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Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen AG

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) beschlossen.

Die Gesellschaft wird wohl zunächst als Vehikel für internationale Kooperationen dienen. Ob allerdings das deutsche Modell mit der bei Unternehmern unbeliebten Mitbestimmung international Aussicht auf Zukunft hat, kann bereits jetzt beantwortet werden. Sicherlich nicht.

Nachdem der EuGH in den bekannten Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art der Sitzverlegung von Gesellschaften innerhalb der EU Tür und Tor geöffnet hat, ist fraglich, ob noch Bedarf für die Europäische Aktiengesellschaft besteht. Wie groß die Nachfrage nach den im Anschluss an die Überseering-Entscheidung zahlreich auftretenden Angebote zur Gründung von englischen Limited+Gesellschaften ist, ist noch nicht abzuschätzen. Allerdings waren in Großbritannien bereits die ersten Äußerungen zu hören, aus dem Export der englischen Limited eine Einnahmequelle zu schaffen.

Liechtenstein, mit ca. 100.000 registrierten Gesellschaften bei rd. 32.000 Einwohnern, ist offenbar in der hiesigen Beraterbranche nicht nicht als Einnahmequelle entdeckt. Schließlich kommen Gesellschaften aus Liechtenstein über das EWR-Abkommen die gleichen Rechte zu wie den englischen Limiteds oder neuerdings selbstverständlich auch den maltesischen Off-Shore-Gesellschaften. Allerdings ist Gesellschaft in Liechtenstein auch nicht zum englischen Discountpreis von ca. 200 EUR (alles, auch Kapital, inklusive) zu bekommen.

Zurück zum Gesetzesentwurf:

„Die Einführung der Europäischen (Aktien-) Gesellschaft erleichtert deutschen, europaweit agierenden Unternehmen die grenzüberschreitende Betätigung und stärkt deren internationale Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries.

„Mit der Europäischen Gesellschaft steht erstmals eine in wesentlichen Fragen einheitliche europäische Rechtsform für Kapitalgesellschaften zur Verfügung. Sie ermöglicht Unternehmen eine Expansion und Neuordnung über Ländergrenzen hinweg, ohne die kostspieligen und zeitaufwändigen Förmlichkeiten beachten zu müssen, die bislang mit der Gründung von Tochtergesellschaften verbunden sind.“

Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Wolfgang Clement hob hervor: „Die europäische Gesellschaft eröffnet besonders für kleine und mittlere Unternehmen neue und unbürokratische Chancen, ihr Engagement im Ausland zu verstärken“.

Grundlage der Regelungen zur Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea, kurz: SE) sind zwei EU-Rechtsakte aus dem Jahr 2001: die Verordnung über das Statut der SE und die ergänzende Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer.

SE ist die Bezeichnung für eine europäische Aktiengesellschaft. Das gezeichnete Kapital der Gesellschaft muss mindestens 120.000 Euro betragen. Eine SE kann durch Umwandlung, Verschmelzung oder durch Gründung einer Holding- oder Tochtergesellschaft gegründet werden. Das Gesetz ist auf Gründungsgesellschaften anwendbar, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben oder über eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügen.

Europaweit tätige Unternehmen können mit der SE grenzüberschreitend verschmelzen und sich dabei erstmals einer einzigen, flexibel einsetzbaren Rechtspersönlichkeit bedienen. Hierdurch erlangen sie im internationalen Wettbewerb wirtschaftliche und psychologische Vorteile. Statt des bisher erforderlichen Aufbaus eines Netzes von Tochtergesellschaften, für die unterschiedliche nationale Vorschriften gelten, können die Konzerne sich bereits ab Oktober dieses Jahres in Form von weigstellen organisieren. Das spart Zeit und Kosten, insbesondere durch den hiermit verbundenen geringeren Verwaltungsaufwand.

