Kommission leitet haushaltspolitische Überwachung für neue Mitgliedstaaten ein

Mit dem Beitritt wurden die neuen Mitgliedstaaten auch in den EU-Rahmen für die wirtschafts- und haushaltspolitische Zusammenarbeit und Überwachung einbezogen. Ebenso wie nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens 1995 gehört dazu auch eine Bewertung ihrer Haushaltslage. Sechs der zehn neuen Mitgliedstaaten Zypern, die Tschechische Republik, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei hatten 2003 ein gesamtstaatliches Defizit von über 3 % des BIP zu verzeichnen, wobei zwei von ihnen Zypern und Malta außerdem einen öffentlichen Schuldenstand von über 60 % des BIP aufwiesen.

Auf dieser Grundlage hat die Kommission heute gemäß Artikel 104 Absatz 3 EG-Vertrag für jedes der sechs Länder einen Bericht verabschiedet. Für das Jahr 2004 deuten sowohl die Frühjahrsprognose 2004 der Kommission als auch die Angaben der jeweiligen Behörden darauf hin, dass das Defizit in allen sechs Ländern auch in diesem Jahr bei über 3 % des BIP liegen wird. In den beiden Ländern, die den Referenzwert für die Schuldenquote 2003 überschritten haben (Zypern und Malta), steigt der Schuldenstand tendenziell weiter an und dürfte daher auch 2004 über 60 % des BIP liegen.

Der Wirtschafts- und Finanzausschuss wird in den nächsten beiden Wochen zu allen Berichten Stellung nehmen. Die Kommission wird dann in den kommenden Wochen vor der Tagung des Ecofin-Rates am 5. Juli weitere Schritte im Rahmen des so genannten Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit empfehlen. Die zeitliche Staffelung des Verfahrens wird durch den gemeinschaftlichen Besitzstand vorgegeben, wonach der Rat innerhalb von 3 Monaten nach dem Beitritt tätig werden muss. Die Kommission wird bei ihren Empfehlungen die in den 2004 aktualisierten Grundzügen der Wirtschaftspolitik (IP/04/467) vertretene flexible Haltung berücksichtigen, wonach bei den neuen Mitgliedstaaten im Einzelfall den Wechselwirkungen zwischen der Haushaltspolitik und dem laufenden Strukturwandel der Volkswirtschaft Rechnung getragen und somit für die Korrektur eines übermäßigen Defizits eine mehrjährige Anpassungszeit eingeräumt werden sollte. Die etwaigen weiteren Schritte des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, namentlich die verstärkte haushaltspolitische Überwachung (Artikel 104 Absatz 9) und Sanktionen (Artikel 104 Absatz 11), finden bei den noch nicht am Euro-Gebiet teilhabenden Mitgliedstaaten keine Anwendung.

Die Kommissionsberichte über Zypern, die Tschechische Republik, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei werden auf Initiative von EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia angenommen. Der haushaltspolitische Rahmen der EU gilt für alle 25 Mitgliedstaaten in gleicher Weise und sieht unter anderem vor, dass übermäßige Defizite zu vermeiden sind.

Der heute von der Kommission eingeleitete Prozess der haushaltspolitischen Überwachung sollte im Zusammenhang mit den Vorbereitungen dieser Mitgliedstaaten auf die Teilnahme am Euro-Gebiet gesehen werden.

Alle neuen Mitgliedstaaten wollen mittelfristig dem Euro-Gebiet beitreten und es ist daher Teil ihrer Strategie, Haushaltsdefizite allmählich abzubauen und alle Konvergenzkriterien zu erfüllen. Die Ergebnisse für jedes Land werden nachstehend zusammengefasst.

Das gesamtstaatliche Defizit Zyperns erhöhte sich 2003 auf 6,3 % des BIP. Obgleich die Haushaltsentwicklung von der jüngsten Konjunkturschwäche, insbesondere aufgrund externer Effekte, in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist die Überschreitung des Referenzwerts von 3 % des BIP im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts doch weder auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle zyprischen Behörden entzogen hätte, noch auf einen schweren Wirtschaftsabschwung zurückzuführen. Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission und nach Angaben der zyprischen Behörden wird das gesamtstaatliche Defizit 2004 mit rund 4,5 % des BIP deutlich über dem Referenzwert von 3 % des BIP liegen. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP dürfte sich um 2,3 Prozentpunkte auf 74,6 % des BIP 2004 erhöhen und damit noch deutlicher über dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 60 % des BIP liegen.

Das gesamtstaatliche Defizit der Tschechischen Republik erhöhte sich im Kontext eines soliden Wirtschaftswachstums 2003 auf 12,9 % des BIP (unter Einrechnung einer umfangreichen Einmalmaßnahme im Umfang von schätzungsweise 6-7 % des BIP). Die Überschreitung des Referenzwerts von 3 % des BIP für das gesamtstaatliche Defizit ist im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts weder auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der tschechischen Behörden entzogen hätte, noch auf einen schweren Wirtschaftsabschwung zurückzuführen. Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission und nach Angaben der tschechischen Behörden wird das gesamtstaatliche Defizit 2004 mit rund 6 % des BIP deutlich über dem Referenzwert von 3 % des BIP liegen. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP dürfte sich um rund 3 Prozentpunkte auf rund 41 % des BIP im Jahr 2004 erhöhen.

