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Urheberrecht, Empirie und Zauberlehrlinge

Nach Art. 16 Abs. 3 der Datenbankrichtlinie sollte die Kommission innerhalb von drei Jahren (ab dann alle drei Jahre) nach Inkrafttreten der Richtline (1998) einen Bericht über die Wirkung des neuen Instruments auf die Produktion von Datenbanken erstatten. Diese Fristen wurden versäumt. Im Dezember 2005 veröffentlichte die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen schließlich eine Bewertung der EU-Datenbankrichtlinie von 1996, die der Frage nachging, ob die mit ihr eingeführten Schutzmaßnahme positive Auswirkungen auf die Datenbankproduktion innerhalb der EU hatten. Der bislang einzige Bericht zeigt — aus verständiger Sicht — kein erstaunliches Ergebnis: In Europa hat sich die Umsetzung der Richtlinie nachteilig ausgewirkt: Die USA — die kein entsprechendes besonderes Recht kennen (allerdings mit dem Copyright großzügiger sind) — haben Europa abgehängt, da dort der Markt wuchs (und nicht, wie in der EU, stagnierte).

Nach Maßgabe der Richtlinie werden Datenbanken, sofern sie hinreichend kreativ strukturiert sind durch das Urheberrecht geschützt. War die Zusammenstellung kostenintensiv und arbeitsaufwändig (wie beispielsweise die Erstellung eines Telefonbuchs) fallen sie unter das neu kreierte Schutzrecht „sui generis“, ein spezielles Schutzrecht für Datenbanken (Investitionsschutz).

Die deutschen Bestimmungen des Urhebergesetzes unterscheiden dementsprechend zwischen den Datenbanken, die aufgrund iher Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen sollen (§ 4 UrhG) und solchen, bei denen die Investition geschützt wird (§ 87a UrhG):
§ 4 Sammelwerke und Datenbankwerke

(1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt.

(2) Datenbankwerk im Sinne dieses Gesetzes ist ein Sammelwerk, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Ein zur Schaffung des Datenbankwerkes oder zur Ermöglichung des Zugangs zu dessen Elementen verwendetes Computerprogramm (§ 69a) ist nicht Bestandteil des Datenbankwerkes.

Sollten diese Sammlungen persönliche geistige Schöpfungen sein, gilt der lange Schutz von 70 Jahren post mortem. Für andere Sammlungen gelten hingegen unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 87a Begriffsbestimmungen

(1) Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.

(2) Datenbankhersteller im Sinne dieses Gesetzes ist derjenige, der die Investition im Sinne des Absatzes 1 vorgenommen hat.

§ 87b Rechte des Datenbankherstellers

(1) Der Datenbankhersteller hat das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe eines nach Art oder Umfang wesentlichen Teils der Datenbank steht die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank gleich, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen.

(…)

§ 87d Dauer der Rechte

Die Rechte des Datenbankherstellers erlöschen fünfzehn Jahre nach der Veröffentlichung der Datenbank, jedoch bereits fünfzehn Jahre nach der Herstellung, wenn die Datenbank innerhalb dieser Frist nicht veröffentlicht worden ist. (…)

Die Richtlinie sollte die Rechtsgrundlage für den Schutz eines breiten Spektrums von Datenbanken im Informationszeitalter bilden. Dies wurde dadurch erreicht, dass originelle Datenbanken durch ein starkes Urheberrecht geschützt wurden; darüber hinaus wurde für „nichtoriginale“ Datenbanken, die keine Eigenschöpfung des Urhebers darstellen, ein Recht „sui generis“ eingeführt. Aufgrund dieser Harmonisierung waren das Vereinigte Königreich und Irland, die bei der Originalität eine niedrigere Schwelle ansetzten und das „sweat of the brow“-Urheberrecht anwendeten, gezwungen höhere Maßstäbe anzusetzen. Als Ausgleich für den Wegfall des „sweat of the brow“-Schutzes wurde das Recht „sui generis“ als eine vollkommen neue Form des Schutzes geistigen Eigentums eingeführt. Das Schutz nach dem Prinzip „sweat of the brow“ besagt im Prinzip, dass die Arbeitsleistung geschützt wird, unabhängig von der — nach welchen Kriterien auch immer bestimmten — Qualität des Ergebnisses. In Deutschland kennt man solche Leistungsschutzrechte auch. So wird beispielsweise jede Fotografie für ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen des Lichtbildes gegen unberechtigte Kopien geschützt, sofern das Lichtbild durch einen bestimmten Vorgang (Auslöser der Kamera gedrückt) zustande gekommen ist (§ 72 UrhG).

