Rechnungslegungsstandards: Kommission übernimmt IAS 39

Die Europäische Kommission hat eine Verordnung beschlossen, mit der der Internationale Rechnungslegungsstandard IAS 39 »Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung« unter Ausklammerung bestimmter Vorschriften über die Anwendung der uneingeschränkten »Fair Value«-Option und die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (»Hedge Accounting«) übernommen wird.

Der Verordnungsentwurf wurde sowohl von einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten im Regelungsausschuss für Rechnungslegung (ARC) am 1. Oktober als auch vom Europäischen Parlament unterstützt. Die Kommission hat außerdem eine politische Erklärung abgegeben, wonach sie davon ausgeht, dass der International Accounting Standards Board (IASB) die nötigen Änderungen an der derzeitigen uneingeschränkten »Fair Value«-Option bis Dezember 2004 und die Änderungen an den »Hedge Accounting«-Vorschriften bis September 2005 vornehmen wird. Mit Ausnahme der ausgeklammerten Vorschriften wird der IAS 39 ab 1. Januar 2005 für alle börsennotierten Unternehmen in der EU verbindlich sein.

Dazu Kommissionsmitglied Frits Bolkestein: »Der IAS 39 war sehr kontrovers. Ich freue mich, dass wir zu einer Lösung gekommen sind. Die Ausklammerung ist nur ein Zwischenschritt, denn die Kommission geht davon aus, dass der IASB die noch offenen Probleme rasch ausräumen wird. Die Kommission ist kein ‚Standardsetter‘ und kann daher nicht selbst Abhilfe schaffen.«

Bevor die IAS am 1. Januar 2005 für börsennotierte Gesellschaften verbindlich werden, müssen sie von der Kommission übernommen werden. Diese konsultiert zuvor die Mitgliedstaaten im Regelungsausschuss für Rechnungslegung, das Europäische Parlament und die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (European Financial Reporting Advisory Group — EFRAG, der unabhängige Sachverständige aus dem Privatsektor angehören). Die Kommission hat auf diese Weise bereits 33 Standards übernommen. Der IAS 39 wurde jedoch mehrfach überarbeitet.

Die Kommission hat den aktuellen Wortlaut des IAS 39 zu etwa 95 % übernommen. Sie hat bestimmte Vorschriften ausgeklammert, bei denen sie — übereinstimmend mit den meisten Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament — nach wie vor Änderungsbedarf sieht. Es handelt sich um folgende beiden Vorschriften:

  • Die uneingeschränkte »Fair Value«-Option wurde aufgrund von Einwänden der Europäischen Zentralbank und der im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vertretenen Aufsichtsinstanzen ausgeklammert. Der IASB hat diese Einwände bei seinem im April 2004 vorgelegten Exposure Draft berücksichtigt und den Anwendungsbereich der uneingeschränkten »Fair Value«-Option limitiert.

    Allerdings hat der IASB in dieser wichtigen Frage noch keine endgültige Position bezogen. Außerdem ist die uneingeschränkte Bewertung sämtlicher Verbindlichkeiten mit dem Fair Value nach Artikel 42a der Vierten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (Richtlinie 78/660/EWG) nicht zulässig; so dürfen Unternehmen insbesondere eigene Schulden nicht mit dem Fair Value abbilden. Die uneingeschränkte »Fair Value«-Option kann somit von Gesellschaften nicht in Anspruch genommen werden. Die Mitgliedstaaten dürfen die Verwendung der ausgeklammerten »Fair Value«-Vorschriften auch nicht verbindlich vorschreiben.

  • Bestimmte »Hedge Accounting«-Vorschriften wurden aufgrund der Kritik einer Mehrheit der europäischen Banken ausgeklammert. Danach hätte der IAS 39 in seiner aktuellen Form die Banken zu unverhältnismäßigen und aufwändigen Änderungen sowohl ihres Aktiv-/Passiv-Managements als auch ihrer Rechnungslegungssysteme gezwungen und zu übermäßiger Volatilität geführt. Da dieser Punkt in den heutigen EU-Rechtsvorschriften jedoch nicht geregelt ist, dürfen die einzelnen Unternehmen die ausgeklammerten »Hedge Accounting«-Vorschriften anwenden. Die Mitgliedstaaten können sie auf einzelstaatlicher Ebene auch verbindlich vorschreiben.
Erklärung der Kommission hinsichtlich der annahme von IAS 39 in der sitzung des Regelungsausschusses für Rechnungslegung am 1. Oktober 2004

Die Kommission unterstreicht die große Bedeutung, die sie der rechtzeitigen Annahme der gemeinsamen internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS) in der Europäischen Union beimisst, die für die Integration der europäischen Kapitalmärkte und die globale Konvergenz der Rechnungslegungsstandards unerlässlich ist. In diesem Zusammenhang hat die Kommission die feste Absicht, alle IAS/ IFRS-Standards rechtzeitig vor ihrer Anwendung im Jahr 2005 zu verabschieden.

Der wichtigste noch ausstehende Fall ist IAS 39 »Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung«. In der Regel bevorzugt die Kommission stets die vollständige Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards. Bei IAS 39 handelt es sich jedoch um eine Ausnahme, da sowohl aufsichtlich als auch technisch komplizierte Probleme bestehen, die bislang nicht gelöst wurden.

Die Haltung des Regelungsausschusses für Rechnungslegung vom 1. Oktober 2004, der zufolge IAS 39 teilweise mit zwei Auslassungen angenommen wurde, hat dazu beigetragen, den Weg für eine frühzeitige Annahme des gesamten Standards in revidierter Form zu ebnen. In diesem Zusammenhang bekräftigt die Kommission, dass sie keinerlei Absicht hat, die Rolle eines Standardsetzers für Rechnungslegungsnormen zu übernehmen. Die Kommission hat sich insbesondere darum bemüht, lediglich einige wenige Bestimmungen des Standards heraus zu nehmen, die unterschiedlich und trennbar sind, und dies auch nur in dem unbedingt erforderlichen Maße. Dem Standard wurde kein Text hinzugefügt. Innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit hat die Kommission zudem alle praktisch möglichen Schritte in die Wege geleitet, um die Wirksamkeit der beiden heraus genommenen Passagen zu bewerten.

Unter Zugrundelegung eines optimistischen Szenarios dürfte die erste Ausnahme (vollständige »fair value«-Option) nach Auffassung der Kommission im April 2005 geklärt sein und die zweite Ausnahme (Bilanzierung von Sicherungsgeschäften) gegen Ende 2005. Diese Haltung basiert auf der Annahme, dass der IASB für die »fair value«-Option Anfang Dezember 2004 zu einer Lösung gelangt und dass die zwischen dem IASB und dem Europäischen Bankenverband gebildete Arbeitsgruppe auf dem Gebiet der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften ihre technischen Arbeiten im April 2005 abschließen kann.

Die Kommission fordert alle beteiligten Parteien, d. h. den IASB, die EZB, die Baseler Regulierungsbehörden und die europäischen Banken auf, intensiv zusammen zu arbeiten, um so schnell wie möglich für die ausstehenden Probleme zu IAS 39 zu angemessenen und ausgewogenen Lösungen zu gelangen. Die Kommission wird ihrerseits mit allen diesen Parteien kooperieren, um zu diesem Endergebnis zu gelangen.

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