Archiv der Kategorie: Recht

Ein Hörzeichen ist unter bestimmten Voraussetzungen als Marke eintragungsfähig

Gemäß einer Richtlinie der Gemeinschaft aus dem Jahr 1988 muss ein Hörzeichen, um als Marke eintragungsfähig zu sein, geeignet sein, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Außerdem muss es Gegenstand einer grafischen Darstellung sein können, die klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist. Ein Notensystem mit Notenschlüssel und Noten erfüllt diese Voraussetzungen.

Die Shield Mark BV ist ein Beratungsunternehmen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums und hat ihren Sitz in den Niederlanden. Sie hat beim BeneluxMarkenamt mehrere Erkennungsmelodien als Hörmarken eintragen lassen.

Einige dieser Marken bestehen aus einem Notensystem mit den ersten neun Noten des Musikstücks „Für Elise“, andere aus „den ersten neun Noten von „Für Elise“, wieder andere aus der Notenfolge „e, dis, e, dis, e, h, d, c, a“.

Weitere Marken bestehen aus der Bezeichnung „KukelekuuuuuA (einem Onomatopoetikum [lautmalerisches Wort], mit dem in der niederländischen Sprache das Krähen eines Hahnes nachgeahmt wird) oder aus dem (Krähen eines Hahnes“.

Joost Kist ist rechtsberatend auf dem Gebiet der Kommunikation tätig und verwendete die Melodie „Für Elise“ und das Krähen eines Hahnes bei einer Werbekampagne im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit. Shield Mark erhob daraufhin bei den niederländischen Gerichten wegen Markenverletzung und unlauteren Wettbewerbs Klage gegen Joost Kist.

Der letztinstanzlich mit der Rechtssache befasste Hoge Raad der Nederlanden (höchstes Gericht in den Niederlanden), hat den Gerichtshof gefragt, ob nach der Gemeinschaftsrichtlinie über die Marken die Eintragung von Hörzeichen zulässig ist.

Nach Ansicht des Gerichtshofes ist die Aufzählung der markenfähigen Zeichen in Artikel 2 der Richtlinie nicht abschließend. Die Richtlinie schließt also Zeichen, die als solche nicht visuell wahrnehmbar sind, wie etwa Klänge, nicht ausdrücklich aus. Allerdings müssen Hörzeichen für die Eintragung als Marke gewisse Voraussetzungen erfüllen. Zunächst müssen sie geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Außerdem müssen sie Gegenstand einer grafischen Darstellung, insbesondere mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen, sein können, die klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist.

Diese Voraussetzungen sind bei einer grafischen Darstellung des Hörzeichens, die sich auf den Hinweis beschränkt, dass das Zeichen aus den Noten eines bekannten musikalischen Werks besteht, ebensowenig erfüllt wie bei einer einfachen Notenfolge ohne weitere Erläuterungen oder bei einer grafischen Darstellung in Form eines Onomatopoetikums. In diesen Fällen fehlt der grafischen Darstellung jedenfalls die Eindeutigkeit und die Klarheit.

Dagegen sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, wenn die grafische Darstellung des Hörzeichens durch ein in Takte unterteiltes Notensystem mit einem Notenschlüssel, Noten und anderen in der Musik verwendeten Zeichen erfolgt. Die Gesamtheit dieser Zeichen stellt eine getreue Darstellung der Tonfolge dar, aus der die zur Eintragung angemeldete Melodie besteht.


Urteil des Gerichtshofes v. 27. 11. 2003, Rs. C283/01, Shield Mark BV/Joost Kist h. o. d. n. MEMEX

Pflicht zur Eintragung in die Handwerksrolle verstößt gegen den EG-Vertrag

Der EuGH hat am 11. Dez. 2003 entschieden: Die Verpflichtung zur Eintragung in die Handwerksrolle verzögert, erschwert oder verteuert die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die in der Richtlinie über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Der deutsche Staatsangehörige Bruno Schnitzer beauftragte im Jahr 1994 ein portugiesisches Unternehmen damit, in der Zeit von November 1994 bis November 1997 Verputzarbeiten in Bayern auszuführen.

Nach der deutschen Handwerksordnung ist der Betrieb eines Handwerks nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Personen und Gesellschaften gestattet.

Die Stadt Augsburg verhängte im Jahr 2000 gegen Bruno Schnitzer ein Bußgeld wegen Zuwiderhandlung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, weil das von ihm beauftragte portugiesische Unternehmen nicht in die Handwerksrolle eingetragen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid legte Bruno Schnitzer Einspruch ein, über den das Amtsgericht Augsburg zu entscheiden hat. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die deutschen Rechtsvorschriften gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und die Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen Berufserfahrung verstoßen. Das Amtsgericht Augsburg hält es für möglich, dass der Gerichtshof ein solches Erfordernis der Eintragung in ein Register auch in dem Fall als ungerechtfertigt ansieht, in dem der Dienstleistende seine Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig ausübt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass das portugiesische Unternehmen Leistungen erbringt, für die die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr gelten, sofern das betreffende Unternehmen nicht als in Deutschland niedergelassen anzusehen ist.

Allein die Tatsache, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen mehr oder weniger häufig oder regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, reicht nicht aus, um ihn als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen.

Die Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, stellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, etwa durch das Ziel, die Qualität der durchgeführten handwerklichen Arbeiten zu sichern, gerechtfertigt ist. Folglich steht das Gemeinschaftsrecht der Verpflichtung eines Wirtschaftsteilnehmers, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, entgegen, die die Erbringung von Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat verzögert, erschwert oder verteuert, wenn die in der anwendbaren Richtlinie über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat erfüllt sind.


