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Krista Sager zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede von Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Entwicklung des Internets und der neuen IuK-Techniken haben auch die Arbeit im Wissenschaftsbereich revolutioniert.

Für viele Aspekte der wissenschaftlichen Praxis, von der wissenschaftlichen Recherche über die Kommentierung bis zum internationalen Diskurs, ergeben sich enorm erweiterte und beschleunigte Möglichkeiten. Der leichtere und schnellere Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit bringt positive Impulse für den Fortschritt in der Wissenschaft und den Erkenntnisgewinn.

Es ist nur konsequent, Zugangsbarrieren im Bereich der Wissenschaft nicht nur im Bereich der technischen Verfügbarkeit abzubauen, sondern auch Zugangsbarrieren im Bereich der Kosten zu hinterfragen. Gerade da, wo wissenschaftliches Arbeiten und Forschen öffentlich finanziert wird, ist es nicht einsehbar, dass die Allgemeinheit für den Zugang zu den Ergebnissen dieser Arbeiten noch einmal bezahlen soll.

Viele Bibliotheken konnten sich schon in der Vergangenheit viele internationale Journale mit hoher wissenschaftlicher Reputation kaum noch leisten, und die Kosten für die öffentliche Hand im Zusammenhang mit der Anschaffung wissenschaftlicher Publikationen sind zunehmend explodiert.

Die schnelle und leichte elektronische Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Arbeiten tritt zunehmend in einen Widerspruch zu einer vorhandenen Kostenbarriere für die Nutzerinnen und Nutzer dieser Ergebnisse. Kein Wunder also, dass die Forderung nach Open Access, nach kostenfreiem Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen für die Nutzerseite, nicht nur international immer mehr um sich greift, sondern in unterschiedlicher Weise und auf unterschiedlichen Wegen bereits praktiziert wird. Dies reicht von anderen Bezahlmodellen, die nicht die Nutzerinnen und Nutzer belasten, über wissenschaftsgeleitete Open-Access-Plattformen bis zur Verpflichtung der Open-Access-Veröffentlichung im Zusammenhang mit der öffentlichen Forschungsfinanzierung. Nicht nur die Forderung nach, sondern auch die Umsetzung von Open Access im Wissenschaftsbereich hat in letzter Zeit unübersehbar an Dynamik gewonnen. Wir sind dafür, diesen Prozess auch politisch zu unterstützen.

Bei dieser Entwicklung spielt sicher auch eine Rolle, dass nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer ein Interesse an einem möglichst barrierefreien Zugang haben, sondern auch die Verfasserinnen und Verfasser wissenschaftlicher Beiträge diese möglichst breit mit der wissenschaftlichen Community teilen möchten. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fühlen sich von den wissenschaftlichen Verlagen zunehmend ausgebeutet, weil ein Großteil der Arbeit für die elektronische Publikationsfähigkeit von den Autorinnen und Autoren selbst erbracht werden muss. Auch die notwendigen Peer-Review-Verfahren werden in der Regel kostenlos von der Scientific Community selbst geleistet. Gleichzeitig werden den Autorinnen und Autoren alle oder fast alle Rechte an ihren eigenen Beiträgen genommen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen heute geltend, dass diese Quasi-Enteignung in keinem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Leistungen der Verlage steht.

Gleichzeitig gibt es aber auch die Warnung vor einem möglichen Verlust von Publikationsmöglichkeiten, wenn die Arbeit von Verlagen nicht mehr angemessen honoriert würde oder es in der Folge der Open-Access-Bewegung zu einem noch stärkeren Konzentrationsprozess kommen sollte. Gerade in den Fachrichtungen, in denen die Buchform immer noch eine gewisse Bedeutung hat, wird vor dem Verschwinden kleiner spezialisierter Verlage gewarnt.

Der Überlegung, dass die realen Verlagsleistungen vergütet werden sollten, trägt der sogenannte goldene Weg Rechnung. Dabei wird die Leistung des Verlages durch die Autorinnen und Autoren bzw. deren Institutionen finanziert und nicht durch die Nutzerinnen und Nutzer. Große Wissenschaftsorganisationen wie die DFG stellen dafür Publikationszuschüsse zur Verfügung. Durch den goldenen Weg sind inzwischen große Open-Access-Plattformen bedeutender internationaler wissenschaftlicher Verlage in verschiedenen Spezialrichtungen entstanden. Dieser Weg entlastet zwar die Nutzerinnen und Nutzer, beinhaltet aber nach wie vor die Gefahr der Überforderung der öffentlichen Hand, die für die Kosten der wissenschaftlichen Arbeit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ja im Regelfall schon aufkommt.

Eine andere Möglichkeit des Open Access ist der sogenannte grüne Weg, das heißt die kostenlose elektronische Zweitveröffentlichung nach einer vereinbarten Embargofrist ergänzend zur Verlagsversion, zum Beispiel auf einem fachspezifischem Institutserver oder einem interdisziplinären Repository.

Aus aktuellem Anlass möchte ich unterstreichen, dass Open Access, also der kostenfreie Zugang, die jeweilige wissenschaftliche Veröffentlichung nicht zum Allgemeingut macht, sondern diese weiterhin nach den Maßgaben wissenschaftlicher Redlichkeit als die wissenschaftliche Leistung ihrer Verfasserinnen und Verfasser zu behandeln ist.

Um Open Access zu garantieren, ohne die öffentliche Hand alleine mit den Verlagskosten zu belasten, wird international die Pflicht zur Open-Access-Veröffentlichung haushalts- oder vertragsrechtlich zunehmend schon mit der Bewilligung von öffentlichen Forschungsmitteln verbunden. In den USA wird eine entsprechende Gesetzesinitiative diskutiert. Die EU hat dieses Verfahren erprobt und will es zukünftig ausweiten und zum Regelfall machen.

