Archiv der Kategorie: Allgemein

Gesetz der ungewöhnlichen Zahlen

Stellen Sie sich vor, man bietet Ihnen folgende Wette an:  Sie wählen ein  beliebiges Buch mit Zahlentabellen aus, z.B. den Fischer Weltalmanach  von 1999. Auf einer zufällig aufgeschlagenen Seite werden die ersten  Ziffern jeder dort angegebenen Zahl betrachtet und gezählt, wobei führende Nullen ignoriert werden. Für jede der Ziffer zwischen Eins und Drei erhält Ihr Wettpartner einen Euro, für jede der verbleibenden  Ziffern von Vier bis Neun erhalten Sie selbst den gleichen Geldbetrag. Das Angebot wirkt günstig, und man wäre geneigt sich eine Gewinnchance von 2/3 einzuräumen.

Zufällig  wählt man die Seite mit den Spalten 1065/1066. Hier ist die Jahresproduktion ausgewählter Agrarerzeugnisse (Tabak, Tee und Wein) in Mio. Tonnen abgedruckt. Die 54 Einträge der Doppelspalte enthalten nur 19 erste Ziffern zwischen Vier und Neun. Statt des erhofften Gewinns stellt sich ein Verlust von 16 Euro ein. An Manipulation ist nicht zu denken, waren doch das Buch und die Seite zufällig und selbst gewählt.

Man war jedoch intuitiv von einer Gleichverteilung der ersten Ziffern zwischen Eins und Neun ausgegangen. Tatsächlich ergab sich nicht die gleichverteilte relative Häufigkeit von 33.3% für die Ziffern von Eins bis Drei, sondern fast 65%.

Bereits 1881 entdeckte der Astronom Simon Newcomb ein ähnliches Phänomen. Er bemerkte, dass die vorderen Seiten einer Logarithmentabelle weitaus gebrauchter waren als die hinteren 5. In einer kurzen Notiz zeigte er, dass »the law of probability of the occurrence of numbers is such that all mantissae of their logarithms are equally probable« (Newcomb 1881, S. 40).

Dies führt – wenn auch nicht direkt ersichtlich  zu einer Häufigkeit von log(1 + 1/d ) für jede erste Ziffer d zwischen Eins und Neun. Diese Beobachtung blieb weitgehend unbeachtet bis 1938 Frank Benford die gleiche Entdeckung machte. Im Gegensatz zu Newcomb beließ Benford es nicht bei Logarithmentafeln, sondern untersuchte eine Vielzahl verschiedenster Tabellen. Insgesamt zählte er über 20.000 erste Ziffern und fand immer wieder obiges Wettresultat:  Die Häufigkeit der ersten signifikanten Ziffern nahm von der Eins mit über dreißig Prozent, der Ziffer Zwei mit ca. 17 % bis hin zur Neun mit 4 % ab.

1 2 3 4 5 6 7 8 9
30,1% 17,6 12,5% 9,7% 7,9% 6,7% 5,8% 5,2% 4,6%

Benford vermutete eine Gesetzmäßigkeit und nannte die Entdeckung »law of anomalous numbers«, wobei Benford bemerkt, dass es sich hierbei um eine Verteilung von Ereignissen handelt, die durch das Medium der Zahl beschrieben werden: »It is not a law of numbers in themselves« (Benford 1938, S. 554).

Peter N. Posch hat die Zusammenhänge genauer untersucht und herausgearbeitet, welche Zahlen aufgrund welcher Umstände besonders häufig anzutreffen sind und umgekehrt welche unwahrscheinlich sind. Ein einfaches Instrument, um beispielsweise Steuererklärungen auf Genauigkeit zu überprüfen. Sind viele unwahrscheinliche Zahlen vertreten, dann besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass nicht genau gerechnet wurde.

Formel aus dem Buch von Peter N Posch


Prof. Dr. Peter N. Posch von der Universität Ulm ist auch von dem VEW Konzept überzeugt:

Die Ziffernanalyse ist ein neues, stark wachsendes  Forschungsgebiet mit  grosser praktischer Relevanz. So werden bereits  heute Steuererklärungen mit dem Verfahren der ersten Ziffern auf  Fälschungen überprüft. Ich halte es für wichtig, daß die Grundlagen und  die benutzen Verfahren für jedermann zugänglich sind. Diese Möglichkeit  bietet mir der Verlag Europäischer Wirtschaft mit dem Höffner’schen Verlagskonzept. Ich hoffe durch die freie Verfügbarkeit der Diskussion  und der Weiterentwicklung auf diesem Feld Vorschub zu leisten.


Weiter zum Buch: Ziffernanalyse

Anthropometrische Geschichte der Französischen Revolution

Untersuchungsgegenstand der Arbeit von Hermann Schubert ist die Entwicklung des biologischen Lebensstandards der französischen Bevölkerung während des 18. Jahrhunderts und der Einfluss dieser Entwicklung als Ursache für den Ausbruch der Französischen Revolution.

Die Debatte um die Entwicklung des Lebensstandards der französischen Bevölkerung im 18. Jahrhundert wird vorwiegend anhand von Preisanalysen und den Durchschnittseinkommen geführt. Die Messung der Realeinkommen stellt allerdings die Wissenschaft vor ein erhebliches Problem:

Im 18. Jahrhundert wurden nur unzureichend systematische Aufzeichnungen von Nominallöhnen und Preisen angefertigt. Ein beträchtlicher Anteil der Lohnsumme, insbesondere von ländlichen Tagelöhnern, wurde in Naturalien ausbezahlt, die heutzutage kaum nachvollzogen werden können. Wichtiger als die Höhe der Reallöhne erscheint für das 18. Jahrhundert jedoch die Verfügbarkeit von Arbeit gewesen zu sein.

Anthropometrische Geschichte der französischen Revolution
Hermann Schubert: Anthropometrische Geschichte der französischen Revolution

Die Veränderung des Reallohnes beeinflusste den Lebensstandard oft in einem geringeren Maße als die Veränderung der jährlichen Beschäftigung, die bei durchschnittlich 200 Arbeitstagen lag. Verlässliche Daten zum Ausmaß der Unterbeschäftigung liegen jedoch nicht vor.

Die Preisanalyse als Methode zur Beurteilung der Entwicklung des Lebensstandards lässt einen weiten Spielraum von unterschiedlichen Interpretationen zu. Aus diesem Grunde hat der Autor sich für eine alternative Methode zur Untersuchung der Entwicklung des Lebensstandards der französischen Bevölkerung im 18. Jahrhundert entschieden: die Anthropometrie. Die anthropometrische Methode erlaubt eine direkte Messung des Wohlbefindens einer Gesellschaft, da sie über die Entwicklung der durchschnittlichen Körpergröße Rückschlüsse auf deren Ernährungssituation erlaubt. Da im 18. Jahrhundert die Ausgaben für Nahrungsmittel einen hohen Anteil des verfügbaren Einkommens ausmachten, ermöglichen die Ergebnisse einer anthropometrischen Untersuchung zudem Schlüsse hinsichtlich der Entwicklung der Realeinkommen. Hermann Schubert zeigt, dass die französische Gesellschaft eine langfristige Reduktion ihres biologischen Lebensstandards im Laufe des 18. Jahrhunderts hinnehmen musste, die ihre Spuren in stark gefallenen durchschnittlichen Körpergrößen hinterließ.

Thomas Malthus
Der britische Nationalökonom und Sozialphilosoph Thomas Malthus hat mit seiner Bevölkerungstheorie unter anderem die Grundlagen für Darwins Evolutionstheorie geschaffen

In einem Vergleich stellt Hermann Schubert seine gewonnenen Ergebnisse mit den Resultaten alternativer anthropometrischen Studien europäischer Staaten gegenüber und kommt zu dem Schluss,  dass die Verschlechterung der Ernährungssituation ein europäisches Phänomen war, deren Ursachen nicht innerhalb von Staatsgrenzen zu suchen sind, sondern europaweit wirkten. Als mögliche Ursachen dieser Entwicklung kommen die expansive Bevölkerungsentwicklung  und / oder die Verschlechterung der klimatischen Bedingungen, die in ganz Europa zu beobachten waren, in Betracht.

Im abschließenden Teil der Arbeit nimmt Hermann Schubert eine Neuinterpretation der Ursachen der Französischen Revolution vor und zeigt, dass ein Malthusianisch-Ricardianisches Modell in Verbindung mit den Ergebnissen der Institutionenökonomie eine konsistente Erklärung für die langfristigen wirtschaftlichen, aber auch kurzfristigen politischen Ursachen der Französischen Revolution liefert.

Hermann Schubert hat in seiner Analyse einen  neuen wissenschaftlichen Beitrag zur Klärung der Ursachen der Französischen Revolution mittels bislang unbekannter Daten geleistet.