Das gesamtstaatliche Defizit Ungarns ging 2003 auf 5,9 % des BIP zurück, kann jedoch im Sinne des EG-Vertrags nicht als Defizit in der Nähe des Referenzwerts von 3 % betrachtet werden. Die Überschreitung des Referenzwerts von 3 % des BIP für das gesamtstaatliche Defizit ist im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts weder auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle ungarischen Behörden entzogen hätte, noch auf einen schweren Wirtschaftsabschwung zurückzuführen. Nachdem der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP zwei Jahre lang rasch angestiegen war, näherte er sich 2003 mit 59,0 % dem im EG-Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 60 %. Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission und nach Angaben der ungarischen Behörden wird das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit 2004 und 2005 weiterhin bei über 4 % des BIP liegen. Die Schuldenquote wird nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission in den kommenden beiden Jahren geringfügig sinken und daher unter 60 % des BIP bleiben.

In Malta erhöhte sich das gesamtstaatliche Defizit 2003 auf 9,7 % des BIP (unter Einrechnung einer umfangreichen Einmalmaßnahmen im Umfang von schätzungsweise 3,2 % des BIP).

Obgleich die Haushaltsentwicklung von der Konjunkturschwäche in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist die Überschreitung des Referenzwerts von 3 % des BIP im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts doch weder auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der maltesischen Behörden entzogen hätte, noch auf einen schweren Wirtschaftsabschwung zurückzuführen. Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission und nach Angaben der maltesischen Behörden wird das gesamtstaatliche Defizit 2004 mit rund 5,9 % des BIP deutlich über dem Referenzwert von 3 % des BIP liegen. Der öffentliche Schuldenstand Maltas erhöhte sich 2003 auf 72 % des BIP.

Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission wird sich die Schuldenquote 2004 auf 73,9 % erhöhen und damit weiterhin deutlich über dem im EG-Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 60 % des BIP liegen.

In Polen erhöhte sich das gesamtstaatliche Defizit 2003 vor dem Hintergrund einer Konjunkturerholung auf 4,1 % des BIP. Die Überschreitung des Referenzwerts von 3 % des BIP für das gesamtstaatliche Defizit ist im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts weder auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der polnischen Behörden entzogen hätte, noch auf einen schweren Wirtschaftsabschwung zurückzuführen. Nachdem der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP drei Jahre lang rasch angestiegen war, erreichte er Ende 2003 45,4 % des BIP. Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission und nach Angaben der polnischen Behörden wird das gesamtstaatliche Defizit 2004 mit rund 6 % des BIP deutlich über dem Referenzwert von 3 % des BIP liegen. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP dürfte sich um 3,7 Prozentpunkte auf rund 49 % des BIP im Jahr 2004 erhöhen.

Das gesamtstaatliche Defizit der Slowakei ging im Kontext eines weiterhin robusten Wachstums 2003 auf 3,6 % des BIP zurück, lag damit aber immer noch über dem Referenzwert von 3 %. Die Überschreitung des Referenzwerts von 3 % des BIP für das gesamtstaatliche Defizit ist im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts weder auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der slowakischen Behörden entzogen hätte, noch auf einen schweren Wirtschaftsabschwung zurückzuführen. Nach der Frühjahrsprognose 2004 der Kommission und nach Angaben der slowakischen Behörden wird das gesamtstaatliche Defizit 2004 mit rund 4 % des BIP deutlich über dem Referenzwert von 3 % des BIP liegen. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP dürfte sich nach der Vorausschätzung um rund 2œ Prozentpunkte auf rund 45 % des BIP im Jahr 2004 erhöhen.

Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit richtet sich nach Artikel 104 EG-Vertrag und wird durch die zum Stabilitäts- und Wachstumspakt gehörende Verordnung (EG) Nr. 1467/97 im Einzelnen geregelt. Nach der Annahme der sechs Kommissionsberichte gemäß Artikel 104 Absatz 3 muss der Wirtschafts- und Finanzausschuss innerhalb von zwei Wochen zu jedem einzelnen Bericht Stellung nehmen. Nach Stellungnahme des Ausschusses muss die Kommission, wenn nach ihrer Auffassung ein übermäßiges Defizit besteht, weitere Schritte unternehmen. Nach Artikel 104 sind folgende Schritte vorgesehen: eine Stellungnahme der Kommission an den Rat zum Bestehen eines übermäßigen Defizits (Artikel 104 Absatz 5), eine Empfehlung der Kommission für eine Entscheidung des Rates über das Bestehen eines übermäßigen Defizits (Artikel 104 Absatz 6) und eine Empfehlung der Kommission für eine Empfehlung des Rates an den betreffenden Mitgliedstaat mit dem Ziel, dieser Lage innerhalb einer bestimmten Frist abzuhelfen (Artikel 104 Absatz 7).

Nach Artikel 3 Absatz 4 der vorgenannten Ratsverordnung endet die Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits unter normalen Umständen in dem Jahr, das auf die Feststellung des Defizits folgt (beim derzeitigen Verfahren also 2005). Wie es allerdings bereits in der Empfehlung der Kommission für die 2004 aktualisierte Fassung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik im Zeitraum 2003-2005 heißt, könnten bei den neuen Mitgliedstaaten mehrjährige Anpassungszeiten für den Abbau eines über 3 % des BIP liegenden Defizits in einigen Fällen aus ökonomischer Sicht sinnvoll sein. Eine solcher längere Frist kann vorgesehen werden, wenn das Defizit beispielsweise beim Beitritt besonders hoch oder durch sonstige länderspezifische Sonderumstände gerechtfertigt war.

Ein wichtiger Erwägungsfaktor werden die mittelfristigen Haushaltspläne der neuen Mitgliedstaaten sein, die sie in ihren – von sämtlichen neuen Ländern bis spätestens 15. Mai vorzulegenden – Konvergenzprogrammen darlegen werden. Die Kommission will alle Bewertungen der Programme in den kommenden Wochen abschließen, damit der Rat am 5. Juli zu jedem einzelnen Programm Stellung nehmen und gleichzeitig Entscheidungen im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit erlassen kann.

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