Urteil des EuGH vom 11. 12. 2003, Rs. Rs. C-215/01, Bruno Schnitzer.

Steuerbeihilfen: Kommission zieht Bilanz

Die Kommission hat am 26. 11. 2003 einen Bericht über die Durchführung ihrer Politik im Bereich der Steuerbeihilfen angenommen. Darin wird die Funktionsweise ihrer Mitteilung von 1998 über Steuerbeihilfen als angemessene Ergänzung für ihr Vorgehen bei der Überwachung der staatlichen Beihilfen bewertet. Ferner werden die Wechselwirkungen zwischen der Überwachung der staatlichen Beihilfen und der Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs untersucht. Außerdem wird den Fragen der indirekten Besteuerung nachgegangen, die von der Mitteilung von 1998 über Steuerbeihilfen nicht behandelt werden.

Der Bericht zieht eine Bilanz der Funktionsweise der Mitteilung über die Anwendung der Beihilferegeln auf die Maßnahmen der direkten Unternehmensbesteuerung. Diese Bilanz umfasst den Begriff der staatlichen Beihilfen, die Prüfung ihrer Vereinbarkeit und Verfahrensfragen. Demnach hat sich die Mitteilung als ein angemessenes Instrument erwiesen, um die Steuerbeihilfen insbesondere im Rahmen der am 11. Juli 2001 eingeleiteten Verfahren zu untersuchen. Diese Fälle betrafen im Wesentlichen die steuerlichen Sonderregelungen zugunsten multinationaler Unternehmen. Die Kommission hatte sich dabei zu den alternativen Besteuerungsmethoden wie z.B. dem Verfahren „Kosten Plus“ zu äußern, mit dem die grenzüberschreitenden Geschäfte innerhalb einer Gruppe erfasst werden sollen. Mit diesem Verfahren wird das steuerpflichtige Unternehmensergebnis nicht über den Unterschiedsbetrag zwischen Einkünften und Aufwendungen, sondern unter Heranziehung der Kosten errechnet, die einem Unternehmen bei seinen Geschäften mit anderen Unternehmen seiner Gruppe entstanden sind. Um zu einem angemessenen Unternehmensgewinn zu gelangen, wird diesen Kosten eine erhöhte Spanne für Gestehungskosten hinzugezählt, wobei die ausgeübten Funktionen, die genutzten Vermögenswerte, die entstandenen Risiken und die Marktbedingungen berücksichtigt werden. In dem Bericht äußert die Kommission keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber diesem Verfahren. Sie macht jedoch deutlich, dass dieses alternative Besteuerungsverfahren eine staatliche Beihilfe beinhalten könnte, wenn sich die aus seiner Anwendung ergebende Steuerlast niedriger wäre als bei Anwendung einer „klassischen“ Besteuerungsmethode.

Der Bericht macht außerdem deutlich, dass das Kriterium der Staatsmittel, eines der vier Kriterien des Begriffes staatliche Beihilfe, unter Bezugnahme auf die Lage des Beihilfebegünstigten gewürdigt werden muss, wobei es nicht möglich ist, mögliche positive Wirkungen aufgrund der betreffenden Maßnahme in wirtschaftlicher oder haushaltspolitischer Sicht zu berücksichtigen.

Dieses Kriterium bedingt jedoch keine Kosten-Nutzen-Analyse der Gesamtauswirkungen einer Maßnahme, sondern muss im Einzelfall bei den Begünstigten unter Bezugnahme auf den Steuerbetrag ermittelt werden, den diese hätten entrichten müssen.

Ferner wird in dem Bericht hervorgehoben, dass bestimmte Maßnahmen, die offiziell allen Wirtschaftszweigen offenstehen, dennoch als selektiv eingestuft werden können, weil sie bestimmte Unternehmen ausschließen. Dies ist z.B. der Fall bei Maßnahmen, die auf multinationale Unternehmen oder auf Unternehmen einer bestimmten Mindestgröße zugeschnitten sind.

Schließlich macht der Bericht deutlich, dass die Kommission weiterhin den Grundsatz streng anwenden wird, dass eine selektive steuerliche Maßnahme wegen der Beschaffenheit oder der Systematik des Steuersystems zu rechtfertigen sein muss. Demnach muss eine differenzierte steuerliche Behandlung aufgrund von Elementen zu rechtfertigen sein, die sich aus dem inneren Aufbau des Steuersystems ergeben. Wenn sich selektive Maßnahmen allein auf objektive Kriterien wie Umsatz, Größe, Standort usw. stützen, kann daraus keine Ausnahme hergeleitet werden. Hierbei untersucht die Kommission insbesondere, ob die Kriterien für die Inanspruchnahme einer besonderen Maßnahme mit den von dem betreffenden Mitgliedstaat gegebenen Rechtfertigungen übereinstimmen.

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit nimmt die Kommission eine neutrale Haltung gegenüber den steuerlichen Beihilfen ein. Sie hat diese bisher gemäß den bestehenden Rahmenbestimmungen und Leitlinien untersucht und für sie keine eigenen Regeln erlassen.

Da sich die Mitteilung als ein angemessenes Instrument bei dem Vorgehen der Kommission im Bereich der Steuerbeihilfen erwiesen hat, besteht gegenwärtig kein Bedarf für eine Überprüfung dieses Instruments. Der Bericht macht jedoch deutlich, dass die Entscheidungspraxis und die Rechtsprechung in bestimmten Bereichen noch nicht weit entwickelt sind, und dass die Mitteilung gegebenenfalls im Lichte der Entwicklung der Rechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission vervollständigt werden könnte.