Die Verankerung eines Zweitverwertungsrechts im § 38 a des Urheberrechtsgesetzes, wie die SPD es heute vorschlägt, würde zweifellos in der Open-Access-Szene und Teilen der Scientific Community als starkes Signal gewertet. Trotzdem sollten wir uns vor einer endgültigen Festlegung auf dieses Instrument im Ausschuss gründlich mit den Vor- und Nachteilen dieses Vorschlages und auch mit den anderen Wegen zum Open Access befassen. Denn es gibt da doch einige wichtige Fragen. Die vorgeschlagene Änderung stärkt zwar die Rechte der wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren, enthält aber nicht die Verpflichtung zur kostenlosen Veröffentlichung, geht also weniger von den Interessen der Nutzerinnen und Nutzer öffentlich oder überwiegend öffentlich finanzierter Forschung aus.

Wie weit ist die Reichweite des deutschen Urheberrechts in einem Bereich, wo das Publikationsgeschehen international ist, die größten Verlage sich im Ausland befinden und wissenschaftliche Ergebnisse oft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Staaten in Kooperation erbracht werden? Sind die vorgeschlagenen Embargofristen bei der Zweitveröffentlichung für die unterschiedlichen Bedürfnisse im Wissenschaftsbereich differenziert genug? Wie wären die Auswirkungen auf Publikationsmöglichkeiten im Bereich der Geisteswissenschaften zum Beispiel bei kleineren spezialisierten Verlagen? Welche Auswirkungen könnte die Grenze der mindestens hälftigen öffentlichen Finanzierung für öffentlich-private Forschungskooperationen haben? Ist der § 38 a des Urheberrechts geeignet für die Weiterentwicklung von Open Access in einem nach wie vor lernenden System, das noch sehr im Umbruch ist? Diesen Fragen sollten wir im Ausschuss nachgehen, gerne auch unter Hinzuziehung von Experten.


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Stephan Thomae zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.

 


Rede von Stephan Thomae (FDP)

Der Rohstoffreichtum unseres Landes liegt in den Köpfen seiner Menschen. Kreativität, Innovationsgeist, Erfindungsreichtum und Risikobereitschaft sind die Quellen unseres Wohlstandes.

Erfindungen und Entdeckungen bedürfen aber von ihrer Entstehung bis hin zu ihrer Verwirklichung bisweilen eines hohen Maßes an immateriellem und materiellem Einsatz. Solche Investitionen werden nur getätigt, wenn eine reale Chance dafür besteht, dass sich Kreativität und die dafür aufgewendeten Mittel auch auszahlen können.

Dafür muss der Staat die Rahmenbedingungen schaffen. Der effektive Schutz und die wirksame Nutzbarkeit und Durchsetzbarkeit der Rechte des geistigen Eigentums sind mithin eine unerlässliche Voraussetzung, um Kreativität und Innovationen zu fördern. Ich gehe davon aus, dass darüber in diesem hohen Haus mehr oder weniger Konsens herrscht. Wie man diese Ziele jedoch erreichen will, darüber kann man streiten.

Die SPD setzt sich mit dem von ihr eingebrachten vorliegenden Gesetzentwurf für ein Zweitverwertungsrecht wissenschaftlicher Urheber ein. Damit soll das Ziel erreicht werden, Wissenschaft, Forschung und Bildung unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen Zugang zu wissenschaftlichen Informationen zu ermöglichen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird sich dem vorliegenden Antrag aus verschiedenen Gründen nicht anschließen. Zum einen ist der Antrag in sich sprachlich widersprüchlich. Wer Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht an seinem Werk einräumt, kann selber kein Nutzungsrecht an dem Werk haben, es sei denn, es wurde vorher so vereinbart. Da entsprechende Vereinbarungen bereits jetzt im Rahmen der Privatautonomie möglich sind, bedarf es hierfür keines eigenen Gesetzgebungsverfahrens.

Zum anderen sprechen auch inhaltliche Argumente gegen ein obligatorisches Zweitverwertungsrecht: Ein solches Zweitverwertungsrecht würde die Nutzungsrechte desjenigen beschneiden, dem der Urheber zuvor eben jene Nutzungsrechte eingeräumt hat. Mit anderen Worten: Wenn sich ein Autor bewusst zur Veröffentlichung seines Beitrags in einem Verlag entscheidet, dann darf der Verlag nicht einer gesetzlich angeordneten Konkurrenz ausgesetzt werden, sondern dann müssen die vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf die Nutzungsrechte grundsätzlich Bestand haben. Ein obligatorisches Zweitverwertungsrecht im deutschen Recht würde darüber hinaus zu einer Wettbewerbsverzerrung zulasten deutscher Verlage führen.


Abschließend sei Ihnen gesagt, dass der von der SPD angestrebte Erfolg mit der Schaffung eines solchen Zweitverwertungsrechts keineswegs gesichert wäre; denn das Zweitverwertungsrecht gäbe den Wissenschaftlern nur das Recht zur Zweitveröffentlichung. Kein Wissenschaftler wäre aber gezwungen, sich um eine solche Veröffentlichung zu bemühen und sein Zweitverwertungsrecht auch tatsächlich auszuüben.

Um die Zweitverwertung zu gewährleisten, wären deshalb ergänzende Regelungen in den Bedingungen für die Vergabe von Fördergeldern erforderlich, mit denen der Wissenschaftler zur Zweitverwertung verpflichtet wäre. Eine solche Pflicht wäre urheberrechtspolitisch bedenklich, weil sie dem Grundsatz widerspricht, dass allein der Urheber über das Ob und das Wie einer Veröffentlichung seiner Werke entscheidet.

Aus diesen Gründen wird die FDP-Bundestagsfraktion den vorliegenden Gesetzentwurf nicht unterstützen.


