Probleme mit der Gentechnik in der EU bestehen fort

Österreichs Antrag auf ein vorübergehendes Verbot von GVO in Oberösterreich von der Kommission abgelehnt

Die Europäische Kommission hat entschieden, den Antrag Österreichs auf Genehmigung einzelstaatlicher Maßnahmen abzulehnen, mit denen ein dreijähriges Verbot von GVO im Land Oberösterreich erlassen werden sollte.

Die Österreichische Gesetzesvorlage

Mit der von der Landesregierung Oberösterreichs eingereichten Gesetzesvorlage sollten die organische und herkömmliche Landwirtschaft sowie die genetischen Ressourcen von Tieren und Pflanzen vor Einkreuzungen von GVO geschützt werden. Die Regierung Oberösterreichs ist der Auffassung, dass ein generelles Verbot gentechnisch veränderten Saatguts dadurch gerechtfertigt ist, dass die Frage der Koexistenz landwirtschaftlicher Anbaumethoden mit und ohne GVO noch nicht vollständig gelöst ist.

Die Entscheidung der Kommission

Der Antrag gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag ging im März 2003 bei der Kommission ein. Gemäß diesem Artikel können Mitgliedstaaten unter bestimmten, eng auszulegenden Bedingungen von den Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichen. Hierzu gehören neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie landesspezifische Probleme. Nach eingehender Prüfung des Antrags Österreichs ist die Kommission heute zu dem Schluss gekommen, dass in diesem Fall keiner dieser Rechtfertigungsgründe vorliegt.

Die Kommission hat im Vorfeld der Entscheidung den wissenschaftlichen Ausschuss der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) um eine Stellungnahme gebeten. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die von der österreichischen Regierung vorgelegten Informationen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Umweltschutzes oder der Arbeitsumwelt enthalten. Darüber hinaus hat Österreich nicht nachweisen können, dass ein spezifisches Problem für das Land Oberösterreich vorliegt, das sich erst nach Verabschiedung der Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat.

Deshalb kam die Kommission zu dem Schluss, dass der Gesetzesentwurf die Anforderungen von Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag nicht erfüllt und somit eine Abweichung vom Gemeinschaftsrecht (hier: Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt) nicht gerechtfertigt ist.

Das für Umwelt zuständige Kommissionsmitglied Margot Wallström meinte hierzu:

„Wir haben die von Österreich notifizierten Maßnahmen genau geprüft und festgestellt, dass hier rechtlich gesehen ein klarer Fall vorliegt. Die im EG-Vertrag festgelegten Auflagen für eine Abweichung vom Gemeinschaftsrecht werden nicht erfüllt, weshalb die Kommission als Hüterin des EG-Vertrags keine andere Wahl hat, als den österreichischen Antrag abzulehnen. Ich habe natürlich großen Respekt vor dem Anliegen der österreichischen Regierung, die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu schützen, und erkenne durchaus an, dass die Koexistenz ein Problem darstellt, das gelöst werden muss. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass diese Bedenken von vielen Regionen in Europa geteilt werden, die eine Möglichkeit gefunden haben, innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens zu einer brauchbaren Lösung zu gelangen.“


Hintergrund

Die Notifizierung Österreichs

Mit Schreiben vom 13. März 2003 hat die Republik Österreich
die Kommission gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag über den
Entwurf des oberösterreichischen ‚Gentechnik-Verbotsgesetzes
2002 unterrichtet. Die Maßnahmen stützen sich auf eine Studie,
die angeblich neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die
potenziellen Risiken von GVO, insbesondere für das Land
Oberösterreich, enthält. Deshalb ist das Land Oberösterreich der
Auffassung, dass ein allgemeines Verbot sämtlicher GVO (mit oder
ohne Genehmigung) für den Schutz der Umwelt und der
Landwirtschaft notwendig ist.

