Archiv der Kategorie: Recht

Urheberschutz — Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Zauberformel Leistungsschutzrecht

Die Bundesregierung hat beschlossen, offenbar etwas für den Schutz der Urheber zu tun, indem sie den Presseverlegern (!) ein Leistungsschutzrecht in Aussicht stellt. Das Leistungsschutzrecht soll unter anderem eine Lücke bei den Monopolrechten schließen, weil Sätze wie ,,Oderhochwasser steigt weiter“, ,,Siemensaktie sinkt auf Jahrestief“ oder ,,BND-Agenten-Affäre weitet sich aus“ noch keinem exklusiven Recht unterfallen, obwohl man auch damit Geld verdienen kann. Das Leistungsschutzrecht beschäftigt sich nun nicht mit der Frage, ob man damit Geld verdienen kann, sondern mit dem Problem, dass es die falschen Unternehmen sind.

Zwar steht der Begriff Verleger seit Jahrhunderten dafür, dass der Verleger nicht mit der eigenen, sondern mit fremder Leistung Geld verdient. Wer das Musterbeispiel des klassischen Verlegers sucht (als der Begriff sich noch nicht auf die Medienbranche reduziert hat), wird bei Gerhard Hauptmann fündig: Im Expeditionsraum von Dreißigers Parchentfabrik liefern die Weber ihre Heimarbeit ab. Es sind arme, elende, von Hunger und Not ausgemergelte Menschen, die um ein paar Pfennige Lohnerhöhung oder um einen geringen Vorschuss bitten (Die Weber).

Für die Verleger scheint es auch selbstverständlich, dass sie nur von den „Urhebern“ sprechen, damit aber tatsächlich das Geld in der eigene Tasche meinen. Aber es ist auch wunderbar ehrlich, wenn unter dem Titel Urheberschutz nunmehr ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorgestellt wird, weil: mit dem sogenannten Urheber hat der sogenannte Urheberschutz zumeist nur dem Namen nach zu tun. Die Urheber werden aber gerne an die publizistische Front geschickt, wenn es darum geht, arme sympathische Menschen zu zeigen, für die man ein Herz haben sollte. Deshalb werden diese genannt, auch wenn das Sonderrecht zu Gunsten der Presseverlage den Autoren kaum etwa bringen wird, geht es dabei doch um die Presseverlage. Wieso sollten die Verleger auch die Autoren an den Erlösen für die eigene verlegerische Leistung beteiligen? Wobei — mit einer besonderen Leistung hat das Leistungsschutzrecht selbstverständlich auch nichts zu tun, denn es ist eine Subvention der Presseverleger mittels eines Sonderrechts. Wer genau für welche konkrete Leistung was bezahlen soll, ist nicht klar erkennbar; und womit die Presseverleger die bevorzugte Stellung verdient haben, das weiß man erst Recht nicht. Mit dem Leistungsschutzrecht werden die Presseverleger viel mehr davor geschützt, eine besondere Leistung erbringen zu müssen, weil die EInnahmen ja einfach zusätzlich fließen sollen. Es handelt sich zum das typische zusätzliche leistungslose Einkommen, das nicht am Markt mit den Mitteln der Marktwirtschaft erzielt wird, sondern mit den Mitteln des politischen Einflusses.

Die Urheber stehen in den Begründungen nur als Feigenblatt rum, weil es besser klingt, wenn man etwas für die Urheber tut, und nicht für die Verleger. Allerdings kann der Schuss auch — gerade für die freien Autoren — nach hinten los gehen: Wenn nämlich der freie Autor seinen Artikel in einer anderen Zeitung unterbringen will (und darf), kann plötzlich das Leistungsschutzrecht des Verlegers im Wege stehen, weil der Verleger ja auch irgendwelche Monopolrechte an dem Text auf dem Umweg des Leistungsschutzrechtes erworben hat (welche konkreten Befugnisse die Verleger bekommen sollen , steht allerdings noch nicht fest).

Die Verleger haben den Großteil des Pressemarktes unter einige wenige aufgeteilt. Und der eine oder andere der Großverleger Verleger ist vielleicht noch gar nicht Milliardär, während die Google- und Facebook-Jungs diese Status inzwischen erreicht haben. Es trifft also keine Armen suggeriert zumindest zur Zeit die Regierung (so die Bundesjustizministerin ausdrücklich =>  hier). Umgekehrt stellt sich aber die Frage, was sich die Presseverleger insbesondere von Google erhoffen, denn mit der Google-News-Verlinkung sind zur Zeit zumindest keine unmittelbare Einnahmen von Google verbunden. Ob Google diese Leistung einstellt, weil sie ohne Bezahlung an die Presseverleger (oder deren Verwertungsgesellschaft) als rechtswidrig gelten wird, ist nicht abzusehen. Aber egal: Die großen Presseverlage werden wohl so oder so gewinnen, entweder, weil sie die meisten Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht erhalten, oder weil am Schluss nur noch die großen Websites im Netz gefunden werden, weil man die kleinen nicht mehr findet.

Um was es bei dem Leistungsschutz geht? Um das Umverteilen der Gewinne (exemplarisch von Google auf Burda). Der Rest steht schon hier; ergänzen muss man das Trauerspiel nicht.

Überwachung durch Provider

Das Unionsrecht steht einer von einem nationalen Gericht erlassenen Anordnung entgegen, einem Anbieter von Internetzugangsdiensten die Einrichtung eines Systems der Filterung aufzugeben, um einem unzulässigen Herunterladen von Dateien vorzubeugen. Dies entschied der EuGH laut einer Pressemitteilung vom 24. 11. 2011. Eine entsprechende Anordnung würde weder

  • das Verbot, den Anbietern von Internetzugängen eine allgemeine Überwachungspflicht aufzuerlegen, noch
  • das Erfordernis, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einerseits dem Recht am geistigen Eigentum und andererseits der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung der Informationen zu gewährleisten,

beachten.