Im zweiten Teil werden die Beziehungen zwischen dem Vorgehen der Kommission bei der Überwachung der staatlichen Beihilfen und dem Kampf gegen den schädlichen Steuerwettbewerb im Rahmen des Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung untersucht. Die Überprüfung der Steuerregelungen im Rahmen der Beihilfenkontrolle und die Arbeiten im Rahmen des Verhaltenskodex verfolgen zwar dasselbe allgemeine Ziel der Minderung der Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt, werden jedoch unabhängig voneinander geführt. Die Einstufung einer Maßnahme als schädlich im Sinne des Verhaltenskodex muss nicht unbedingt ihre Einstufung als staatliche Beihilfe und umgekehrt zur Folge haben. Der Bericht unterstreicht, dass die Kommission zur Aufhebung bestimmter schädlicher Steuermaßnahmen beigetragen hat, indem sie die Prüfung von schädlichen Maßnahmen in den Mittelpunkt rückte, bei denen es sich um staatliche Beihilfen handelte. Dadurch wurde in gewissem Maße die am 3. Juni 2003 erzielte Einigung über einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung erleichtert. Der Bericht unterstreicht, dass die Kommission ihr Vorgehen im Bereich der Steuerbeihilfen auch angesichts des Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung fortsetzen und sich dabei auf die Fälle konzentrieren wird, die spürbare wirtschaftliche Auswirkungen und besonders nachteilige Folgen für den Wettbewerb und den Handel haben.

Schließlich wird in dem Bericht die Frage der indirekten Besteuerung angesprochen, die in der Mitteilung von 1998 nicht aufgegriffen wurde. Er gelang zu dem Ergebnis, dass die Grundsätze der Mitteilung überwiegend auch auf die indirekte Besteuerung anwendbar sind, dass aber bestimmte Fragen eventuell in einer getrennten Mitteilung behandelt werden könnten. In dem Bericht wird auch beschrieben, auf welche Weise die Kommission die Überwachung der staatlichen Beihilfen mit der Steuerpolitik in Einklang bringt. Demnach wird sie von nun an die Anträge auf Ausnahmen von der Harmonisierung der Verbrauchsteuern für Mineralöle gleichzeitig mit der Prüfung gemäß den Regeln über staatliche Beihilfen untersuchen.

Bei der Annahme der Mitteilung über die Anwendung der Regeln für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen der direkten Unternehmensbesteuerung am 11. November 1998 hatte die Kommission zugesagt, zwei Jahre nach der Veröffentlichung einen Bericht über ihre Funktionsweise zu erstellen. Da das Vorgehen der Kommission im Bereich der Steuerbeihilfen erst ab Juli 2001 spürbar wurde, wurde vor diesem Zeitpunkt kein Bericht erstellt. Nachdem 13 von 15 der im Juli 2001 eröffneten Verfahren abgeschlossen sind, ist die Kommission nunmehr in der Lage, diesen Bericht vorzulegen.

Kommission legt neuen Richtlinienvorschlag für Fusionen vor

Die Europäische Kommission hat eine Richtlinie vorgeschlagen, die die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU, die durch die unterschiedlichen innerstaatlichen Regelungen erschwert wird, erleichtern soll. Die Richtlinie soll vor allem kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften helfen, die über ihren eigenen Mitgliedstaat hinaus tätig sein wollen, nicht aber unionsweit und deshalb kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen dürften, eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) zu gründen. Nach dem im Richtlinienvorschlag geregelten Verfahren sollen für Verschmelzungen die in dem betreffenden Mitgliedstaat für solche Vorgänge im Inland geltenden Grundsätze und Vorschriften maßgebend sein. Die Richtlinie schließt eine wichtige Lücke im Gesellschaftsrecht. Sie ist die erste Maßnahme, die die Kommission auf der Grundlage ihres im Mai 2003 angenommenen Aktionsplans zum Gesellschaftsrecht und zur Corporate Governance in der Europäischen Union vorlegt.

Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein kommentierte den Richtlinienvorschlag mit folgenden Worten: „Wenn wir grenzübergreifende Verschmelzungen einfacher machen, leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, für die Unternehmenskooperationen und -umstrukturierungen notwendig sind. Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten sind derzeit schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Dieser Vorschlag soll Abhilfe schaffen. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass solche Verschmelzungen nicht missbraucht werden, um innerstaatliche Arbeitnehmerrechte zu umgehen. Die Richtlinie sollte zügig erlassen werden, da es nach der Erweiterung für Unternehmen noch wichtiger sein wird, über die Landesgrenzen hinaus kooperieren zu können.“

Nach dem derzeitigen Stand des EU-Rechts sind Verschmelzungen auf europäischer Ebene nur zwischen Unternehmen aus bestimmten Mitgliedstaaten möglich. In anderen Mitgliedstaaten sind fusionswillige Unternehmen gezwungen, zu komplexen, kostspieligen juristischen Konstruktionen zu greifen. Diese Arrangements komplizieren den gesamten Vorgang und werden nicht immer mit der gebotenen Transparenz und Rechtssicherheit vollzogen. Zudem haben sie in der Regel die Auflösung der einbringenden Gesellschaft zur Folge, was hohe Kosten verursachen kann.