Prof. Dr. John Komlos (LMU München) zu dem Buch Anthropometrische Geschichte der Französischen Revolution:

„A revised perspective on the french revolution: For the first time, an anthroprometric analysis provides a precise measure of the role population growth and nutrition played in unleashing the tremendous social forces that changed world history forever. A major contribution to economic history.“

Der Spiegel berichtete über die Forschungsergebnisse von Hermann Schubert (zum Spiegel):

„Kastanien statt Kuchen
Warum ist die Französische Revolution wirklich ausgebrochen? Ein Münchner Wissenschaftler legt Daten vor, die genau zeigen, wie sehr das Volk hungerte.“ (Der Spiegel, Kastanien statt Kuchen, 36/2009, S. 106).

Die FAZ berichtete am 03.08.2009 in dem Artikel „Revolution der Kleinwüchsigen“.

Die Arbeit wurde ausführlich in der wirtschaftshistorischen Fachzeitschrift Annales de demographie historique von Laurent Heyberger (Laurent Heyberger, Annales de demographie historique, Nr. 116, S. 297 ff., Paris 2008) und in der deutschprachigen Vierteljahrzeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Linda Twrdek, Vierteljahreszeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 96. Band, Heft 3 (2009), S. 409) besprochen.


Lesen Sie hier weiter: Hermann Schubert: Anthropometrische Geschichte der Französischen Revolution

Sie können das Buch hier bestellen.

TEEB-Studie

»Tierarten, selbst ganze Ökosysteme verschwinden in einem nie dagewesenen Tempo. Unternehmen verweigern sich dennoch dem Naturschutz, die Schäden gehen in die Billionen«, titelte die Zeit.

Die Kosten des Biodiversitätsverlusts summieren sich weltweit auf viele Milliarden oder Billionen Dollar. Sie beeinflussen damit auch zunehmend Märkte und Verbraucher: In Umfragen zeigen sich die Verbraucher problembewußt.

  • 60 Prozent der Verbraucher aus Amerika und Europa und mehr als 90 Prozent der Verbraucher aus Brasilien sollen sich des Problems des Biodiversitätsverlusts bewusst sein.
  • Mehr als 80 Prozent der Verbraucher weltweit wollen zukünftig keine Produkte mehr von Unternehmen kaufen, die ökologische und soziale Aspekte in ihrer Geschäftspolitik vernachlässigen.

Dies sind Ergebnisse des jüngsten Berichts der TEEB-Studie „TEEB für Unternehmen“ (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), der auf einer Konferenz in London vorgestellt wurde. Die Wissenschaftler von TEEB kommen zu dem Schluss, dass Unternehmen aktuellen Marktanforderungen nur gerecht werden können, wenn sie ein nachhaltiges Biodiversitätsmanagement in ihre Unternehmensstrategie integrieren.

TEEB schlägt Unternehmen dazu vor, sich neuartige Konzepte zur Bilanzierung ihrer Tätigkeit zu Eigen zu machen. Als erfolgreiches Modell nennt der TEEB-Bericht das Beispiel des multinationalen Bergbaukonzerns Rio Tinto. Das Unternehmen hat sich freiwillig zu, „positiven Nettoauswirkungen” im Bereich Biodiversität verpflichtet. In Zusammenarbeit mit führenden Naturschutzexperten hat das Unternehmen neue Wege zur Bewertung der biologischen Vielfalt seiner Ländereien entwickelt und damit begonnen, Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen.

Der TEEB-Bericht für Unternehmen fordert außerdem eine verbesserte Bilanzierung von Unternehmensauswirkungen – positive wie negative – auf die biologische Vielfalt, um Änderungen bei Unternehmensinvestitionen und Geschäftsbetrieb herbeizuführen. Dazu empfiehlt er, dass Fachverbände und Bilanzfachleute neue Instrumente wie beispielsweise gemeinsame Standards und Kennzahlen für Unternehmen entwickeln.

TEEB wurde von Deutschland und der Europäischen Kommission auf Vorschlag der G8-Umweltminister im Jahr 2007 initiiert, um den ökonomischen Wert der biologischen Vielfalt und die Kosten der Naturzerstörung zu untersuchen. Die Studie wird unter der Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) durchgeführt. Ein erster Zwischenbericht der TEEB-Studie wurde auf der UN-Naturschutzkonferenz im Mai 2008 in Bonn vorgelegt. Im November 2009 erschien der TEEB-Bericht für politische Entscheidungsträger. Bis Oktober 2010 werden ein Bericht für öffentliche Verwaltungen und Empfehlungen für Verbraucher folgen. Der TEEB-Abschlussbericht soll bei der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) im Oktober 2010 in Japan vorgestellt werden.

Solange die nachteiligen externen Effekte sich nicht in der Bilanz der Unternehmen niederschlagen, haben diese keinen Anlass, ihre Geschäftspolitik zu ändern. Solche Maßnahmen scheitern regelmäßig an dem Argument, dass Alleingänge nur dazu führen, dass in einem anderen Land die Konkurrenz davon profitiert. Und so hat jedes Land diverse Branchen, die sich gegen eine besondere Belastung wirksam zur Wehr setzen wissen und so im Ergebnis effiziente Maßnahmen unterbinden.

Insofern wäre die Meidung der Produkte von Unternehmen, die sich wenig um die ökologischen Aspekte kümmern, ein Mittel, die Unternehmen zu strafen. Wie jedoch die Verbraucher selbst auf offensichtliche Krisen wie etwa die Ölpest im Golf von Mexiko reagieren (oder nicht reagieren), ist bekannt. Was kann man dann erst bei den oft nicht bekannten Produktionsmethoden in zahllosen anderen Branchen erwarten? Schließlich stellt sich — selbst wenn die von der TEEB genannten Zahlen stimmen — die Frage, ob die Verbraucher überhaupt erkennen können, dass sie Produkte mehr von Unternehmen, die ökologische und soziale Aspekte in ihrer Geschäftspolitik nicht berücksichtigen. Die großen Konzerne agieren ja nicht als „Unternehmen“, sondern können sich über Markenpolitik, Werbung und andere Maßnahmen das Bild, dass sich die Verbraucher von einem Produkt machen, steuern.

Historischer Überblick — Serbien

Einführung Jugoslawien (Südslawien) ist über lange Jahrhunderte hinweg ein Grenzland. Bereits in der Spätantike verläuft hier an der Drina die wichtige Grenze zwischen dem west- und oströmischen Reich, zwischen dem römisch-katholischen und dem orthodoxen Christentum. Die Drina bildet in der Osmanenzeit auch die Scheidelinie zwischen dem Christentum und dem Islam.
Ursprung Seit etwa 1000 v. Chr. war die Region von den Illyrern besiedelt, die um etwa 700 v. Chr. zunächst unter griechischem, später unter römischem Einfluss standen 300 Jahre v. Chr. begannen die Römer ausgehend von der Küste die Gegend zu unterwerfen und gründeten die Provinzen Dalmatia (Dalmatien) und Moesia superior (Mösien).
300-700 In dieser Zeit fanden Wanderungen der slawischen Völker (u. a. Serben, Kroaten, Slowenen, Bulgarien und Makedonier) auf die Balkanhalbinsel statt. Im Rahmen der Teilung des römischen Reichs fiel das Gebiet 395 an Byzanz. Ab dem 7. Jh. ließen sich südslawische Serben nieder.
700-1200 Interne und externe Auseinandersetzungen führten dazu, dass sich die slawischen Stämme nicht einigen konnten. Nur in Kroatien (unter Tomislaw) bildete sich 925 ein unabhängiges Königreich, das seinen Machtbereich auch auf Slowenien ausdehnte, bis es 1091 mit Ungarn vereinigt wurde. Das jugoslawische Gebiet stand fast ununterbrochen entweder unter byzantinischer oder unter bulgarischer Herrschaft. Ragusa (Dubrovnik) fiel mit Aufstieg der einflussreichen Handelsstadt unter venezianische Herrschaft. Stephan Nemanja erreicht um 1180 das erste unabhängige serbische Königreich Serbien (Raszien); sein Sohn erhielt 1217 von Papst Honorius III. die Königskrone.
1220-1355 1282 fiel das Kernland Sloweniens, die Krain, an die Habsburger und blieb bis 1918 zu einem erheblichen Teil österreichisch.

Unter Stephan Dusan (Regierungszeit 1331-1355) eroberte das Reich einen Großteil des heutigen Serbien und Montenegro, Makedonien, Thessalien, Albanien und Epirus. Skopje – heute Hauptstadt Makedoniens – war in dieser Zeit der größten Ausdehnung des serbischen Reichs Hauptstadt. Dusan ließ sich 1346 zum Zaren der Serben, Albaner, Griechen und Bulgaren krönen. Nach dem Tod Dusans verfiel das große Reich rasch.