Diese Begründung ist insofern beachtlich, weil der EuGH unabhängig von einem ausdrücklichen Verbot auf die Abwägung grundlegende Rechte abgestellt hat, die auch eine Einführung einer solchen Pflicht jedenfalls vor erhebliche rechtliche Schwierigkeiten stellen würde. Es geht nicht nur darum, dass die Provider nicht verpflichtet sind, den Rechtsinhabern bei der Suche nach Rechtsverstößen durch entsprechende Maßnahmen zu helfen. Vielmehr wäre es auch jedem Mitgliedstaat grundsätzlich untersagt, entsprechende gesetzliche Verpflichtungen in Kraft zu setzen. Der EuGH hat in der Pressemitteilung dies wie folgt zusammengefasst:

Das Urteil beruht auf einem Streit zwischen der Scarlet Extended SA, einem Anbieter von Internetzugangsdiensten, und SABAM, einer belgischen Verwertungsgesellschaft, deren Aufgabe es ist, die Verwendung  von Werken der Musik von Autoren, Komponisten und Herausgebern zu genehmigen.

SABAM stellte im Jahr 2004 fest, dass Internetnutzer (über den Zugangsprovider Scarlet) über das Internet – ohne Genehmigung der Rechtsinhaber  und ohne Gebühren zu entrichten – Werke, die dem Katalog von Verwertungsrechten der SABAM zuzuordnen sind, über „Peer-to-Peer“-Netze  herunterlüden. Auf Antrag von SABAM gab daraufhin der Präsident des Tribunal de première instance de Bruxelles (Belgien) Scarlet als Anbieter von Internetzugangsdiensten unter Androhung eines Zwangsgelds auf, diese Urheberrechtsverletzungen abzustellen, indem sie es ihren Kunden unmöglich mache, Dateien, die ein Werk der Musik aus dem Repertoire von SABAM enthielten, in irgendeiner Form mit Hilfe eines „Peer-to-Peer“-Programms zu senden oder zu empfangen.

Scarlet legte bei der Cour d’appel de Bruxelles Berufung ein und machte geltend, dass die Anordnung nicht unionsrechtskonform sei, weil sie ihr de facto eine allgemeine Pflicht zur Überwachung der Kommunikationen in ihrem Netz auferlege, was mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und den Grundrechten unvereinbar sei. Vor diesem Hintergrund fragt die Cour d’appel den Gerichtshof, ob die Mitgliedstaaten aufgrund des Unionsrechts dem nationalen Richter erlauben können, einem Anbieter von Internetzugangsdiensten aufzugeben, generell und präventiv allein auf seine eigenen Kosten und zeitlich unbegrenzt ein System der Filterung der elektronischen Kommunikationen einzurichten, um ein unzulässiges Herunterladen von Dateien zu identifizieren. Hierzu ist eine sogenannte Deep Packet Inspection, also die Untersuchung der einzelnen Datenpakete auf deren konkreten Inhalt erforderlich. Der Internetprovider müsste und dürfte den gesamten Inhalt des Datentransfers seiner Kunden untersuchen.


In seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler wie die Anbieter von Internetzugangsdiensten beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung ihrer Rechte genutzt werden. Die Modalitäten der Anordnungen sind Gegenstand des nationalen Rechts. Diese nationalen Regelungen müssen jedoch die sich aus dem Unionsrecht Beschränkungen wie u. a. die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr beachten, wonach nationale Stellen keine Maßnahmen erlassen dürfen, die einen Anbieter von Internetzugangsdiensten verpflichten würden, die von ihm in seinem Netz übermittelten Informationen allgemein zu überwachen.

Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die fragliche Anordnung Scarlet verpflichten würde, eine aktive Überwachung sämtlicher Daten aller ihrer Kunden vorzunehmen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Daraus folgt, dass die Anordnung zu einer allgemeinen Überwachung verpflichten würde, die mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unvereinbar ist. Außerdem würde eine solche Anordnung nicht die anwendbaren Grundrechte beachten.

Zwar ist der Schutz des Rechts am geistigen Eigentum in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert.Gleichwohl ergibt sich weder aus der Charta selbst noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieses Recht schrankenlos und sein Schutz daher bedingungslos zu gewährleisten wäre.

Im vorliegenden Fall bedeutet die Einrichtung eines Filtersystems, dass im Interesse der Inhaber von Urheberrechten sämtliche elektronischen Kommunikationen im Netz des fraglichen Anbieters von Internetzugangsdiensten überwacht werden, wobei diese Überwachung zudem zeitlich unbegrenzt ist. Deshalb würde eine solche Anordnung zu einer qualifizierten Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit von Scarlet führen, da sie sie verpflichten würde, ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes und allein auf ihre Kosten betriebenes Informatiksystem einzurichten.

Darüber hinaus würden sich die Wirkungen dieser Anordnung nicht auf Scarlet beschränken, weil das Filtersystem auch die Grundrechte ihrer Kunden beeinträchtigen kann, nämlich ihre durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen. Zum einen steht nämlich fest, dass diese Anordnung eine systematische Prüfung aller Inhalte sowie die Sammlung und Identifizierung der IP-Adressen der Nutzer bedeuten würde, die die Sendung unzulässiger Inhalte in diesem Netz veranlasst haben, wobei es sich bei diesen Adressen um personenbezogene Daten handelt. Zum anderen könnte diese Anordnung die Informationsfreiheit beeinträchtigen, weil dieses System möglicherweise nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte.

Daher stellt der Gerichtshof fest, dass das nationale Gericht, erließe es die Anordnung, mit der Scarlet zur Einrichtung eines solchen Filtersystems verpflichtet würde, nicht das Erfordernis beachten würde, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einerseits dem Recht am geistigen Eigentum und andererseits der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung der Informationen zu gewährleisten.