Ein derartiges Verbot stellt eine Abweichung von der
einschlägigen Harmonisierungsmaßnahme der Gemeinschaft, in diesem
Fall der Richtlinie 2001/18/EG, dar, die eine Einzelfallbewertung
der GVO vorsieht und nach der die Mitgliedstaaten die Möglichkeit
haben, bei bestimmten GVO, die bereits in der EU genehmigt
wurden, die Sicherheitsklausel in Anspruch zu nehmen. Das Land
Oberösterreich ist der Auffassung, dass diese Ausnahmeregelung
nach Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag gerechtfertigt ist.

Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag

Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag sieht vor, dass (..)ein
Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer
Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder die Kommission für
erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse
gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt
oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für
diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der
Harmonisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht
genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der
Kommission mit(teilt).

Nach Artikel 95 Absatz 6 beschließt die Kommission ….
binnen sechs Monaten nach den Mitteilungen …., die betreffenden
einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen,
nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen
Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels
zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das
Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

Würdigung der Notifizierung Österreichs

Die Kommissionsdienststellen haben den Gesetzesentwurf anhand
der Anforderungen von Artikel 95 Absatz 5 geprüft. Damit die
Kommission die abweichenden einzelstaatlichen Bestimmungen
genehmigen kann, müssen alle in diesem Artikel genannten
Bedingungen erfüllt sein.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit wurde
beauftragt, eine wissenschaftliche Stellungnahme zu der Frage
abzugeben, ob die von der österreichischen Regierung für den
Gesetzesentwurf vorgelegten Informationen neue wissenschaftliche
Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt
enthalten, wie dies in Artikel 95 Absatz 5 gefordert wird. Die am
11. Juli 2003 abgegebene Stellungnahme (Stellungnahme des
Wissenschaftlichen Gremiums für genetisch veränderte Organismen
zu einer Frage der Kommission hinsichtlich der österreichischen
Notifizierung eines Gesetzesentwurfs zur Regulierung von GVOs
unter Artikel 95(5) des Vertrags, The EFSA Journal (2003) 1,
1-5.) kommt zu folgender Schlussfolgerung:

  • Die in dem Bericht vorgelegten wissenschaftlichen
    Informationen enthalten keine neuen Erkenntnisse, die die in
    den Richtlinien 90/220/EWG bzw. Richtlinie 2001/18/EG
    festgelegten Bestimmungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung
    entkräften würden.
  • Der Bericht enthält keine neuen wissenschaftlichen
    Erkenntnisse bezüglich des Risikos für die menschliche
    Gesundheit und die Umwelt, die ein generelles Verbot des Anbaus
    gentechnisch veränderten Saat- und Pflanzguts, des Einsatzes
    transgener Tiere für Zuchtzwecke und der Freilassung transgener
    Tiere, die für die Zwecke gemäß der Richtlinie 90/220/EWG bzw.
    der Richtlinie 2001/18/EG zugelassen wurden, im Land
    Oberösterreich rechtfertigen würden
    .
Koexistenz

Mit der Frage der Koexistenz von gentechnisch veränderten
Kulturpflanzen und herkömmlichem bzw. organischem Anbau befasste
sich die Kommission in einer Empfehlung, die am 23. Juli 2003
veröffentlicht wurde. Zu gentechnikfreien Zonen wird in der
Empfehlung festgestellt, dass betriebsspezifischen Maßnahmen und
der engen Zusammenarbeit zwischen benachbarten Betrieben je nach
Kultur und Produktart der Vorrang gegeben werden sollte (z. B.
Saatguterzeugung statt Nutzpflanzenerzeugung). Regionale
Maßnahmen sollten nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn sie
angemessen sind und keine anderen Möglichkeiten bestehen, eine
ausreichende Reinheit zu erzielen.

In die Richtlinie 2001/18/EG wird eine Klausel zur Koexistenz
aufgenommen, die Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt,
angemessene Maßnahmen zu treffen, um das unbeabsichtigte
Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu vermeiden.

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