(Keine) Neuigkeiten von der Leistungsschutzfront

Gehen wir einmal davon aus, dass der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) seiner Journalistenpflicht nachgekommen ist und die Pressemitteilung die Diskussion zum Leistungsschutzrecht für Verleger am 24. Januar 2011 gut zusammenfasst hat. Demnach kann man leider  nur mit einer Nicht-Nachricht aufwarten.

Das Thema lautete ,,ob ein neues Leistungsschutzrecht überhaupt erforderlich ist und ob die Verlage durch Suchmaschinen wie Google tatsächlich so stark benachteiligt werden.„ Das ist insofern interessant, weil wir zur Zeit eigentlich nur eines wissen: Die Verleger wollen ein Leistungsschutzrecht, weil andere Rechteverwerter auch ein Leistungsschutzrecht haben. Die Filmhersteller, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und  Datenbankhersteller seien bereits mit einem  Leistungsschutzrecht ausgestattet. Es sei daher nicht einzusehen, dass ein solches Recht den Presseverlegern vorenthalten werde.

Aber wie das überhaupt aussehen soll? Fehlanzeige: Anders als erwartet, so der BJV,  gab Prof. Schweizer keine Details dazu bekannt, wie das geplante Leistungsschutzgesetz in der Praxis umgesetzt werden soll. Offen blieb auch, ob eine eigene Verwertungsgesellschaft gegründet oder ob  die VG Wort mit der Beitreibung des erhofften Geldsegens betraut werden soll. Theoretisch kommen noch einzelne Verträge mit den Nutzern der Leistung der Verleger in Betracht, die jeder Presseverleger mit jedem Betroffenen abschließt. Wenn eine Verwertungsgesellschaft gegründet werden sollte, kann man spekulieren, wer die Nutznießer sein werden — wohl kaum die kleinen, die am ehesten Hilfe benötigen.

Tatsächlich weiß man bis heute noch nicht einmal, was überhaupt erfasst werden soll. So sprach Dr. Angelika Niebler, parlamentarische Geschäftsführerin der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, von den Googles und Apples dieser Welt. Nun bieten die beiden Unternehmen bislang — soweit bekannt — im Hinblick auf die Presse vollkommen unterschiedliche Leistungen an (wobei Apple  bis vor kurzem von der Presse hochgejubelt wurde  (vgl. z. B.  hier oder hier), bis ihnen auffiel, dass sie sich nur in die Fänge eines Unternehmens begeben hatten, das ihnen keinen Cent schenken will. Vielleicht ist der Geschäftsführerin der EVP-Fraktion auch nicht bekannt, was die genannten Unternehmen für Leistungen anbieten?

Vollkommen unklar bleibt weiterhin, wie die eigentlich dem Urheberrecht zugeordneten Beiträge der Journalisten sich von dem vom Leistungsschutzrecht erfassten Leistungen der Verleger unterscheiden sollen? Dr. Frey warnte davor, dass die Journalisten zu „Gefangenen des neuen Leistungsschutzrechtes“ werden könnten, wenn ihnen die Zweitverwertung ihrer Beiträge erschwert werde. Das würde aber voraussetzen, dass die Leistungen der Journalisten zugleich von dem Leistungsschutzrecht erfasst werden. Allerdings behauptet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), dass das Urheberrecht der Autoren vom Leistungsschutzrecht für Presseverleger unberührt bleibe. Beide Rechte stünden trennscharf nebeneinander. Wie diese Trennung allerdings mit der anderen  Behauptung des BDZV, nur wer gesetzlich geschützte Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, müsse die Zustimmung des Urhebers und des Leistungsschutzberechtigten einholen, zusammenpassen soll, steht in den Sternen. Entweder sind sie getrennt. Dann muss derjenige, der Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, nur einen  fragen. Oder sind sind miteinander verbunden.  Dann  droht allerdings die Gefahr, dass die Journalisten beispielsweise etwaige Zweitnutzungsrechte doch nur mit Zustimmung des Leistungsschutzberechtigten nutzen können.

Die Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes Rainer Reichert und des BJV Jutta Müller sagten, dass sie im Prinzip nicht gegen ein Leistungsschutzrecht seien, wenn es den Journalisten neue Einnahmen beschere. Nachdem das Leistungsschutzrecht offenbar die besonderen Leistungen der Verleger und nicht die der Journalisten erfassen soll, stellt sich allerdings die Frage nach der Berechtigung dieser Position. Erst Recht stellt sich die Frage nach der Berechtigung dieser Hoffnung, denn auf längere Frist werden Zahlungen auf das Leistungsschutzrecht in dieser oder jener Form werden die Zahlungen auf das Gesamtentgelt der Journalisten angerechnet werden. Nutzen wird es auf lange Frist den Verlegern, wie Prof. Peifer zu Recht feststellte.

So bleibt der Kritikpunkt von Dr. Nolte bestehen: Nachdem das Projekt nun einige Jahre alt ist, können wir  weiterhin nur rätseln und orakeln, was  die Verleger überhaupt konkret wollen (außer mehr Geld, das sie sich dann — nach den Vorstellungen der Journalisten — mit diesen teilen sollen).


Ergänzung [3. Feb. 2011]
Nachdem Apple den Verkauf von Zeitungsinhalten, Büchern, Musik etc. zumindest als zwingende Alternative für das Apple gehörende System fordert (mit hochprozentiger Beteiligung für die Apple-Leistung), sofern eine „App“ für das Gerät iPad genutzt wird, müssen nun in der Vorstellung der Verleger die moralischen Rollen getauscht werden: Google wechselt mit dem neuen System Android 3 in das Lager der Guten, während Apple zum Bösewicht erklärt wird. Natürlich ist das alles nur wegen der bösen, bösen Monopole der anderen (Apple, Google etc.) möglich, was aber selbstverständlich kein Hinderungsgrund ist, selbst lautstark eigene Monopole zu fordern, denn die eigenen sind gerecht und notwendig, die der anderen ungerecht und schädlich.


Ergänzung [23. Feb. 2011]

Angelika Niebler teilte in Ihrem Newsletter zu den Planungen auf EU-Ebene mit:  ,,Ende März [2011] werde die Europäische Kommission das Grünbuch für eine Strategie zum Schutz des geistigen Eigentums im Internet vorlegen, das bewusst keinen Vorschlag für ein europäisches Leistungsschutzrecht enthalten werde. Dafür gebe es zu große strukturelle Probleme. So sei z. B. nicht geklärt, wer das Geld eintreiben soll, wer letztendlich bezahlen muss und ob die Gebühr schon beim Ansehen von Seiten gelten soll.“

Ob es sich lediglich um ein rechtstechnisches Problem handelt, wie die Förderung der Presseverleger konkret gestaltet werden soll, blieb aber offen.

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