Erläuterungen zur Novelle:

Einfache Sitzverlegung

Ein großer Vorteil der SE als europäischer Rechtsform ist, dass sie jederzeit und einfach Landesgrenzen überwinden kann. Der Satzungssitz einer SE kann nach den Regelungen der EU-Verordnung identitätswahrend in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden.

Aufbau

Die Unternehmen können zwischen zwei verschiedenen Leitungssystemen wählen: dem – in Deutschland bestehenden – dualistischen Modell mit einer Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat oder dem – etwa in England und Frankreich üblichen – monistischen Modell.

Kennzeichnend für das monistische Modell ist:

  • Ein Verwaltungsrat leitet die SE, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung.
  • Der Verwaltungsrat bestellt für die laufende Geschäftsführung einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren. Diese sind an die Beschlüsse des Verwaltungsrats gebunden und können jederzeit abberufen werden.

Mitbestimmung

Im deutschen Recht neu ist die Form der Mitbestimmung. Die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer SE wird grundsätzlich im Wege von Verhandlungen zwischen einem sog. besonderen Verhandlungsgremium, das die Arbeitnehmer aller beteiligten Gesellschaften vertritt, und den Leitungen dieser Gesellschaften festgelegt.

Wird in den Verhandlungen kein Konsens erzielt, greift eine gesetzliche Auffangregelung: Danach richtet sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsrat der SE grundsätzlich nach dem höchsten Anteil der Arbeitnehmervertreter in den Gründungsgesellschaften.

Schließlich sind die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsrat anteilig aus den Mitgliedstaaten zu entsenden, in denen die SE Arbeitnehmer beschäftigt. So wird der internationalen Prägung der Gesellschaft Rechnung getragen.


Entwurf des Gesetzes zur Einführung der Europäischen AG: Download als PDF
Verordnung über die Europäische Gesellschaft (AG) Download als PDF

Kommission legt neuen Richtlinienvorschlag für Fusionen vor

Die Europäische Kommission hat eine Richtlinie vorgeschlagen, die die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU, die durch die unterschiedlichen innerstaatlichen Regelungen erschwert wird, erleichtern soll. Die Richtlinie soll vor allem kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften helfen, die über ihren eigenen Mitgliedstaat hinaus tätig sein wollen, nicht aber unionsweit und deshalb kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen dürften, eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) zu gründen. Nach dem im Richtlinienvorschlag geregelten Verfahren sollen für Verschmelzungen die in dem betreffenden Mitgliedstaat für solche Vorgänge im Inland geltenden Grundsätze und Vorschriften maßgebend sein. Die Richtlinie schließt eine wichtige Lücke im Gesellschaftsrecht. Sie ist die erste Maßnahme, die die Kommission auf der Grundlage ihres im Mai 2003 angenommenen Aktionsplans zum Gesellschaftsrecht und zur Corporate Governance in der Europäischen Union vorlegt.

Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein kommentierte den Richtlinienvorschlag mit folgenden Worten: „Wenn wir grenzübergreifende Verschmelzungen einfacher machen, leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, für die Unternehmenskooperationen und -umstrukturierungen notwendig sind. Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten sind derzeit schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Dieser Vorschlag soll Abhilfe schaffen. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass solche Verschmelzungen nicht missbraucht werden, um innerstaatliche Arbeitnehmerrechte zu umgehen. Die Richtlinie sollte zügig erlassen werden, da es nach der Erweiterung für Unternehmen noch wichtiger sein wird, über die Landesgrenzen hinaus kooperieren zu können.“

Nach dem derzeitigen Stand des EU-Rechts sind Verschmelzungen auf europäischer Ebene nur zwischen Unternehmen aus bestimmten Mitgliedstaaten möglich. In anderen Mitgliedstaaten sind fusionswillige Unternehmen gezwungen, zu komplexen, kostspieligen juristischen Konstruktionen zu greifen. Diese Arrangements komplizieren den gesamten Vorgang und werden nicht immer mit der gebotenen Transparenz und Rechtssicherheit vollzogen. Zudem haben sie in der Regel die Auflösung der einbringenden Gesellschaft zur Folge, was hohe Kosten verursachen kann.