Der vorliegende Vorschlag, der für alle Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, GmbHs usw.) gilt, will grenzübergreifende Verschmelzungen vereinfachen, indem die für solche Vorgänge maßgebenden Regelungen stärker den Vorschriften angepasst werden, die für Verschmelzungen zwischen Gesellschaften gleichen Rechts gelten. Das bedeutet, dass jede an einer grenzübergreifenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft nach dem Recht ihres eigenen Mitgliedstaats verfahren würde, mit dem sie ohnehin vertraut ist (hiervon ausgenommen sind bestimmte in der Richtlinie geregelte Fälle, die mit dem grenzübergreifenden Aspekt der Fusion zusammenhängen).

Die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Schutzgarantien für Gläubiger, Anleihegläubiger und Inhaber von anderen Wertpapieren als Aktien sowie für Minderheitsgesellschafter und Arbeitnehmer werden durch die Richtlinie bestätigt.

Im besonderen Fall der Arbeitnehmerrechte gilt das innerstaatliche Recht, das für die aus der Verschmelzung hervorgegangene Gesellschaft maßgebend ist. In einem Mitgliedstaat, das ein Mitbestimmungsrecht kennt, gilt dieses Mitbestimmungsrecht auch in dem betreffenden Unternehmen. Ist das neue Unternehmen hingegen in einem Mitgliedstaat ohne eine entsprechende Regelung gegründet worden, muss ein Mitbestimmungsrecht nicht eingeführt werden. Anders liegt der Fall, wenn zumindest eines der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen in seinem Herkunftsstaat der Mitbestimmung unterlag und das neue Unternehmen nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet werden soll, das keine Mitbestimmung kennt. Nach dem Vorbild des SE-Statuts muss dann eine Mitbestimmungsregelung ausgehandelt werden (vgl. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft und die ergänzende Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001). Nur wenn die Verhandlungen scheitern, würde als Auffanglösung die vorher bestehende Mitbestimmungsregelung übernommen.

Unterlagen die Unternehmen vor der Fusion der gesetzlichen Mitbestimmung, können sie beschließen, das aus ihrer Fusion hervorgegangene neue Unternehmen in einem Mitgliedstaat zu gründen, in dem eine sehr viel lockere Mitbestimmungsregelung besteht. In diesem Fall müssen sie nicht das im SE-Statut vorgesehene Verhandlungsverfahren bemühen.

Der Vorschlag ist im vollen Wortlaut hier einsehbar.

Unlängst hat die Kommission überdies einen ergänzenden Vorschlag zur Aktualisierung, Präzisierung und Erweiterung der EU-Richtlinie 90/434/EWG vorgelegt, die einen Steueraufschub bei Fusionen, Spaltungen, der Einbringung von Unternehmensteilen und dem Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, vorsieht.

Bereits 1984 hatte die Kommission einen Vorschlag für eine Zehnte Richtlinie des Rates über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften angenommen. Dieser Vorschlag wurde vom Europäischen Parlament in mehreren Ausschüssen geprüft, u. a. im Rechtssausschuss, der seinen Bericht im Oktober 1987 vorlegte. Das Europäische Parlament nahm zu dem Richtlinienvorschlag jedoch nicht Stellung, weil das Problem der Arbeitnehmermitbestimmung nicht gelöst werden konnte. Der Vorschlag, dessen Geschick in dieser Frage mit dem SE-Statut (so genannte „Europäische Aktiengesellschaft“) verknüpft war, befand sich damit in der Sackgasse – diese Situation dauerte mehr als 15 Jahre an.

Dieser erste Vorschlag für eine Zehnte Gesellschaftsrechtsrichtlinie wurde 2001 von der Kommission zusammen mit weiteren seit Jahren anhängigen oder gegenstandslos gewordenen Vorschlägen zurückgezogen, um zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Vorschlag auf der Grundlage der neuesten Entwicklungen des Gemeinschaftsrechts vorlegen zu können.

Im Oktober 2001 wurden die Verordnung über das SE-Statut und die ergänzende Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer erlassen. In der Richtlinie ist eine Auffanglösung für den Fall vorgesehen, dass sich die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter nicht auf ein Mitbestimmungsmodell einigen können. Damit war der Weg frei für einen neuen Vorschlag auf der Grundlage ähnlicher Prinzipien zur Regelung grenzübergreifender Verschmelzungen.

MwSt.-Vorschriften über den Ort der Besteuerung (Energie)

Der Rat hat am 7. Oktober 2003 eine Richtlinie auf Grundlage des Kommissionsvorschlages vom 5. Dezember 2002 zur Änderung der MwSt.-Vorschriften über den Ort der Besteuerung von Erdgas und Elektrizität verabschiedet. Die Richtlinie zielt auf ein reibungsloseres Funktionieren des Energie-Binnenmarktes ab. Sie beseitigt die derzeitigen Probleme wie Doppel- und Nichtbesteuerung sowie Wettbewerbsverzerrungen, indem Lieferungen von Erdgas in Pipelines und von Elektrizität nicht mehr am Ort der Lieferung, sondern am Ort des Verbrauchs besteuert werden.

Die neuen Regeln sind im Falle der Gaslieferungen durch das Erdgasverteilungssystem und bei Strom ein Abgehen von dem Grundsatz der Mehrwertsteuerbehandlung von Waren, wonach sich der Ort der Besteuerung aus dem des physischen Standorts der Waren ergibt.

Mit den neuen Regeln werden zwei Gruppen von Gas- und Stromlieferungen unterschieden:

  • die Belieferung des Handels für den Weiterverkauf
  • und die Belieferung an Endabnehmer, seien es Händler oder Verbraucher.