Das Unionsrecht erlaubt demnach keine Anordnung an einen Anbieter von Internetzugangsdiensten,  dass dieser ein System zur Filterung aller seine Dienste durchlaufenden elektronischen Kommunikationen, das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist, präventiv, auf ausschließlich seine eigenen Kosten und zeitlich unbegrenzt einzurichten verpflichtet ist. Inwieweit dieser letzte Teil — ausschließlich auf Kosten des Internetproviders — von Bedeutung ist, ist noch nicht klar. Der EuGH hat insoweit ja zwei betroffene Gruppen in das Spiel gebracht: Die Nutzer, deren Datenverkehr ausgespäht wird, und die Zugangsprovider, die die Kosten für die Überwachung tragen müssen. Insofern ist noch nicht ersichtlich, ob bei einer Übernahme der Kosten des jeweiligen Zugangproviders der EuGH allein aufgrund der personenbezogenen Daten der Internetnutzer ebenso entscheiden würde. So hat der EuGH die Kompliziertheit und die Kosten der Überwachung, die der Internetprovider zu tragen hätte, besonders betont.

Geschichte und Wesen des Urheberrechts

Ist das Urheberrecht eine Anmaßung, wie Wieland es nannte, eine Einschränkung des menschlichen Geistes, eine Beschränkung von geistigen Allgemeingütern? Eckhard Höffners „Geschichte und Wesen des Urheberrechts“ ist keine herkömmliche Urheberrechtsgeschichte. Der Autor fängt dort an, wo die üblichen Fragen zur Frühgeschichte des Urheberrechts oft aufhören. Die Suche nach den Frühformen modernen Urheberrechts in Druckerprivilegien führen ins Leere. Das Urheberrecht ist auch keine Konsequenz einer naturrechtlichen Forderung des Schutzes geistigen Schaffens.

Titel Geschichte und Wesen des Urheberrechts
Geschichte und Wesen des Urheberrechts (Band 1)

Höffner hingegen geht vom Markt und vom Buchpreis aus. Er analysiert die Akteure in den Auseinandersetzungen um die Einführung von Sonderrechten an den Werken und die Begründungen, die als Rechtfertigung für oder gegen ein individualisiertes eigentumsähnliches Recht vorgebracht wurden.

Juristische und metajuridische Konzeptionen eines ausschließlichen Rechts an Geisteswerken bekommen in diesem Kontext ein neues Gesicht und erwachen außerhalb des Elfenbeinturms der juristischen Forschung zum Leben und liefern dem Leser entscheidende neue Erkenntnisse zum Urheberrecht.

Das Urheberrecht steht bis heute in einem Spannungsfeld zwischen Markt und den sich ständig im Fluss befindenden Versuchen der Rechtswissenschaft sich diesem auf abstrakter Ebene zu nähern. Dabei hat sich die Rechtswissenschaft mehr und mehr von realen Gegebenheiten des Marktes entfernt. Höffner deckt die historischen Gründe für die Entfernung auf und regt zur Korrektur an. Damit das Urheberrecht nicht zur Beschränkung von Wissen und Wissenschaft wird, ist ein radikales Umdenken angebracht. Eindrucksvoll bietet der Autor rechtshistorische Gründe für dieses Umdenken, damit das Urheberrecht wieder das leisten kann, was es ursprünglich zu leisten versprach: ein faires Verwertungsrecht für den Autor und gleichzeitig eine maximale freie Nutzbarkeit der Werke und des durch Autoren geschaffenen Wissens.


Informationen zu Band 2 (etc.) finden Sie hier.

Beide Bände sind erhältlich (Hardcover): Bestellformular


Band 1 (2011, 518 + 10 Seiten): 48,00 Euro (ISBN: 978-3-930893-18-8, 2. bearbeitete und ergänzte Aufl.)
Band 2 (2010, 434 + 14 Seiten): 68,00 Euro (ISBN: 978-3-930893-17-1)
Band 1 und 2: 100,00 Euro (Serienpreis)

Erratum: Bitte benutzen Sie folgendes Stichwortverzeichnis: Index Bd. 2


Rezensionen:

Hinweis: Nachdem Rezensenten auf die Idee gekommen sind, nur Band 1 zu besprechen, um dann den Mangel an empirischen Belegen zu beklagen: Die empirischen Nachweise und die entsprechenden Erläuterungen sind nicht in Band 1 enthalten, was den entsprechenden Rezensenten wohl bekannt ist. Aber auf diese Art vermeidet man die Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Entwicklung, die sich dummerweise gar nicht so verhalten hat, wie es die Theorie vorschreibt. Über die Vorgehensweise der Rezensenten mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
 

Plagiatsjäger ohne Sinn und Verstand?

Nach den Dissertationen von zu Guttenberg, Veronika Saß und Matthias Pröfrock wird nun auch die Arbeit von Silvana Koch-Mehrin unter die Lupe genommen. Es werden mit scheinbar statistischer Neutralität die gefundenen Plagiate aufgezeigt. Nachdem zu Guttenberg Unglaubliches abgeliefert hatte, scheint alles möglich. In den Internetforen wird von einer Betrugsmentalität der angeblichen Leistungsträger oder von einer Verschwörung der linken Netzaktivisten gesprochen.

