Archiv der Kategorie: Gesellschaftsrecht

Offenlegung von Jahresabschlüssen

Der bevorstehende Jahreswechsel ist ein wichtiges Datum für Unternehmen, die ihre Unternehmensdaten veröffentlichen müssen. Bis spätestens zum 31.12.2007 müssen sie ihre Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2006 elektronisch beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einreichen.

Eigentlich müssen viele Unternehmen ihre wesentlichen finanziellen Daten seit vielen Jahren bereits veröffentlichen. Die meisten Unternehmen, soweit sie nicht an einer Börse notiert waren, sind der Veröffentlichungspflicht nicht nachgekommen. Allerdings wurden Verstöße dagegen praktisch überhaupt nicht verfolgt. Dies ist übrigens ein markantes Beispiel dafür, wie mit unterschiedlichem Maßstab gemessen wird. Und es ist auch betrüblich, vor allem, weil zahlreiche Unternehmen davor hätten bewahrt werden können, ihre gute Ware dem Insolvenzverwalter zum Verramschen geschenkt zu haben.

„Alle Unternehmen, die ihren Pflichten zur Offenlegung der Abschlüsse noch nicht nachgekommen sind, haben Grund sich zu sputen. Schließlich drohen jetzt erstmals spürbare Sanktionen, wenn diese, seit Langem bestehenden Pflichten nicht erfüllt werden“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf einer Informationsveranstaltung für die Wirtschaftsverbände und die Vertreter der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe. „Publizität der Unternehmensdaten ist in der gesamten EU ein hohes Gut und kein bloßer Formalismus. Sie gibt insbesondere Geschäftspartnern, Gläubigern aber auch Gesellschaftern die Möglichkeit, sich einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschaffen. Von dieser Verlässlichkeit und Transparenz profitiert das gesamte Wirtschaftsleben, natürlich nur in dem Maß wie die Unternehmen ihren Pflichten auch nachkommen“, so Zypries weiter.

Zum Hintergrund:

Zum 1. Januar ist das „Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister“ (EHUG vom 10.11.2006, BGBl I S. 2553) in Kraft getreten. Seitdem werden die Handelsregister in Deutschland nicht mehr in Papierform, sondern elektronisch geführt. Gleichzeitig wurde unter www.unternehmensregister.de ein elektronisches Unternehmensregister eingerichtet. Hier stehen alle wesentlichen Unternehmensdaten (z.B. Handelsregistereintragungen, Jahresabschlüsse, gesellschaftsrechtliche Bekanntmachungen) für jedermann zentral zum Online-Abruf bereit. Der Medienwechsel von Papier zur Elektronik entlastet die Unternehmen von vermeidbaren Kosten und erhöht die Transparenz in der Rechnungslegung, während die Gerichte von justizfernem Verwaltungsaufwand entlastet wurden. Das EHUG hat der Wirtschaft keine neuen Pflichten gebracht, es macht aber Ernst mit der Durchsetzung der Publizitätspflichten und sorgt für echte Transparenz bei der Rechnungslegung durch eine zeitgemäße Form der Datenhaltung und -veröffentlichung.

Für die Veröffentlichung von Unternehmensdaten sind zwei wichtige Neuerungen zu beachten:

Seit Jahresbeginn 2007 müssen die offenlegungspflichtigen Unternehmen ihre Jahresabschlussunterlagen elektronisch beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers, dem Bundesanzeiger-Verlag in Köln, einreichen – und nicht wie bisher auf Papier bei den Registergerichten. Für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2009 können die Unterlagen beim elektronischen Bundesanzeiger zwar auch noch in Papierform eingereicht werden. Dadurch entsteht dort allerdings erhöhter Aufwand durch die Digitalisierung der Unterlagen, dessen Kosten von dem einreichenden Unternehmen getragen werden müssen.

Bei Verstößen gegen die Publizitätspflicht drohen seit dem 1. Januar 2007 spürbare Sanktionen. Wenn die Unterlagen nicht rechtzeitig oder unvollständig beim elektronischen Bundesanzeiger eingehen, leitet das Bundesamt für Justiz von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren ein. Für Verstöße drohen Ordnungsgelder von 2.500 bis 25.000 Euro. Das Ordnungsgeld kann sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen ihre gesetzlichen Vertreter und notfalls auch mehrfach festgesetzt werden.

Nicht geändert hat sich der Kreis der offenlegungspflichtigen Unternehmen (insbesondere die Kapitalgesellschaften, bestimmte Kapitalgesellschaften und Co, darunter vor allem die meisten GmbH & Co. KGs, sehr große Personenhandelsgesellschaften und sehr große Einzelkaufleute). Auch Art und Umfang der Unterlagen, die veröffentlicht werden müssen, sind gleich geblieben.

Neue Rechtsform für Unternehmen

Die Europäische Kommission prüft die Einführung eines einheitlichen Statuts für die Europäische Privatgesellschaft. Die geplante europäische Rechtsform soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) grenzüberschreitende Geschäfte erleichtern. Die EU-Kommission hat dazu eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Dabei soll geklärt werden, auf welche Hindernisse Firmen – und insbesondere KMU – bei grenzüberschreitenden Geschäften in der EU stoßen und wie das geplante Statut für die Europäische Privatgesellschaft aus inhaltlicher Sicht beschaffen sein sollte. Die Antworten werden in die anstehende Folgenabschätzung und den etwaigen Vorschlag für einen Rechtsakt einfließen. Konsultationsschluss ist der 31. Oktober 2007.

Charlie McCreevy, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, erklärte hierzu: „Damit die europäischen Unternehmen die Vorteile des Binnenmarktes in vollem Umfang genießen können, müssen wir ihnen optimale Möglichkeiten dafür bieten. Die Europäische Privatgesellschaft könnte hierfür der richtige Weg sein. Zunächst müssen wir uns jedoch ein deutliches Bild von den Hindernissen machen, auf die Unternehmen auf dem Binnenmarkt immer noch stoßen, und herausfinden, ob ein Statut möglicherweise eine gangbare Lösung sein könnte. Deshalb bitte ich alle Beteiligten und insbesondere die KMU, uns ihren Standpunkt mitzuteilen.“

Die Initiative zur Schaffung eines Statuts für die Europäische Privatgesellschaft ist Teil des im Jahr 2003 angenommenen Aktionsplans für Gesellschaftsrecht und Unternehmensverfassung („corporate governance“). Durch eine in allen Mitgliedstaaten einheitliche europäische Rechtsform soll es den europäischen KMU leichter gemacht werden, grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen. Die öffentliche Konsultation zum Aktionsplan für Gesellschaftsrecht und Unternehmensverfassung zeigte eine starke Zustimmung für diese Initiative. Im Februar 2007 nahm das Europäische Parlament feine Entschließung an, in der die Europäische Kommission aufgefordert wurde, ein einheitliches Statut für die Europäische Privatgesellschaft zu erarbeiten.

Managergehälter auf dem Prüfstand

Die Europäische Kommission setzt sich für eine stärkere Einbeziehung der Aktionäre bei der Festlegung der Vergütung von Top-Managern ein. Dazu wurden jetzt zwei Berichte vorgelegt. Beide gelangen zu dem Schluss, dass die Corporate-Governance-Standards zwar verstärkt angewandt werden, aber nach wie vor Schwachstellen zu verzeichnen sind.

Charlie McCreevy, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen erklärte: „Die Höhe der gebotenen Vergütung, kann sich erheblich darauf auswirken, ob ein Unternehmen Persönlichkeiten mit den für seine erfolgreiche Führung erforderlichen Qualitäten finden und halten kann. Doch birgt die Vergütung auch Potenzial für Interessenkonflikte mit Aktionären, die deshalb hier größere Mitspracherechte erwarten könnten. Dies wird jedoch nur von wenigen Mitgliedstaaten empfohlen. Ich rufe alle anderen dazu auf, auf eine stärkere Einbeziehung der Aktionäre bei der Festlegung der Vergütung hinzuwirken.“

Dem Bericht über die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung zufolge werden Vergütungen zwar häufig offengelegt, einige Mitgliedstaaten empfehlen aber nach wie vor nicht, dass die Aktionäre über dieses Thema abstimmen. In ihrem Bericht über die Rolle unabhängiger nicht geschäftsführender Unternehmensleiter kommt die EU-Kommission zu dem Schluss, dass sich die Governance‑Standards in diesem Bereich zwar deutlich verbessert haben, einige der empfohlenen Standards aber nicht in allen Mitgliedstaaten eingehalten werden. So kann in einigen Mitgliedstaaten ein ehemaliger Chief Executive Officer (CEO) unmittelbar im Anschluss daran Vorsitzender des Aufsichtsorgans desselben Unternehmens werden. Dies kann die Unabhängigkeit der nicht geschäftsführenden Aufsicht beeinträchtigen. Einige Mitgliedstaaten empfehlen keine ausreichende Präsenz unabhängiger Mitglieder des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgans in den Vergütungs- und Prüfungsausschüssen.