Die Lieferungen von Gas und Strom an den Handel sind an dem Ort zu versteuern, wo der Abnehmer niedergelassen ist oder eine feste Niederlassung hat. Wenn der Abnehmer nicht in demselben Mitgliedstaat wie der Lieferant ansässig ist, hat er die Mehrwertsteuer durch die Umkehrung der Steuerschuld zu entrichten. Damit müssen die Gas- und Stromhändler sich nicht mehr in anderen Mitgliedstaaten für Mehrwertsteuerzwecke eintragen, was eine erhebliche Erleichterung darstellt.

Die Lieferungen an die Endverbraucher sind am Ort des Verbrauchs zu versteuern. Hierbei handelt es sich in der Regel um den Ort, wo sich das Messgerät des Kunden befindet. Dadurch wird gewährleistet, dass die Mehrwertsteuer dem Mitgliedstaat des Endverbrauchs zuwächst.

Um die Besteuerung der Kosten für den Zugang und die Nutzung der Verteilernetze zu harmonisieren und zu vereinfachen, wird mit der Richtlinie auch der Ort der Erbringung von unmittelbar mit der Lieferung von Gas und Strom verbundenen Dienstleistungen ( z.B. Nutzung des Rohrleitungs-/Kabelnetzes zur Beförderung von Gas und Strom) verlagert. Als Ort der Lieferung und damit Besteuerung gilt der Ort der Niederlassung des Kunden, wo die Dienstleistungen für EU-Händler erbracht werden, die in einem anderen Land als dem Land der Lieferung niedergelassen sind oder für Händler außerhalb der Gemeinschaft.

Für in Flaschen gehandeltes Gas gelten die normalen Mehrwertsteuersätze, da sich in diesem Fall das Problem der Ermittlung des Ortes der Lieferung stellt, so dass es für ein Abgehen von den normalen Steuersätzen nicht zu rechtfertigen wäre.

Die neue Richtlinie trifft am 1. Januar 2005 in Kraft treten, nachdem sämtliche Mitgliedstaaten ihre nationalen Durchführungsvorschriften erlassen haben.

Mitgliedstaaten haften für Schäden von gemeinschaftswidrigen Urteilen

Der EuGH nimmt die Staaten für fehlerhafte Gerichtsurteile in eine um einiges strengere Haftung als es nach deutschem Recht üblich ist. Nach deutschem Recht haftet der Richter nur bei vorsätzlicher Amtspflichtverletzung, also bei Rechtsbeugung (§ 839 Abs. 2 BGB: „Verletzt ein Beamter bei einem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.“ Nach dem EuGH sind die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die den Einzelnen durch den nationalen letztinstanzlichen Gerichten zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, wenn das nationale Gericht das EU-Recht offenkundig verkannt hat.

Urteil des Gerichtshofesin dem Vorabentscheidungsverfahren C-224/01, Gerhard Köbler/Republik Österreich: Mitgliedstaaten haften für Schäden von gemeinschaftswidrigen Urteilen

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, der die Arbeitnehmerfreizügigkeit betraf.

Herr Köbler ist seit dem 1. März 1986 als ordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck (Österreich) tätig. 1996 beantragte er die Zuerkennung der besonderen Dienstalterszulage für Universitätsprofessoren. Die Gewährung dieser Zulage erfordert nach österreichischem Recht eine fünfzehnjährige, ausschließlich an österreichischen Universitäten erworbene Berufserfahrung. Herr Köbler konnte diese fünfzehnjährige Berufserfahrung belegen, wenn die an Universitäten anderer Mitgliedstaaten zurückgelegten Dienstzeiten berücksichtigt würden.

Im Anschluss an die Ablehnung seines Antrags legte Herr Köbler bei einem österreichischen Verwaltungsgericht Beschwerde ein und machte geltend, dass ein solches Erfordernis eine mittelbare Diskriminierung darstelle, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße.

Diese Frage machte der Verwaltungsgerichtshof (das letztinstanzlich entscheidende Verwaltungsgericht) beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig. Im Anschluss an ein Urteil des Gerichtshofes in einer ähnlichen Rechtssache nahm das österreichische Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen zurück. Mit Urteil vom 24. Juni 1998 wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde von Herrn Köbler mit der Begründung ab, die besondere Dienstalterszulage stelle eine Treueprämie dar, die eine Abweichung von den Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer rechtfertige. Herr Köbler erhob beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Schadensersatzklage gegen die Republik Österreich mit der Begründung, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gegen Gemeinschaftsrecht verstoße.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass er bereits entschieden habe, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wesen des EG-Vertrags zum Ersatz von Schäden verpflichtet seien, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstünden, unabhängig davon, welches mitgliedstaatliche Organ den Verstoß begangen habe.

Die entscheidende Rolle, die die Judikative beim Schutz der dem Einzelnen aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehenden Rechte spiele, würde nämlich gemindert, wenn der Einzelne nicht unter bestimmten Voraussetzungen Ersatz der Schäden verlangen könnte, die durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstünden, der einem letztinstanzlichen Gericht eines Mitgliedstaats zuzurechnen sei. In diesem Fall müsse der Einzelne den Staat haftbar machen können, um einen gerichtlichen Schutz seiner Rechte zu erlangen.

In ständiger Rechtsprechung hat der Gerichtshof drei Voraussetzungen aufgestellt, die erforderlich und ausreichend seien, um die Haftung des Staates für ihm zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu begründen. Diese Voraussetzungen gälten auch, wenn ein nationales letztinstanzliches Gericht eine Gemeinschaftsrechtsnorm verletze:

  1. Die verletzte Rechtsnorm bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen,
  2. der Verstoß sei hinreichend qualifiziert, und
  3. zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem entstandenen Schaden bestehe ein Kausalzusammenhang.