Die Suche nach Plagiaten und deren Diskussion in der Öffentlichkeit nimmt aber teilweise krude Formen an. Nicht dass ich die Dissertation von Fr. Koch-Mehrin: Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik gelesen hätte und mir ein eigenes Urteil über die Arbeit erlauben könnte. Es mag durchaus sein, das in der Arbeit einige Stellen enthalten sind, die man unter dem Begriff Plagiat erfassen kann — ich weiß es schlichtweg nicht und kann mir kein Urteil über die Arbeit erlauben. Aber was die Plagiatsjäger teilweise zum Plagiat stempeln (hier), das lässt doch Zweifel an der Methode aufkommen. Offenbar wird technokratisch nach Textstellen gesucht, in denen mehrere identische oder ähnliche Worte oder Wortfolgen auftauchen.

Bei einigen der nach diesem Maßstab gekennzeichneten Stellen der Arbeit von Dissertation von Fr. Koch-Mehrin handelt es sich um simple Darstellungen historischer Tatsachen. Dass die Autorin diese nicht selbst erlebt hat und folglich irgendwo abgeschrieben haben muss, liegt auf der Hand. Aber Wissenschaft bedeutet nicht, dass jeder bei Null anfangen muss. Die Fortpflanzung der Wissenschaften und Lehre ist, wie Hegel es ausdrückte, seiner Bestimmung und Pflicht nach die Repetition festgesetzter, überhaupt schon geäußerter und von außen aufgenommener Gedanken. Die Wiederholung der von anderen stammenden Gedanken ist Bestimmung und Pflicht der Wissenschaft. Selbstverständlich kann, soll und muss man sich auf den vorhandenen Grundstock an Wissen berufen können, ohne dessen Entstehung nun im Detail auf einzelne Personen zurückführen zu müssen. Und dieser Grundstock variiert von Fach zu Fach. Es ist wohl kaum Zweck einer physikalischen Arbeit, an jeder möglichen Stelle Newton oder Gauß zu referenzieren. In einer geisteswissenschaftlichen Arbeit kann es hingegen durchaus angezeigt sein, einen entsprechenden Verweis anzubringen. Man sollte hier mit Augenmaß urteilen und nicht einen stumpfsinnigen Wortvergleich durchführen. Viele historische Werke zeichnen sich beispielsweise dadurch aus, dass im Fließtext praktisch gar keine Verweise enthalten sind, sondern nur ein Literaturverzeichnis. Überhaupt scheint diese Methode, hinter nahezu jedem Satz einen Verweis anzubringen, von den Juristen zu stammen: ,,eine trockene kurzgefasste exegetische Glosse zu jedem Paragraph mit summarischer Angabe der Ansichten anderer Schriftsteller, darauf berechnet, das Studium so bequem und leicht als nur möglich zu machen …„, wie der österreichische Jurist Unger die seiner Meinung nach unwissenschaftlichen juristischen Texte umschrieb.

Als Plagiat wurde in der Arbeit von Frau Koch-Mehrin etwa die kurze Zusammenfassung über die Denomination einer Währung bezeichnet (hier):

  • Es gab zwei vollwertige Goldmünzen, das 20 und das 10 Kronenstück, sowie Scheidemünzen zu 2 und 1 Krone, sowie 50, 25 und 10 Öre. Das Gold bildete die Grundlage der Währung. Jede öffentliche Kasse war verpflichtet, Scheidemünzen umzuwechseln.
  • Es gab zwei vollwertige Goldmünzen (das 20- und das 10-Kronen-Stück) sowie Scheidemünzen (2 und 1 Krone sowie 50, 25 und 10 Öre). Das Gold bildete die Grundlage der Währung, nicht aber der Bimetallismus wie in Frankreich.

Es handelt sich um eine Darstellung einer historischen Tatsache unter Verwendung der für das Münz- und Währungswesen üblichen Fachsprache. Da ist meines Erachtens kein Platz für ein Plagiat. Soll etwa folgender Satz, den man gewiss (vielleicht mit minimalen Abweichungen) in zahllosen Schulbüchern lesen kann, irgend eines Hinweises bedürfen? ,,Mit der Währungsreform wurde die Deutsche Mark (DM) eingeführt. Die für die täglichen Geschäfte üblichen Zahlungsmittel waren aufgeteilt in Banknoten von fünf bis eintausend DM und Münzen von einem Pfennig bis fünf DM.„ Wer hier eine Fußnote setzt, macht sich eher lächerlich, selbst dann, wenn der Satz abgeschrieben sein sollte.

Ein weiteres angebliches Plagiat (hier):

  • Jedoch lag ein Angriff Frankreichs auf Italien kaum im Bereich realer Möglichkeiten.
  • Da ein Angriff Frankreichs auf Italien kaum im Bereich realer Möglichkeiten lag, […].

Was soll denn diese zwölf Wörter auszeichnen, dass sie für ein Plagiat geeignet erscheinen? Oder anders gefragt: Ab wann beginnt das Plagiat?

  • Im Jahr 800 wurde Karl zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl in Rom zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt.
  • Am Weihnachtstag im Jahr 800 wurde Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt, wobei die Umstände, die dazu führten nicht genau geklärt werden konnten.

Irgendwo gibt es zweifelsohne eine Grenze, aber mit Bestimmtheit lässt sich diese nicht festlegen. Noch ein Beispiel für ein angebliches Plagiat (hier):

  • Für die französische Währung war das Jahr 1851 wesentlich, weil die am Edelmetallmarkt bestehende Relation das dem französischen Doppelwährungssystem zugrunde liegenden Gold/Silber-Wertverhältnis von 1 zu 15 unterschritt.
  • Für die französische Währung ist das Jahr 1851 bedeutungsvoll gewesen, weil in diesem Jahr die am Edelmetallmarkt bestehende Relation das dem französischen Doppelwährungssystem zugrundeliegende Wertverhältnis unterschritt.