Allerdings zeichnen Datenbanken sich noch durch einen anderen Aspekt aus, auf den bspw. Christine Würfel hinweist: Die Gewährung eines sui generis Schutzes für Datenbanken werfe das Problem des zeitlich unbegrenzten Schutzes auf, da durch ständige Aktualisierung der Datenbanken das Schutzrecht theoretisch bis in alle Ewigkeit verlängert werden könne. Damit werde auch der Zugang zu den in der Datenbank enthaltenen Daten monopolisiert.

Die Überprüfung der Kommission konzentrierte sich jedoch auf die Frage, ob die Einführung dieses Schutzrechtes zu höheren Wachstumsraten in der europäischen Datenbankindustrie und bei der Datenbankproduktion geführt hat. Die Bewertung stützte sich auf eine Online-Erhebung aus dem Jahr 2005, die sich an die europäische Datenbankindustrie richtete, und auf das Gale Directory of Databases (GDD), das größte existierende Datenbankverzeichnis.

Aus dem GDD ist ersichtlich, dass die Datenbankproduktion in der EU im Jahr 2004 auf das Niveau vor Einführung der Richtlinie zurückgefallen ist: 2004 wurden 3 095 EU-Datenbanken in das GDD eingetragen, 1998 waren es 3 092 und 2001 wurden 4 085 Einträge gezählt. Die Überprüfung bewertet das Ergebnis freundlich, nämlich dass das Recht „sui generis“ keinen wirtschaftlichen Einfluss auf die Datenbankproduktion hat. Diese Schlussfolgerung ist falsch: Tatsächlich muss man wohl eher einen Vergleich mit den Vereinigten Staaten ziehen und der Richtlinie nachteilige Folgen zuschreiben, denn keine Steigerung in der Zeit 1998 bis 2004 ist in dem schnell wachsenden Bereich eine Schrumpfkur.

Nachdem der erste Bericht der Kommission — die ja immer noch alle drei Jahre berichten müsste — eindeutig ausgefallen ist, hat man sich offenbar entschlossen, die Interessenten nicht mehr mit der Wirklichkeit und den nachteiligen Folgen der Umsetzung der Ideologie des geistigen Eigentums zu konfrontieren. Neue Berichte trotz Pflicht zur Veröffentlichung im Dreijahres-Rhythmus: Fehlanzeige.

Statt dessen verweist man auf die Unternehmen: Empirisch lässt sich der Nutzen des neuen Rechts nicht belegen, doch die europäische Verlagsindustrie bezeichnet das Schutzrecht „sui generis“ als wesentlichen Faktor für den Erfolg ihrer Tätigkeit. Das mag durchaus sein, ist aber genauso wenig erstaunlich, denn schließlich strebt jeder Unternehmer eine Monopolposition an, weil er dann mehr verdient. Dementsprechend sind auch zahlreiche Meldungen bei der Kommission eingegangen, die die Vorteile der Richtlinie preisen, von den Nachteilen für andere selbstverständlich schweigen.