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Ansgar Heveling zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede Ansgar Heveling (CDU/CSU)

Lassen Sie uns heute über das Zweitverwertungsrecht reden. Darum geht es jedenfalls in dem auf Drucksache 17/5053 vorgelegten Gesetzentwurf der SPD – vordergründig jedenfalls. Eigentlich geht es aber eher um etwas anderes. Eigentlich geht es darum, dass sich die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf das „Ich bin schon da“-Gefühl geben möchte, das wir aus dem „Hase und Igel“-Märchen der Gebrüder Grimm kennen. Während die Koalition behäbig ihre Themen abarbeitet, kommt die SPD flink und listig mit allem schon viel früher um die Ecke. Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Der Punkt geht an Sie – jedenfalls der Punkt, dass Sie schneller sind.

Aber Listigkeit und Flinksein haben ihren Preis. Das sehen wir gerade an dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf. Um nicht zu sagen: Der Erfolg ihres Gesetzentwurfs reduziert sich allein darauf, dass Sie ihn schneller vorgelegt haben. Ihnen mag das vielleicht reichen; uns reicht es jedenfalls nicht.

Machen wir es also ebenso schnell: Der Gesetzentwurf der SPD ist viel zu kurz gesprungen. Er ist reine Effekthascherei, weil er einen einzelnen Aspekt, das Zweitverwertungsrecht, ausschließlich so, wie ihn eine Interessengruppe, verschiedene Wissenschaftsorganisationen, nach vorne tragen, in Gesetzesform gießen will.

Ich kann zwar nachvollziehen, dass sich die SPD angesichts der Tatsache, dass es nur um den kurzfristigen Effekt geht, wirklich nicht viel Mühe machen wollte; aber so einseitig vorzugehen und nicht einmal im Ansatz den Versuch zu starten, mit einem Gesetzentwurf den Ausgleich verschiedener Interessen vorzunehmen, das ist schon bemerkenswert. Bemerkenswert unklug! So weit zum Gesetzentwurf der SPD.

Nun zum eigentlichen Thema, das wirklich die ernsthafte Auseinandersetzung lohnt. Denn es sind einige Faktoren in der Tat nicht von der Hand zu weisen:
Zum einen wollen Wissenschaftler nachvollziehbarerweise ihre Ergebnisse gerne im Verlag mit dem höchsten Renommee veröffentlichen. Daraus hat sich in einigen Bereichen eine gewisse Monopolisierung ergeben. Und es stimmt: Manche Verlage nutzen diese Monopolbildung aus, verlangen immer höhere Preise und erreichen dadurch Margen von bis zu 70 Prozent.

Zum anderen halten die Bibliotheksetats bei der explosionsartigen Vermehrung von Veröffentlichungen nicht Schritt. Im Gegenteil, die finanzielle Ausstattung durch die öffentliche Hand wird immer schmaler.

Da ist es eigentlich kein Wunder, dass von interessierter Seite der Ruf nach einer Schranke zugunsten einer Zweitverwertungsmöglichkeit laut wird. Aber nur weil der Ruf erschallt, heißt das noch nicht zwangsläufig, dass man ihm folgen muss, vor allem nicht, dass man sich dann auf dem richtigen Weg befindet.

„Quidquid agis prudenter agas et respice finem“ lautet ein lateinisches Sprichwort: Was auch immer du tust, handle klug und bedenke das Ende! Wenn der Gesetzentwurf der SPD dies schon nicht tut, dann sollten wir das im Interesse der Urheber sehr sorgsam tun. Das braucht naturgemäß Zeit – Zeit, die wir uns zur sorgsamen Vorbereitung des Dritten Korbs der Urheberrechtsreform auch nehmen, um solche Schnellschüsse wie den SPD-Gesetzentwurf zu vermeiden.

Wir sollten daher genau überlegen, ob ein solches Zweitverwertungsrecht wirklich zielführend ist. In diesem Überlegungsprozess befinden wir uns derzeit.

Erstens. Es sind vor allem die Wissenschaftsorganisationen, die die Einführung eines Zweitverwertungsrechtes forcieren. Wo ist da die Stimme der wirklichen Urheber? Sind sie so schwach, dass sie der Stimme anderer bedürfen? Oder sind sie vielleicht damit zufrieden, dass sie gerade in dem besonderen Journal X oder der Zeitschrift Y ihre Ergebnisse veröffentlichen können?

Zweitens. Ist eine gesetzliche Regelung im Urheberrecht wirklich das richtige Instrument? Der SPD-Antrag fordert das Zweitverwertungsrecht ausschließlich für die Veröffentlichung von Ergebnissen öffentlich geförderter Forschung. Damit wird der Gegenstand des Zweitverwertungsrechts schon deutlich eingeschränkt. Hinter dieser Beschränkung steht die nachvollziehbare Überlegung, dass die öffentliche Hand nicht zweimal für Forschung bezahlen soll: zum einen über die Forschungsförderung und zum anderen über die Bibliotheksförderung.

Wenn es aber ohnehin nur um die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung geht, dann stellt sich die Frage, ob das gewünschte Ziel nicht bereits durch Zuwendungsauflagen bei der Fördermittelvergabe erreicht werden kann. So breit wie die öffentliche Förderung aufgestellt ist, müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht ausreichend kritische Masse auf diesem Weg erzeugt werden könnte, um den Verlagen als ebenbürtiger Verhandlungspartner gegenüberzustehen.

Drittens. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Forderung nach einem Federstrich des Gesetzgebers nicht sogar von dem eigentlichen Problem ablenkt, nämlich dem Problem, dass Etats von wissenschaftlichen Bibliotheken immer weiter reduziert werden und immer weniger Mittel für die Bereitstellung von Publikationen zur Verfügung stehen. Ist es richtig, das auf Kosten der Verlage zu sanktionieren?