Die eine Textstelle mag auf die andere zurückgehen, ist jedoch keine wörtliche Übernahme. Auch hier handelt es sich um simple Tatsachendarstellungen in der üblichen Fachsprache. Ein Plagiat würde ich hier ebenfalls nicht annehmen. Es ist beispielsweise eine bekannte Tatsache, dass Großbritannien aufgrund des fixen Gewichts und der Denomination der Silber- und Goldmünzen über lange Zeit wie magisch Goldmünzen anzog. Wenn ich das nun in einer Dissertation unterbringe, ohne irgend einen Hinweis auf eine Quelle, weil ich mir dieses Wissen irgendwann einmal angeeignet habe, sehe ich darin kein Problem. Wenn ich ein wissenschaftliches Buch lese, dann doch mit dem Ziel, dass ich mir die dort festgehaltenen Informationen zu eigen machen kann.

Was also fürs erste durch die Bekanntmachung eines Buchs sicherlich feil geboten wird, ist das bedruckte Papier, für jeden der Geld hat, es zu bezahlen, oder einen Freund, es von ihm zu borgen; und der Inhalt desselben, für jeden der Kopf und Fleiß genug hat, sich desselben zu bemächtigen.

Das ist eine Selbstverständlichkeit, in den Worten von Johann Gottlieb Fichte. Sein Anliegen lag bestimmt nicht darin, Plagiaten Vorschub zu leisten.

Es ist sicherlich eine Gratwanderung und in manchen Fällen besteht die offensichtliche Pflicht, die Quelle zu nennen. Aber ein wenig mehr Sinn und Verstand bei der Beurteilung kann man von einer kritischen Auseinandersetzung, wie VroniPlag die eigene Tätigkeit umschreibt, durchaus erwarten.

Je mehr man sich vor allem mit einem geisteswissenschaftlichen Fachgebiet beschäftigt, desto öfters trifft man auf immer wieder die gleichen Ideen und Gedanken. Manche kann man über lange Strecken zurückverfolgen und so erkennen, wer von wem abgeschrieben hat und wieso sich diese oder jene wissenschaftliche Erkenntnis oder Meinung gebildet hat. Wer aber mit der in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg im Hinblick auf die Neugestaltung des Urheberrechts propagierten Vorstellung, die Urheber schöpften aus nichts anderem als ihrem Wesen geistige Werke und müssten, weil das Werk Teil der Schöpferpersönlichkeit ist und ausschließlich dieser die Existenz verdanke, geistiges Eigentum zugesprochen bekommen, die Sache beurteilt, der verkennt nicht nur die Realität, sondern den auch den Sinn der Wissenschaft.  Der Großteil von dem, was in einem Standardwerk steht, sollte auch genauso verstanden werden: als wissenschaftlichen Standard, der inhaltlich zur freien Verfügung der Wissenschaftler steht. Wenn dieser in eigene Worte gekleidet wurde, sind auch urheberrechtliche Kopiervorwürfe fehl am Platz.

Oder soll man wieder die Diskussionen der Aufklärung führen, dass es an Gedanken genauso wenig ein Eigentum gibt wie an Luft oder dem Sonnenschein? Die Apologeten der „Das ist mein Gedanke“-Geisteshaltung, die jede klitzekleine Variation einer Formulierung irgend einem Individuum zuschreiben wollen, sollten von Christoph Martin Wieland lernen:

Ein solches Volk betrachtet den ganzen Schatz von Erfahrung, Wissenschaft und Kunst, den das gegenwärtige Jahrhundert von allen vergangenen geerbt und durch eigenen Fleiß so ansehnlich vermehrt hat, als ein eben so gemeines Eigenthum der Menschheit, wie Luft und Sonnenlicht; und jede Unternehmung gegen die Freiheit, nach eignem Belieben aus diesen Gemeinquellen zu schöpfen, ist in seinen Augen eine tyrannische Anmaßung gegen das unverlierbarste Naturrecht eines vernünftigen Wesens.

Wissenschaftliche Redlichkeit kann und soll man fordern. Aber mit einem mechanischen Vergleich von Wortabfolgen bei der Darstellung von historischen Tatsachen leistet man der Wissenschaft keinen Dienst, sondern legt sie in Ketten.

Krista Sager zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede von Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Entwicklung des Internets und der neuen IuK-Techniken haben auch die Arbeit im Wissenschaftsbereich revolutioniert.

Für viele Aspekte der wissenschaftlichen Praxis, von der wissenschaftlichen Recherche über die Kommentierung bis zum internationalen Diskurs, ergeben sich enorm erweiterte und beschleunigte Möglichkeiten. Der leichtere und schnellere Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit bringt positive Impulse für den Fortschritt in der Wissenschaft und den Erkenntnisgewinn.

Es ist nur konsequent, Zugangsbarrieren im Bereich der Wissenschaft nicht nur im Bereich der technischen Verfügbarkeit abzubauen, sondern auch Zugangsbarrieren im Bereich der Kosten zu hinterfragen. Gerade da, wo wissenschaftliches Arbeiten und Forschen öffentlich finanziert wird, ist es nicht einsehbar, dass die Allgemeinheit für den Zugang zu den Ergebnissen dieser Arbeiten noch einmal bezahlen soll.

Viele Bibliotheken konnten sich schon in der Vergangenheit viele internationale Journale mit hoher wissenschaftlicher Reputation kaum noch leisten, und die Kosten für die öffentliche Hand im Zusammenhang mit der Anschaffung wissenschaftlicher Publikationen sind zunehmend explodiert.