Der vorliegende Vorschlag, der für alle Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, GmbHs usw.) gilt, will grenzübergreifende Verschmelzungen vereinfachen, indem die für solche Vorgänge maßgebenden Regelungen stärker den Vorschriften angepasst werden, die für Verschmelzungen zwischen Gesellschaften gleichen Rechts gelten. Das bedeutet, dass jede an einer grenzübergreifenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft nach dem Recht ihres eigenen Mitgliedstaats verfahren würde, mit dem sie ohnehin vertraut ist (hiervon ausgenommen sind bestimmte in der Richtlinie geregelte Fälle, die mit dem grenzübergreifenden Aspekt der Fusion zusammenhängen).

Die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Schutzgarantien für Gläubiger, Anleihegläubiger und Inhaber von anderen Wertpapieren als Aktien sowie für Minderheitsgesellschafter und Arbeitnehmer werden durch die Richtlinie bestätigt.

Im besonderen Fall der Arbeitnehmerrechte gilt das innerstaatliche Recht, das für die aus der Verschmelzung hervorgegangene Gesellschaft maßgebend ist. In einem Mitgliedstaat, das ein Mitbestimmungsrecht kennt, gilt dieses Mitbestimmungsrecht auch in dem betreffenden Unternehmen. Ist das neue Unternehmen hingegen in einem Mitgliedstaat ohne eine entsprechende Regelung gegründet worden, muss ein Mitbestimmungsrecht nicht eingeführt werden. Anders liegt der Fall, wenn zumindest eines der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen in seinem Herkunftsstaat der Mitbestimmung unterlag und das neue Unternehmen nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet werden soll, das keine Mitbestimmung kennt. Nach dem Vorbild des SE-Statuts muss dann eine Mitbestimmungsregelung ausgehandelt werden (vgl. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft und die ergänzende Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001). Nur wenn die Verhandlungen scheitern, würde als Auffanglösung die vorher bestehende Mitbestimmungsregelung übernommen.

Unterlagen die Unternehmen vor der Fusion der gesetzlichen Mitbestimmung, können sie beschließen, das aus ihrer Fusion hervorgegangene neue Unternehmen in einem Mitgliedstaat zu gründen, in dem eine sehr viel lockere Mitbestimmungsregelung besteht. In diesem Fall müssen sie nicht das im SE-Statut vorgesehene Verhandlungsverfahren bemühen.

Der Vorschlag ist im vollen Wortlaut hier einsehbar.

Unlängst hat die Kommission überdies einen ergänzenden Vorschlag zur Aktualisierung, Präzisierung und Erweiterung der EU-Richtlinie 90/434/EWG vorgelegt, die einen Steueraufschub bei Fusionen, Spaltungen, der Einbringung von Unternehmensteilen und dem Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, vorsieht.

Bereits 1984 hatte die Kommission einen Vorschlag für eine Zehnte Richtlinie des Rates über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften angenommen. Dieser Vorschlag wurde vom Europäischen Parlament in mehreren Ausschüssen geprüft, u. a. im Rechtssausschuss, der seinen Bericht im Oktober 1987 vorlegte. Das Europäische Parlament nahm zu dem Richtlinienvorschlag jedoch nicht Stellung, weil das Problem der Arbeitnehmermitbestimmung nicht gelöst werden konnte. Der Vorschlag, dessen Geschick in dieser Frage mit dem SE-Statut (so genannte „Europäische Aktiengesellschaft“) verknüpft war, befand sich damit in der Sackgasse – diese Situation dauerte mehr als 15 Jahre an.

Dieser erste Vorschlag für eine Zehnte Gesellschaftsrechtsrichtlinie wurde 2001 von der Kommission zusammen mit weiteren seit Jahren anhängigen oder gegenstandslos gewordenen Vorschlägen zurückgezogen, um zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Vorschlag auf der Grundlage der neuesten Entwicklungen des Gemeinschaftsrechts vorlegen zu können.