Bei der Entscheidung darüber, ob der Verstoß hinreichend qualifiziert sei, müsse das zuständige nationale Gericht, wenn sich der Verstoß aus der Entscheidung eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts ergebe, in Anbetracht der Besonderheit der richterlichen Funktion prüfen, ob dieses Gericht offenkundig gegen das geltende Recht verstoßen habe. Der Staat hafte nur in dem Ausnahmefall, dass das nationale Gericht das geltende Recht und die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes offenkundig verkannt habe.

Es sei Sache der einzelnen Mitgliedstaaten nach ihren internen Rechtsordnungen zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über diesen Anspruch zuständig sei.

Die österreichischen Rechtsvorschriften über die Zuerkennung der besonderen Dienstalterszulage für Universitätsprofessoren verstößt gegen Gemeinschaftsrecht und kann nicht gerechtfertigt werden.

Der Gerichtshof stellt fest, dass das österreichische Gesetz, das für die Gewährung der besonderen Zulage für Universitätsprofessoren eine fünfzehnjährige, ausschließlich an österreichischen Universitäten erworbene Berufserfahrung verlange, eine nach dem EG-Vertrag verbotene Behinderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstelle.

Der Gerichtshof führt zum ersten Mal aus, dass das Ziel der Bindung der Arbeitnehmer an ihre Arbeitgeber (Treueprämie) zwar grundsätzlich durch Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könne, dass die österreichische Maßnahme jedoch Beeinträchtigungen verursache, die nicht mit diesem Ziel gerechtfertigt werden könnten. Sie führe nämlich zu einer Abschottung des Arbeitsmarkts für Universitätsprofessoren in Österreich und widerspreche dem Wesen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer.

Nach Ansicht des Gerichtshofes hat das österreichische letztinstanzliche Gericht keinen offenkundigen und damit keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht begangen, so dass der österreichische Staat nicht hafte.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes prüften grundsätzlich die nationalen Gerichte, ob die Kriterien für die Haftung der Mitgliedstaaten für Schäden, die Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden seien, erfüllt seien. In dieser Rechtssache verfüge der Gerichtshof jedoch über alle Angaben, um die erforderlichen Voraussetzungen zu prüfen.

Nach Ansicht des Gerichtshofes beruht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 1998 auf einer irrigen Auslegung des Urteils Schöning-Kogebetepoulou und stellt einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar. Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass der Verstoß an sich nicht als offenkundig eingestuft werden könne.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass er sich noch nicht zu einer etwaigen Rechtfertigung einer Maßnahme zur Bindung eines Arbeitnehmers an seinen Arbeitgeber (Treueprämie) im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht geäußert habe. Demnach habe die Antwort nicht auf der Hand gelegen.

Zum anderen könne eine solche Einstufung auch nicht darauf gestützt werden, dass der Verwaltungsgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen hätte aufrechterhalten müssen. Aufgrund seiner irrigen Auslegung des Urteils des Gerichtshofes habe er es nicht für erforderlich gehalten, sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechtzuerhalten.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, mit der die Beschwerde von Herrn Köbler abgewiesen worden ist, stellt keinen offenkundigen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dar und begründet daher nicht die Haftung des österreichischen Staates


Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten bei Verstoß gegen EU-Recht:

EuGH-Entscheidung: Francovich, Rs. C-6/90, C-9/90, Slg. 1991, I-5357
EuGH-Entscheidung: Brasserie du Pecheur, Rs. C-46/93, C-48/93, Slg. 1996, I-1029
Anwaltshaftung im Vergleich zur Richterhaftung in der deutschen Rechtsprechung

IAS-Verordnung — FAQ

Brüssel, den 13. Februar 2001

(vgl. IP/01/200)

Was ist ein internationaler Rechnungslegungsgrundsatz? Wer legt ihn fest?

Die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze (International Accounting Standards – IAS) werden vom IASC (International Accounting Standards Committee) ausgearbeitet und verabschiedet. Dieser Ausschuss wurde in den 70er Jahren von Berufsverbänden der Industrieländer gegründet. Es gibt 41 IAS und 25 Interpretationen, die auf etwa 1300 Seiten niedergelegt sind. Die Rechnungslegungsgrundsätze orientieren sich an den Bedürfnissen der Anleger.

Das Sekretariat des IASC befindet sich in London. Im Mai 2000 billigte die International Federation of Accountants (IFAC) eine neue Struktur für das Hauptorgan des IASC (IASC-Board). Das neue Board setzt sich aus 14 Vertretern verschiedener nationaler Rechnungslegungsorgane zusammen (davon fünf aus Europa: zwei aus dem UK und je einer aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz). Die Board-Mitglieder sind am 25. Januar 2001 bestellt worden. Den Vorsitz führt Sir David Tweedie, der frühere Vorsitzende des britischen Accounting Standards Board. Das neue IASC-Board soll im April 2001 erstmals zusammentreten. Ihm zur Seite steht ein Standards Advisory Council mit 30 Mitgliedern, die sowohl geographisch als auch hinsichtlich der beruflichen Zusammensetzung eine breite Repräsentativität gewährleisten. Der Advisory Council trifft regelmäßig mit dem IASC-Board zusammen, um ihn in prioritären Fragen zu beraten und über die Auswirkungen vorgeschlagener Normen auf die Bilanzierenden und die Adressaten von Jahresabschlüssen zu informieren.

Was ändert sich durch die IAS-Verordnung? Hat die Globalisierung nicht ohnehin schon viele europäische Unternehmen zur Anwendung der IAS veranlasst?