Die schnelle und leichte elektronische Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Arbeiten tritt zunehmend in einen Widerspruch zu einer vorhandenen Kostenbarriere für die Nutzerinnen und Nutzer dieser Ergebnisse. Kein Wunder also, dass die Forderung nach Open Access, nach kostenfreiem Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen für die Nutzerseite, nicht nur international immer mehr um sich greift, sondern in unterschiedlicher Weise und auf unterschiedlichen Wegen bereits praktiziert wird. Dies reicht von anderen Bezahlmodellen, die nicht die Nutzerinnen und Nutzer belasten, über wissenschaftsgeleitete Open-Access-Plattformen bis zur Verpflichtung der Open-Access-Veröffentlichung im Zusammenhang mit der öffentlichen Forschungsfinanzierung. Nicht nur die Forderung nach, sondern auch die Umsetzung von Open Access im Wissenschaftsbereich hat in letzter Zeit unübersehbar an Dynamik gewonnen. Wir sind dafür, diesen Prozess auch politisch zu unterstützen.

Bei dieser Entwicklung spielt sicher auch eine Rolle, dass nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer ein Interesse an einem möglichst barrierefreien Zugang haben, sondern auch die Verfasserinnen und Verfasser wissenschaftlicher Beiträge diese möglichst breit mit der wissenschaftlichen Community teilen möchten. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fühlen sich von den wissenschaftlichen Verlagen zunehmend ausgebeutet, weil ein Großteil der Arbeit für die elektronische Publikationsfähigkeit von den Autorinnen und Autoren selbst erbracht werden muss. Auch die notwendigen Peer-Review-Verfahren werden in der Regel kostenlos von der Scientific Community selbst geleistet. Gleichzeitig werden den Autorinnen und Autoren alle oder fast alle Rechte an ihren eigenen Beiträgen genommen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen heute geltend, dass diese Quasi-Enteignung in keinem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Leistungen der Verlage steht.

Gleichzeitig gibt es aber auch die Warnung vor einem möglichen Verlust von Publikationsmöglichkeiten, wenn die Arbeit von Verlagen nicht mehr angemessen honoriert würde oder es in der Folge der Open-Access-Bewegung zu einem noch stärkeren Konzentrationsprozess kommen sollte. Gerade in den Fachrichtungen, in denen die Buchform immer noch eine gewisse Bedeutung hat, wird vor dem Verschwinden kleiner spezialisierter Verlage gewarnt.

Der Überlegung, dass die realen Verlagsleistungen vergütet werden sollten, trägt der sogenannte goldene Weg Rechnung. Dabei wird die Leistung des Verlages durch die Autorinnen und Autoren bzw. deren Institutionen finanziert und nicht durch die Nutzerinnen und Nutzer. Große Wissenschaftsorganisationen wie die DFG stellen dafür Publikationszuschüsse zur Verfügung. Durch den goldenen Weg sind inzwischen große Open-Access-Plattformen bedeutender internationaler wissenschaftlicher Verlage in verschiedenen Spezialrichtungen entstanden. Dieser Weg entlastet zwar die Nutzerinnen und Nutzer, beinhaltet aber nach wie vor die Gefahr der Überforderung der öffentlichen Hand, die für die Kosten der wissenschaftlichen Arbeit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ja im Regelfall schon aufkommt.

Eine andere Möglichkeit des Open Access ist der sogenannte grüne Weg, das heißt die kostenlose elektronische Zweitveröffentlichung nach einer vereinbarten Embargofrist ergänzend zur Verlagsversion, zum Beispiel auf einem fachspezifischem Institutserver oder einem interdisziplinären Repository.

Aus aktuellem Anlass möchte ich unterstreichen, dass Open Access, also der kostenfreie Zugang, die jeweilige wissenschaftliche Veröffentlichung nicht zum Allgemeingut macht, sondern diese weiterhin nach den Maßgaben wissenschaftlicher Redlichkeit als die wissenschaftliche Leistung ihrer Verfasserinnen und Verfasser zu behandeln ist.

Um Open Access zu garantieren, ohne die öffentliche Hand alleine mit den Verlagskosten zu belasten, wird international die Pflicht zur Open-Access-Veröffentlichung haushalts- oder vertragsrechtlich zunehmend schon mit der Bewilligung von öffentlichen Forschungsmitteln verbunden. In den USA wird eine entsprechende Gesetzesinitiative diskutiert. Die EU hat dieses Verfahren erprobt und will es zukünftig ausweiten und zum Regelfall machen.

Die Verankerung eines Zweitverwertungsrechts im § 38 a des Urheberrechtsgesetzes, wie die SPD es heute vorschlägt, würde zweifellos in der Open-Access-Szene und Teilen der Scientific Community als starkes Signal gewertet. Trotzdem sollten wir uns vor einer endgültigen Festlegung auf dieses Instrument im Ausschuss gründlich mit den Vor- und Nachteilen dieses Vorschlages und auch mit den anderen Wegen zum Open Access befassen. Denn es gibt da doch einige wichtige Fragen. Die vorgeschlagene Änderung stärkt zwar die Rechte der wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren, enthält aber nicht die Verpflichtung zur kostenlosen Veröffentlichung, geht also weniger von den Interessen der Nutzerinnen und Nutzer öffentlich oder überwiegend öffentlich finanzierter Forschung aus.

Wie weit ist die Reichweite des deutschen Urheberrechts in einem Bereich, wo das Publikationsgeschehen international ist, die größten Verlage sich im Ausland befinden und wissenschaftliche Ergebnisse oft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Staaten in Kooperation erbracht werden? Sind die vorgeschlagenen Embargofristen bei der Zweitveröffentlichung für die unterschiedlichen Bedürfnisse im Wissenschaftsbereich differenziert genug? Wie wären die Auswirkungen auf Publikationsmöglichkeiten im Bereich der Geisteswissenschaften zum Beispiel bei kleineren spezialisierten Verlagen? Welche Auswirkungen könnte die Grenze der mindestens hälftigen öffentlichen Finanzierung für öffentlich-private Forschungskooperationen haben? Ist der § 38 a des Urheberrechts geeignet für die Weiterentwicklung von Open Access in einem nach wie vor lernenden System, das noch sehr im Umbruch ist? Diesen Fragen sollten wir im Ausschuss nachgehen, gerne auch unter Hinzuziehung von Experten.