Europa im 12. Jahrhundert
Europa im 12. Jahrhundert
1355-1800 Die Osmanen drangen in dieser Zeit tief nach Zentraleuropa vor. 1389 wurden die Serben von den Osmanen im Kosovo auf dem Amselfeld (Kosovo-Polje) vernichtend geschlagen. Schließlich nahmen die Türken 1459 Smederevo südlich von Belgrad ein und Serbien fiel unter türkische Herrschaft. 1463 eroberten die Türken Bosnien; 1482 schließlich die Herzegowina. Die Türken besetzen Bosnien, die Habsburger behielten Nordkroatien und Slowenien, die Venezianer Dalmatien. Herzegowina, Montenegro und Ragusa behielten ihre Unabhängigkeit.

Der Widerstand gegen die Türken fand seinen Ausdruck in den serbischen Bergstämmen Montenegros, der serbisch-orthodoxen Kirche und den Haiduken (Räuberkriegstum).

Durch den Frieden von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) wurde die Save-Donau-Linie zur grenze zwischen den Serben unter österreichisch-ungarischer und osmanischer Herrschaft.

ab 1800 Im 19. Jahrhundert vertieften sich die heftigen Gegensätze zwischen den christlich-orthodoxen Serben, der muslimischen Mehrheit in Bosnien und den christlich-orthodoxen und muslimischen Makedoniern. Dazu kamen noch die österreichisch-ungarischen Kroaten, die katholischen Slowenen und die nicht-südslawischen Völker (Albaner, Ungarn, Türken, Italiener). Die Großmächte Österreich und Russland drängten die Osmanen aus Südosteuropa.

Es begann der serbische Freiheitskampf gegen die Janitscharen von Belgrad unter der Führung des Viehhändlers George Petroviç, genannt Karadjordje (Karadordejvic). Die durch den Frieden von Bukarest 1812 gewonnene Autonomie nahm der osmanische Sultan 1815 wieder zurück.

Eine neue Erhebung unter Milo Obrenoviç führte 1815 innerhalb weniger Monate erneut zur Autonomie. Fast ganz Serbien wurde von der türkischen Herrschaft befreit. Obrenoviç wurde 1817 als Erbprinz anerkannt, und Serbien erhielt begrenzte Autonomie unter der Oberhoheit des Sultans. Durch den Vertrag von Adrianopel nach dem Russisch-Türkischen Krieg (1828-1829) erhielt Serbien größere Autonomie, und die Anzahl türkischer Garnisonen wurde verringert.

1817-1877 Obrenoviç war 1817 an der Ermordung Karadjordjes beteiligt. Dies führte zu einer erbitterten Rivalität zwischen den beiden Dynastien. Milos Obrenoviç, ein autoritärer Herrscher, wurde 1839 gezwungen abzudanken. Nach kurzer Regierungszeit der Söhne Milan und Michael wurde 1842 Karadjordjes Sohn Alexander durch die Skupschtina zum Fürsten gewählt. Unter ihm entwarf Garasanin 1844 das großserbische Programm, die Vereinigung aller Südslawen innerhalb der Donaumonarchie nuter serbischer Führung. 1858 wurde Alexander Karadjordje durch die Skupschtina abgesetzt und die Obrenoviç-Dynastie mit Milos Obrenoviç kam wieder an die Macht. Michael Obrenoviç, Sohn des Milos, erreichte 1867 den vollständigen Rückzug der Türken aus Serbien (Räumung der Festungen). Er stützte sich auf groß-serbische Omladina-BWwegung zur Vereinigung aller Südslawen in Kroatien. 1868 wurde er durch Anhänger der Karadordejvic ermordet, sein Neffe Milan I Obrenoviç wurde sein Nachfolger.
1878-1903 Auf dem Berliner Kongreß (1878), der zur Vermittlung zwischen den Großmächten einberufen wurde, sollte der Balkan neu gestaltet werden: Rumänien, Serbien und Montenegro wurden selbständig, Makedonien der Türkei zugesprochen und Bosnien und die Herzegowina der Verwaltung Österreichs unterstellt.

Während des Russisch-Türkischen Krieges von 1877 bis 1878 verbündeten sich Serbien und Russland innerhalb der panslawischen Bewegung, um die Türken auf dem Balkan zu besiegen. 1878 wurde auf dem Berliner Kongress die volle Unabhängigkeit Serbiens anerkannt und eine Gebietserweiternug nach Süden um die Gebiete Pirot, Nis und Vranje durchgeführt. Bosnien, die Herzegowina und Novi Pazar wurden nicht von Serbien gewonnen.

Mit österreichischer Hilfe proklamiert Milan 1882 das Königreich Serbien und ernannte sich selbst zum König. Er erklärte nach der Vereinigung Bulgariens mit Ostrumelien 1885 Bulgarien den Krieg. Die Serben wurden vernichtend geschlagen, eine Intervention Österreichs im Frieden von Bukarest (1886) verhinderte Gebietsverluste. Milan dankte zugunsten seines Sohnes Alexander ab.

1903-1912 Alexander I. Obrenoviç wurde infolge seiner autoritären und korrupten Herrschaft 1903 durch eine Offiziersverschwörnug ermordet. Die Nationalversammlung wählte Peter Karadjordjeviç (Peter I., 1903-1918) zum König. Nikola Paiç übernahm als Ministerpräsident die Führung der Außenpolitik und kehrte zu einer großserbischen, gegen Österreich-Ungarn gerichteten Politik zurück.

Die serbisch-österreichischen Beziehungen verschlechterten sich erheblich während des so genannten Schweinekrieges von 1905 bis 1907, einer Auseinandersetzung, die auf einer von Wien verhängten Viehimportsperre (über 80 % der Ausfuhr Serbiens) beruhte.

Der Konflikt spitzte sich nach 1908 weiter zu, nachdem Österreich Bosnien und Herzegowina annektiert hatte. Der Verfall des Osmanischen Reichs und die jungen Staaten mit nationalen Zielen, die unterschiedlichen Volksgruppen, den Balkan durchlaufende Volks- und Religionsgrenzen und andauernde Minderheitenprobleme führen zu ständigen Unruhen in dem Gebiet. Die Großmächte sind direkt (Österreich-Ungarn, Italien und Russland) oder indirekt (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) in diese Konflikte verwickelt.

1912-1913 1912 und 1913 nahm Serbien aktiv an den Balkankriegen teil, einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den christlichen Balkanstaaten und dem Osmanischen Reich. Der erste Balkankrieg war motiviert durch das Ziel, das türkische Makedonien aufzuteilen. Nach dem die Türkei 1913 eine Niederlage erlit, vermittelten die Großmächte – die Türkei musste alle ihre europäischen Besitzungen bis auf einen Gebietsstreifen um Konstantinopel (Linie Enos-Midia) aufgeben. Albanien wurde erstmals zu einem unabhängigen Fürstentum erklärt. Dadurch wurde die Strategie Serbiens, einen eigenen Adriahafen zu erlangen, durchkreuzt.

Der Streit um die Aufteilung Makedoniens zwischen Serbien und Bulgarien führte zu dem zweiten Balkankrieg. Bulgarien, das die Hauptlast des Krieges getragen hatte, wurde nach einem Angriff auf Serbien aus Mekdonien vertrieben. Nachdem Rumnien mit Ansprüchen auf die Süddobrudscha in den Krieg eingriff, trat Bulgarien im Frieden von Bukarest (1913) den Großteil der vorherigen Gewinne, nämlich das nördliche Makedonien an Serbien, die Süddobrudscha mit Silistra an Rumänien und die ägäische Küste an Griechenland ab. Serbien erhielt neben Makedonien auch die Bezirke Sanjak Novi Pazar und Kosovo-Mitohijan.

Der Friede von Bukarest brachte jedoch keine Entspannung der Lage, da den Serben weiter der Zugang zur Adria verwehrt wurde.

1914-1918 Die Situation war am 28.Juni 1914 bereits äußerst angespannt, als der österreichische Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Frau von dem serbischen Nationalisten Gavrilo Princip in Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) ermordet wurden. Österreich erklärte Serbien daraufhin den Krieg, marschierte im August in das Land ein und löste so den 1.Weltkrieg aus. 1914 wird Serbien in der deutschen Öffentlichkeit als Drahtzieher für den Mord am österreichischen Thronfolger angesehen. „Serbien muß sterbien“ ist in den ersten Kriegswochen in Österreich wie in Deutschland eine gängige Straßenparole. Die Serben konnten die Angreifer bis Oktober 1915 abwehren, bis Bulgarien ebenfalls in Serbien einmarschierte. Im Dezember war das Land von den Mittelmächten besetzt.

Das 1915 in London gegründete Jugoslawische Komitee und die serbische Regierung unter dem Minsterpräsidenten Nikola Paiç erließen 1917 die Deklaration von Korfu, ein Fortsetzung des 1844 von Garasanin entworfenen großserbischen Programms.