Viertens. Können Verlage überhaupt noch verlässlich kalkulieren, wenn es ein verbindliches Zweitverwertungsrecht gibt? Die Verlage investieren in Veröffentlichungen. Sie steuern technisches Know-how bei und erbringen mit dem Lektorieren, Setzen und Publizieren eigene Leistungen. In der Summe wollen Verlage selbstverständlich ihre verlegten Werke auch amortisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass die renommierten Publikationen noch teurer und viele andere Werke einfach gar nicht mehr verlegt werden. Am Ende mögen weniger Veröffentlichungen und damit weniger Qualität stehen. Weder die Verlage, die nicht jedes Werk verlegen wollen, noch die Urheber, die ja gerade in einschlägigen Journalen veröffentlichen wollen, werden sich möglicherweise zwingen lassen. Auch das müssen wir bedenken.

Sie sehen: Allein die Diskussion um diese eine Schranke im Urheberrecht wirft viele Fragen auf – Fragen, die bedacht sein wollen und auf die der Gesetzentwurf der SPD auch nicht im Ansatz eine Antwort gibt.

Ich will nicht verhehlen, dass ich persönlich einem Zweitverwertungsrecht insgesamt kritisch gegenüberstehe. Ich sehe, dass hier die Gefahr einer Kostenverlagerung von den Nutzern auf die Kreativen besteht. Ich sehe die Gefahr, dass letztlich die Qualität von Veröffentlichungen leidet. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass es statt weniger mehr Monopolisierung gibt. Wir sollten daher mit dem Instrument des Zweitverwertungsrechts sehr vorsichtig sein – vorsichtiger als die SPD mit ihrem Gesetzentwurf.


Hier geht es zu Homepage von Ansgar Heveling.

René Röspel zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede René Röspel (Diplombiologe), SPD

Wie ermöglicht man einen umfassenden Zugriff auf das wissenschaftliche Wissen der Welt? Diese ebenso grundsätzliche wie wichtige Frage steht im Zentrum des von der SPD-Bundestagsfraktion heute vorgelegten Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Urheberrechts.

Wir alle kennen die klassischen Wege der schriftlichen Wissenschaftskommunikation. Es werden zunächst Forschungsprojekte betrieben, die zu neuen oder erweiterten Erkenntnissen führen. Diese werden durch den oder die Forscher in einem Textbeitrag dargestellt und dann in einem Buch, einem Sammelband oder in einer Zeitschrift veröffentlicht. Idealerweise stehen diese Werke dann allen am Thema interessierten Forscherinnen und Forschern zur Verfügung, damit sie Rückschlüsse ziehen und Anregungen aufnehmen können für ihre eigene Arbeit.

Nun werden seit einigen Jahren die Grenzen dieses klassischen Modells deutlich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So hat sich die Dynamik der wissenschaftlichen Kommunikation in einer Art und Weise verstärkt, wie es zu Zeiten vor Internet und Web 2.0 undenkbar war. Der Bedeutung des Internets für die wissenschaftliche Kommunikation muss der Gesetzgeber Rechnung tragen, wenn die deutsche Wissenschaft von dieser Entwicklung nicht abgekoppelt werden soll.

Die Verlage wiederum haben in den letzten Jahren verstärkt ihre marktbeherrschende Rolle in der Wissenschaftskommunikation für teilweise extreme Preissteigerungen genutzt. Ein Beispiel aus den USA ist die Ankündigung der Nature Publishing Group gegenüber der University of California, den Preis für die Onlinelizenz für die Universität von 2011 an um sage und schreibe 400 Prozent zu erhöhen. Erst nach einer Boykottdrohung kam es zu einer Annährung zwischen der Verlagsgruppe und der Universität. Das Verhalten der Verlagsgruppe zeigt, mit welcher Aggressivität einige Verlage versuchen, die Abhängigkeit von Hochschulen auszunutzen. Übrigens waren die Kosten für die Lizenz der Nature Publishing Group zwischen 2005 und 2009 bereits um 137 Prozent gestiegen.

Die Folgen dieser Abhängigkeit sind insbesondere in Bezug auf die staatliche Forschungsförderung für einen unabhängigen Beobachter kaum mehr vermittelbar. Da fördern der Bund und die Länder mit Milliardenbeträgen die Wissenschaft und Forschung in Deutschland über Projektmittel und Gehaltszahlungen. Ein Ergebnis dieser Förderung sind neue Erkenntnisse, welche die Wissenschaftler in Schriftform einem weiten Kreis von Interessenten bekannt machen wollen. Hier treffen sie auf das „Nadelöhr“: Verlage, die sich meist alle Rechte an den Texten abtreten lassen. Meist wird sogar die Formatierung des Textes, ausgehend von einer Formatvorlage, als Aufgabe an den oder die Autoren delegiert. Der Verlag verkauft dann sein Printprodukt bzw. seine Lizenzen an Hochschulen, Bibliotheken, Einzelpersonen usw. In den ersten beiden Fällen kauft der Steuerzahler – vertreten durch Bund und Länder – also die von ihm finanzierten Forschungserkenntnisse erneut zu hohen Kosten ein, damit Dritte Zugang zu ihnen erlangen können. Aus Sicht der Verlage hat dieses Vorgehen nur Vorteile; ein Modell für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation ist dieses Verfahren aber nicht.

Diese Erkenntnis ist nicht erst wenige Wochen oder Monate alt. Bereits im Rahmen der Beratungen des „Zweiten Korbes“ zur Reform des Urheberrechts hat sich der Deutsche Bundestag für die Prüfung eines sogenannten unabdingbaren Zweitverwertungsrechts ausgesprochen. Dieser etwas sperrige Begriff bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Recht erhalten, nach einer im Gesetz festgelegten Embargofrist ihre – überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten – Texte nach einer Erstveröffentlichung etwa in einer Zeitschrift nach Belieben an einer anderen Stelle zweitzuveröffentlichen. Der Bundesrat hat in den Beratungen zum „Zweiten Korb“ sogar einen dezidierten Vorschlag für die Festschreibung eines solchen Zweitverwertungsrechts vorgelegt, den die damalige Bundesregierung jedoch bedauerlicherweise nicht aufgegriffen hat.