Elektronisches Unternehmensregister

Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) beschlossen. „Das EHUG führt zu einer grundlegenden Modernisierung des Umgangs mit veröffentlichungspflichtigen Unternehmensdaten. Wir senken die Informationskosten, bauen Bürokratie ab, beschleunigen Abläufe und Existenzgründungen und geben damit der deutschen Wirtschaft einen wichtigen Innovationsschub“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Zu den Änderungen im Einzelnen:

  1. Elektronisches Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister

    Spätestens bis zum 1. Januar 2007 werden Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister auf den elektronischen Betrieb umgestellt. Zuständig für die Führung der Register bleiben die Amtsgerichte. Um die Verwaltung der Register zu beschleunigen, können Unterlagen in Zukunft nur noch elektronisch eingereicht werden. Die Bundesländer können allerdings Übergangsfristen vorsehen, nach denen die Unterlagen bis spätestens Ende 2009 auch noch in Papierform eingereicht werden können. Aus Gründen der
    Rechtssicherheit bleibt für die Anmeldungen zur Eintragung eine öffentliche Beglaubigung erforderlich. Zur Beschleunigung der Eintragung ist unter anderem vorgesehen, dass über den Antrag grundsätzlich „unverzüglich“ zu entscheiden ist.

    Weil die Register elektronisch geführt werden, werden Handelsregistereintragungen künftig auch elektronisch bekannt gemacht ─ eine preiswerte und für jeden Interessenten aus dem In- und Ausland in gleicher Weise leicht zugängliche Form. Für einen Übergangszeitraum bis Ende 2008 wird die Bekanntmachung zusätzlich noch in einer Tageszeitung erfolgen.

    Beispiel aus der Praxis:
    Der Unternehmer U möchte eine GmbH gründen. Um die erforderliche Handelsregisteranmeldung zu veranlassen, geht er zum Notar N. Liegen die Anmeldung und die notwendigen Unterlagen nur in Papierform vor, überträgt N die Dokumente zunächst in ein elektronisches Format. Anschließend nimmt er die erforderlichen elektronischen Beglaubigungen vor und übermittelt die Dokumente über das elektronische Gerichtspostfach elektronisch an das zuständige Registergericht R, wo sie direkt nach Eingang bearbeitet werden
    können. Nach Prüfung der Anmeldung trägt R die GmbH in das elektronische Handelsregister ein. Mit der Eintragung wird zugleich die elektronische Bekanntmachung ausgelöst. Die Daten sind für jedermann online einsehbar – etwa über www.unternehmensregister.de.

  2. Offenlegung der Jahresabschlüsse

    Um die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse zu erleichtern, werden für ihre zentrale Entgegennahme, Speicherung und Veröffentlichung nicht mehr die Amtsgerichte, sondern der elektronische Bundesanzeiger zuständig sein. Damit werden die Gerichte von justizfernem Verwaltungsaufwand entlastet und der elektronische Bundesanzeiger zu einem zentralen Veröffentlichungsorgan für wirtschaftsrechtliche Bekanntmachungen ausgebaut.

  3. Elektronisches Unternehmensregister – www.unternehmensregister.de

    Ab dem 1. Januar 2007 können unter www.unternehmensregister.de wesentliche publikationspflichtige Daten eines Unternehmens online abgerufen werden. Damit gibt es eine zentrale Internetadresse, über die alle wesentlichen Unternehmensdaten, deren Offenlegung von der Rechtsordnung vorgesehen ist, online bereit stehen („one stop shopping“). Der Rechts- und Wirtschaftsverkehr wird künftig nicht mehr verschiedene Informationsquellen bemühen müssen, um die wesentlichen publizitätspflichtigen Angaben über ein
    Unternehmen zu erhalten.

Das EHUG setzt die Richtlinie 2003/58/EG zur Änderung der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, Teile der EU-Transparenzrichtlinie 2004/109/EG sowie Beschlüsse der Regierungskommission Corporate Governance um. Es ist ferner ein Beitrag zum „small-company-act“ zur Entlastung von Mittelstand und Existenzgründern.

EuGH erklärt Steuerregelung zur Gewinnverschiebung für rechtswidrig

Im Urteil vom 12. September 2006 hat der EuGH eine britische Regelung für rechtswidrig erklärt, die sich gegen konzerninterne Gewinnverschiebungen aus Steuergründen richtet. Nach der britischen Regelung wird der Gewinn beherrschter ausländischer Gesellschaften, die mit dem Ziel gegründet wurden, in den Genuss einer günstigen Steuerregelung im Ausland zu kommen, der Muttergesellschaft zugerechnet.

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-196/04 — Cadbury Schweppes plc & Cadbury Schweppes Overseas Ltd / Commissioners of Inland Revenue:

Die Britischen Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften können nur auf rein künstliche steuerliche Gestaltungen Anwendung finden. Bei der Prüfung, ob eine beherrschte ausländische Gesellschaft einer wirklichen Tätigkeit nachgeht, müssen die nationalen Behörden objektive und von dritter Seite nachprüfbare Anhaltspunkte und nicht nur subjektive Überlegungen berücksichtigen.

Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs werden die Gewinne einer ausländischen Gesellschaft, deren Kapital zu mehr als 50 % von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft gehalten wird und die als beherrschte ausländische Gesellschaft (kurz: BAG) bezeichnet wird, der inländischen Gesellschaft zugerechnet und bei dieser besteuert, wenn der ausländische Steuersatz weniger als drei Viertel des im Vereinigten Königreich geltenden Steuersatzes beträgt. Die von der BAG entrichtete Steuer wird bei der inländischen Gesellschaft angerechnet. Dieses System bewirkt, dass die inländische Gesellschaft den Unterschiedsbetrag zwischen der im Ausland entrichteten Steuer und der Steuer zu zahlen hat, die angefallen wäre, wenn die BAG im Vereinigten Königreich ansässig gewesen wäre.

Von der Anwendung dieser Rechtsvorschriften gibt es eine Reihe von Ausnahmen, u. a. dann, wenn die BAG 90 % ihrer Gewinne an die inländische Gesellschaft ausschüttet oder wenn der „Motivtest“ bestanden wird. Um in den Genuss der letztgenannten Ausnahme zu kommen, muss eine Gesellschaft nachweisen, dass es weder Hauptziel der Umsätze, die zu den Gewinnen der BAG geführt haben, noch hauptsächlicher Existenzgrund der BAG war, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch einen Abfluss von Gewinnen herbeizuführen.

Hintergrund der Entscheidung

Die Cadbury Schweppes plc ist die Muttergesellschaft des Cadbury-Schweppes-Konzerns, dessen Geschäftsbereich im Getränke- und Süßwarensektor angesiedelt ist. Zum Konzern gehören u. a. zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury Schweppes Treasury Services (kurz: CSTS) und die Cadbury Schweppes Treasury International (kurz: CSTI), die beide im International Financial Services Centre (kurz: IFSC) in Dublin, Irland, niedergelassen sind, wo der Steuersatz im Jahr 1996 10 % betrug. Die Aufgabe dieser beiden Gesellschaften besteht darin, Geldmittel zu beschaffen und sie dem Konzern zur Verfügung zu stellen. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts wurden beide nur deshalb in Dublin errichtet, um unter die günstige Steuerregelung des IFSC und nicht unter bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs zu fallen.

Im Jahr 2000 verlangten die Commissioners of Inland Revenue (britische Steuerbehörde) in der Ansicht, dass die Rechtsvorschriften über BAG auf die beiden irischen Gesellschaften anwendbar seien, von der Cadbury Schweppes einen Körperschaftsteuerbetrag von 8 638 633,54 Pfund Sterling für die von der CSTI 1996 erzielten Gewinne.

Dagegen erhob die Cadbury Schweppes Klage bei den Special Commissioners of Income Tax, mit der sie geltend machte, dass die Rechtsvorschriften über BAG insbesondere im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Die Special Commissioners möchten vom Gerichtshof wissen, ob das Gemeinschaftsrecht Rechtsvorschriften wie denen über BAG entgegensteht.

Die Methode

Bei diesen Gesellschaften handelt es sich oft um Konstrukte, deren zentrales Anliegen die Verschiebung von Gewinnen ist.

Von der im Ausland angesiedelten Gesellschaft wird an die in einem Hochsteuerland liegende Mutter- bzw. Konzerngesellschaft Kapital gegen Zinszahlungen gestellt. Die Muttergesellschaft verbucht die Zinszahlungen als Verluste und verringert so den Gewinn. Zugleich werden die Zinsen bei der ausländischen Tochter als Gewinne mit dem im Ausland geltenden niedrigeren Steuersatz besteuert. Das gleiche Modell funktioniert bspw. auch mit konzerninternen Versicherungsgesellschaften oder Tochtergesellschaften, die Inhaber von Marken oder Patenten sind, die gegen Lizenzzahlungen der Mutter zur Nutzung überlassen werden.