Im Oktober 2001 wurden die Verordnung über das SE-Statut und die ergänzende Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer erlassen. In der Richtlinie ist eine Auffanglösung für den Fall vorgesehen, dass sich die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter nicht auf ein Mitbestimmungsmodell einigen können. Damit war der Weg frei für einen neuen Vorschlag auf der Grundlage ähnlicher Prinzipien zur Regelung grenzübergreifender Verschmelzungen.

Kommission schlägt Änderung “Mutter Tochter Richtlinie” vor

Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag zur Änderung der so genannten Mutter-/Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) vorgelegt. Darin schlägt sie im Einzelnen vor, den Anwendungsbereich der Richtlinie auszuweiten, damit eine größere Anzahl von Unternehmen abgedeckt ist, die vorgeschriebene Mindestbeteiligung für die Inanspruchnahme der Steuervorteile von 25 % auf 10 % herabzusetzen und die Mechanismen zur Verhinderung von Doppelbesteuerung zu verbessern. Neben anderen Rechtsformen soll auch die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea — SE), die ab 2004 gegründet werden kann, in das Verzeichnis der von der Richtlinie erfassten Gesellschaften aufgenommen werden.

Die Mutter-/Tochter-Richtlinie, die steuerliche Hindernisse für Unternehmensgruppen in der EU beseitigen soll, indem sie bei Dividendenzahlungen zwischen verbundenen Gesellschaften in unterschiedlichen Mitgliedstaaten eine Befreiung von der Quellensteuer vorsieht und verhindert, dass Gewinne der Tochter bei der Mutter nochmals besteuert werden, ist in ihrer jetzigen Form wegen ihres eng gefassten Anwendungsbereichs nur von begrenzter Wirksamkeit. Der Vorschlag ist Teil der Unternehmensteuerstrategie, die die Kommission 2001 vorstellte. In diesem Zusammenhang hatte die Kommission eine Reihe steuerlich bedingter Hindernisse für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt ermittelt und kurz- und langfristige Maßnahmen der Gemeinschaft zur Beseitigung dieser Hindernisse angekündigt.


„Dieser Vorschlag ist ein wichtiges Element unserer Strategie zur Beseitigung aller Formen der Doppelbesteuerung sowie aller anderen steuerlichen Hindernisse, mit denen Unternehmen heute konfrontiert sind, die von ihrer Freiheit zur grenzüberschreitenden Tätigkeit im Binnenmarkt Gebrauch machen“,

erklärte der für Steuern zuständige EU-Kommissar, Frits Bolkestein.
„Die Kommission ist entschlossen zu gewährleisten, dass die Steuerpolitik der EU dazu beiträgt, die EU bis zum Jahre 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“.

Der Vorschlag

Der Vorschlag besteht im Wesentlichen aus drei Elementen, die die Anwendung der Mutter-/Tochter-Richtlinie verbessern sollen.

Erstes Element ist die Aktualisierung des Verzeichnisses im Anhang zur Richtlinie, in dem die Rechtsformen aufgeführt sind, für die die Richtlinie gilt. Das Verzeichnis wird um neue, namentlich genannte Rechtsformen ergänzt, darunter Genossenschaften, Gesellschaften auf Gegenseitigkeit, bestimmte Körperschaften, die keine Kapitalgesellschaften sind, Sparkassen, sowie wirtschaftlich tätige Fonds und Vereinigungen. Aufgenommen wird auch die Europäische Gesellschaft, die ab Oktober 2004 gegründet werden kann. Sie bietet Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, die Möglichkeit, eine Unternehmensverfassung nach dem Gemeinschaftsrecht zu wählen.

Zweites Element des Vorschlags ist die Herabsetzung der Anforderungen für die Anwendung der Richtlinienbestimmungen, nach denen Dividendenzahlungen einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat an eine Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat von der Quellensteuer befreit sind. Die vorgeschriebene Mindestbeteiligung, die die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft besitzen muss, um in den Genuss dieser Befreiung zu kommen, soll von 25 % auf 10 % herabgesetzt werden.