Von der Verordnung sind etwa 7000 börsennotierte Unternehmen in der EU unmittelbar betroffen. Sie werden ihre konsolidierten Abschlüsse spätestens 2005 nach den IAS erstellen müssen. Derzeit wenden in der EU nur 275 börsennotierte Unternehmen die IAS an.

Bisher haben sieben Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien und Luxemburg) ihren börsennotierten Unternehmen ausdrücklich erlaubt, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den IAS zu erstellen.

Welche technischen Veränderungen und welche Kosten wird die Verordnung nach sich ziehen?

Der Übergang von den nationalen Rechnungslegungsvorschriften zu den IAS bedeutet einen erheblichen Schulungsaufwand sowohl für die Rechnungslegungsbranche als auch für Unternehmen, die die IAS zum ersten Mal anwenden. Um für 2005 gerüstet zu sein, muss jetzt mit den Vorbereitungen begonnen werden.

Der Übergang zu den IAS bedeutet auch zusätzliche Kosten, vor allem im ersten Jahr der Anwendung. Diese Investition wird sich jedoch langfristig bezahlt machen. Mehr Transparenz und eine bessere Vergleichbarkeit der Finanzausweise werden sich für die Unternehmen letztlich in geringeren Kapitalkosten niederschlagen. Dies wird zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beitragen.

Warum müssen die IAS auf EU-Ebene extra anerkannt werden, wenn der IASC hohen Qualitätsansprüchen genügt?

Die IAS müssen auf EU-Ebene extra anerkannt werden, weil es weder politisch noch rechtlich möglich ist, eine private Organisation, in der die EU keinen Einfluss hat, vorbehaltlos und unwiderruflich mit der Ausarbeitung und Verabschiedung von Rechnungslegungsnormen zu betrauen. Außerdem wird mit der Festlegung der für börsennotierte Unternehmen künftig verbindlichen Rechnungslegungsgrundsätze die erforderliche Rechtssicherheit geschaffen. Gleichzeitig muss geprüft werden, ob die IASC-Standards mit den politischen Zielen der EU vereinbar sind. Da das EU-Anerkennungsverfahren eine gewisse Eigendynamik entwickeln wird, ist zu erwarten, dass die vom IASC verabschiedeten neuen Standards auch für die EU akzeptabel sein werden.

Wie wird die Anerkennung der IAS auf EU-Ebene praktisch vonstatten gehen?

Die Verordnung sieht die Einsetzung eines neuen EU-Mechanismus vor, der die IAS prüfen und zur Anwendung innerhalb der EU freigeben sollen. Der auf politischer Ebene angesiedelte Regelungsausschuss für die Rechnungslegung wird nach den Komitologie-Regeln der EU arbeiten. Nur beratende Funktion hat hingegen der Technische Ausschuss für die Rechnungslegung, der den Regelungsausschuss fachlich unterstützen wird. Der Regelungsausschuss, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem die Kommission den Vorsitz führt, nimmt die IAS auf Vorschlag der Kommission an oder lehnt sie ab.

Vorbereitet werden die Arbeiten von dem Technischen Ausschuss, dem ausschließlich Sachverständige angehören. Dieser Ausschuss wird als privatwirtschaftliche Initiative unter dem Namen "EFRAG" (European Financial Reporting Advisory Group) von den Marktteilnehmern mit besonderem Interesse an der Rechnungslegung (einschließlich Bilanzierenden, Anwendern, Angehörigen der Rechnungslegungsbranche und nationalen Normenorganisationen) eingesetzt.

Die hochqualifizierten Sachverständigen des Technischen Ausschusses werden die Anwendung der IAS im europäischen Rechtskontext fachlich begleiten. Der Ausschuss wird aktiv an der Ausarbeitung internationaler Rechnungslegungsnormen mitwirken und in der EU die Standpunkte zu den verschiedenen IAS koordinieren. Der Ausschuss soll noch im ersten Halbjahr 2001 eingesetzt werden, d. h. kurz nachdem das neue IASC-Board seine Tätigkeit aufgenommen hat (ab 1. April 2001). In diesem Ausschuss ist die Kommission als Beobachter vertreten.

Der Regelungsausschuss wird wie folgt verfahren:

Die Kommission schlägt dem Ausschuss die Annahme (oder Ablehnung) eines bestimmten IAS vor.

Dem Vorschlag liegt ein Bericht der Kommission bei, in dem der betreffende Rechnungslegungsgrundsatz beschrieben und seine Vereinbarkeit mit den geltenden Rechnungslegungsrichtlinien sowie seine Eignung als europäische Rechnungslegungsnorm geprüft wird.

Der Regelungsausschuss nimmt dann innerhalb eines Monats zu dem Kommissionsvorschlag Stellung. Es gelten dieselben Abstimmungsregeln wie im Rat (d. h. qualifizierte Mehrheit).

Stimmt der Ausschuss dem Vorschlag der Kommission zu, trifft die Kommission die erforderlichen Vorkehrungen, damit der Rechnungslegungsgrundsatz in der Europäischen Union angewendet werden kann.

Gibt der Ausschuss keine oder eine ablehnende Stellungnahme ab, kann die Kommission den Technischen Ausschuss mit der Frage befassen oder die Angelegenheit vor den Rat bringen.

Das Europäische Parlament wird gemäß den Komitologie-Vorschriften für Regelungsausschüsse über die Arbeiten des Regelungsausschusses unterrichtet. Das Parlament kann einschreiten, wenn die Kommission seiner Meinung nach ihre Befugnisse überschritten hat.

Was passiert, wenn ein IAS als ungeeignet für die Anwendung innerhalb der EU befunden wird?