1918-1941 In Agram (Zagreb) proklamierte im November 1918 ein Nationalrat den Zusammenschluss der Volksgruppen mit dem Königriech Serbien und Montenegro. Am 1. Dezember 1918 verkündete Prinzregent Alexander aus der Dynastie der Karadjordjes das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (Kraljevaina SHS). Diverse internationalen Verträgen (Saint-Germain, Trianon, Neuilly, Rapallo) gewann das neue Königreich Gebiete hinzu, verlor zugleich Fiume an Italien. Alexander Karadjordjes wurde 1921 König.

Der neue Staat stand von Anbeginn an unter starker innenpolitischer Belastung, die durch die unterschiedlichen Volksgruppen und gesellschaftlichen Strukturen hervorgerufen waren, besonders bei den Serben und Kroaten. Die Serber waren größtenteils orthodox und von balkanischer Kultur, die Kroaten römisch-katholisch und westlicher Kultur. Das Reich hatte rd. 13 Mio. Einwohner, darunter auch nichtslawische Minderheiten (im Norden deutsche Volksgruppen, eine ungarische Volksgrppe und im Süden albanische und türkische Minderheiten). Die Slowenen und Kroaten wollten sich nicht den zentralistischen Absichten der Serben, die die größte ethnische Gruppe stellten, anschließen. Besonders kompliziert war die Lage in Bosnien und Herzegowina. Dort gab es zwei ethnische Gruppen: Serben und Kroaten, ferner die religöse Gruppe der Muslime, die über die Hälfte der Bevölkerung ausmachten. 1921 setzten die Serben ihren Führungsanspruch durch, da ie zentralistisch geprägte Vidovdan-Verfassung erlassen wurde.

Diese Zersplitterung verhinderte eine stabile Regierung mit der Folge häufiger Wechsel bei der Regierung, politischen Attentate oder etwa Verweigerung von Parteien an der Mitarbeit im Parlament. Im Januar 1929 errichtete der 1934 ermordete König Alexander die Königsdiktatur. Das Land wird Jugoslawien (Südslawen) genannt. Alle Parteien wurden aufgelöst, 1931 eine neue Verfassung erlassen. Nach seinem Tod übte Prinz Paul für den minderjährigen Thronfolger Peter die Regentschaft aus. Zu Beginn des 2. Weltkriegs blieb Jugoslawien neutral. Die Konflikte in der Bevölkerung spitzten  sich immer weiter zu, Ende der 30er Jahre kam es immer häufiger zu Scharmützeln und Anfeindungen zwischen einzelnen Volksgruppen.

1941-1947 1941 griffen deutsche und italienische Truppen Jugoslawien an und besetzten es. Sie errichteten einen selbständigen faschistischen Staat „Unabhängiges Kroatien“ (Ustatscha), zu dessen Gebiet auch Bosnien und Herzegowina gehörte. 1941 bildeten sich verschiedene Partisanengruppen, die aber nicht nur die deutschen und italienischen Besetzer, sondern sich auch untereinander bekämpften: die Ustatscha-Bewegung, die königstreuen Cetnici, die Gruppe um Oberst Mihailovic und die kommunistische Volksbefreiungsarmee unter Josip Broz (Marschall Tito). Die Ustascha betrieb während des 2 Weltkrieges eine brutale Politik der ethnischen Säuberung, auf die Tito mit ähnlichen Mitteln reagierte.

Josip Broz Tito
Josip Broz Tito

1943 gewannen die Kommunisten unter Tito die Oberhand im Land. Tito bildete 1943 eine provisorische Regierung mit der Volksfront (KPJ, ab 1952 Bund der Kommunisten Jugoslawiens). Der Friedensvertrag von Paris führte dann zur Herstellung des Staates in den Grenzen von 1941, erweitert um die bislang italienischen Gebiete Istrien und Dalmatien.

Mit einer Bodenreform (Aug. 1945), der neuen Verfassung (1946), Ausrufung der Republik (Nov. 1945), Verstaatlichung der Wirschaft (1947) und Ausschaltung aller innenpolitschen Gegner erhilet Jugoslawien eine kommunistische Gesellschaftsstruktur. Die Föderative Volksrepublik Jugoslawien wurde 1945 Gründungsmitglied der UNO. Föderativ war das Land, weil aus den Sozialistischen Republiken Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Makedonien, Montenegro, Serbien und Slowenien besteht.

1947-1990 Tito weigerte sich, den Machtanspruch Stalins und die alleinige Führungsrolle der sowjetischen Kommunistischen Partei anzuerkennen. Dieser Konflikt führt zum Bruch mit dem restliche Ostblock. Die Kominform schloss Jugoslawien 1948 aus. Die UdSSR kündigte zugleich den Freunschafts- und Beistandspakt von 1945. Aufgrund der Wirtschaftsblockade durch den Ostblock suchte Jugoslawien westliche Hilfe und schloss 1954 mit der Türkei und Griecheland den Balkanpakt. Das Land wurde auf der Basis einer weitgehenden Selbstverwaltung verwaltet. Die nationalen Spannungen wurden durch föderative Struktur des Staates gebändigt. Um die starke Republik Jugoslawien nicht die Überhand gewinnen zu lassen, wurden 1974 auf deren Gebiet die autonomen Provinzen Kosovo mit Pristina als Hauptstadt und Wojwodoina mit Novi Sad als Hauptstadt gegründet.

Tito wurde zum Staatspräsident auf Lebenszeit bestimmt. Nach seinem Tod sollte sollte der Vorsitz im Präsidium jährlich nach einer festgelegten Reihenfolge unter den Bundesrepubliken wechseln. Dies sollte politische Stabilität in dem Vielvölkerstaat für die Zeit nach Titos Tod sichern.

Nach Titos Tod übernahm das Präsidium der Republik (8 Mitglieder aus je einem Vertreter der sechs Teilrepubliken und der zwei autonomen Provinzen) die Regierung. Mit dem Zerfall des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens gelang es nicht mehr, das gesamte Staatsgefüge auf neue Grundlagen zu stellen. 1980 kam es zu Unruhen, begehrten im Kosovo rd. 2 Mio. Albaner die Unabhängigkeit von Serbien. In dieser Zeit wurde der spätere serbische und jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic immer mächtiger. 1984 machte ihn sein Ziehvater Ivan Stambolic (Vorsitzender der serbischen Sozialischen Partei) zum Leiter der Belgrader Regionalgruppe. Seit 1987 war er Präsident von Serbien. Die Unruhen in Albanien dauerten in dieser Zeit an und Milosevic fordert 1989, die Autonomie des Kosovo und der Wojwodina wieder aufzuheben. Als Stambolic sich dem widersetzt, stürzt Milosevic den Vorsitzenden und wird 1990 selber zum Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Serbiens und zugleich zum mächtigsten Mann in Jugoslawien. Stambolic verschwand im September 2000 spurlos.

1990
Slobodan Milosevic
Slobodan Milosevic

1990 kam es zur Aufhebung der Autonomie von Kosovo und Wojwodina. Die Kommunistische Partei Jugoslawien verzichtete auf ihre Vormachtstellung in Jugoslawien. Milosevic schlägt in dieser Zeit offen einen großserbischen, nationalistischen Kurs ein, der die Unabhängigkeitbestrebungen Sloweniens und Kroatiens noch weiter förderte. Serbien versuchte durch militärischen Druck den Bestand der Föderation zu retten. Ziel war es, die dominierende Position Serbiens zu wahren und die serbischen Minderheiten in den anderen Republiken zu schützen.

1991 Nach der Erklärung der Souveränität Sloweniens und Kroatiens stürtzt die ganze Region Mitte 1991 in einen Bürgerkrieg, in dem Serbien (über die serbisch dominierte föderative jugoslawische Volksarmee) kroatische und bosnische Serben unterstützte, die die Schaffung eines Großserbien anstrebten. Die jugoslawische Bundesarmee rückte Ende Juni 1991 in die abtrünnigen Gebiete vor, um sie im Staatenbund zu halten. Sie zog um die slowenische Hauptstadt einen Belagerungsring und nahm die Grenzstationen unter ihre Kontrolle. Kurz darauf beschloss die jugoslawische Regierung nach Intervention der Europäischen Gemeinschaft und einer vorübergehenden Kpompromisslösung die Soldaten innerhalb 3 Monaten aus Slowenien abzuziehen. In Kroatien wurde keine so schnelle Lösung gefunden. Am 26. August 1991 griff die jugoslawische Bundesarmee die kroatische (ostslawonische) Stadt Vukovar an mit Panzern an, am 07. Oktober wurde die kroatische Hauptstadt Zagreb von der jugoslawischen Luftwaffe bombardiert. Nach zahlreichen gescheiterten Waffenruhen und der Verhängung begrenzter Sanktionen über Serbien durch die Europäische Gemeinschaft wurde schließlich am 23. November ein Waffenstillstand zwischen Serbien und Kroatien unterzeichnet.
1992-1999 Ende 1991/Anfang 1992 erkannten die Staaten der EG Slowenien und Kroatien als souveräne Republiken an. Ende April 1992 kam es zur endgültigen Abspaltung. Im Frühjahr 1992 begannen in Bosnien-Herzegowina Kämpfe: Die Bosnier verlangten nach einer Volksabstimmung auch die Unabhängigkeit. In Bosnien-Herzegowina leben Kroaten, Serben und (moslemische) Bosnier. Jede dieser 3 Volksgruppen wollte die Herrschaft über Bosnien und Herzegowina erlangen. Es begann ein weiterer, langer Bürgerkrieg, in dem alle Volksgruppen sich gegenseitig verdrängten. Jugoslawien unterstützte die serbische Bevölkerung in Bosnien massiv mit finanziellen und militärischen Mitteln.