Drittes Element ist die Vervollständigung des in der Richtlinie vorgesehenen Mechanismus zur Beseitigung der Doppelbesteuerung von Dividenden, die eine in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft erhält. Da bei der Tochtergesellschaft die Gewinne besteuert werden, aus denen diese die Dividenden zahlt, muss derzeit der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft entweder die von der Tochtergesellschaft ausgeschütteten Gewinne von der Steuer befreien oder die im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft bereits gezahlten Steuern anrechnen. Dem Vorschlag zufolge sollen künftig auch alle Steuern, die Töchter der Tochtergesellschaft („Enkelgesellschaften“) bereits auf die fraglichen Gewinne gezahlt haben, auf die Steuern angerechnet werden, die die Muttergesellschaft auf ihre Gewinne zahlen muss, so dass eine vollständige Beseitigung der Doppelbesteuerung erreicht wird.

Der jetzt vorgelegte Vorschlag ersetzt den früheren Vorschlag zur Änderung der Mutter-/Tochter-Richtlinie von 1993, und die Kommission hat den älteren Vorschlag folglich zurückgezogen.

Hintergrund

Die Richtlinie 90/435/EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (die so genannte „Mutter-/Tochter-Richtlinie“) dient der Beseitigung der Doppelbesteuerung von Gewinnen, die eine in einem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft in Form von Dividenden an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausschüttet.

Der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Tochtergesellschaft steuerpflichtig ist, muss jede Form der Quellensteuer abschaffen, während der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft die vereinnahmten Dividenden entweder befreien oder die im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft bereits gezahlte Steuer anrechnen muss.

Diese Formulierung ist schwer verständlich. Gemeint ist, dass der Staat, in dem die Tochtergesellschaft sitzt, die Gewinnausschüttungen nicht besteuern darf. Vielfach werden Gewinnausschüttungen — etwa mit einer Kapitalertragsteuer — bei der Auszahlung besteuert. Die Gewinne sind solche der Muttergesellschaft und sollen nur von der Muttergesellschaft besteuert werden.

Zugleich hat die Tochtergesellschaft bereits selber Steuern auf Gewinne (die eigenen Gewinne der Tochtergesellschaft) gezahlt. Diese Steuern sollen bei der Muttergesellschaft berücksichtigt werden.

Ziel der Regelung ist, dass die Gewinne nur in einem Land besteuert werden sollen. Wenn eine Tochtergesellschaft in einem Staat Gewinne erwirtschaftet, so hat es die Gewinne zu versteuern. Wenn diese Gesellschaft dann Gewinne an die Muttergesellschaft ausschüttet, so hat die Muttergesellschaft diese Gewinne, die ja eine Einnahme darstellen, grundsätzlich nochmals zu versteuern. In Deutschland wurde dieses Verfahren der Anrechnung der Körperschaftssteuer gerade erst abgeschafft.

Die Vorlage eines Vorschlags zur Aktualisierung der Mutter-/Tochter-Richtlinie war eines der Ziele, die sich die Europäische Kommission im Oktober 2001 setzte, als sie ihre Strategie für die Unternehmensteuern in der EU vorstellte. Sie äußerte damals die Auffassung, dass die Unternehmensteuersysteme in der EU mit Entwicklungen wie der Globalisierung und der wirtschaftlichen Integration im Binnenmarkt und in der Wirtschafts- und Währungsunion nicht Schritt gehalten haben, und ein neuer Anstoß nötig ist.

Die Kommission nannte in ihrer Strategie eine Reihe steuerlich bedingter Hindernisse für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt, bei denen sie Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene sieht, und schlug vor, diese Hindernisse im Wege eines zweigleisigen Vorgehens zu beseitigen. Sie erklärte auch, dass sie eine Reihe gezielter Maßnahmen plant, darunter der jetzige Vorschlag zur Ausweitung der Richtlinie zur Dividendenbesteuerung und eine vergleichbare Ausweitung des Anwendungsbereichs der Fusionsrichtlinie sowie weitere Maßnahmen betreffend den grenzübergreifenden Verlustausgleich, die Verrechnungspreise und die Doppelbesteuerungsabkommen.