Nun steht seit einigen Monaten der Regierungsentwurf eines „Dritten Korbes“ zur Reform des Urheberrechts aus. Die Signale, die man bisher empfangen konnte, deuten leider stark darauf hin, dass die Regierung die Chance zur Vorlage eines Entwurfs für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung und für eine Stärkung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland erneut vergeben wird. Dies ist sehr bedauerlich, hat sich doch der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der Verabschiedung des „Zweiten Korbes“ einstimmig für einen „Dritten Korb“ für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgesprochen. Ein modernes wissenschaftsfreundliches Urheberrecht ist ein wichtiger Standortvorteil für unser Land.

Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns daher dazu entschlossen, den Aspekt „Zweitverwertungsrecht“ in einem eigenständigen Gesetzentwurf in die parlamentarische Debatte einzubringen. Wir wollen nicht, dass diese wichtige Frage zwischen den vielen anderen Fragen im Rahmen eines „Dritten Korbes“ untergeht oder, wie üblich, weiterhin auf die lange Bank geschoben wird. Auch wollen wir deutlich machen, dass eine Regelung zum Zweitverwertungsrecht kein Spezial- oder Randthema ist.

Was fordern wir nun konkret? Mit unserem Gesetzentwurf soll ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Beiträge eingeführt werden, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind. Damit sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Open-Access-Publikationen zu ermöglichen. Dabei ist uns klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann und dass es weiterer flankierender Maßnahmen bedarf, um Open Access zu unterstützen, beispielsweise hinsichtlich der Förderrichtlinien der Forschungsförderung oder hinsichtlich der Unterstützung der Universitäten und der wissenschaftlichen Fachgesellschaften bei der Einrichtung entsprechender Plattformen.

Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates differenzieren wir hinsichtlich der Embargofrist zwischen sechs Monaten für Zeitschriftenbeiträge und zwölf Monaten für Beiträge in Sammelwerken. Jeder Urheberin und jedem Urheber steht frei, wie er mit diesem Recht umgeht und die Möglichkeit zur Zweitverwertung nutzt.

Die Autoren erhalten das Recht, ihre Beiträge im Originalformat der Erstveröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Dies ist keine „Enteignung“ der Verlage, die das Layout entwickelt haben, sondern es ist eine unerlässliche Voraussetzung, damit etwa die Zitierfähigkeit erhalten bleibt. Durch die Verpflichtung, dass im Rahmen einer Zweitverwertung der Ort der Erstpublikation anzugeben ist, kann und soll sogar eine Werbewirkung für die betreffenden Zeitschriften bzw. Verlage entstehen.

Mit unserem Vorschlag befinden wir uns damit sehr nah an den Vorstellungen der großen Wissenschaftsorganisationen sowie der Bundesländer. Auch die bisherigen Stellungnahmen der anderen im Bundestag vertretenen Parteien lassen sich aus unserer Sicht dahin gehend interpretieren, dass man über die Parteigrenzen hinweg offen sein sollte bzw. ist für unseren Regelungsvorschlag. Wir hoffen daher auf eine konstruktive Debatte und eine Zustimmung über unsere Fraktion hinaus.

Zu einer Debatte gehört selbstverständlich auch eine Bewertung der Kritik an einem unabdingbaren Zweitverwertungsrecht. Nur darf man hierbei nicht vergessen, dass für Wissenschaft und Forschung im Urheberrecht andere Maßstäbe gelten müssen als für andere Publikationsformen und -felder. So verdienen Wissenschaftler selten einen Großteil ihres Einkommens mit Veröffentlichungen. Bestenfalls kann man Einnahmen aus Veröffentlichungen als Nebenverdienst in Wissenschaft und Forschung bewerten. Vielmehr ist es – gerade bei Buchpublikationen – durchaus möglich, dass eine Veröffentlichung wissenschaftlicher Werke sogar Kosten für den Autor zur Folge hat.

Der freie Fluss von Informationen ist außerdem konstitutiv für eine erfolgreiche wissenschaftliche Tätigkeit. Diese Freiheit von Informationen durch Hürden wie Gebühren für den Zugriff auf Artikel und Beiträge – auch noch Jahre und Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung – einzuschränken, behindert immer mehr auch die Wissenschaft. Zwar mag der Grad der Einschränkung der wissenschaftlichen Forschung und der Wissenschaftsfreiheit durch diese finanziellen, verlagsseitigen Hürden kaum bezifferbar sein; klar ist jedoch, dass die Abwesenheit eines Zweitverwertungsrechts den freien Fluss von Informationen erheblich behindert. All diejenigen, die sich folglich gegen ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht aussprechen, müssen diese negativen Effekte ausdrücklich in Kauf nehmen.

Unser Gesetzentwurf ist sicherlich nur ein erster, aus unserer Sicht wichtiger, Schritt auf dem Weg zur Umsetzung eines echten Open Access – also offenen Zugangs – zu wissenschaftlichem Wissen. Wir haben – auch und gerade durch das Engagement vieler Menschen in zahllosen Gremien und Netzwerken – hier schon viel erreicht. Wir werden aber mit unserem heute vorgelegten Entwurf nicht stehen bleiben im Bemühen für eine umfassende wissenschaftsfreundliche Reform des bundesdeutschen Urheberrechts. Nicht zuletzt aus diesem Grund und um dem Paradigmenwechsel wirklich mittelfristig Rechnung tragen zu können, haben wir den Gesetzentwurf mit einer Evaluierungsklausel versehen. Drei Jahre nach Inkrafttreten soll diese Regelung dahin gehend evaluiert werden, ob das Ziel des Gesetzgebers, Open Access zu ermöglichen, tatsächlich erreicht werden kann und ob es gegebenenfalls weiteren rechtlichen Klarstellungsbedarf gibt.