Die ehemalige jugoslawische Republik Makedonien war faktisch unabhängig, musste aber noch ein weiteres Jahr auf die offizielle Anerkennung warten, da das Problem der Namensgebung der neuen Republik noch nicht gelöst war.

Serbien und Montenegro, die beiden einzigen im ehemaligen Jugoslawien verbliebenen Republiken, kündigten am 27. April 1992 die Gründung der Föderativen Republik Jugoslawien an, die als Nachfolgestaat der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien deklariert wurde. Nach der Verfassung war Jugoslawien eine pluralistische, parlamentarischen Demokratie mit freier Marktwirtschaft, Freiheit des öffentlichen Wirkens, sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und Gleichheit aller Bürger.

Im Mai 1992 hatten nationalistische Führer der überwiegend albanischen Bevölkerung des Kosovo illegale Parlamentswahlen im Kosovo organisiert. Bei diesen Wahlen setzte sich das Demokratische Bündnis Kosovos durch. Das neu gewählte Parlament verkündete die Gründung der unabhängigen Republik Kosovo mit Ibrahim Rugova als Präsidenten. Serbien war in der Lage, die Kontrolle über die Provinz zu behalten, ohne dass erneut ein Bürgerkrieg ausbrach.

Wegen Serbiens anhaltender Unterstützung für die bosnischen Serben in dem Bürgerkrieg in Bosnien und Herzegowina wurde am 30. Mai 1992 ein Wirtschaftsembargo über die Republik verhängt.

Im September 1992 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass die selbsternannte Föderation nicht den Sitz der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien übernehmen könne und schloss sie aus der Generalversammlung aus. Es gab bis 2000 keinen weiteren offiziellen Versuch der Föderativen Republik Jugoslawien, die formelle Anerkennung der UN zu erwerben.

Im September 1994 veranlasste die Bundesregierung Jugolawiens eine Blockade der bosnischen Serben, und in den folgenden Monaten wurden einige der internationalen Sanktionen aufgehoben.

Am 21. November 1995 wurde nach dreiwöchigen Verhandlungen in Dayton (Ohio) von den Präsidenten Bosniens, Kroatiens und Serbiens ein Friedensvertrag paraphiert, der den Krieg in Bosnien und Herzegowina beendete (am 14. Dezember 1995 in Paris unterzeichnet). Die von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen wurden am 23. November 1995 für beendet erklärt. Nachdem Frankreich als erstes Land Westeuropas die Föderative Republik Jugoslawien am 22. Februar 1996 völkerrechtlich anerkannt hatte, vollzogen die anderen westeuropäischen Länder diesen Schritt unmittelbar nach der am 8. April 1996 erfolgten gegenseitigen Anerkennung der Föderativen Republik Jugoslawien und der Republik Makedonien.

Die innenpolitische Lage in Serbien beruhigte sich hingegen nicht. Im Kosovo wurden die Albaner vertrieben, in Armut und Arbeitslosigkeit getrieben. Auch im Kernland erhöhte sich erneut zu Beginn des Jahres 1996 die Spannung. Die erzwungene Schließung eines oppositionellen privaten Fernsehsenders sowie die Nichtanerkennung der Ergebnisse der Kommunalwahlen lösten zahlreiche Demonstrationen aus, bei denen die Teilnehmer u. a. auch den Rücktritt der Regierung Miloseviç forderten. Nach drei Monate andauernden Protesten wurde der Wahlerfolg in der Opposition ein einigen größeren Städten von der serbischen Regierung anerkannt. Milosevic nimmt Vuk Draskovic, einen der beiden Führer der Opposition, in die Regierung auf. Milosevic selber wird 1997 zum Präsidenten der Bundesrepublik – ein ursprünglich repräsentativ ausgestaltetes Amt.

In 1998 nehmen die Gewalttätigkeiten im Kosovo zu. Die sogenannte „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UCK) unterstreicht mit Anschlägen auf serbische Sicherheitskräfte und kosovo-albanische „Kollaborateure“ ihren Willen, die Unabhängigkeit der Provinz mit Gewalt durchzusetzen. Bei der erneuten Wahl eines „Schattenparlaments“ und eines „Schattenpräsidenten“ siegen die LDK (22. März 1998). Die UCK kontrolliert Mitte 1998 nahezu 40% der Provinz. Mit dem Einsetzen der serbischen Gegenmaßnahmen in Form massiver Operationen von Spezialpolizei gelingt es Belgrad, zum einen die Grenzsicherung zu optimieren und somit die logistische Unterstützung aus Albanien zu erschweren sowie die unorthodox organisierte UCK aus allen bereits „befreiten“ Gebieten zu vertreiben.

Gleichzeitig rückt die Flüchtlingsproblematik in den Mittelpunkt des Interesses der Internationalen Gemeinschaft. Die Zahl von knapp 300.000 Flüchtlingen und Zehntausenden unter freiem Himmel lebenden Menschen zwingt die Internationale Gemeinschaft zur Verabschiedung der UN-Resolution 1199, die eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten, Abzug der serbischen Sonderpolizei sowie die Wiederaufnahme konstruktiver Verhandlungsgespräche verlangt.

Es folgen eine lange Zeit zäher Verhandlungen: Nach der Androhung von NATO-Luftschlägen lenkt Milosevic ein und vereinbart mit dem US-Sondergesandten Holbrooke u.a. die Entsendung einer unbewaffneten OSZE-Verifikationsmission und der unbewaffneten Luftaufklärung der NATO zur Überprüfung der Umsetzung der VN-Resolution 1199/98. Die Diskriminierung der Albaner endet gleichwohl nicht.

1999 Im Januar 1999 werden die ersten Massengräber entdeckt. Ende Januar wird der NATO-Generalsekretär zu Luftschlägen gegen Jugoslawien authorisiert. Es kommt zu mehreren Verhandlungen zwischen Milosevic unter anderem mit dem Außenminister Deutschlands, dem UN-Sondregesandten Richard Holbrooke. Eine friedliche Lösung im Sinne der westlichen Verhandlungsführer lehnte Milosevic kategorisch ab. Er war nicht bereit das Friedensabkommen von Rambouillet im März 1999 zu unterzeichnen, da dieses für ihn unannembare Forderungen stellte. Als er im Kosovo massiv militärisch interveniert und systemathisch die Kosovaren vertreibt, Völkermord und ethnische Säuberungen begeht, entschließt sich die NATO am 24. März 1999 zu Luftangriffen, „um Milosevic an den Verhandlungstisch zurückzubringen“.

Milosevic zieht seine paramilitärischen Einheiten und Sonderpolizei indes nicht aus dem Kosovo zurück, garantiert nicht die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat, stimmt keiner friedlichen Lösung im Kosovo-Konflikt zu und ist auch nicht bereit, eine (bewaffnete) NATO-‚Friedenstruppe‘ ins Land zu lassen. Verhandlungen des ukrainischen Außen- und Verteidigungsministers, des russischen Ministerpräsidenten, des russischen Sonderbeauftragten Tschernomyrdinin Belgrad während des Krieges verlaufen ergebnislos. Parallel dazu kommt es zu einer Flüchtlingswelle aus dem Kosovo. Hundertausende Kosovaren verlassen zu Fuß das Land und überfüllen innerhalb weniger Tage albanische und mazedonische Flüchtlingslager.

Der finnische Präsident Ahtisaari beginnt Mitte Mai im Auftrag der EU mit Verhandlungen. Schließlich stimmt das serbische Parlament DEM Friedensplan der G-8-Staaten am 3. Juni 1999 zu. Die serbischen Truppen und die Sonderpolizei ziehen sich aus dem Kosovo zurück. Die Luftangriffe werden ausgesetzt, Natotruppen rücken in den Kosovo ein.

Es wird eine UN-Übergangsverwaltung für Kosovo (UNMIK) eingerichtet, die Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) mit Soldaten aus verschiedenen Ländern ist für die Sicherheit zuständig. Die Situation und Zukunft des Kosovo bleibt bis auf weiteres ungeklärt.