Zum anderen war die Kommission der Auffassung, dass den Unternehmen langfristig die Möglichkeit gegeben werden müsste, für ihre grenzüberschreitenden Tätigkeiten innerhalb der EU eine konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer zu verwenden, um so den kostenträchtigen und ineffizienten Umgang mit 15 verschiedenen steuerlichen Regelwerken zu vermeiden.

Die Kommission ermittelte im Rahmen einer Studie verschiedene Wege zur Schaffung einer konsolidierten Besteuerungsgrundlage und erklärte, dass sie eine umfassende und tiefgreifende Diskussion dieser Angelegenheit einleiten wird. Die Kommission beabsichtigt, gegen Ende dieses Jahres über ihre politischen Schlussfolgerungen zum Thema einer konsolidierten Bemessungsgrundlage zu berichten.


Vorschlag in englischer Sprache (PDF)


Deutschland hat mit allen Mitgliedstaaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen (auch mit den verbleibenden EFTA-Staaten Island, Norwegen und der Schweiz, nicht jedoch mit Liechtenstein).


Briefkastengesellschaften in der EU erlaubt

In den Vereinigten Staaten haben sich zahlreiche börsennotierte Gesellschaften ihren Sitz in einem Ministaat – Delaware. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH (Urteil März 2005) ermöglicht dies zumindest.

In Delaware, einem kleinen Bundesstaat der Vereinigten Staaten an der Ostküste zwischen New York und der Hauptstadt gelegen, hatten im Frühjahr 2003

  • 50 % aller Aktiengesellschaften (300000 Aktiengesellschaften und 200000 Gesellschaften mit beschränkten Haftung und Personengesellschaften),
  • 58 % der Fortune 500 und
  • 63 % der Going-Public-Gesellschaften (1996-2000)

der US-amerikanischen Kapitalgesellschaften ihren satzungsmäßigen Sitz. In Delaware leben ungefähr 0,27% der US-amerikanischen Bevölkerung. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die neueren Entscheidungen des EuGH in den Fällen Centros und Überseering eröffnen zumindest diese Möglichkeit: Eine britische Gesellschaft, gegründet von dänischen Staatsbürgern auf der Basis eines Grundkapitals von 100 £, kann in Ausübung des Niederlassungsrechts ihre Geschäftsleitung nach Dänemark verlegen (bzw. von Anbeginn an die Geschäftsleitung außerhalb des Gründungsstaates haben) und alle Geschäfte dort tätigen.

Die Entfaltung irgendeiner geschäftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat ist nach dem EuGH nicht notwendig – es handelte sich um eine typische Briefkastengesellschaft. Auch dass die Gesellschaft nur deshalb in Großbritanien gegründet wurde, um die dänischen Vorschriften zur Aufbringung des Mindestkapitals zu umgehen, ist nach der Ansicht des EuGH belanglos. Die Ausnutzung des EU-Niederlassungsrechts zur Umgehung des eigenen staatlichen Rechts durch Gründung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen (Rechtswahl), sei nicht mißbräuchlich.

Bis vor kurzem war Deutschland ein Staat der Sitztheorie, ein Staat, der durch die konsequente Anwendung dieser Theorie die Anerkennung von Briefkastengesellschaften unmöglich machte. Eindeutig und konstant hat die deutsche Rechtsprechung unter dem Beifall des überwiegenden Schriftums sich immer wieder zu der Sitztheorie bekannt. Danach muss der Ort der Geschäftsleitung im Gründungsstaat liegen und kann von dort grundsätzlich nicht in das Ausland verlegt werden.