Übrigens hat unsere Debatte von heute natürlich Auswirkungen über die Landesgrenzen hinweg. Wir debattieren ja auch auf europäischer Ebene über die Zukunft des Urheberrechts, und viele andere Staaten in Europa werden unser Bemühen für ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht mit großem Interesse verfolgen. Deutschland ist schon in der Vergangenheit in Europa mutig vorangeschritten, wenn es darum ging, auch dort sinnvolle Regelungen auf den Weg zu bringen, wo andere vielleicht noch zögern.

Perspektivisch können wir es – wie bereits angedeutet – aber nicht bei der Festschreibung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts belassen; dies schafft lediglich die rechtliche Grundvoraussetzung. Wir müssen auch intensiv prüfen, welcher flankierender Maßnahmen es bedarf und wie beispielsweise die einschlägigen Förderrichtlinien des Bundes dahin gehend verändert werden müssen, sodass Open Access in allen Wissenschaftsbereichen ermöglicht und gefördert wird. Auch wird zu prüfen sein, wie die Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen oder Bibliotheken und die wissenschaftlichen Fachgesellschaften unterstützt werden können bei der Errichtung entsprechender Open-Access-Publikationsplattformen. Schließlich gilt es auch bei den wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren dafür zu werben, von diesem Zweitverwertungsrecht tatsächlich Gebrauch zu machen. Auch bei den Wissenschaftsverlagen müssen wir dafür werben, neue Publikationsformen und -modelle zu erproben und anzubieten.

Selbstverständlich müssen wir auch mit den Ländern sprechen, um sicherzustellen, dass wir in Deutschland eine vergleichbare Infrastruktur an den Hochschulen erhalten, die es erlaubt, das Zweitverwertungsrecht in der Forschungspraxis zu leben. Mit den Bibliotheken haben wir bereits leistungsstarke Dienstleister, die ein wichtiger Partner bei der Umsetzung des Zweitverwertungsrechts sein können. Nur haben die Länder in der Vergangenheit leider Sparmaßnahmen auf den Weg gebracht, die den Universitäten die Aufrechterhaltung dieser Infrastrukturen erschwert haben. Hier muss der Bund helfen. Wir als SPD sind bereit, hier unterstützend tätig zu werden.

Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, hierbei insbesondere Johannes Kollbeck, danken, die sich in den letzten Jahren für die Festschreibung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts eingesetzt und die uns bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs unterstützt haben.

Lassen Sie uns nun ergebnisoffen in die Ausschussberatungen gehen, gegebenenfalls auch eine Sachverständigenanhörung, möglicherweise zu unterschiedlichen Regelungsentwürfen, durchführen und zu einem gemeinsamen Weg finden, der das von unserem Gesetzentwurf präsentierte Ziel – und zwar sowohl hinsichtlich der dafür notwendigen Rechtsgrundlagen als auch hinsichtlich der ebenso notwendigen flankierenden Maßnahmen – erreichbar macht.


Hier geht es zu Homepage von René Röspel.

Vorschlag der SPD zu Open Access

Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (BT-Drs. 17/5053) initiiert, der ein Zweitverwertungsrecht insbesondere für wissenschaftliche Artikel zwingend vorsieht.  Der konkrete Vorschlag lautet:

§ 38 a

Zweitveröffentlichungsrecht

An wissenschaftlichen Beiträge, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Foschungstätigkeit entstanden sind und in Periodika oder Sammelwerken nach § 38 Abs. 2 [UrhG] erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, den Inhalt längstens nach Ablauf von sechs Monaten bei Periodika und von zwölf Monaten bei Sammelwerken seit der Erstveröffentlichung anderweitig nicht kommerziell öffentlich zugänglich zu machen. Die Zweitveröffentlichung ist in der Formatierung der Erstveröffentlichung zulässig; die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Ein dem Verleger eingeräumtes ausschließliches Nutzungsrecht bleibt im Übrigen unberührt. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Der Vorschlag weist in die richtige Richtung und stellt eine geeignete Grundlage für die weitere Diskussion der notwendigen Urheberrechtsreform überhaupt dar. Allerdings kann ein nur auf der vertraglichen Ebene ansetzendes Instrument durch entsprechende vertragliche Gestaltung, durch die Wahl ausländischen Rechts, grundsätzlich ausgehebelt werden (vor allem, wenn die Verträge mit Verlagen mit ausländischem Sitz geschlossen werden).

Für eine allgemeine Regelung ist der Vorschlag noch zu sehr an der aktuellen Open-Access-Diskussion orientiert. Er erlaubt insbesondere nur eine anderweitige nicht kommerzielle Veröffentlichung. Diese Einschränkung mag aufgrund der (überwiegeden) Finanzierung durch öffentliche Mittel gerechtfertigt sein. Sie ist aber für eine grundsätzliche Regelung  nicht sinnvoll. Vielmehr sollte jedem Urheber ein Zweit-, Dritt- oder Viertveröffentlichungsrecht auch auf kommerziellem Wege nach Ablauf einer Zeitspanne eingeräumt werden. Oder umgekehrt  (vgl. hier oder hier): die Übertragung von exklusiven Nutzungsrechten wird nicht zugelassen, sondern nur ein angemessener Zeitvorsprung für den ersten Veröffentlicher (im SPD-Vorschlag „Embargo-Frist“ genannt).

Eine entsprechende Regelung würde das Urheberrecht wieder auf die Füße stellen.