2000 Anfang Oktober 2000 wird das Milosevic-Regime weitgehend friedlich beendet. Vorausgegangen waren landesweite Proteste, Demonstrationen und Streiks, die nach den jugoslawischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Ende September begonnen hatten. Am Abend des 5. Oktober erklärt Oppositionsführer Vojislav Kostinica den international geächteten Präsidenten Slobodan Milosevic für abgesetzt. Kurz darauf wird Kostunica als neuer Präsident Jugoslawiens vereidigt. Der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic anerkennt Kostunica nicht als neuen Präsidenten, da der Großteil der Bevölkerung Montenegros (wie auch im Kosovo) die Wahl boykottiert hat. Djukanovic drängt auf eine starke Eigenständigkeit seiner Teilrepublik.

Zum neuen serbischen Regierungschef wird der ehemalige Oppositionsführer Zoran Djindjic ernannt.

Die EU-Außenminister beschließen, nach dem Machtwechsel das im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg 1999 gegen Serbien verhängte internationale Ölembargo sowie das bis 2001 bislang nur ausgesetzte Flugverbot sofort und bedingungslos aufzuheben. Am 4. November bestätigt das Parlament in Belgrad die neue jugoslawische Regierung von Ministerpräsident Zoran Zizic. Jugoslawien findet den Weg in die internationale Staatengemeinschaft zurück. Zunächst wird Jugoslawien Vollmitglied im Stabilitätspakt für Südosteuropa, am 1. November Vollmitglied der Vereinten Nationen und am 10. November vollwertiges Mitglied in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Ein Unruheherd bleibt das Kosovo. Immer wieder kommt es im Grenzgebiet zu Südserbien zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen albanischen Rebellen und serbischen Polizisten. Bei den ersten freien Wahlen im Kosovo am 28. Oktober erringt die Partei des moderaten Albaner-Führers Ibrahim Rugova (LDK) einen deutlichen Sieg. Sie kommt auf 58 Prozent. Die Nachfolgepartei der Albanermiliz UCK, die PDK von Hashim Thaci, bekommt 27,3 Prozent der Stimmen.

2001 Serbien und MontenegroDie mit der Ankündigung der Auszahlung von finanziellen Hilfen in Milliardenhöhe forcierte Auslieferung Milosevic an das Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen am 28. Juni 2001 führt einerseits zu einer Regierungskrise und Protesten in Jugoslawien (Zoran Zizic, Premierminster der Bundesrepublik Jugoslawien tritt zurück). Umgekehrt war dies ein weiterer Schritt Jugoslawiens zurück in die Staatengemeinschaft. Zoran Djindjic – Premier in Serbien – bekundete Anfang Juli 2001 die Absicht, ein Konzept für die Aufnahme in die EU zu präsentieren.

Die Auslieferung Milosevic war eine Bedingung für den Start von finanzieller Unterstützung des völlig ausgebluteten Jugoslawiens. Die Geberländer beschließen kurz nach der Auslieferung eine finanzielle Unterstützung in Höhe von mehreren Milliarden EUR für Jugoslawien.

2003 Mit der neuen Verfassung (2003) wurde die 1992 gegründete Bundesrepublik Jugoslawien in einen losen Staatenbund umgewandelt. Sie änderte ihren Namen in Serbien und Montenegro.
2006 2006 erklärte sich Montenegro unabhängig und spaltete sich als eigener Staat ab. Die Hauptstadt ist Podgorica.
2008 Am 17. Februar erklärte sich auch die Republik Kosovo für unabhängig. Während die Unabhängigkeit Montenegros von Serbien anerkannt wurde, gab es über die der ehemaligen Provinz Kosovo Streit. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat jedenfalls am 22. Juli 2010 entschieden, dass die Abspaltung der Provinz Kosovo nicht gegen internationales Recht verstoße.

Stadtbevölkerung — die größten Städte

Die weltweite Stadtbevölkerung wird bis 2025 von heute 3,5 Milliarden auf voraussichtlich 4,5 Milliarden wachsen, während die Landbevölkerung lediglich von 3,4 Milliarden auf rund 3,5 Milliarden zunimmt. Es wird also vor allem ein Wachstum in den Städten geben. Dies geht aus den jüngsten Projektionen der Vereinten Nationen (UN) hervor, die das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich der EXPO (Exposition Mondiale) in Shanghai veröffentlicht hat.

Die 30 größten Städte 1950
Staat Stadt EW in Mio.
1 USA New York-Newark 12,34
2 Japan Tokyo 11,27
3 Großbritannien London 8,36
4 Frankreich Paris 6,52
5 Russland Moskau (Moskva) 5,36
6 Argentinien Buenos Aires 5,10
7 USA Chicago 5,00
8 Indien Kalkutta (Kolkata) 4,51
9 China Shanghai 4,30
10 Japan Osaka-Kobe 4,15
11 USA Los Angeles, inkl. Long Beach-Santa Ana 4,05
12 Deutschland Berlin 3,34
13 USA Philadelphia 3,13
14 Brasilien Rio de Janeiro 2,95
15 Russland Sankt Petersburg 2,90
16 Mexico Ciudad de Mexico (Mexico City) 2,88
17 Indien Mumbai (Bombay) 2,86
18 USA Detroit 2,77
19 USA Boston 2,55
20 Ägypten Al-Qahirah (Kairo) 2,49
21 China Tianjin 2,47
22 Großbritannien Manchester 2,42
23 Brasilien Sao Paulo 2,33
24 Großbritannien Birmingham 2,23
25 China Shenyang 2,15
26 Italien Rom (Roma) 1,88
27 Italien Mailand (Milan) 1,88
28 USA San Francisco-Oakland 1,86
29 Spanien Barcelona 1,81
30 Großbritannien Glasgow 1,76

Für »Megacities« mit über 10 Millionen Einwohnern erwarten die Vereinten Nationen eine besonders starke Zunahme. So soll beispielsweise die Zahl der Einwohner in der EXPO-Stadt Shanghai (1995: 10,2 Millionen; 2010: 16,6 Millionen) in den nächsten 15 Jahren um weitere 3,4 Millionen steigen. Südasiatische Städte wie Delhi in Indien (Wachstum von 2010 bis 2025: + 6,4 Millionen) oder Dhaka in Bangladesch (+ 6,3 Millionen) werden laut Projektion noch schneller wachsen, aber auch Städte in Afrika wie das kongolesische Kinshasa, dessen Bevölkerung von heute 8,8 Millionen auf voraussichtlich 15 Millionen im Jahr 2025 ansteigen wird.

Größte Metropole der Welt bleibt das japanische Tokyo (Bevölkerung 1995: 33,6 Millionen, 2010: 36,7 Millionen, 2025: 37,1 Millionen). Zum Vergleich: Vor dem zweiten Weltkrieg war Berlin ein der größten Städte der Welt. Die Einwohnerzahl von Deutschlands größter Stadt  liegtseit der Wiedervereinigung beständig bei etwas unter 3,5 Millionen. Das entsprach 1995 noch dem 59. Platz unter den weltweit größten Städten, 2010 Rang 96 und wird 2025 voraussichtlich  für Platz 127 reichen. Nun ist das natürlich kein Wettrennen und in vielen Fällen hängt die Größe der Einwohnerzahl einer Stadt auch von der Verwaltungsstruktur ab, weil zwei oder mehr getrennte Städte im Laufe der Zeit zu einem Konglomerat zusammengewachsen sind. So gibt es unterschiedliche Definitionen von »Stadt«, die zum Beispiel teilweise auch als Ballungsraum verstanden werden.

Trotz höheren Wachstums ist der Anteil der Stadtbevölkerung in den Schwellen- und Entwicklungsländern oft geringer als in den reicheren Ländern. So liegt dieser Anteil laut UN-Projektion in Deutschland 2010 bei 74%, in China lediglich bei 47%.

Hintergründe und weitere Daten zur globalen Städtestatistik gibt es seit Ende März auf der englischsprachigen Webseite UN World Urbanization Prospects .