Wer eine Gesellschaft gründen will, hat jedoch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH Rechtswahlfreiheit: Er kann unter den von den Mitgliedstaaten angebotenen, ab Mai 2004 unter 10 weiteren unterschiedlichen nationalen Regelung auswählen, welches der angebotenen Gesellschaftsrechte ihm am genehmsten ist.

Drei Beispiele:

Malta

Malta hat in den vergangenen Jahren die Gesetzgebung darauf ausgerichtet, Offshore-Unternehmen anzuziehen. So genannte International Trading Companies nach maltesischem Recht wurden in weitem Umfang von den Steuerpflichten befreit; Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die Gesellschaft – abgesehen von bloßen Hilfsgeschäften – nicht in Malta werbend tätig wird. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Beitrittsverhandlungen darauf gedrungen, dass diese Regelungen geändert werden. Im Bericht der Kommission (2002) zum Beitritt Maltas wurde folgendes festgehalten: ,,So sollte noch vor Ende des Jahres ein Rechtsakt verabschiedet werden, der dafür sorgt, dass die noch bestehenden Offshore-Gesellschaften mit den bestehenden EG-Gesellschaftsrechtsrichtlinien in Einklang stehen, und dass es vom Tag des Beitritts an in Malta keine derartigen Gesellschaften mehr gibt.

Liechtenstein

Das EWR-Abkommen, das die EFTA-Staaten in den Binnenmarkt der Europäischen Union einbindet und seit dem 1.1. 1994 in Kraft ist, hat nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union an Bedeutung verloren. Art. 31 des EWR-Abkommens räumt den Staatsangehörigen im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit vergleichbare Rechte wie Art. 43 EGV ein. Es sind keine Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines EU/EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten zulässig. Zu den Rechten gehören die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind, insbesondere die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Nach Art. 34 des EWR-Abkommens sind die nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines EU- oder EFTA-Staates haben, den natürlichen Personen im Hinblick auf das Niederlassungsrecht gleichgestellt.

Seit dem 1. Mai 1995 gehört allerdings auch das Fürstentum Liechtenstein zum EWR. Durch das Holding- und Sitzprivileg bei der Besteuerung bestimmter in Liechtenstein gegründeter Gesellschaften, das strenge Bankgeheimnis und der Tatsache, dass die liechtensteinische Anstalt in der Regel von einem Treuhänder gegründet wird (die Anonymität des wirtschaftlichen Inhabers bleibt also gewahrt), ist Liechtenstein eine erste Anlaufstelle für Steuerflucht, Scheingeschäfte und zur Steuerumgehung. Der BFH hat mit Urteil vom 26. April 2001 so eine liechtensteinische Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Sitztheorie als nicht rechtsfähig eingestuft und dementsprechend die hinter den Gesellschaften stehende Person als steuerpflichtigen Unternehmer behandelt.

Die Gründe, wieso in Liechtenstein Gesellschaften gegründet werden – in aller Regel die Anonymität des wahren Inhabers der Gesellschaft, das strenge Bank- und Steuergeheimnis sowie steuerlicher Aspekte – ziehen Gelder aus der Schattenwirtschaft und andere Gruppen an, die darauf Wert legen, dass sie nicht erkannt werden können. Zwar ist Liechtenstein von der bei der OECD angesiedelten ,,Financial Action Task Force on Money Laundering„ (FATF) im zwölften Bericht vom 22. Juni 2001 von der Liste der unkooperativen Staaten im Bereich der Geldwäsche genommen worden. Hingegen wurde Ungarn, einer der zehn Beitrittstaaten im Rahmen der ersten Osterweiterung der EU, 2001 in diese Liste aufgenommen (nach Änderungen in 2002 wurde Unganrn wieder von der Liste der unkooperativen Staaten genommen und befindet sich bis zum Beitritt Ungarns zu der EU auf der Beobachtungsliste.). Einer der Gründe, wieso Staaten als potentiell die Geldwäsche fördernd angesehen werden, entstammt zumindest dem Gesellschaftsrecht: Wenn der wahre Eigentümer einer rechtlichen oder geschäftlichen Einheit, wozu selbstverständlich in erster Linie juristische Personen zu zählen sind, nicht von den für die Kontrollmaßnahmen im Bereich der Geldwäsche zuständigen Stellen erkannt werden kann.

