, wenn es den Journalisten neue Einnahmen beschere. Nachdem das Leistungsschutzrecht offenbar die besonderen Leistungen der Verleger und nicht die der Journalisten erfassen soll, stellt sich allerdings die Frage nach der Berechtigung dieser Position. Erst Recht stellt sich die Frage nach der Berechtigung dieser Hoffnung, denn auf längere Frist werden Zahlungen auf das Leistungsschutzrecht in dieser oder jener Form werden die Zahlungen auf das Gesamtentgelt der Journalisten angerechnet werden. Nutzen wird es auf lange Frist den Verlegern, wie Prof. Peifer zu Recht feststellte.

So bleibt der Kritikpunkt von Dr. Nolte bestehen: Nachdem das Projekt nun einige Jahre alt ist, können wir  weiterhin nur rätseln und orakeln, was  die Verleger überhaupt konkret wollen (außer mehr Geld, das sie sich dann — nach den Vorstellungen der Journalisten — mit diesen teilen sollen).


Ergänzung [3. Feb. 2011]
Nachdem Apple den Verkauf von Zeitungsinhalten, Büchern, Musik etc. zumindest als zwingende Alternative für das Apple gehörende System fordert (mit hochprozentiger Beteiligung für die Apple-Leistung), sofern eine „App“ für das Gerät iPad genutzt wird, müssen nun in der Vorstellung der Verleger die moralischen Rollen getauscht werden: Google wechselt mit dem neuen System Android 3 in das Lager der Guten, während Apple zum Bösewicht erklärt wird. Natürlich ist das alles nur wegen der bösen, bösen Monopole der anderen (Apple, Google etc.) möglich, was aber selbstverständlich kein Hinderungsgrund ist, selbst lautstark eigene Monopole zu fordern, denn die eigenen sind gerecht und notwendig, die der anderen ungerecht und schädlich.


Ergänzung [23. Feb. 2011]

Angelika Niebler teilte in Ihrem Newsletter zu den Planungen auf EU-Ebene mit:  ,,Ende März [2011] werde die Europäische Kommission das Grünbuch für eine Strategie zum Schutz des geistigen Eigentums im Internet vorlegen, das bewusst keinen Vorschlag für ein europäisches Leistungsschutzrecht enthalten werde. Dafür gebe es zu große strukturelle Probleme. So sei z. B. nicht geklärt, wer das Geld eintreiben soll, wer letztendlich bezahlen muss und ob die Gebühr schon beim Ansehen von Seiten gelten soll.“

Ob es sich lediglich um ein rechtstechnisches Problem handelt, wie die Förderung der Presseverleger konkret gestaltet werden soll, blieb aber offen.

Geistiges Eigentum v. Intellectual Property

Google Books bietet mit seinen statistischen Möglichkeiten und dem Ngram Viewer interessante Einblicke, wie oft Begriffe über einen längeren Zeitrum in den Büchern verwendet wurden. Für diese quantitativen Untersuchungen wurde von einigen Wissenschaftlern bereits ein Begriff erfunden: Culturomics.

Geistiges Eigentum

Nimmt man die Begriffe Geistiges Eigentum und das englische Pendant Intellectual Property, sind die Abweichungen der jeweiligen Entwicklungen immens. Dabei zeigen sich sehr interessante Unterschiede wie auch Parallelen.

In der Zeit von 1800 bis 2008 erlebte der Begriff geistiges Eigentum erst vor kurzem seinen neuen Höhepunkt. Der erste war um 1900 (1905), also just nach Inkrafttreten des BGB. Zwar wurden in die Zeit zwischen 1870/71 und 1900  auch die Gesetze über das Urheberrecht, das Patentrecht, den Musterschutz und das Markenrecht erlassen bzw. erneuert, jedoch fehlen im BGB praktisch sämtliche Bestimmungen zum den genannten Rechtsgebieten.

Geistiges Eigentum in Google Books 1800--2008

In der Rechtswissenschaft war es um 1880, als der Begriff zu seinem ersten Höhenflug in den Büchern ansetzte, weitgehend ausgemachte Sache, dass man den Begriff geistiges Eigentum als fachlich irreführend nicht nutzen sollte (auch wenn man sich über die Alternative nicht im Klaren war).