Globale Stadt- und Landbevölkerung 1995, 2010 und 2025
Gesamt (in Mio.) Veränderung in %
1995 2010 2025 1995–2010 2010–2025
Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division, World Urbanization Prospects: The 2009 Revision, New York, 2010
Landbevölkerung 3 174 3 422 3 476 +7,8 +1,6
Bevölkerung in Städten
mit unter 0,5 Mio. EW
1 448 1 801 2 277 +24,4 +26,4
Bevölkerung in Städten
mit über 0,5 Mio. EW
1 092 1 686 2 259 54,4 34,0
darunter
mit über 10 Mio. EW 186 324 469 74,4 44,7
Weltbevölkerung (gesamt) 5 713 6 909 8 012 20,9 16,0

Die größten Städte 1995
Rang Stadt Land EW (Mio.)
Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division, World Urbanization Prospects: The 2009 Revision, New York, 2010
1. Tokyo Japan 33,6
2. New York-Newark USA 16,9
3. Mexiko-Stadt Mexiko 16,8
4. Sao Paulo Brasilien 15,9
5. Mumbai Indien 14,1
6. Delhi Indien 12,4
7. Kalkutta Indien 11,9
8. Los Angeles inkl. Santa Ana und Long Beach. USA 11,3
9. Buenos Aires Argentinien 11,2
10. Osaka-Kobe Japan 11,1

Die größten Städte 2010
Rang Stadt Land EW (Mio.)
Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division, World Urbanization Prospects: The 2009 Revision, New York, 2010.
1. Tokyo Japan 36,7
2. Delhi Indien 22,2
3. Sao Paulo Brasilien 20,3
4. Mumbai Indien 20,0
5. Mexiko-Stadt Mexiko 19,5
6. New York-Newark USA 19,4
7. Shanghai China 16,6
8. Kalkutta Indien 15,6
9. Dhaka Bangladesch 14,6
10. Karachi Pakistan 13,1

Die größten Städte 2025
Rang Stadt Land EW (Mio.)
Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division, World Urbanization Prospects: The 2009 Revision, New York, 2010.
1. Tokyo Japan 37,1
2. Delhi Indien 28,6
3. Mumbai Indien 25,8
4. Sao Paulo Brasilien 21,7
5. Dhaka Bangladesch 20,9
6. Mexiko-Stadt Mexiko 20,7
7. New York-Newark USA 20,6
8. Kalkutta Indien 20,1
9. Shanghai China 20,0
10. Karachi Pakistan 18,7

Rechtsnachfolger können sich auf das Urheberrecht berufen

Avis von Kurt Tucholsky (gest. 1935)  in: Die Weltbühne, 1. März 1932 (Nr. 9, S. 345).

»Lieber Herr Tucholsky!
Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen zu Ihren Werken meine vollste Anerkennung ausspreche. Das wird Ihnen zwar gleichgültig sein — aber  ich möchte doch noch eine weitere Bemerkung hinzufügen. Hoffentlich  sterben Sie recht bald, damit Ihre Bücher billiger werden (so wie Goethe zum Beispiel). Ihr letztes Buch ist wieder so teuer, dass man es sich nicht kaufen kann.
Gruß!«

Da hast es.
Lieber Meister Rowohlt, liebe Herren Verleger! Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger!

Ein künstlerisches Werk trägt, in Anlehnung an Josef Kohler, bereits bei Geburt die Bestimmung in sich, Gemeingut aller zu werden. Der EuGH wendet nunmehr europäisches Recht an, obwohl der Urheber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWG-Vertrags bereits verstorben war — mit der Folge, dass jeweils die längste Schutzdauer gilt. Ein merkwürdiges Urteil, wird doch gewissermaßen die Allgemeinheit enteignet.

EuGH, Urteil vom 6. Juni 2002 (Fünfte Kammer)

In der Rechtssache C-360/00 betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Bundesgerichtshof (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Land Hessen gegen G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag GmbH

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) erlässt der Gerichtshof  (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter S. von Bahr, A. La Pergola, M. Wathelet (Berichterstatter) und C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: D. Ruí­z-Jarabo Colomer

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • des Landes Hessen, vertreten durch Rechtsanwalt H. L. Bauer,
  • der G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt O. Brändel,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Dittrich und W.-D. Plessing als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt W. Berg,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Februar 2002, folgendes Urteil

  1. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30. März 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 28. September 2000, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
  2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Land Hessen und der G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag GmbH (im Folgenden: Ricordi), einem Bühnen- und Musikverlagshaus, hinsichtlich des Rechts, die Oper La Bohème des Komponisten Giacomo Puccini in den Spielzeiten 1993/94 und 1994/95 aufzuführen.

    Rechtlicher Rahmen

    Nationale Rechtsvorschriften

  3. Zum Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens stand das künstlerische und geistige Schaffen in Deutschland unter dem Schutz des Gesetzes über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte vom 9. September 1965 (BGBl. I, S. 1273, im Folgenden: UrhG). Dieses Gesetz unterschied zwischen dem Schutz der Werke deutscher Staatsangehöriger und dem der Werke ausländischer Urheber.
  4. Während Erstere urheberrechtlichen Schutz für alle ihre Werke genossen, gleichviel, ob und wo die Werke erschienen waren (§ 120 Absatz 1 UrhG), genossen Letztere diesen Schutz nur im Hinblick auf die Werke, die erstmals oder innerhalb von dreißig Tagen nach ihrem ersten Erscheinen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erschienen (§ 121 Absatz 1 UrhG).
  5. In den anderen Fällen genossen ausländische Urheber den urheberrechtlichen Schutz nach Inhalt der Staatsverträge (§ 121 Absatz 4 UrhG).
  6. Der vom deutschen Recht gewährte Schutz der Urheberrechte endet 70 Jahre nach dem 1. Januar des Jahres, das auf den Tod des Urhebers folgt (§§ 64 und 69 UrhG).
  7. Im italienischen Recht beträgt die Schutzdauer der Urheberrechte gemäß Artikel 25 des Gesetzes Nr. 633 vom 22. April 1941 über den Schutz des Urheberrechts und weitere mit seiner Ausübung verbundene Rechte (GURI Nr. 166 vom 16. Juli 1941) in Verbindung mit Artikel 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 440 vom 20. Juli 1945 (GURI Nr. 98 vom 16. August 1945) 56 Jahre gerechnet vom Tod des Urhebers an.

    Internationales Recht

  8. Das wichtigste internationale Abkommen auf dem Gebiet des Schutzes des Urheberrechts ist die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Akte von Paris vom 24. Juli 1971) in ihrer Fassung durch die Änderung vom 28. September 1979 (im Folgenden: Berner Übereinkunft).
  9. Nach Artikel 7 Absatz 1 der Berner Übereinkunft umfasst die Dauer des durch sie gewährten Schutzes das Leben des Urhebers und 50 Jahre nach dessen Tod. Nach Absatz 5 dieses Artikels wird diese Frist von 50 Jahren vom 1. Januar des auf den Tod folgenden Jahres an gerechnet. Nach Absatz 6 dieses Artikels können die Verbandsländer jedoch eine längere Schutzdauer einräumen.
  10. Artikel 7 Absatz 8 enthält eine Regelung, die als Schutzfristenvergleich bezeichnet wird. Nach dieser Vorschrift wird die Dauer der Schutzfrist in allen Fällen durch das Gesetz des Landes festgelegt, in dem der Schutz beansprucht wird. Sie überschreitet jedoch nicht die im Ursprungsland des Werkes festgesetzte Dauer, sofern die Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, nichts anderes bestimmen; das ist in Deutschland nicht der Fall.
  11. Die Beschränkungen, die Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft zulässt, sind in Artikel 3 Absatz 1 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums aufgenommen worden, das im Anhang 1C des Übereinkommens über die Errichtung der Welthandelsorganisation, genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1), enthalten ist. Artikel 9 dieses Abkommens sieht auch vor, dass die Unterzeichnerstaaten die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft und den Anhang dazu befolgen.

    Gemeinschaftsrecht

  12. Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag lautet:

    Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

    Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

  13. Ricordi verfügt über die Aufführungsrechte an der Oper La Bohème von Puccini, der am 29. November 1924 starb (vgl. Nrn. 13 ff. der Schlussanträge des Generalanwalts). Das Land Hessen betreibt das Staatstheater in Wiesbaden (Deutschland).
  14. In den Spielzeiten 1993/94 und 1994/95 ließ das Staatstheater in Wiesbaden diese Oper mehrmals ohne Zustimmung von Ricordi aufführen.
  15. Diese machte vor einem deutschen Landgericht geltend, dass die Werke von Puccini aufgrund des im EG-Vertrag festgelegten Verbotes der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Deutschland zwingend bis zum Ablauf der nach deutschem Recht vorgesehenen Frist von 70 Jahren geschützt gewesen seien, also bis zum 31. Dezember 1994.
  16. Das Land Hessen machte demgegenüber geltend, dass die im italienischen Recht vorgesehene Schutzdauer von 56 Jahren auf die Oper La Bohème anwendbar sei, so dass die Urheberrechte an diesem Werk am 31. Dezember 1980 abgelaufen seien.
  17. Das angerufene Landgericht gab der Klage von Ricordi statt. Die Berufung des Landes Hessen hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich dessen Revision.
  18. Der Bundesgerichtshof weist im Vorlagebeschluss darauf hin, dass, da die Oper La Bohème nach den getroffenen Feststellungen erstmals in Italien und nicht in Deutschland erschienen sei, diese zum Zeitpunkt des Sachverhalts in Deutschland gemäß § 121 Absatz 4 UrhG allein nach Inhalt der Staatsverträge geschützt gewesen sei.
  19. Unter Berücksichtigung von Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft und des Umstands, dass das deutsche Recht keine von dem Grundsatz, wonach die Schutzdauer nicht über die im Ursprungsland des Werkes festgelegte hinausgehe, abweichende Regelung enthalte, sei die Schutzfrist für die Oper La Bohème in Deutschland durch die im italienischen Recht vorgesehene Schutzdauer begrenzt gewesen und daher 1980 abgelaufen.
  20. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hängt der Ausgang des Rechtsstreits davon ab, ob das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag auf diesen Rechtsstreit anwendbar ist.
  21. Das vorlegende Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Frage, ob das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anwendbar ist, dass der Urheber bereits verstorben war, als das gemeinschaftliche Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Kraft trat. Dieses Verbot gelte seit dem 1. Januar 1958 sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der Italienischen Republik, während Puccini 1924 gestorben sei.
  22. Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:Ist das Diskriminierungsverbot des Artikels 12 Absatz 1 EG in Fällen anzuwenden, in denen ein ausländischer Urheber bereits verstorben war, als der Vertrag in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist, wenn andernfalls nach nationalem Recht eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Schutzdauer der Werke des Urhebers und eines vor Inkrafttreten des Vertrages verstorbenen inländischen Urhebers die Folge wäre?