Die Gewinne der Tochter können im Rahmen der Bestimmungen der Mutter-Tochter-Richtinie steuerfrei an die Muttergesellschaft ausgeschüttet werden. Werden so beispielsweise zehn Millionen Euro als Zinsen (Lizenzgebühren, Versicherungsprämien etc.) von einer Gesellschaft in einem Staat mit einem Steuersatz von 30 % an eine Tochtergesellschaft in einem Staat mit einem Steuersatz von 10 % gezahlt, verringert sich der Gewinn im Stat der Muttergesellschaft um zehn Millionen Euro und zugleich erhöht sich der Gewinn im Staat der Tochtergesellschaft um 10 Millionen Euro. Im Staat der Muttergesellschaft wären drei Millionen Euro Steuern zu zahlen, im Staat der Tochtergesellschaft fällt nur eine Millionen Euro an. Die Konstruktion bringt also zwei Mililionen Euro.

Bereits in der EuGH-Entscheidung Lankhorst-Hohorst (EuGH, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst) wurde ein von der OECD (Thin Capitalization Report, 1987) anerkanntes und in zahlreichen Staaten angewandtes Prinzip zur Vermeidung der Verschiebung von Gewinnen in ein Niedrig-Steuerland als gemeinschaftsrechtswidrig verworfen. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch hier die britische Regelung für gemeinschaftswidrig erklärt wurde.

Entscheidung

Der Gerichtshof erinnert daran, dass es Gesellschaften oder Personen verwehrt ist, sich missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften zu berufen. Der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, reicht für sich allein jedoch nicht aus, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit zu schließen. Die Entscheidung der Cadbury Schweppes, die CSTS und die CSTI eingestandenermaßen mit dem Ziel in Dublin anzusiedeln, in den Genuss einer günstigen Steuerregelung zu kommen, stellt daher an sich keinen Missbrauch dar und schließt nicht aus, dass die Cadbury Schweppes sich auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Rechtsvorschriften über BAG die inländischen Gesellschaften je nach dem Besteuerungsniveau für die von ihnen beherrschte Gesellschaft unterschiedlich behandeln. Diese unterschiedliche Behandlung führt zu einem Steuernachteil für die inländische Gesellschaft, auf die die Rechtsvorschriften über BAG anwendbar sind. Die Rechtsvorschriften über BAG beschränken somit die Niederlassungsfreiheit im Sinne des Gemeinschaftsrechts, indem sie für im EU-Ausland angesiedelte Tochtergesellschaften nachteilige Regelungen vorsehen, die für im Inland angesiedelte Gesellschaften nicht gelten.

Zu den möglichen Rechtfertigungen für solche Rechtsvorschriften stellt der Gerichtshof fest, dass eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, gerechtfertigt sein kann, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die allein dazu dienen, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen, und wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

Einige der im britischen Recht vorgesehenen Ausnahmen entlasten eine Gesellschaft in Situationen, in denen es ausgeschlossen erscheint, dass eine rein künstliche Gestaltung allein zu steuerlichen Zwecken vorliegt (z. B. die Ausschüttung von 90 % der Gewinne einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft oder die Entfaltung von Handelstätigkeiten durch die BAG). Zur Anwendung des „Motivtests“ stellt der Gerichtshof fest, dass es für den Schluss auf eine rein künstliche Gestaltung nicht ausreicht, dass das Streben nach Erleichterung der Steuerlast Anlass zur Gründung der BAG und zum Tätigen von Umsätzen zwischen dieser und der inländischen Gesellschaft war. Für die Feststellung des Vorliegens einer solchen Gestaltung ist außer einem subjektiven Element erforderlich, dass aus objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkten, die die inländische Gesellschaft insbesondere zum Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der BAG in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausstattung liefert, hervorgeht, dass die Gründung einer BAG nicht mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt, d. h. mit einer tatsächlichen Ansiedlung, deren Zweck darin besteht, im Aufnahmemitgliedstaat wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Es obliegt den Special Commissioners, zu prüfen, ob der Motivtest so ausgelegt werden kann, dass damit solche objektiven Kriterien berücksichtigt werden. In diesem Fall müssten die Rechtsvorschriften über BAG als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden. Bedeuten dagegen die Kriterien, auf denen dieser Test beruht, dass eine inländische Gesellschaft unter diese Rechtsvorschriften fällt, selbst wenn keine objektiven Anhaltspunkte für eine rein künstliche Gestaltung vorliegen, so wären die Rechtsvorschriften gemeinschaftsrechtswidrig.

Die offene Frage

Der EuGH hält zwar formelhaft weiterhin daran fest, dass die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen dürften, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Sie können sich nicht missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften berufen. Jedoch darf, so der EuGH, einem Gemeinschaftsangehörigen nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren (RdNr. 35 f. des Urteils)

So will der EuGH nationale Maßnahmen als gerechtfertigt ansehen, wenn die Maßnahme sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen. Wann dies aber der Fall sein kann, bleibt völlig im Dunkeln. Die Fälle, in denen eine Gesellschaft künstlich Gewinne aus dem Mitgliedstaat, in dem diese erzielt worden seien, in einen Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau verlagert, fallen jedenfalls nicht darunter. Ein solcher Fall ist bislang kaum vorstellbar.

Nach dem Urteil bestehen durchgreifende Zweifel, ob die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung im deutschen Steuerecht (§§7–14 Außensteuergesetz [AStG]) im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

12. September 2006(*)

„Niederlassungsfreiheit • Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften • Einbeziehung der Gewinne beherrschter ausländischer Gesellschaften in die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft”

In der Rechtssache C-196/04 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von den Special Commissioners of Income Tax, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 29. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2004, in dem Verfahren
Cadbury Schweppes plc und
Cadbury Schweppes Overseas Ltd
gegen
Commissioners of Inland Revenue

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann und A. Rosas sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, G. Arestis und A. Borg Barthet Generalanwalt: P. Léger, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2005, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Cadbury Schweppes plc und der Cadbury Schweppes Overseas Ltd, vertreten durch J. Ghosh, Barrister, und J. Henderson, Adviser,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, sowie von M. Lester und D. Ewart, Barristers,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Fraguas Gadea und M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Mercier als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von R. L. Nesbitt und A. Collins, SC, sowie von P. McGarry, BL,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato,
  • der zyprischen Regierung, vertreten durch A. Pantazi als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. de Menezes Leitão als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse und I. Willfors als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Mai 2006 folgendes

Urteil

  1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG.
  2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich die Cadbury Schweppes plc (im Folgenden: CS) und die Cadbury Schweppes Overseas Ltd (im Folgenden: CSO) zum einen und die Commissioners of Inland Revenue zum anderen wegen der Besteuerung der letztgenannten Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne gegenüberstehen, die 1996 von der Cadbury Schweppes Treasury International (im Folgenden: CSTI), einer im International Financial Services Centre Dublin (Irland) (im Folgenden: IFSC) niedergelassenen Gesellschaft des Cadbury–Schweppes–Konzerns, erzielt wurden.Nationales Recht
  3. Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland unterliegt eine in diesem Mitgliedstaat im Sinne des genannten Rechts ansässige Gesellschaft (im Folgenden: ansässige Gesellschaft) dort mit ihren Welteinkünften der Körperschaftsteuer (Corporation Tax). Diese Welteinkünfte umfassen die Gewinne, die von den Zweigniederlassungen oder Agenturen erzielt werden, über die die ansässige Gesellschaft ihre Aktivitäten außerhalb des Vereinigten Königreichs abwickelt.
  4. Im Gegensatz hierzu werden bei der ansässigen Gesellschaft grundsätzlich nicht die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften im Zeitpunkt der Erzielung dieser Gewinne besteuert. Auch werden bei ihr nicht die von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich ausgeschütteten Dividenden besteuert. Dagegen sind die an die ansässige Gesellschaft von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland ausgeschütteten Dividenden von der ansässigen Gesellschaft zu versteuern. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bestimmt das Steuerrecht des Vereinigten Königreichs allerdings, dass der ansässigen Gesellschaft eine Steuergutschrift in Höhe der Steuer gewährt wird, die von der ausländischen Tochtergesellschaft anlässlich der Erzielung der Gewinne entrichtet wird.
  5. Die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs über beherrschte ausländische Gesellschaften sehen eine Ausnahme von der allgemeinen Regel vor, nach der bei der ansässigen Gesellschaft nicht die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften anlässlich der Erzielung dieser Gewinne besteuert werden.
  6. Diese Rechtsvorschriften finden sich in den Sections 747 bis 756 und in den Anhängen 24 bis 26 des Gesetzes von 1988 über die Einkommen- und Körperschaftsteuer (Income and Corporation Taxes Act 1988) und sehen vor, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft — nach der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung der genannten Vorschriften (im Folgenden: Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften) ist dies eine ausländische Gesellschaft, deren Kapital zu mehr als 50 % von der ansässigen Gesellschaft gehalten wird — dieser ansässigen Gesellschaft zugerechnet und bei dieser besteuert werden, wobei die von der beherrschten ausländischen Gesellschaft in deren Ansässigkeitsstaat entrichtete Steuer angerechnet wird. Werden diese Gewinne dann in Form von Dividenden an die ansässige Gesellschaft ausgeschüttet, so gilt die von dieser im Vereinigten
    Königreich auf die Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaft entrichtete Steuer als zusätzliche, von der beherrschten ausländischen Gesellschaft im Ausland entrichtete Steuer und berechtigt zu einer Steuergutschrift, die auf die von der ansässigen Gesellschaft für diese Dividenden geschuldete Steuer anzurechnen ist.
  7. Die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sind dann anzuwenden, wenn die beherrschte ausländische Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat einem „niedrigeren Besteuerungsniveau” unterliegt, was nach diesen Vorschriften der Fall ist, wenn sich die von dieser Gesellschaft entrichtete Steuer in dem betreffenden Geschäftsjahr auf weniger als drei Viertel der Steuer beläuft, die im Vereinigten Königreich für die zu versteuernden Gewinne, wie diese zum Zweck einer Veranlagung in diesem Mitgliedstaat ermittelt worden wären, gezahlt worden wäre.
  8. Die Besteuerung, die sich aus der Anwendung der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, ist mit einer Reihe von Ausnahmen verbunden. Nach der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung dieser Vorschriften findet die Besteuerung in den folgenden Fälle nicht statt:
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft praktiziert eine „akzeptable Ausschüttungspolitik”; das bedeutet, dass ein bestimmter Prozentsatz (90 % im Jahr 1996) ihrer Gewinne binnen 18 Monaten nach ihrer Erzielung ausgeschüttet und bei einer ansässigen Gesellschaft besteuert wird.
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft geht im Sinne der genannten Rechtsvorschriften „steuerbefreiten Tätigkeiten” nach; hierunter fallen z. B. bestimmte Handelsaktivitäten, die von einer Niederlassung aus betrieben werden.
    • Die beherrschte ausländische Gesellschaft erfüllt die „Voraussetzung der Börsennotierung”; das bedeutet, dass sich 35 % der Stimmrechte im freien Verkehr befinden, die Tochtergesellschaft an einer anerkannten Börse notiert ist und ihre Anteile dort gehandelt werden.
    • Die zu versteuernden Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaft übersteigen nicht 50 000 GBP (De–minimis–Ausnahme).
  9. Die Besteuerung nach den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ist auch dann ausgeschlossen, wenn der so genannte „Motivtest” bestanden wird. Dieser umfasst zwei kumulative Anforderungen.
  10. Zum einen muss, wenn die Umsätze, die zu den Gewinnen der beherrschten ausländischen Gesellschaft im fraglichen Geschäftsjahr geführt haben, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich im Vergleich zu den Steuern nach sich gezogen haben, die ohne die genannten Umsätze angefallen wären, und wenn diese Minderung eine gewisse Schwelle überschreitet, die ansässige Gesellschaft beweisen, dass die Steuerminderung nicht das Hauptziel oder eines der Hauptziele dieser Umsätze war.
  11. Zum anderen muss die ansässige Gesellschaft beweisen, dass der Existenzgrund der beherrschten ausländischen Gesellschaft im fraglichen Geschäftsjahr nicht hauptsächlich oder nicht unter anderem hauptsächlich darin lag, eine Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch Abfluss von Gewinnen herbeizuführen. Nach den Rechtsvorschriften liegt ein Abfluss von Gewinnen dann vor, wenn mit guten Gründen angenommen werden kann, dass die Einnahmen einer im Vereinigten Königreich ansässigen Person zugeflossen und bei ihr besteuert worden wären, falls es die beherrschte ausländische Gesellschaft oder eine verbundene, nicht im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft nicht gegeben hätte.
  12. In dem Vorabentscheidungsersuchen wird außerdem angegeben, dass die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs 1996 eine Liste von Staaten veröffentlicht haben, in denen unter bestimmten Bedingungen eine beherrschte ausländische Gesellschaft gegründet werden und ihren Geschäften nachgehen kann und dabei davon auszugehen ist, dass sie die Voraussetzungen dafür erfüllt, nicht unter die Besteuerung nach den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften zu fallen.Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage
  13. Die CS, eine ansässige Gesellschaft, ist die Muttergesellschaft des Cadbury–Schweppes–Konzerns, der sich aus Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, in anderen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten zusammensetzt. Zu diesem Konzern gehören insbesondere zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury Schweppes Treasury Services (im Folgenden: CSTS) und die CSTI, deren Kapital die CS mittelbar über eine Reihe von Tochtergesellschaften und letztlich über die CSO hält.
  14. Für die im IFSC niedergelassenen CSTS und CSTI galt zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ein Steuersatz von 10 %.
  15. Die CSTS und die CSTI beschaffen Geldmittel und stellen diese den Tochtergesellschaften des Cadbury–Schweppes–Konzerns zur Verfügung.
  16. Der Vorlageentscheidung zufolge ersetzte die CSTS eine ähnliche Struktur, zu der eine Gesellschaft mit Sitz auf Jersey gehörte. Sie sei in Verfolgung von drei Zwecken gegründet worden: Erstens sei es darum gegangen, ein Steuerproblem zu lösen, das sich für kanadische Steuerpflichtige gestellt habe, die Inhaber von Vorzugsaktien der CS gewesen seien, zweitens darum, zu vermeiden, die Zustimmung der Behörden des Vereinigten Königreichs für Auslandsdarlehen einholen zu müssen, und drittens darum, nach der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) die Quellensteuer auf innerhalb des Konzerns ausgeschüttete Dividenden zu verringern. Nach der Vorlageentscheidung hätten diese drei Ziele erreicht werden können, wenn die CSTS gemäß den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs gegründet worden wäre und sich in diesem Mitgliedstaat niedergelassen hätte.
  17. Die CSTI ist eine Tochtergesellschaft der CSTS. Das vorlegende Gericht führt aus, sie sei in Irland gegründet worden, um zu vermeiden, dass bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs über Devisen Anwendung fänden.
  18. Nach der Vorlageentscheidung steht fest, dass die CSTS und die CSTI zu dem alleinigen Zweck in Dublin errichtet wurden, die Gewinne, die mit den Aktivitäten der internen Finanzierung des Cadbury–Schweppes–Konzerns in Zusammenhang stehen, in den Genuss der steuerlichen Regelungen des IFSC kommen zu lassen.
  19. In Anbetracht des auf die im IFSC niedergelassenen Gesellschaften anwendbaren Steuersatzes unterlagen die Gewinne der CSTS und der CSTI einem „niedrigeren Besteuerungsniveau” im Sinne der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften. Was das Geschäftsjahr 1996 anbelangt, so waren die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs der Auffassung, dass keine der Voraussetzungen dafür, von der durch die genannten Vorschriften vorgesehenen Besteuerung abzusehen, in Bezug auf diese Tochtergesellschaften gegeben sei.
  20. Daher verlangten die Commissioners of Inland Revenue aufgrund der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften mit Entscheidung vom 18. August 2000 von der CSO einen Körperschaftsteuerbetrag von 8 638 633,54 GBP für die Gewinne der CSTI im zum 28. Dezember 1996 abgeschlossenen Geschäftsjahr. Der Steuerbescheid betrifft nur die von der CSTI erzielten Gewinne, da die CSTS im gleichen Geschäftsjahr mit Verlust abschloss.
  21. Am 21. August 2000 erhoben die CS und die CSO bei den Special Commissioners of Income Tax, London, Klage gegen diesen Steuerbescheid. Vor diesem Gericht trugen sie vor, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften gegen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG verstießen.
  22. Das vorlegende Gericht legt dar, dass es sich einer Reihe von Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf die bei ihm anhängige Rechtssache gegenübersehe.
  23. Erstens wirft es die Frage auf, ob die CS die vom EG–Vertrag eingeräumten Grundfreiheiten missbraucht habe, indem sie Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu dem alleinigen Zweck gegründet und mit Kapital ausgestattet habe, in den Genuss eines im Vergleich zu dem des Vereinigten Königreichs günstigeren Steuersystems zu gelangen.
  24. Zweitens fragt es sich, ob unter den Umständen des vorliegenden Falles, vorausgesetzt, dass die CS wirklich nur die genannten Freiheiten wahrgenommen hat, die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als eine Beschränkung dieser Freiheiten oder als eine Diskriminierung angesehen werden müssen.
  25. Für den Fall, dass die genannten Rechtsvorschriften als Beschränkung der vom Vertrag gewährleisteten Freiheiten anzusehen sein sollten, fragt sich das vorlegende Gericht drittens, ob eine solche Beschränkung verneint werden kann, wenn die CS nicht mehr Steuern zu zahlen hat, als die CSTS und die CSTI entrichtet hätten, wären sie im Vereinigten Königreich niedergelassen. Das vorlegende Gericht stellt sich außerdem die Frage, ob es von Bedeutung ist, dass sich zum einen die Regeln für die Ermittlung der Steuerschuld in Bezug auf die Einkünfte von CSTS und CSTI in mancher Hinsicht von den normalerweise auf die Tochtergesellschaften der CS im Vereinigten Königreich anwendbaren Regeln unterscheiden und dass zum anderen die Verluste einer beherrschten ausländischen Gesellschaft nicht von den Gewinnen einer anderen solchen Gesellschaft oder den Gewinnen der CS und ihrer Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich abgezogen werden können, während ein solcher Abzug zugelassen worden wäre, wenn die CSTS und die CSTI im Vereinigten Königreich niedergelassen wären.
  26. Für den Fall, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als Diskriminierung angesehen werden, fragt sich das vorlegende Gericht viertens, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens mit der Gründung von Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich durch die CS oder aber mit der Gründung von Tochtergesellschaften durch diese in einem Mitgliedstaat zu vergleichen ist, in dem kein niedrigeres Besteuerungsniveau im Sinne dieser Rechtsvorschriften besteht.
  27. Für den Fall, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als diskriminierend oder als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit erachtet werden, fragt sich das vorlegende Gericht fünftens, ob diese Rechtsvorschriften sich mit Gründen der Bekämpfung der Steuerumgehung rechtfertigen lassen, da sie darauf abzielten, die Verringerung oder den Abfluss von im Vereinigten Königreich der Steuer unterliegenden Gewinnen zu verhindern, und gegebenenfalls, ob diese Rechtsvorschriften in Anbetracht ihres Zweckes und der Befreiung verhältnismäßig sind, in deren Genuss die Gesellschaften kommen können, die anders als die CS im Rahmen des Motivtests den Beweis zu erbringen vermögen, dass sie keine Steuerumgehung beabsichtigen.
  28. Aufgrund all dieser diversen Überlegungen haben die Special Commissioners of Income Tax, London, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Stehen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG nationalen Steuervorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, die unter bestimmten Umständen vorsehen, dass eine im betreffenden Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft wegen der Gewinne einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft, die dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt, steuerlich belastet wird?Zur Vorlagefrage
  29. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG nationalen Steuervorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen, dass eine Muttergesellschaft in Ansehung der Gewinne besteuert wird, die eine beherrschte ausländische Gesellschaft erzielt hat.
  30. Diese Frage ist in dem Sinne zu verstehen, dass sie sich auch auf Artikel 48 EG bezieht, der den in Artikel 43 EG genannten natürlichen Personen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, für die Anwendung der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit gleichstellt.
  31. Nach ständiger Rechtsprechung fallen nationale Vorschriften in den sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. April 2000 in der Rechtssache C–251/98, Baars, Slg. 2000, I–2787, Randnr. 22, und vom 21. November 2002 in der Rechtssache C–436/00, X und Y, Slg. 2002, I–10829, Randnr. 37).
  32. Im vorliegenden Fall betreffen die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften den Fall, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Gewinne von Tochtergesellschaften mit Sitz außerhalb des Vereinigten Königreichs besteuert werden, an denen eine ansässige Gesellschaft eine Beteiligung hält, die ihr die Kontrolle über diese Gesellschaften einräumt. Die Vorschriften sind daher im Hinblick auf die Artikel 43 EG und 48 EG zu prüfen.
  33. Sofern die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und Irland vortragen, beschränkende Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit und auf die Kapitalverkehrsfreiheit haben, sind derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen jedenfalls keine eigenständige Prüfung der genannten Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Artikel 49 EG und 56 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C–36/02, Omega, Slg. 2004, I–9609, Randnr. 27).
  34. Bevor die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften im Hinblick auf die Artikel 43 EG und 48 EG geprüft werden, ist auf die vorab vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage zu antworten, ob es einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu dem alleinigen Zweck gründet und mit Kapital ausstattet, in den Genuss eines dort geltenden günstigeren Steuersystems zu gelangen.
  35. Zwar dürfen die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Sie können sich nicht missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsvorschriften berufen (Urteile vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 115/78, Knoors, Slg. 1979, 399, Randnr. 25, vom 3. Oktober 1990 in der Rechtssache C–61/89, Bouchoucha, Slg. 1990, I–3551, Randnr. 14, und vom 9. März 1999 in der Rechtssache C–212/97, Centros, Slg. 1999, I–1459, Randnr. 24).
  36. Doch darf einem Gemeinschaftsangehörigen, sei er nun eine natürliche oder eine juristische Person, nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C–364/01, Barbier, Slg. 2003, I–15013, Randnr. 71).
  37. Was die Niederlassungsfreiheit betrifft, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, für sich allein nicht ausreicht, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung dieser Freiheit zu schließen (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 27, und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C–167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I–10155, Randnr. 96).
  38. Der Umstand, dass die CS sich im vorliegenden Fall dafür entschieden hat, die CSTS und die CSTI eingestandenermaßen mit dem Ziel im IFSC anzusiedeln, in den Genuss der günstigen Steuerregelung zu kommen, die eine solche Niederlassung verschafft, begründet demnach, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die belgische Regierung sowie in der Sitzung die zyprische Regierung betont haben, als solcher keinen Missbrauch. Dies schließt daher nicht aus, dass sich die CS auf die Artikel 43 EG und 48 EG berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 18, und Inspire Art, Randnr. 98).
  39. Es ist daher zu prüfen, ob die Artikel 43 EG und 48 EG der Anwendung von Rechtsvorschriften wie denjenigen über die beherrschten ausländischen Gesellschaften entgegenstehen.
  40. Nach ständiger Rechtsprechung fallen zwar die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (Urteile vom 29. April 1999 in der Rechtssache C–311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I–2651, Randnr. 19, vom 7. September 2004 in der Rechtssache C–319/02, Manninen, Slg. 2004, I–7477, Randnr. 19, und vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache C–446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, I–10837, Randnr. 29).c
  41. Mit der Niederlassungsfreiheit, die Artikel 43 EG den Gemeinschaftsangehörigen zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Niederlassung für dessen eigene Angehörige festgelegten umfasst, ist gemäß Artikel 48 EG für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. insbesondere Urteile vom 21. September 1999 in der Rechtssache C–307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I–6161, Randnr. 35, Marks & Spencer, Randnr. 30, und vom 23. Februar 2006 in der Rechtssache C–471/04, Keller Holding, Slg. 2006, I–0000, Randnr. 29).
  42. Auch wenn die Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, so verbieten sie es doch auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C–264/96, ICI, Slg. 1998, I–4695, Randnr. 21, und Marks & Spencer, Randnr. 31).
  43. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften die ansässigen Gesellschaften je nach dem Besteuerungsniveau für die Gesellschaft, an der sie eine die Kontrolle über diese Gesellschaft einräumende Beteiligung halten, unterschiedlich behandeln.
  44. Denn wenn die ansässige Gesellschaft eine beherrschte ausländische Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet hat, in dem diese einem niedrigeren Besteuerungsniveau im Sinne der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften unterliegt, so werden die von einer solchen beherrschten Gesellschaft erzielten Gewinne kraft dieser Rechtsvorschriften der ansässigen Gesellschaft zugerechnet, die in Bezug auf diese Gewinne besteuert wird. Wenn die beherrschte Gesellschaft dagegen im Vereinigten Königreich oder in einem Staat, in dem sie nicht einem niedrigeren Besteuerungsniveau im Sinne der genannten Rechtsvorschriften unterliegt, gegründet worden ist und besteuert wird, so sind diese Rechtsvorschriften nicht anwendbar und wird nach dem Körperschaftsteuerrecht des Vereinigten Königreichs die ansässige Gesellschaft unter derartigen Umständen nicht in Bezug auf die Gewinne der beherrschten Gesellschaft zur Steuer herangezogen.
  45. Diese unterschiedliche Behandlung führt zu einem Steuernachteil für die ansässige Gesellschaft, auf die die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften anwendbar sind. Selbst wenn man nämlich, wie es die Regierungen des Vereinigten Königreichs sowie die dänische, die deutsche, die französische, die portugiesische, die finnische und die schwedische Regierung vorschlagen, den etwaigen, vom vorlegenden Gericht angeführten Umstand berücksichtigt, dass eine solche ansässige Gesellschaft für die Gewinne einer in den Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften fallenden beherrschten ausländischen Gesellschaft keine höheren Steuern entrichtet, als für diese Gewinne angefallen wären, wenn sie von einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich erzielt worden wären, so ändert dies nichts daran, dass bei Anwendung derartiger Rechtsvorschriften die ansässige Gesellschaft für Gewinne einer anderen juristischen Person zur Steuer herangezogen wird. Dies geschieht jedoch nicht bei einer ansässigen Gesellschaft, die eine im Vereinigten Königreich besteuerte Tochtergesellschaft hat oder deren Tochtergesellschaft mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats keinem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegt.
  46. Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sowie Irland und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften geltend machen, sind die unterschiedliche steuerliche Behandlung, die sich aus den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, und der daraus resultierende Nachteil für ansässige Gesellschaften mit einer in einem anderen Mitgliedstaat einem niedrigeren Besteuerungsniveau unterliegenden Tochtergesellschaft dazu geeignet, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch solche Gesellschaften zu behindern, indem diese davon abgebracht werden, eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat zu gründen, zu erwerben oder zu behalten, in dem diese einem solchen Besteuerungsniveau unterliegen würde. Hierin besteht somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Artikel 43 EG und 48 EG.
  47. Eine solche Beschränkung ist nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber außerdem die Beschränkung geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (Urteile vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C–250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I–2471, Randnr. 26, vom 11. März 2004 in der Rechtssache C–9/02, De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I–2409, Randnr. 49, sowie Marks & Spencer, Randnr. 35).
  48. Die Regierung des Vereinigten Königreichs, unterstützt von der dänischen, der deutschen, der französischen, der portugiesischen, der finnischen und der schwedischen Regierung, trägt vor, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften den Kampf gegen eine besondere Form der Steuerumgehung bezweckten, die darin bestehe, dass eine ansässige Gesellschaft künstlich Gewinne aus dem Mitgliedstaat, in dem diese erzielt worden seien, dadurch in einen Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau verlagere, dass sie dort eine Tochtergesellschaft gründe und dass sie Rechtsgeschäfte tätige, die hauptsächlich dazu bestimmt seien, eine solche Verlagerung zugunsten dieser Tochtergesellschaft herbeizuführen.
  49. Insoweit geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass ein Vorteil, der aus der relativ geringen steuerlichen Belastung einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Muttergesellschaft gegründet worden ist, resultiert, als solcher dem letztgenannten Mitgliedstaat nicht das Recht gibt, diesen Vorteil durch eine weniger günstige steuerliche Behandlung der Muttergesellschaft auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 21; vgl. auch analog Urteile vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C–294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I–7447, Randnr. 44, und vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C–422/01, Skandia und Ramstedt, Slg. 2003, I–6817, Randnr. 52). Die Notwendigkeit, einen Steuerausfall zu vermeiden, gehört weder zu den in Artikel 46 Absatz 1 EG genannten Gründen noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C–136/00, Danner, Slg. 2002, I–8147, Randnr. 56, und Skandia und Ramstedt, Randnr. 53).
  50. Auch ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Umstand allein, dass eine ansässige Gesellschaft eine Zweitniederlassung, wie etwa eine Tochtergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat gründet, nicht die allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen und keine die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigende Maßnahme rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI, Randnr. 26, vom 26. September 2000 in der Rechtssache C–478/98, Kommission/Belgien, Slg. 2000, I–7587, Randnr. 45, X und Y, Randnr. 62, und vom 4. März 2004 in der Rechtssache C–334/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I–2229, Randnr. 27).
  51. Eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI, Randnr. 26, vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C–324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I–11779, Randnr. 37, De Lasteyrie du Saillant, Randnr. 50, und Marks & Spencer, Randnr. 57).
  52. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen ist insbesondere das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Niederlassungsfreiheit verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Centros, Randnr. 25, und X und Y, Randnr. 42).
  53. Dieses Ziel besteht darin, es den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweitniederlassung zu gründen, um dort ihren Tätigkeiten nachzugehen, und so die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Durchdringung auf dem Gebiet der selbständigen Erwerbstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern (vgl. Urteil vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Randnr. 21). Zu diesem Zweck will die Niederlassungsfreiheit es den Staatsangehörigen der Gemeinschaft ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C–55/94, Gebhard, Slg. 1995, I–4165, Randnr. 25).
  54. In Anbetracht dieses Zieles der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat impliziert der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit (vgl. Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C–221/89, Factortame u. a., Slg. 1991, I–3905, Randnr. 20, und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C–246/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I–4585, Randnr. 21). Daher setzt sie eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem voraus.
  55. Folglich lässt sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liegt, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird.
  56. Verhaltensweisen von der Art, wie sie in der vorstehenden Randnummer beschrieben worden sind, können wie die in Randnummer 49 des oben zitierten Urteils Marks & Spencer genannten Praktiken, die darin bestehen, Übertragungen von Verlusten innerhalb eines Konzerns auf diejenigen Gesellschaften zu organisieren, die in den Mitgliedstaaten ansässig waren, in denen die höchsten Steuersätze galten und folglich der steuerliche Wert dieser Verluste am höchsten war, das Recht der Mitgliedstaaten in Gefahr bringen, ihre Steuerzuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben, und so die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. Urteil Marks & Spencer, Randnr. 46).
  57. In Anbetracht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob sich die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die sich aus den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ergibt, mit Gründen der Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen rechtfertigen lässt und ob sie sich gegebenenfalls im Hinblick auf dieses Ziel als verhältnismäßig erweist.
  58. Die genannten Vorschriften betreffen Situationen, in denen eine ansässige Gesellschaft eine beherrschte ausländische Gesellschaft gegründet hat, die im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung einem Besteuerungsniveau unterliegt, das sich auf weniger als drei Viertel der Steuer beläuft, die im Vereinigten Königreich zu entrichten gewesen wäre, wenn die Gewinne dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft dort besteuert worden wären.
  59. Dadurch, dass die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorsehen, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft, die einem sehr günstigen Steuerrecht unterliegt, in die Steuerbemessungsgrundlage der ansässigen Gesellschaft einfließen, ermöglichen sie es, Praktiken entgegenzuwirken, deren einziges Ziel darin besteht, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird. Wie die französische, die finnische und die schwedische Regierung vorgetragen haben, sind solche Vorschriften daher geeignet, das Ziel zu erreichen, auf das hin sie erlassen worden sind.
  60. Es ist noch zu prüfen, ob die genannten Vorschriften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
  61. Die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sehen mehrere Fälle vor, in denen die Gewinne der beherrschten ausländischen Gesellschaften nicht von der ansässigen Gesellschaft zu versteuern sind. Einige dieser Ausnahmen ermöglichen es, die ansässige Gesellschaft in Situationen zu entlasten, in denen es als ausgeschlossen erscheint, dass eine rein künstliche Gestaltung allein zu steuerlichen Zwecken vorliegt. So lässt sich der Ausschüttung praktisch aller Gewinne einer beherrschten ausländischen Gesellschaft an eine ansässige Gesellschaft entnehmen, dass es dieser nicht darum geht, sich der britischen Steuer zu entziehen. Wenn die beherrschte ausländische Gesellschaft Handelsaktivitäten nachgeht, so schließt das seinerseits das Bestehen einer künstlichen Gestaltung ohne jede echte wirtschaftliche Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat aus.
  62. Falls keine dieser Ausnahmen eingreift, kann von der durch die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorgesehenen Besteuerung dann abgesehen werden, wenn die Niederlassung und die Tätigkeiten der beherrschten ausländischen Gesellschaft den Anforderungen des Motivtests genügen. Diese bestehen im Wesentlichen darin, dass die ansässige Gesellschaft beweisen muss, dass zum einen der signifikante Steuerrückgang im Vereinigten Königreich, der sich aus den Umsätzen zwischen dieser Gesellschaft und der beherrschten ausländischen Gesellschaft ergibt, nicht das Hauptziel oder eines der Hauptziele dieser Umsätze war, und dass zum anderen die Steuerminderung im Vereinigten Königreich durch Abfluss von Gewinnen im Sinne der genannten Rechtsvorschriften weder das Hauptmotiv noch eines der Hauptmotive für die Gründung der beherrschten ausländischen Gesellschaft war.
  63. Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die belgische Regierung und die Kommission vorgetragen haben, kann die Tatsache, dass keine der von den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften vorgesehenen Ausnahmen hier eingreift und dass das Streben nach Erleichterung der Steuerlast Anlass zur Gründung der beherrschten ausländischen Gesellschaft und zum Tätigen von Umsätzen zwischen dieser und der ansässigen Gesellschaft war, nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass eine rein künstliche Gestaltung vorliegt, die lediglich dazu bestimmt ist, der genannten Steuer zu entgehen.
  64. Denn für die Feststellung des Vorliegens einer solchen Gestaltung ist außer einem subjektiven Element, das in dem Streben nach einem Steuervorteil besteht, erforderlich, dass aus objektiven Anhaltspunkten hervorgeht, dass trotz formaler Beachtung der im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Voraussetzungen der mit der Niederlassungsfreiheit verfolgte Zweck, wie er in den Randnummern 54 und 55 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, nicht erreicht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C–110/99, Emsland-Stärke, Slg. 2000, I–11569, Randnrn. 52 und 53, und vom 21. Februar 2006 in der Rechtssache C––255/02, Halifax u. a., Slg. 2006, I–0000, Randnrn. 74 und 75).
  65. Dementsprechend sind die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften nur dann gemeinschaftsrechtskonform, falls die von ihnen vorgesehene Besteuerung ausgeschlossen ist, wenn die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt.
  66. Diese Gründung muss mit einer tatsächlichen Ansiedlung zusammenhängen, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen, wie aus der in den Randnummern 52 bis 54 des vorliegenden Urteils erwähnten Rechtsprechung hervorgeht.
  67. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission in der Sitzung vorgetragen haben, muss diese Feststellung auf objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten beruhen, die sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der beherrschten ausländischen Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.
  68. Führt die Prüfung solcher Anhaltspunkte zu der Feststellung, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft nur mit einer fiktiven Ansiedlung zusammenhängt, die keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entfaltet, so ist die Gründung dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft als eine rein künstliche Gestaltung anzusehen. Dergleichen könnte insbesondere bei einer Tochtergesellschaft der Fall sein, die eine „Briefkastenfirma” oder eine „Strohfirma” ist (vgl. Urteil vom 2. Mai 2006 in der Rechtssache C–341/04, Eurofood IFSC, Slg. 2006, I–0000, Randnrn. 34 und 35).
  69. Demgegenüber erlaubt, wie der Generalanwalt in Nummer 103 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Umstand, dass die den Gewinnen der beherrschten ausländischen Gesellschaft entsprechenden Tätigkeiten ebenso gut von einer im Hoheitsgebiet desjenigen Mitgliedstaats, in dem die ansässige Gesellschaft angesiedelt ist, niedergelassenen Gesellschaft hätten ausgeführt werden können, nicht den Schluss, dass eine rein künstliche Gestaltung vorliegt.
  70. Der ansässigen Gesellschaft, die hierzu am ehesten in der Lage ist, ist die Gelegenheit zu geben, Beweise für die tatsächliche Ansiedlung der beherrschten ausländischen Gesellschaft und deren tatsächliche Betätigung vorzulegen.
  71. Angesichts der von der ansässigen Gesellschaft vorgelegten Beweise haben die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit, um die erforderlichen Informationen über die tatsächliche Lage der beherrschten ausländischen Gesellschaft zu erhalten, auf die Mechanismen der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen nationalen Steuerverwaltungen zurückzugreifen, wie sie durch die von Irland in seinen schriftlichen Erklärungen erwähnten Rechtsakte geschaffen wurden, nämlich auf die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) und, im vorliegenden Fall, auf das Abkommen vom 2. Juni 1976 zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland einerseits und Irland andererseits zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern auf Einkommen und Kapitalerträge.
  72. Hier obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Motivtest, wie er von den Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften festgelegt ist, in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs so ausgelegt werden kann, dass er es ermöglicht, die Anwendung der von diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Besteuerung auf rein künstliche Gestaltungen zu beschränken, oder ob vielmehr die Kriterien, auf denen dieser Test beruht, bedeuten, dass die ansässige Gesellschaft selbst dann, wenn keine objektiven Anhaltspunkte für eine solche Gestaltung vorliegen, unter diese Rechtsvorschriften fällt, sobald nur keine der von ihnen vorgesehenen Ausnahmen eingreift und das Streben nach einer Steuerminderung im Vereinigten Königreich zu den zentralen Gründen der Errichtung der beherrschten ausländischen Gesellschaft zählt.
  73. Im ersten Fall müssten die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften als mit den Artikeln 43 EG und 48 EG vereinbar angesehen werden.
  74. Im zweiten Fall wären die genannten Vorschriften hingegen, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Kommission und in der Sitzung die zyprische Regierung vorgetragen haben, als gegen die Artikel 43 EG und 48 EG verstoßend zu betrachten.
  75. Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Artikel 43 EG und 48 EG dahin auszulegen sind, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.Kosten
  76. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Die Artikel 43 EG und 48 EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.

Mutter-Tochter-Richtlinie in Spanien, Italien und Luxemburg

Die Europäische Kommission hat beschlossen, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen Italien und Luxemburg wegen Nichtannahme und Nichtmitteilung der Maßnahmen zu erheben, die zur Umsetzung der Richtlinie 2003/123/EG zur Änderung der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften erforderlich sind. Sie will ferner Spanien auffordern, eine Bestimmung zu ändern, nach der automatisch von einem Missbrauch ausgegangen wird, wenn eine spanische Gesellschaft einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft, die sich im Eigentum einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft befindet, Dividenden zahlt.

Klagen gegen Italien und Luxemburg

Die Europäische Kommission hat beschlossen, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen Italien und Luxemburg wegen Nichtannahme und Nichtmitteilung der Maßnahmen zu erheben, die zur Umsetzung der Richtlinie 2003/123/EG zur Änderung der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften erforderlich sind. Die beiden Mitgliedstaaten sind ihren Verpflichtungen trotz der förmlichen Aufforderung der Kommission vom 5. Juli 2005 (IP/05/941) nicht nachgekommen.

Ziel der Richtlinie 2003/123/EG ist die Erweiterung des Geltungsbereichs und die verbesserte Anwendung der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften (Richtlinie 90/435/EWG des Rates). Diese Richtlinie befreit Dividendenzahlungen von in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaften an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaften von der Quellensteuer. Die Änderungsrichtlinie enthält außerdem eine aktualisierte Liste der Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie von 1990 fallen. Sie lockert die Bedingungen für die Befreiung von der Quellensteuer, indem sie die Mindestbeteiligung herabsetzt, ab der eine Gesellschaft als „Mutter-/Tochtergesellschaft“ gilt. Außerdem beseitigt sie die Doppelbesteuerung von Enkelgesellschaften. Die Mitgliedstaaten hätten ihre Maßnahmen zur Umsetzung der genannten Richtlinie bis zum ersten Januar 2005 angenommen und der Kommission mitgeteilt haben müssen.

Verfahren gegen Spanien

Die Europäische Kommission will Spanien förmlich auffordern, eine Bestimmung zu ändern, nach der automatisch von einem Missbrauch ausgegangen wird, wenn eine spanische Gesellschaft einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft, die sich im Eigentum einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft befindet, Dividenden zahlt. Nach Ansicht der Kommission verstößt diese Bestimmung gegen die Mutter-/Tochter-Richtlinie. Die Aufforderung ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. Wenn Spanien seine Rechtsvorschriften nicht innerhalb von zwei Monaten ändert, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

„Nach gefestigter Rechtsprechung sollten Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung, mit denen die im Vertrag gewährten Freiheiten eingeschränkt werden, gezielt erfolgen“, erklärte László Kovács, für Steuern und Zollunion zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. „Steuerliche Maßnahmen, bei denen automatisch von einem Missbrauch ausgegangen wird, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob ein solcher Missbrauch auch tatsächlich gegeben ist, hat der Gerichtshof stets verworfen.“

Artikel 5 Absatz 1 der Mutter-/Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) verpflichtet die Mitgliedstaaten, die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle zu befreien.

Nach spanischem Recht wird jedoch auf Dividendenausschüttungen einer spanischen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ein Steuerabzug an der Quelle vorgenommen, wenn sich diese Muttergesellschaft im Eigentum einer Gesellschaft aus einem Drittland (einem Land außerhalb der EU) befindet, und zwar auch dann, wenn die Muttergesellschaft alle Voraussetzungen der Mutter-/Tochter-Richtlinie erfüllt.

Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum, um abweichend von den materiellrechtlichen Vorschriften der Richtlinie einzelstaatliche oder vertragliche Bestimmungen zur Verhinderung von Missbräuchen anzuwenden. Solche Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.

Nach Ansicht der Kommission ist die Maßnahme Spaniens nicht mit dieser Bedingung vereinbar, denn sie wird automatisch auf alle Fälle angewandt, in denen sich eine in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft im Eigentum einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft befindet, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt.

BGH bekräftigt Rechtsprechung zu Briefkastengesellschaften

Wie nach den maßgeblichen Entscheidungen des EuGH nicht anders zu erwarten war, urteilte der BGH, dass auf eine englische Limited trotz des Sitzes in Deutschland englisches Recht anzuwenden ist. Wenn die deutschen Gründungsvorschriften nicht beachtet wurden, führt dies nicht zum Durchgriff auf den Geschäftsführer.

Die Leitsätze des Urteils (Akzenzeichen: II ZR 5/03, Verkündet am: 14. März 2005) lauten wie folgt:

a) Die Haftung des Geschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer gemäß Companies Act 1985 in England gegründeten private limited company mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht.

b) Der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) steht entgegen, den Geschäftsführer einer solchen englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland wegen fehlender Eintragung in einem deutschen Handelsregister der persönlichen Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG für deren rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten zu unterwerfen.

Somit steht denn fest, dass Gründer sich unter den verschiedene angebotenen Gesellschaften innerhalb der EU die ihnen am gelegensten kommende Gesellschaftsform auswählen können. Das ist zur Zeit noch die englische Limited, da diese in der Regel mit 100 britschen Pfund Stammkapital (wenige EUR genügen) gegründet wird. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis bspw. Malta oder Zypern mit besseren Angeboten die Nachfrage nach Gesellschaften auf sich ziehen werden – so wie in den USA der Kleinststaat Delaware mit weniger als 1 Mio. Einwohner Gründungsstaat von über 50 % der börsennotierten Gesellschaften ist.

Wie allerdings mit Gesellschaften aus Liechtenstein verfahren werden soll, die wohl ebenso anerkannt werden müssen, ist noch unklar. Während in Deutschland der Fiskus inzwischen die Möglichkeit hat, die Bankkonten einzusehen, ist es bei den liechtensteinischen Treuhandgesellschaften praktisch unmöglich, herauszufinden, wer wirtschaftlicher Eigentümer ist. Und Liechteinstein gilt nachwievor als unkooperative Steueroase — bspw. hat außer Österreich kein anderer Mitgliedstaat mit dem Fürstentum ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von technischen Gasen befasst, stellte der U. Ltd. (nachfolgend U. Ltd.) für vertraglich vereinbarte Gaslieferungen und Vermietung von Gasflaschen in den Jahren 2000 und 2001 einen – unstreitigen – Gesamtbetrag von 3.393,87 DM in Rechnung. Die U. Ltd., deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagte ist, wurde schon vorher – am 11. Februar 2000 – gemäß dem Companies Act 1985 im Companies House, C./UK als private limited company mit eingetragenem (Haupt-)Sitz in L. registriert. Die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fand hingegen – von ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz in G. aus – nur in Deutschland statt, ohne dass deren Eintragung in ein deutsches Handelsregister erfolgt wäre. Die Rechnungen der Klägerin blieben unbezahlt. Auf einen gegen die U. Ltd. gestellten Insolvenzantrag wurde durch Beschlug des Amtsgerichts H. vom 20. September 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Die Klägerin nahm daraufhin wegen der unbeglichenen Rechnungen den Beklagten als für die U. Ltd. Handelnden persönlich in Anspruch und erwirkte gegen ihn einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 16. Juli 2002. Auf den Einspruch des Beklagten hat das zuständige Amtsgericht S. den Vollstreckungsbescheid – mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen – aufrecht erhalten. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte hafte wegen Fehlens einer Eintragung der U. Ltd. als Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem deutschen Handelsregister als handelnder Gesellschafter-Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG persönlich für die in ihrem Namen begründeten Kaufpreis- und Mietzinsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin. Europarechtliche Normen stünden einer persönlichen Haftung des Beklagten nicht entgegen. Zwar verstoße es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: EuGH) im Urteil vom 5. November 2002 (ZIP 2002, 2037 – Überseering) gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG), wenn einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründeten Gesellschaft von einem anderen Mitgliedstaat, in den sie ihren Verwaltungssitz verlegt habe, die Rechts- und Parteifähigkeit abgesprochen werde; jedoch rechtfertigten zwingende Gründe des Gemeinwohls Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Im Gläubigerinteresse sei durch Anwendung der Sitztheorie sicherzustellen, dass eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland – wie hier die U. Ltd. – den deutschen Gründungsvorschriften unterworfen werde. Ihrer Umgehung müsse durch eine persönliche Haftung der für die Auslandsgesellschaft handelnden Personen analog § 11 Abs. 2 GmbHG begegnet werden.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Das Berufungsurteil ist allerdings nicht bereits wegen Fehlens eines Tatbestandes gemäß § 540 ZPO als eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben. Zwar enthält das Urteil des Landgerichts über die – insoweit zulässige – Inbezugnahme der tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hinaus keine Ausführungen zum zweitinstanzlichen Begehren des Beklagten als Berufungskläger. Jedoch ist – was ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 26. Februar 2003 – VIII ZR 262/02, NJW 2003, 747 m.w.Nachw.; st.Rspr.) – dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Berufungsurteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte mit der Berufung gegen seine Verurteilung durch das Amtsgericht sein Klageabweisungsbegehren unverändert weiterverfolgt.

2. Das Urteil des Landgerichts hat aber deshalb keinen Bestand, weil die Gleichsetzung der wirksam als limited liability company gegründeten und damit nach englischem Recht rechtsfähigen U. Ltd. mit einer – mangels Eintragung in einem deutschen Handelsregister – nicht als GmbH existenten Gesellschaft (§ 11 Abs. 1 GmbHG) und die daraus abgeleitete persönliche Handelndenhaftung des Beklagten als Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die Verbindlichkeiten der U. Ltd. aus den von ihm selbst in deren Namen abgeschlossenen Kauf- und Mietverträgen mit der Klägerin mit der in Art. 43 und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar ist.

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (vgl. EuGH, Urt. v. 5. November 2002 – Rs C-208/00, ZIP 2002, 2037 – Überseering; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – Rs C-167/01, ZIP 2003, 1885 – Inspire Art; vgl. auch BGHZ 154, 185, 189; vgl. ferner zur vergleichbaren Rechtslage beim Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag: BGHZ 153, 353, 356 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 – II ZR 389/02, ZIP 2004, 1402 m.w.Nachw.; BGH, Urt. v. 13. Oktober 2004 – I ZR 245/01, ZIP 2004, 2230, 2231). Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft folgt zugleich, dass deren Personalstatut auch in bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist (vgl. BGHZ 154, 185, 189 – auch zur passiven Parteifähigkeit; BGH, Urt. v. 23. April 2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 aaO, S. 1403).

Danach scheidet im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die von ihm als Geschäftsführer namens der U. Ltd. rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten aus; nach dem für das Personalstatut dieser private limited company (Kapitalgesellschaft) maßgeblichen englischen Recht haftet deren Geschäftsführer als Leitungsorgan – wie im deutschen GmbH-Recht – grundsätzlich nicht persönlich für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten.

b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH ist es selbst unter Gläubigerschutzgesichtspunkten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, wenn das Landgericht im vorliegenden Fall hinsichtlich der Frage einer Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers der U. Ltd. deren maßgebliches Personalstatut (ausnahmsweise) nicht an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht, sondern an das Recht ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anknüpfen will.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger u.a. unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können (EuGH, ZIP 2002 aaO Tz. 92 – Ãœberseering; EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 132 f. – Inspire Art). Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass eine Behinderung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch nationale Maßnahmen allenfalls unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann: Die Maßnahmen müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 133 m.w.Nachw. – Inspire Art). Danach stellt sogar die bewusste Ausnutzung unterschiedlicher Rechtssysteme für sich allein genommen noch keinen Missbrauch dar, auch wenn sie in der offenen Absicht erfolgt, die „größte Freiheit“ zu erzielen und mit einer ausländischen Briefkastengesellschaft die zwingenden inländischen Normativbestimmungen zu umgehen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 96 f., 137 ff. m.w.Nachw. – Inspire Art). Da die Bestimmungen über das Mindestkapital insoweit mit der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind, gilt zwangsläufig dasselbe für die Sanktionen, die an die Nichterfüllung der fraglichen Verpflichtungen geknüpft sind, d.h. die Anordnung einer persönlichen (gesamtschuldnerischen) Haftung der Geschäftsführer in dem Fall, dass das Kapital nicht den im nationalen Recht vorgeschriebenen Mindestbetrag erreicht oder während des Betriebes unter diesen sinkt. Folglich rechtfertigen weder Art. 46 EG noch der Gläubigerschutz die Bekämpfung der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit oder die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs die Behinderung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit, wie sie nationale Rechtsvorschriften über das Mindestkapital und eine persönliche (gesamtschuldnerische) Haftung der Geschäftsführer darstellen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 142 – Inspire Art).

c) Eine persönliche Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG kann schließlich – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte als Geschäftsführer es entgegen §§ 13 d ff. HGB unterlassen hat, die „Zweigniederlassung“ der U. Ltd. zum Handelsregister anzumelden. Zwar verpflichtet Art. 12 der 11. Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1999 die Mitgliedstaaten, geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, dass die erforderliche Offenlegung der Zweigniederlassungen im Aufnahmestaat unterbleibt. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten, denen zwar die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch verhältnismäßig sein muss (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 62, 133 – Inspire Art). Schon danach bleibt festzustellen, dass die offenbar vom Berufungsgericht befürwortete Sanktion der persönlichen Haftung des Beklagten als Geschäftsführer wegen Nichterfüllung der Anmeldungspflicht weder gesetzlich vorgesehen ist noch etwa im Wege der Rechtsfortbildung in Betracht käme. Als zulässige Sanktion im Sinne der 11. Richtlinie des Rates sieht das deutsche Recht in § 14 HGB allein die Festsetzung von Zwangsgeld für den Fall der Nichterfüllung der Anmeldepflicht pp. vor, nicht hingegen haftungsrechtliche Konsequenzen.

III.

Aufgrund der unter Nr. II, 2 aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 ZPO). Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Klägerin ist auf ihre Gegenrüge hin unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie eines fairen Verfahrens (Art. 2, 20 GG) Gelegenheit zu geben, in der wiedereröffneten Berufungsinstanz ihr Klagebegehren nunmehr auf – bislang nicht geltend gemachte – etwaige Haftungstatbestände des materiellen englischen Rechts oder des (deutschen) Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB) zu stützen und hierzu weiteren Sachvortrag zu halten.