Allerdings wurde der Begriff geistiges Eigentum in Deutschland nicht ausschließlich im rechtlichen Sinne genutzt, sondern auch in der Bildung: Die Schüler sollten nicht nur das Wissen aufnehmen, sondern auch anwenden können. Erst dann sei das Wissen das „geistige Eigentum“ des Schülers oder Studenten geworden. Wer historische Konnotationen nicht beachtet, kann zu verzerrten Ergebnissen kommen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kristallisierte sich die Umschreibung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht als Zusammenfassung für die Rechtsgebiete  heraus.  In der Folgezeit ließ die Verwendung des Begriffs geistiges Eigentum nach, um erneut nach dem zweiten Weltkrieg — möglicherweise im Zusammenhang mit der Lobbyarbeit für die Neugestalung des Urhebergesetzes (1965) — einen neuen Aufschwung zu erleben. Der Höhepunkt war 1955. Ab Inkrafttreten des neuen Urhebergesetzes ließ die Nutzung wieder nach und stieg erst an, als auch der englische Begriff immer häufiger genutzt wurde.

So muss man bei diesen Statistiken vorsichtig sein: Wenn man den Begriff GRUR, die Abkürzung für „Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht“ (rote Linie in der folgenden Abbildung) dem geistigen Eigentum entgegensetzt, so scheint dieser Begriff die Diskussion vollständig zu beherrschen. Tatsächlich wird hier nur deutlich, dass die Verwendung des Begriffs GRUR stark zugenommen hat. Über das Verhältnis zum anderen Begriff geistiges Eigentum besagt die Statistik deshalb wenig, weil es eine Zeitschrift gibt, die sich GRUR nennt. Je öfter diese Zeitschrift zitiert wurde, desto höher ist deshalb auch der Wert in der Grafik. Allerdings lässt sich durchaus eine Korrelation mit dem Begriff geistiges Eigentum erkennen, also der Anstieg um 1950 (der allerdings auch mit dem Kartellrecht in Verbindung gebracht werden kann, denn zum 1.1. 1958 trat das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft), sowie die erneute, ununterbrochene Zunahmen seit 1980.

GRUR in Google Books 1900--2008

Welche Aussagekraft solche Untersuchungen haben, steht auf einem anderen Blatt. Wer von dem aktuellen Verständnis eines Begriffs ausgeht, wird im Ergebnis nur die sehr begrenzte Erkenntnis über die Nutzung des Worts erzielen.  Die Kultur lässt sich mit einer rein quantitativen Methode kaum erfassen.

Andere, ganz erhebliche Ungenauigkeiten ergeben sich auch aus den Fehlern bei der Texterkennung. So wird beispielsweise eine auffällige Häufigkeit des Begriffs Immaterialgut angezeigt, die jedoch oft auf einer Verwechslung mit Immaterialität beruht.

Intellectual Property

Intellectual Property in Google Books 1800--2008

Der Begriff Intellectual Property begann erst um 1980 buchfähig zu werden. Während der Begriff bis 1900 praktisch kaum erschien und um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert nur kurzzeitig genutzt wurde, stieg die Zahl ab 1980 gewaltig an. Dabei muss man sich den Maßstab der beiden Grafiken vor Augen halten: In der deutschsprachigen Literatur endet die Skala bei 0,0006 Promille  (0,00006 %), in der englischsprachigen Literatur bei 0,004 Promille (0,0004%).

Trittbrettfahrer und Freerider

Interessant scheint auch die in Deutschland noch immer vorhandene Steigerung des Begriffs Trittbrettfahrer, der inzwischen im Englischen seinen Höhepunkt überwunden zu haben scheint.

Trittbrettfahrer in Google Books 1950--2008

Dieser Begriff Trittbrettfahrer wird oft zur Begründung von Monopolpositionen wie sie das geistige Eigentum schaffen kann benutzt und dient nicht nur den Presseverlegern bei ihrem unverhohlen geäußerten Wunsch nach mehr Geld bei der Überzeugungsarbeit.

Freerider in Google Books 1950--2008

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger begründet den von ihm vorgetragenen Wunsch nach einem Leistungsschutzrecht mit einer zirkulären Argumentation: „durch die Nicht-Verfolgbarkeit der Rechtsverletzungen entgehe ihnen bares Geld„. Gemeint sind die deutschen  Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die keine eigenen Rechte haben (sondern nur die von den Urhebern abgeleiteten) und folglich auch keinen eigenen Rechtsverletzungen, die sie verfolgen könnten, zu beklagen haben.

Dabei lenken die Verlage von der Tatsache ab, dass sie auf einem bereits weitgehend gesättigten Markt tätig sind. Ihre besondere Leistung, mit der sie sich geltend machen wollen, wird  von den Kunden offenbar als nahezu wertlos eingeschätzt (andernfalls würden die Kunden ja etwas dafür bezahlen). Modelle, bei denen die die Nutzer etwas für die Leistung der Verleger bezahlen, sind im Internet ja kein Unding. Ein Unding ist in einer freien Marktwirtschaft eher die Vorstellung der Verleger, dass ihre von den Kunden als wertlos eingeschätzte Leistung vom Staat durch die Hintertür versilbert wird.


Ergänzung [9. 1. 2010]:  Vgl. hierzu auch: