Marktmissbrauch: EU-Kommission verabschiedet erste Durchführungsmaßnahmen

Die Europäische Kommission hat drei Durchführungsmaßnahmen zur Richtlinie 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) verabschiedet. In diesen Durchführungsmaßnahmen wird unter anderem präzisiert, was unter einer Insider-Information zu verstehen ist, welche nicht erschöpfenden Faktoren bei der Beurteilung, ob möglicherweise eine Marktmanipulation vorliegt, zu berücksichtigen sind und wann und in welcher Form Insider-Informationen von den Emittenten offen gelegt werden müssen.

Sie enthalten außerdem Standards für die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen (einschließlich der Offenlegung von Interessenkonflikten). Schließlich werden die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen von den Verboten der Marktmissbrauchsrichtlinie für Aktienrückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen für Finanzinstrumente festgelegt. Bei den vorliegenden Durchführungsmaßnahmen handelt es sich um die ersten Rechtsakte der Kommission, die nach dem neuen Verfahren für die Beschlussfassung und Anwendung der Vorschriften im Wertpapierbereich erstellt wurden, das der Europäische Rat im März 2001 und das Europäische Parlament im Februar 2002 gebilligt hatten.

Das für Binnenmarktfragen zuständige Kommissionsmitglied Frits Bolkestein erklärte hierzu: „Die Annahme dieser Durchführungsmaßnahmen beweist, dass der neue Regelungsrahmen für die Rechtsetzung im Wertpapierbereich in der Praxis funktioniert – und das Rechtsetzungsverfahren wesentlich beschleunigt; gleichzeitig stellt es sicher, dass den tatsächlichen Marktgegebenheiten Rechnung getragen wird. Ein offenes und transparentes Konsultationsverfahren ist eine Grundvoraussetzung dafür.“

Die drei Durchführungsmaßnahmen umfassen zwei Richtlinien und eine Verordnung der Kommission. Die erste Richtlinie der Kommission enthält detaillierte Kriterien für die Entscheidung darüber, ob eine Insider-Information als präzise und kurserheblich zu werten ist. Ferner liefert sie eine Reihe von Faktoren, die bei der Beurteilung bestimmter Verhaltensweisen und ihrer etwaigen Einstufung als Marktmanipulation zu berücksichtigen sind. Je nach Sachlage können im Einzelfall weitere Faktoren berücksichtigt werden. Für Emittenten sind in dieser Durchführungsrichtlinie die Form und die Fristen für die Offenlegung von Insider-Informationen festgelegt und es werden die Umstände präzisiert, unter denen Emittenten zum Schutz berechtigter Interessen längere Fristen für die Offenlegung anwenden können.

Die zweite Richtlinie der Kommission enthält Standards für die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten. In ihr werden jeweils eigene Standards für die Erstellung von Anlageempfehlungen (für die höhere Anforderungen gelten) und für die reine Weitergabe von durch Dritte erstellten Anlageempfehlungen festgelegt.

Die zweite Durchführungsrichtlinie geht ferner auf die gemäß Artikel 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie für Journalisten verbindlichen Regeln, einschließlich der Selbstkontrolle, ein. Bestimmte Finanzjournalisten – solche, die Anlageempfehlungen erstellen oder weitergeben – haben bestimmte allgemeine Grundsätze einzuhalten. Für diese Regelung gelten allerdings Schutzmechanismen, und wie diese allgemeinen Grundsätze angewandt werden sollen, kann im Rahmen der Selbstkontrolle geregelt werden. Mit dieser ausgewogenen Lösung wird die Pressefreiheit in vollem Umfang gewahrt und gleichzeitig werden Anleger und Emittenten wirksam vor potenziellen Marktmanipulationen durch Journalisten geschützt, die ihren mitunter erheblichen Einfluss auf die Kursentwicklung zur persönlichen Bereicherung nutzen.

In einer Verordnung der Kommission sind schließlich die technischen Bedingungen für Aktienrückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen für Finanzinstrumente festgelegt. Laut Artikel 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie und sofern die Maßnahmen entsprechend diesen Bedingungen durchgeführt werden, gelten die Verbote der Marktmissbrauchsrichtlinie hier nicht.

Für die Ausarbeitung der Durchführungsmaßnahmen hat die Kommission gemäß dem neuen Verfahren für die Beschlussfassung und Anwendung der Vorschriften im Wertpapierbereich den fachlichen Rat des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) eingeholt. Im März 2003 wurden die Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit im Vorentwurf zur Stellungnahme vorgelegt (siehe IP/03/345) und im Juni 2003 hat die Kommission dann einen entsprechend den Kommentaren der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Interessenparteien geänderten Entwurf veröffentlicht. In der Folge fanden die drei Legislativentwürfe am 29. Oktober 2003 die allseitige Zustimmung des aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten gebildeten Europäischen Wertpapierausschusses (ESC). Am 20. November 2003 befand das Europäische Parlament, dass die vom ESC gebilligten Durchführungsmaßnahmen dem der Kommission übertragenen Mandat entsprächen und keine weiteren Bemerkungen des Parlaments erforderten.

Die Marktmissbrauchsrichtlinie

Die Durchführungsmaßnahmen enthalten detaillierte Bestimmungen für die praktische Umsetzung bestimmter Vorschriften der vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat im Dezember 2002 verabschiedeten Marktmissbrauchsrichtlinie.

Nach der bis zum 12. Oktober 2004 von den Mitgliedstaaten abzuschließenden Umsetzung in nationales Recht wird die Marktmissbrauchsrichtlinie

  • die Marktintegrität stärken,
  • zur europaweiten Harmonisierung der Vorschriften zur Bekämpfung von Marktmissbrauch beitragen,
  • ein hohes Maß an Transparenz sowie Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleisten,
  • die nationalen Behörden zu engerer Zusammenarbeit und stärkerem Informationsaustausch verpflichten, um so die EU-weit einheitliche Umsetzung zu erleichtern und das Potenzial für Inkohärenzen, Unklarheiten und Gesetzeslücken zu verringern.

Die Richtlinie betrifft sowohl Insider-Geschäfte als auch Marktmanipulation. Für beide Arten des Marktmissbrauchs gilt der gleiche Rahmen, was die Verwaltung erleichtern und die Zahl unterschiedlicher Vorschriften und Standards in der Europäischen Union verringern wird.

Die Richtlinie deckt alle in der Europäischen Union auf zumindest einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstrumente ab und verpflichtet jeden Mitgliedstaat, eine einzige Behörde zu benennen, die für die Bekämpfung von Insider-Geschäften und Marktmanipulation zuständig ist. Darüber hinaus enthält die Richtlinie Transparenzvorschriften, die Personen, die öffentlich oder über anderweitige Informationskanäle Anlagestrategien empfehlen, zur sachgerechten Darbietung dieser Strategien und zur Offenlegung ihrer eigenen Interessen sowie etwaiger Interessenkonflikte verpflichten.

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