Ergänzung [21. 3. 2011]: Hierzu auch

  • Pressemitteilung von Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Sprecher des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” sowie
  • ein längerer Kommentar zu dem Vorschlag auf IUWIS.

Titel für das MPI in München gesucht

1966 wurde das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht gegründet. Irgendwann — 1993? — wurde das von dem Institut behandelte Rechtsgebiet umbenannt in gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht und dann — 2002? —  in Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht. Man findet dementsprechend noch einige Reste der Bezeichnung: MPI für Geistiges Eigentum auf der Website dieses Instituts. Der Begriff des geistigen Eigentums hat nun offenbar ausgedient und wurde wieder in den begriffsjuristischen M(ar)ottenschrank verbannt.

Zum 1. Januar 2011 — nachdem das Steuerrecht von dem anderen Rechtsgebiet getrennt wurde  — wählte man die Bezeichnung Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht.

Wir rätseln zur Zeit, welche Bezeichnung als nächstes für das Rechtsgebiet Du weißt schon welches  kommen wird.  Bislang wurden vorgeschlagen:

  • MPI für das Recht des  geistigen Schaffens
  • MPI für das Recht der kulturellen Produktion
  • MPI für das Recht der Objektvergleichung und die Verbotsüberschreitungsfolgen
  • MPI zur Vermeidung der Ausweitung des Eigentumsbegriffes und geistiger Monopolbildung
  • Es, dessen Name nicht genannt werden darf (Nein! nicht Voldemort)
Weitere Ideen sind willkommen. Vorgeschlagen wurden bereits (teilweise nur als Kategorie):
  • geistiges Eigentum
  • Autorrecht und Erfinderrecht
  • literarisches Eigentum
  • Recht der Persönlichkeit
  • Immaterialgüterrecht
  • gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
  • Individualrecht
  • Schutz der Persönlichkeitssphäre
  • Privileg
  • künstlerisches Eigentum
  • Reflex einer Verbotsnorm
  • Monopol
  • persönliches Recht
  • Schrifteigentum
  • Persönlichkeitsrecht
  • Verlagsrecht
  • unzweifelhaftes Eigentum
  • unbestreitbares Eigentum
  • heiliges Eigentum
  • Menschenrecht
  • Ausschließlichkeitsrecht
  • Werkherrschaft

 


[Ergänzung: 25. 3. 2011]: Wie so oft in diesem Bereich handelt es sich bei der Frage nach der „richtigen Bezeichnung“ um aufgewärmte Debatten, die ähnlich sinnvoll sind wie die Frage nach der Henne und dem Ei. 1838 hat der Franzose Augustin Charles Renouard (von dem ungefähr 50 % der deutschen Juristen im 19. Jahrhundert abgeschrieben haben, wenn es ums Urheberrecht ging) schon festgestellt, dass das droit d’auteur eigentlich ein Monopol sei (allerdings ein notwendiges).  Eigentum (propriété) würde in den Ohren der Allgemeinheit aber besser klingen. Man könnte jeder Kritik entgegenhalten, dass man das Eigentum nicht im Namen des Monopols oder Privilegs angreifen dürfe.

Mit einer so dürftigen Begründung wollte man sich aber nicht zufrieden gegeben und es wurde hart daran gearbeitet, die richtige Begründung herauszustellen.  Viktor Böhmert etwa hat 1869 zum Patentschutz (es  lässt  sich Eins zu Eins auf das Urheberrecht übertragen) folgendes festgestellt:

Der Patentschutz wird nicht blos in Rücksichten der Zweckmässigkeit und Nützlichkeit, sondern auch aus Gründen des Rechts und der Billigkeit gefordert. Um dieser Institution eine möglichst unerschütterliche Rechtsbasis zu geben, stützt man sich entweder auf die Lehre vom sogenannten geistigen Eigenthum, oder man behauptet, dass die einseitige gewerbliche Ausbeutung der Geistesarbeit Anderer durch Reproduktion ihrer Erzeugnisse als ein Eingriff in die berechtigte Erwerbssphäre des Autors und als eine Störung der naturgemässen Ordnung der Wirthschaftsgemeinschaft zu betrachten sei.

Wenn es ums liebe Geld ging, wurden schon im 19. Jahrhundert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels  oder der Verein der deutschen Ingenieure zu großen Philosophen. Wir zitieren hier die Ingenieure:  „Wenn wir sagen, der Erfinder habe ein Recht auf ein Erfindungspatent, so stehen wir damit nicht auf dem Boden des positiven Rechts, sondern auf dem Boden der Rechtsphilosophie. Wir sprechen damit aus, dass der Staat aus rechtsphilosophischen Gründen das geistige Eigenthum des Erfinders schützen soll.“ 1877 hat diese rechtsphilosophische Sicht sich durchgesetzt und es wurde ein Patentgesetz für das Kaiserreich erlassen.

(Keine) Neuigkeiten von der Leistungsschutzfront

Gehen wir einmal davon aus, dass der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) seiner Journalistenpflicht nachgekommen ist und die Pressemitteilung die Diskussion zum Leistungsschutzrecht für Verleger am 24. Januar 2011 gut zusammenfasst hat. Demnach kann man leider  nur mit einer Nicht-Nachricht aufwarten.

Das Thema lautete ,,ob ein neues Leistungsschutzrecht überhaupt erforderlich ist und ob die Verlage durch Suchmaschinen wie Google tatsächlich so stark benachteiligt werden.„ Das ist insofern interessant, weil wir zur Zeit eigentlich nur eines wissen: Die Verleger wollen ein Leistungsschutzrecht, weil andere Rechteverwerter auch ein Leistungsschutzrecht haben. Die Filmhersteller, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und  Datenbankhersteller seien bereits mit einem  Leistungsschutzrecht ausgestattet. Es sei daher nicht einzusehen, dass ein solches Recht den Presseverlegern vorenthalten werde.