    Zur Vorlagefrage

  23. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag auch auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anwendbar ist, dass der Urheber bereits verstorben war, als der EWG-Vertrag in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist, und, falls dies bejaht wird, ob dieses Verbot es ausschließt, dass die Schutzdauer, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den Werken eines Urhebers gewähren, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geringer ist als die, die den Werken eigener Staatsangehöriger gewährt wird.
  24. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte insbesondere wegen ihrer Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 1993 in den Rechtssache C-92/92 und C-326/92, Phil Collins u. a., Slg. 1993, I-5145, Randnr. 27).
  25. Sodann ist festzustellen, dass der Umstand, dass der Urheber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWG-Vertrags in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, bereits verstorben war, nicht die Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag hindert.
  26. Nicht nur der Urheber, sondern auch seine Rechtsnachfolger können sich nämlich auf das Urheberrecht berufen (vgl. Urteil Phil Collins u. a., Randnr. 35). Es steht fest, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Urheberrecht bei Inkrafttreten des EWG-Vertrags immer noch Wirkungen für die Rechtsnachfolger von Giacomo Puccini erzeugte (vgl. Urteil vom 29. Januar 2002 in der Rechtssache C-162/00, Pokrzeptowicz-Meyer, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 49 und 50).
  27. Schließlich ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren streitige Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Urheber durch das Urheberrechtsgesetz gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.
  28. Das Land Hessen meint, dass sich diese Ungleichbehandlung aus den Unterschieden der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergebe.
  29. Es macht geltend, dass der Schutzfristenvergleich nach Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf das Ursprungsland abstelle. Die Schutzdauer werde von jedem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt, dem es jederzeit freistehe, die nach seinem Recht geltende und damit über diese Vorschrift die für seine im Ausland lebenden Staatsangehörigen geltende Schutzdauer zu verlängern. Unter diesen Umständen sei die nationale Rechtslage kein willkürliches, sondern ein objektives Differenzierungskriterium. Die Schutzdauer habe nur einen mittelbaren Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit des Urhebers.
  30. Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden.
  31. Es steht zwar fest, dass Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag nicht die etwaigen Unterschiede in der Behandlung und die Verzerrungen erfasst, die sich für die dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und Unternehmen aus den Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben können, sofern diese Rechtsordnungen auf alle in ihren Geltungsbereich fallenden Personen nachobjektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar sind; er verbietet aber jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Folglich verpflichtet diese Bestimmung jeden Mitgliedstaat dazu, eine vollständige Gleichbehandlung zwischen seinen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation befinden, sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Phil Collins u. a., Randnrn. 30 und 32).
  32. Es ist festzustellen, dass die §§ 120 Absatz 1 und 121 Absatz 1 UrhG eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit bewirken.
  33. Da zudem Artikel 7 Absatz 8 der Berner Übereinkunft die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt, die Schutzdauer von 70 Jahren nach deutschem Recht auf die Rechte eines ausländischen Urhebers zu erstrecken, kann auch der Mechanismus des Schutzfristenvergleichs nach dieser Bestimmung die Ungleichbehandlung, die durch die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes im Hinblick auf die Schutzdauer der Rechte eines deutschen Urhebers und diejenigen eines Urhebers, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geschaffen wird, nicht rechtfertigen.
  34. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag auch auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anzuwenden ist, dass der Urheber bereits verstorben war, als der EWG-Vertrag in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist, und dass dieses Verbot es ausschließt, dass die Schutzdauer, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den Werken eines Urhebers gewähren, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geringer ist als die, die den Werken seiner eigenen Staatsangehörigen gewährt wird.

    Kosten

  35. Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof  (Fünfte Kammer) auf die ihm vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30. März 2000 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) ist auch auf den Schutz von Urheberrechten in dem Fall anzuwenden, dass der Urheber bereits verstorben war, als der EWG-Vertrag in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, in Kraft getreten ist.
Es schließt aus, dass die Schutzdauer, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den Werken eines Urhebers gewähren, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, geringer ist als die, die den Werken seiner eigenen Staatsangehörigen gewährt wird.

Amalgam von Andreas Leitolf

Eine abstruse Geschichte Deutschlands von Andreas Leitolf.

Es ist ein Versuch, ein Kleinstadtepos zu schaffen, Deutschland zu verstehen aus seiner surrealistischen Begrenztheit, seinem Herrschaftsstreben und seiner verhinderten Weltoffenheit. Es ist die Geschichte der deutschen Kleinstadt Kohlheim, ihres ruhmreichen Aufstiegs, ihrer weltweiten Wirkung und ihres überraschenden Sturzes in die Ewige Verdammnis.

Hasenfuß war Referent einer Weltfirma. Er hatte mit dem Thema: »Der Mittagsessenszuschuß im Arbeitsrecht« promoviert und die Bürolaufbahn eingeschlagen. Vor Dienstantritt war er sich im klaren, daß es sich um ein Sprungbrett nach oben handelte. Geschäftsführer Löbner sprach von Aufstiegschancen. Diese seien nicht leistungsunabhängig. Er müsse selber um seinen Aufstieg kämpfen. Der Zugang zur Geschäftsführung würde ihm nicht verwehrt.

Hasenfuß übernahm das Arbeitsrecht. Als Student hatte sich Hasenfuß spezialisiert, um im Arbeitsrecht unschlagbar zu werden. Abgefragt, eine sekundenschnelle Antwort zu geben, war sein Traum gewesen, wie ein Computer antworten zu können, nach Möglichkeit richtig, vor allem schnell und mit höchster Entschlußkraft. Schnelligkeit entscheidet, dachte Hasenfuß, und er feilte an seiner Karriere.

Bei seiner Vorstellung sprach man über seine Doktorarbeit. Generalsekretär Guzmann hatte gefragt, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Mittagsessenszuschuß habe. »Der Mittagsessenszuschuß erfüllt die Fürsorgepflicht des Unternehmers«, sagte Hasenfuß: »Er löst das Problem der Mitbestimmung und ist Vermögensbildung in der Arbeiterhand. Er dient der Realisierung des Sozialstaates.« Seine Darlegungen hinterließen einen guten Eindruck und Hasenfuß war mit allen arbeitsrechtlichen Vorgängen betraut worden. Abteilungsleiter Paulcke ließ ihn bedeutungsvolle Korrespondenz mitunterzeichnen.

Mitwirkende Personen:

Opa Kohl, Gründer und Herrscher von Kohlheim
Paulus, Wasserprediger und Pädagog
Tantra, einsames Kohlheimmonster
Johnny Haßenfuß, reitender Buchmagier
Buschka, seine Frau
Rosi Finsterwalder, junge Kohlheimerin
Mister Flokati, fliegender Teppichhändler
Satyagrha, Trommler aus dem Natal
Der Große Franz, Kraftmensch
Geierwally, seine Gespielin
Der Tolle Bomberg, Pionier der Luftfahrt
Porkyr, Bücherverbrenner
Jorcus und Juppes, Hasenfußkämpfer
Toter Rächer aus Texas, Geist von Kohlheim
Der Mann aus dem Nichts, Östrreicher
Willy Doubleyou Guzman, Großwildjäger
Kochsalzl. Astronom und Tischfußballer

sowie Lukas Hasenfuß, Giesela Hasenfuß, August Finsterwalder, Thomas Finsterwalder, Springinsfeldkinder, Kaiser Franz, Biermann, Weinzierl, Siegfried, Dolores Babilionia, Antnella da Malta, Herzeloyde, Alter Mann mit Krücke, Bertram Auenader, Wilde-Reiter-GmbH, Kinder, Huren, Alte, Volk.


Lesen Sie Amalgam hier weiter.