Die Kommission hat bereits die Übereinstimmung der bestehenden IAS und Interpretationen des Standing Interpretations Committee (SIC) mit der Vierten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (78/660/EWG) und der Siebenten Richtlinie über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG) geprüft. Es wurden nur geringfügige Abweichungen festgestellt (vgl. IP/96/1132). Diese werden im Zuge der für den Zeitraum 2001-2002 geplanten Aktualisierung dieser Richtlinien beseitigt.

Dass neue IAS oder Interpretationen als für die Anwendung in der EU ungeeignet eingestuft werden, ist wenig wahrscheinlich. Das Anerkennungsverfahren dient nämlich vor allem dazu, dem IASC den Standpunkt der Europäischen Union bereits in einem sehr frühen Stadium zu vermitteln. Sollten dennoch Probleme auftreten, werden sie zuerst auf technischer Ebene angegangen.

Was ist mit den KMU und den nicht notierten Unternehmen?

Da börsennotierte KMU ihren konsolidierten Abschluss wie andere notierte Unternehmen nach den IAS erstellen müssen, müssen auch sie sich auf die Umstellung vorbereiten. Die meisten KMU sind allerdings nicht an der Börse notiert, so dass ihnen die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze freisteht, wenn ihr Mitgliedstaat diese Option vorsieht.

Langfristig dürften KMU, die sich international um Kapital bemühen, jedoch einen Vorteil darin sehen, die IAS anzuwenden, auch wenn sie nicht an der Börse notiert sind.

Inwieweit werden die IAS weltweit angewandt?

Die meisten Börsen der Welt akzeptieren Finanzausweise, die auf der Grundlage der IAS erstellt worden sind. Die International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) empfahl im Jahr 2000 die Anwendung der IAS für die Notierung an Auslandsbörsen. Dennoch gibt es nach wie vor einige lösungsbedürftige Probleme. Auf der Grundlage der IAS erstellte Abschlüsse werden in den USA und Kanada nicht für die Börsennotierung akzeptiert.

Die Annahme der IAS als europäische Rechnungslegungsnormen wird die Autorität dieser Normen weltweit zweifellos erhöhen.

Wie lässt sich die Anwendung der IAS verbessern?

Ein effizienter Kapitalmarkt kann nur dann entstehen, wenn für eine einheitliche Anwendung der IAS gesorgt wird. Unternehmen, die die IAS anwenden, kommen den Normen nicht immer in vollem Umfang nach. Das muss sich ändern.

Zunächst bedarf es gemeinsamer Leitlinien für die Anwendung der IAS. Dies ist in erster Linie Aufgabe des Standards Interpretation Committee, der Auslegungshilfen für die ordnungsgemäße Anwendung der IAS erarbeitet. Gegebenenfalls könnten diese Leitlinien auf EU-Ebene durch das Anerkennungsverfahren ergänzt werden.

Des weiteren müssen die Abschlüsse ordnungsgemäß geprüft werden. Hier ist der Abschlussprüfer gefragt, der bescheinigen muss, dass die Abschlüsse ordnungsgemäß erstellt worden sind. Um EU-weit eine hohe Prüfungsqualität zu gewährleisten, hat die Kommission 1998 eine Mitteilung mit den prioritären Maßnahmen in diesem Bereich herausgegeben. Letztes Jahr hat die Kommission darüber hinaus eine Empfehlung zu den Qualitätssicherungssystemen für die Abschlussprüfung erlassen (vgl. IP/00/1327). Im EU-Ausschuss für Fragen der Abschlussprüfung laufen derzeit Arbeiten zu Prüfungsstandards, zum Prüfungsbericht und zur Unabhängigkeit.

Zum Schutz der Anleger ist ferner eine externe Aufsicht erforderlich. Den Wertpapier-Aufsichtsbehörden kommt eine entscheidende Bedeutung zu, wenn es darum geht sicherzustellen, dass börsennotierte Unternehmen den Rechnungslegungsanforderungen nachkommen.

Die Kommission setzt ihre Hoffnung in die im FESCO (Forum of European Securities Commissions) vertretenen Aufsichtsbehörden, um ein gemeinsames Konzept für die Durchsetzung der Rechnungslegungsnormen zu entwickeln und umzusetzen. FESCO beabsichtigt, einen ständigen Unterausschuss einzusetzen, der sich insbesondere mit der Durchsetzbarkeit von Rechnungslegungsnormen befassen soll.

Was ist mit den US-GAAP? Können Unternehmen aus der EU die US-GAAP weiter anwenden?

Die US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards (Generally Accepted Accounting Principles – GAAP) werden derzeit von etwa 300 Unternehmen zur Erstellung ihrer Abschlüsse verwendet. In den meisten Fällen wurden die GAAP als Vorbereitung auf die Börseneinführung in den USA oder zur leichteren Mobilisierung ausländischen bzw. amerikanischen Kapitals oder ausländischer Investoren verwendet. Nach 2005 werden sie jedoch ihre Konzernabschlüsse nach Maßgabe der IAS erstellen müssen.

Die IAS bieten ihnen Finanzinformationen in derselben hohen Qualität wie die US-GAAP mit dem zusätzlichen Vorteil, dass die IAS mit einer wirklich internationalen Perspektive konzipiert wurden und nicht einem bestimmten nationalen Umfeld nachgebildet sind. Die Kommission hofft und erwartet, dass die US Securities and Exchange Commission (SEC) in naher Zukunft die von EU-Emittenten erstellten Finanzausweise akzeptieren wird, ohne eine Abstimmung mit den US-GAAP zu verlangen.