Hier geht es zu Homepage von Krista Sager.

Stephan Thomae zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.

 


Rede von Stephan Thomae (FDP)

Der Rohstoffreichtum unseres Landes liegt in den Köpfen seiner Menschen. Kreativität, Innovationsgeist, Erfindungsreichtum und Risikobereitschaft sind die Quellen unseres Wohlstandes.

Erfindungen und Entdeckungen bedürfen aber von ihrer Entstehung bis hin zu ihrer Verwirklichung bisweilen eines hohen Maßes an immateriellem und materiellem Einsatz. Solche Investitionen werden nur getätigt, wenn eine reale Chance dafür besteht, dass sich Kreativität und die dafür aufgewendeten Mittel auch auszahlen können.

Dafür muss der Staat die Rahmenbedingungen schaffen. Der effektive Schutz und die wirksame Nutzbarkeit und Durchsetzbarkeit der Rechte des geistigen Eigentums sind mithin eine unerlässliche Voraussetzung, um Kreativität und Innovationen zu fördern. Ich gehe davon aus, dass darüber in diesem hohen Haus mehr oder weniger Konsens herrscht. Wie man diese Ziele jedoch erreichen will, darüber kann man streiten.

Die SPD setzt sich mit dem von ihr eingebrachten vorliegenden Gesetzentwurf für ein Zweitverwertungsrecht wissenschaftlicher Urheber ein. Damit soll das Ziel erreicht werden, Wissenschaft, Forschung und Bildung unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen Zugang zu wissenschaftlichen Informationen zu ermöglichen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird sich dem vorliegenden Antrag aus verschiedenen Gründen nicht anschließen. Zum einen ist der Antrag in sich sprachlich widersprüchlich. Wer Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht an seinem Werk einräumt, kann selber kein Nutzungsrecht an dem Werk haben, es sei denn, es wurde vorher so vereinbart. Da entsprechende Vereinbarungen bereits jetzt im Rahmen der Privatautonomie möglich sind, bedarf es hierfür keines eigenen Gesetzgebungsverfahrens.

Zum anderen sprechen auch inhaltliche Argumente gegen ein obligatorisches Zweitverwertungsrecht: Ein solches Zweitverwertungsrecht würde die Nutzungsrechte desjenigen beschneiden, dem der Urheber zuvor eben jene Nutzungsrechte eingeräumt hat. Mit anderen Worten: Wenn sich ein Autor bewusst zur Veröffentlichung seines Beitrags in einem Verlag entscheidet, dann darf der Verlag nicht einer gesetzlich angeordneten Konkurrenz ausgesetzt werden, sondern dann müssen die vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf die Nutzungsrechte grundsätzlich Bestand haben. Ein obligatorisches Zweitverwertungsrecht im deutschen Recht würde darüber hinaus zu einer Wettbewerbsverzerrung zulasten deutscher Verlage führen.


Abschließend sei Ihnen gesagt, dass der von der SPD angestrebte Erfolg mit der Schaffung eines solchen Zweitverwertungsrechts keineswegs gesichert wäre; denn das Zweitverwertungsrecht gäbe den Wissenschaftlern nur das Recht zur Zweitveröffentlichung. Kein Wissenschaftler wäre aber gezwungen, sich um eine solche Veröffentlichung zu bemühen und sein Zweitverwertungsrecht auch tatsächlich auszuüben.

Um die Zweitverwertung zu gewährleisten, wären deshalb ergänzende Regelungen in den Bedingungen für die Vergabe von Fördergeldern erforderlich, mit denen der Wissenschaftler zur Zweitverwertung verpflichtet wäre. Eine solche Pflicht wäre urheberrechtspolitisch bedenklich, weil sie dem Grundsatz widerspricht, dass allein der Urheber über das Ob und das Wie einer Veröffentlichung seiner Werke entscheidet.

Aus diesen Gründen wird die FDP-Bundestagsfraktion den vorliegenden Gesetzentwurf nicht unterstützen.


Hier geht es zu Homepage von Stephan Thomae.

Ansgar Heveling zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede Ansgar Heveling (CDU/CSU)

Lassen Sie uns heute über das Zweitverwertungsrecht reden. Darum geht es jedenfalls in dem auf Drucksache 17/5053 vorgelegten Gesetzentwurf der SPD – vordergründig jedenfalls. Eigentlich geht es aber eher um etwas anderes. Eigentlich geht es darum, dass sich die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf das „Ich bin schon da“-Gefühl geben möchte, das wir aus dem „Hase und Igel“-Märchen der Gebrüder Grimm kennen. Während die Koalition behäbig ihre Themen abarbeitet, kommt die SPD flink und listig mit allem schon viel früher um die Ecke. Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Der Punkt geht an Sie – jedenfalls der Punkt, dass Sie schneller sind.

Aber Listigkeit und Flinksein haben ihren Preis. Das sehen wir gerade an dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf. Um nicht zu sagen: Der Erfolg ihres Gesetzentwurfs reduziert sich allein darauf, dass Sie ihn schneller vorgelegt haben. Ihnen mag das vielleicht reichen; uns reicht es jedenfalls nicht.

Machen wir es also ebenso schnell: Der Gesetzentwurf der SPD ist viel zu kurz gesprungen. Er ist reine Effekthascherei, weil er einen einzelnen Aspekt, das Zweitverwertungsrecht, ausschließlich so, wie ihn eine Interessengruppe, verschiedene Wissenschaftsorganisationen, nach vorne tragen, in Gesetzesform gießen will.