Aber wie das überhaupt aussehen soll? Fehlanzeige: Anders als erwartet, so der BJV,  gab Prof. Schweizer keine Details dazu bekannt, wie das geplante Leistungsschutzgesetz in der Praxis umgesetzt werden soll. Offen blieb auch, ob eine eigene Verwertungsgesellschaft gegründet oder ob  die VG Wort mit der Beitreibung des erhofften Geldsegens betraut werden soll. Theoretisch kommen noch einzelne Verträge mit den Nutzern der Leistung der Verleger in Betracht, die jeder Presseverleger mit jedem Betroffenen abschließt. Wenn eine Verwertungsgesellschaft gegründet werden sollte, kann man spekulieren, wer die Nutznießer sein werden — wohl kaum die kleinen, die am ehesten Hilfe benötigen.

Tatsächlich weiß man bis heute noch nicht einmal, was überhaupt erfasst werden soll. So sprach Dr. Angelika Niebler, parlamentarische Geschäftsführerin der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, von den Googles und Apples dieser Welt. Nun bieten die beiden Unternehmen bislang — soweit bekannt — im Hinblick auf die Presse vollkommen unterschiedliche Leistungen an (wobei Apple  bis vor kurzem von der Presse hochgejubelt wurde  (vgl. z. B.  hier oder hier), bis ihnen auffiel, dass sie sich nur in die Fänge eines Unternehmens begeben hatten, das ihnen keinen Cent schenken will. Vielleicht ist der Geschäftsführerin der EVP-Fraktion auch nicht bekannt, was die genannten Unternehmen für Leistungen anbieten?

Vollkommen unklar bleibt weiterhin, wie die eigentlich dem Urheberrecht zugeordneten Beiträge der Journalisten sich von dem vom Leistungsschutzrecht erfassten Leistungen der Verleger unterscheiden sollen? Dr. Frey warnte davor, dass die Journalisten zu „Gefangenen des neuen Leistungsschutzrechtes“ werden könnten, wenn ihnen die Zweitverwertung ihrer Beiträge erschwert werde. Das würde aber voraussetzen, dass die Leistungen der Journalisten zugleich von dem Leistungsschutzrecht erfasst werden. Allerdings behauptet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), dass das Urheberrecht der Autoren vom Leistungsschutzrecht für Presseverleger unberührt bleibe. Beide Rechte stünden trennscharf nebeneinander. Wie diese Trennung allerdings mit der anderen  Behauptung des BDZV, nur wer gesetzlich geschützte Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, müsse die Zustimmung des Urhebers und des Leistungsschutzberechtigten einholen, zusammenpassen soll, steht in den Sternen. Entweder sind sie getrennt. Dann muss derjenige, der Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, nur einen  fragen. Oder sind sind miteinander verbunden.  Dann  droht allerdings die Gefahr, dass die Journalisten beispielsweise etwaige Zweitnutzungsrechte doch nur mit Zustimmung des Leistungsschutzberechtigten nutzen können.

Die Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes Rainer Reichert und des BJV Jutta Müller sagten, dass sie im Prinzip nicht gegen ein Leistungsschutzrecht seien, wenn es den Journalisten neue Einnahmen beschere. Nachdem das Leistungsschutzrecht offenbar die besonderen Leistungen der Verleger und nicht die der Journalisten erfassen soll, stellt sich allerdings die Frage nach der Berechtigung dieser Position. Erst Recht stellt sich die Frage nach der Berechtigung dieser Hoffnung, denn auf längere Frist werden Zahlungen auf das Leistungsschutzrecht in dieser oder jener Form werden die Zahlungen auf das Gesamtentgelt der Journalisten angerechnet werden. Nutzen wird es auf lange Frist den Verlegern, wie Prof. Peifer zu Recht feststellte.

So bleibt der Kritikpunkt von Dr. Nolte bestehen: Nachdem das Projekt nun einige Jahre alt ist, können wir  weiterhin nur rätseln und orakeln, was  die Verleger überhaupt konkret wollen (außer mehr Geld, das sie sich dann — nach den Vorstellungen der Journalisten — mit diesen teilen sollen).


Ergänzung [3. Feb. 2011]
Nachdem Apple den Verkauf von Zeitungsinhalten, Büchern, Musik etc. zumindest als zwingende Alternative für das Apple gehörende System fordert (mit hochprozentiger Beteiligung für die Apple-Leistung), sofern eine „App“ für das Gerät iPad genutzt wird, müssen nun in der Vorstellung der Verleger die moralischen Rollen getauscht werden: Google wechselt mit dem neuen System Android 3 in das Lager der Guten, während Apple zum Bösewicht erklärt wird. Natürlich ist das alles nur wegen der bösen, bösen Monopole der anderen (Apple, Google etc.) möglich, was aber selbstverständlich kein Hinderungsgrund ist, selbst lautstark eigene Monopole zu fordern, denn die eigenen sind gerecht und notwendig, die der anderen ungerecht und schädlich.


Ergänzung [23. Feb. 2011]

Angelika Niebler teilte in Ihrem Newsletter zu den Planungen auf EU-Ebene mit:  ,,Ende März [2011] werde die Europäische Kommission das Grünbuch für eine Strategie zum Schutz des geistigen Eigentums im Internet vorlegen, das bewusst keinen Vorschlag für ein europäisches Leistungsschutzrecht enthalten werde. Dafür gebe es zu große strukturelle Probleme. So sei z. B. nicht geklärt, wer das Geld eintreiben soll, wer letztendlich bezahlen muss und ob die Gebühr schon beim Ansehen von Seiten gelten soll.“

Ob es sich lediglich um ein rechtstechnisches Problem handelt, wie die Förderung der Presseverleger konkret gestaltet werden soll, blieb aber offen.