Die bevölkerungsarmen Gründungsstaaten Liechtenstein und Malta räumen den Gesellschaften (bzw. den Gesellschaftern, je nach der autonomen Regelung) die genannten steuerlichen Vorteile ein, wenn die Unernehmen im Gründungsstaat selber nicht geschäftlich aktiv tätig werden. Ziel einer solchen Gesetzgebung ist, eine möglichst hohe Anzahl an Gesellschaften im Inland zu registrieren. Diese Gesellschaften sollen aber im Gründungsstaat keine Investitionen tätigen oder Arbeitsplätze schaffen. Die steuerlichen Vergünstigen gelten nur dann, wenn den inländischen, werbend tätigen Unternehmen kein Wettbewerb gemacht werden kann. Für die Staaten kann der Anreiz zur Schaffung solcher Regelungen nur in der schieren Anzahl der im eigenen Land registrierten Gesellschaften liegen.

Durch diese Konstruktion entsteht offensichtlich eine Schieflage. Die Gründungsstaaten haben nur ein geringes Interesse an einer konsequenten Aufsicht der konkreten, möglicherweise auch unlauteren geschäftlichen Tätigkeit der Unternehmen, da diese ausschließlich im Ausland ihre Geschäfte abwickeln. Ferner würde so eine wirksame und durchgehenden Aufsicht und Kontrolle die wirtschaftlichen Vorteile die die Staaten durch die Ansiedlung der Sitzgesellschaften haben, höchstwahrscheinlich zunichte machen. Der Staat oder die Staaten, in denen diese Gesellschaften hingegen am Markt auftreten, sind in den aufsichtsrechtlichen Mitteln eingeschränkt. Sie haben die Gesellschaften hinzunehmen und können eigene Wertvorstellungen nicht oder nur eingeschränkt durchsetzen.

Damit machen diese Staaten anderen Staaten Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. Insbesondere das Beispiel der liechtensteinischen Gesellschaften zeigt, dass Staaten im EWR durchaus gewillt sind, durch besonders vorteilhafte Regelungen einen Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften zu führen. Diese angeworbenen Unternehmen dürfen aber den im eigenen Land tätigen Unternehmen keinen Wettbewerb machen. In meinen Augen stellen diese Konstruktionen eine vollkommene Umkehrung der von dem EGV beabsichtigten Ziele dar, denn der privat-wirtschaftliche Wettbewerb wird für den Gründungsstaat unterbunden und lediglich ein Wettbewerb zwischen den Staaten um die Ansiedlung von Gesellschaften geführt.

Pseudo-ausländischer Gesellschaften

Eine weitere Problematik wurde in der Rechtsache Inspire Art vor dem EuGH von der niederländischen Regierung und der Kammer für Koophandel en Fabriekeb voor Amsterdam dargestellt:

,,Wegen der ständig steigenden Zahl pseudo-ausländischer Gesellschaften vor allem nach englischem Recht und dem Recht des US-Staates Delaware, die keinerlei tatsächliche Verbindung mit dem Gründungsstaat hätten, habe sich der niederländische Gesetzgeber (…)
veranlasst gesehen, zum Schutz der Gläubigerinteressen, zur Betrugsbekämpfung, zur Gewährleistung der Effizenz der Steuerkontrolle und zur Vermeidung missbräuchlicher Nutzung ausländischer Gesellschaften (…) bestimmte begrenzte Maßnahmen zu ergreifen. Die Kammer von Koophandel fügt hinzu, dass eine auffallend große Zahl dieser Gesellschaften in Konkurse verwickelt gewesen sei und die Gläubiger fast keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Verluste zu beschränken..“


Siehe auch hier