Ich kann zwar nachvollziehen, dass sich die SPD angesichts der Tatsache, dass es nur um den kurzfristigen Effekt geht, wirklich nicht viel Mühe machen wollte; aber so einseitig vorzugehen und nicht einmal im Ansatz den Versuch zu starten, mit einem Gesetzentwurf den Ausgleich verschiedener Interessen vorzunehmen, das ist schon bemerkenswert. Bemerkenswert unklug! So weit zum Gesetzentwurf der SPD.

Nun zum eigentlichen Thema, das wirklich die ernsthafte Auseinandersetzung lohnt. Denn es sind einige Faktoren in der Tat nicht von der Hand zu weisen:
Zum einen wollen Wissenschaftler nachvollziehbarerweise ihre Ergebnisse gerne im Verlag mit dem höchsten Renommee veröffentlichen. Daraus hat sich in einigen Bereichen eine gewisse Monopolisierung ergeben. Und es stimmt: Manche Verlage nutzen diese Monopolbildung aus, verlangen immer höhere Preise und erreichen dadurch Margen von bis zu 70 Prozent.

Zum anderen halten die Bibliotheksetats bei der explosionsartigen Vermehrung von Veröffentlichungen nicht Schritt. Im Gegenteil, die finanzielle Ausstattung durch die öffentliche Hand wird immer schmaler.

Da ist es eigentlich kein Wunder, dass von interessierter Seite der Ruf nach einer Schranke zugunsten einer Zweitverwertungsmöglichkeit laut wird. Aber nur weil der Ruf erschallt, heißt das noch nicht zwangsläufig, dass man ihm folgen muss, vor allem nicht, dass man sich dann auf dem richtigen Weg befindet.

„Quidquid agis prudenter agas et respice finem“ lautet ein lateinisches Sprichwort: Was auch immer du tust, handle klug und bedenke das Ende! Wenn der Gesetzentwurf der SPD dies schon nicht tut, dann sollten wir das im Interesse der Urheber sehr sorgsam tun. Das braucht naturgemäß Zeit – Zeit, die wir uns zur sorgsamen Vorbereitung des Dritten Korbs der Urheberrechtsreform auch nehmen, um solche Schnellschüsse wie den SPD-Gesetzentwurf zu vermeiden.

Wir sollten daher genau überlegen, ob ein solches Zweitverwertungsrecht wirklich zielführend ist. In diesem Überlegungsprozess befinden wir uns derzeit.

Erstens. Es sind vor allem die Wissenschaftsorganisationen, die die Einführung eines Zweitverwertungsrechtes forcieren. Wo ist da die Stimme der wirklichen Urheber? Sind sie so schwach, dass sie der Stimme anderer bedürfen? Oder sind sie vielleicht damit zufrieden, dass sie gerade in dem besonderen Journal X oder der Zeitschrift Y ihre Ergebnisse veröffentlichen können?

Zweitens. Ist eine gesetzliche Regelung im Urheberrecht wirklich das richtige Instrument? Der SPD-Antrag fordert das Zweitverwertungsrecht ausschließlich für die Veröffentlichung von Ergebnissen öffentlich geförderter Forschung. Damit wird der Gegenstand des Zweitverwertungsrechts schon deutlich eingeschränkt. Hinter dieser Beschränkung steht die nachvollziehbare Überlegung, dass die öffentliche Hand nicht zweimal für Forschung bezahlen soll: zum einen über die Forschungsförderung und zum anderen über die Bibliotheksförderung.

Wenn es aber ohnehin nur um die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung geht, dann stellt sich die Frage, ob das gewünschte Ziel nicht bereits durch Zuwendungsauflagen bei der Fördermittelvergabe erreicht werden kann. So breit wie die öffentliche Förderung aufgestellt ist, müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht ausreichend kritische Masse auf diesem Weg erzeugt werden könnte, um den Verlagen als ebenbürtiger Verhandlungspartner gegenüberzustehen.

Drittens. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Forderung nach einem Federstrich des Gesetzgebers nicht sogar von dem eigentlichen Problem ablenkt, nämlich dem Problem, dass Etats von wissenschaftlichen Bibliotheken immer weiter reduziert werden und immer weniger Mittel für die Bereitstellung von Publikationen zur Verfügung stehen. Ist es richtig, das auf Kosten der Verlage zu sanktionieren?

Viertens. Können Verlage überhaupt noch verlässlich kalkulieren, wenn es ein verbindliches Zweitverwertungsrecht gibt? Die Verlage investieren in Veröffentlichungen. Sie steuern technisches Know-how bei und erbringen mit dem Lektorieren, Setzen und Publizieren eigene Leistungen. In der Summe wollen Verlage selbstverständlich ihre verlegten Werke auch amortisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass die renommierten Publikationen noch teurer und viele andere Werke einfach gar nicht mehr verlegt werden. Am Ende mögen weniger Veröffentlichungen und damit weniger Qualität stehen. Weder die Verlage, die nicht jedes Werk verlegen wollen, noch die Urheber, die ja gerade in einschlägigen Journalen veröffentlichen wollen, werden sich möglicherweise zwingen lassen. Auch das müssen wir bedenken.

Sie sehen: Allein die Diskussion um diese eine Schranke im Urheberrecht wirft viele Fragen auf – Fragen, die bedacht sein wollen und auf die der Gesetzentwurf der SPD auch nicht im Ansatz eine Antwort gibt.

Ich will nicht verhehlen, dass ich persönlich einem Zweitverwertungsrecht insgesamt kritisch gegenüberstehe. Ich sehe, dass hier die Gefahr einer Kostenverlagerung von den Nutzern auf die Kreativen besteht. Ich sehe die Gefahr, dass letztlich die Qualität von Veröffentlichungen leidet. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass es statt weniger mehr Monopolisierung gibt. Wir sollten daher mit dem Instrument des Zweitverwertungsrechts sehr vorsichtig sein – vorsichtiger als die SPD mit ihrem Gesetzentwurf.


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