Zugleich nutzten andere Unternehmen die Umfrage, um eine Erweiterung der Schutzrechte auf ihre Leistung zu fordern, auch wenn sie keine Datenbanken produzieren, so beispielsweise die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL). Sie nimmt u. a. die wirtschaftlichen Interessen der 36 Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußball-Bundesliga und der 2. Fußball-Bundesliga in Deutschland wahr. Die DFL hielt in ihrer Stellungnahme eine Klarstellung für geboten und erforderlich, dass nicht nur die Hersteller, deren Hauptaktivität die Schaffung von Datenbanken ist, Schutzrechte geltend machen können, sondern insbesondere auch diejenigen Hersteller, die eine Datenbank im Rahmen und im untrennbaren Zusammenhang mit der Durchführung einer anderen Hauptaktivität erschaffen. Die als Nebenprodukt einer Hauptaktivität hergestellten Datenbanken würden sich weder in der Originalität im Sinne einer geistigen Schöpfung noch im Maß der Investition im Sinne der Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder im Einsatz von Zeit, Arbeit und Energie von den als Hauptaktivität geschaffenen Datenbanken unterscheiden.

Die Argumentation folgt dabei dem bekannten Muster. Die DFL führte aus:

Der Verband, der den Wettbewerb organisiert und vermarktet sowie mit einem aufwändigen Lizenzierungsverfahren die Zulassung zu diesem Wettbewerb regelt und damit die Durchführung des Spielbetriebes in der Liga über eine ganze Spielzeit sicherstellt, und die Teilnehmer des Wettbewerbs schaffen als Mitveranstalter unter Einsatz erheblicher wirtschaftlicher Mittel ein Sportprodukt, das einen eigenen Vermögenswert darstellt. Sie müssen jedoch derzeit hinnehmen, dass Dritte, insbesondere die Veranstalter von Sportwetten, ihre Wertschöpfung unentgeltlich zur eigenen Gewinnzerzielung ausnutzen, ohne dass die Wettveranstalter einen eigenen Beitrag zu der Leistung der Verbände erbracht hätten.

Es ist die in sich schlüssige moralische Argumentationskette, die allerdings unter einem erheblichen Mangel leidet: Der Erfolg des einen beruht immer zum Großteil auf einem Gesamtsystem und dieses Gesamtsystem funktioniert ohne solche Leistungsschutzrechte besser. Die Wettbüros nutzen die angebliche Wertschöpfung der Fußballvereine, Fußballvereine nutzen ebenso unentgeltlich die Wertschöpfung der Medien, der Reporter, der kleinen Fußballvereine, die als Talentscouts tätig sind, oder der Sportlehrer usw. Dieses Ausnutzen der angeblichen Wertschöpfung anderer ist immanenter Bestandteil der Marktwirtschaft. Beispielsweise wird man wohl kaum leugnen können, dass Rechtsanwaltskanzleien, Notare, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Architekten in einem erheblich höheren Ausmaß die Wertschöpfung der staatlichen Ausbildung unentgeltlich nutzen als Handwerksbetriebe (die noch dazu — unter Umständen — Gewerbesteuer bezahlen müssen).

Auf politischer Ebene schafft man mit solchen wirtschaftlich unsinnigen Leistungsschutzrechten vor allem neue Begehrlichkeiten. Andere Unternehmen fordern Gleichbehandlung, weil es ja — wie die DFL zutreffend feststellt — keinen logisch nachvollziehbaren Unterschied gibt, wieso nun gerade bei Datenbanken ein Schutzrecht nach dem Muster des geistigen Eigentums etabliert werden soll, während es bei anderen Leistungen (noch) fehlt. Wieso sollte beispielsweise ein Unternehmen, das ein nicht patentiertes Produkt neu auf den Markt bringt und mit erheblichem Aufwand bewirbt nicht auch ein Leistungsschutzrecht zugesprochen bekommen? Wenn der Konkurrent ein vergleichbares Produkt auf den Markt bringt, nutzt er auch die Wertschöpfung (Werbung) des Erstanbieters unentgeltlich zur eigenen Gewinnzerzielung aus.

Zu schnell scheint sich das Recht zu verselbständigen und zu laut klagen die Unternehmer (die bislang auch ohne das Schutzrecht ausgekommen sind) über angebliche Schäden, Entlassung von Mitarbeitern etc. Es sind die Jahrhunderte alten Jammerklagen der Zunftmeister und Priviliegieninhaber und sie stoßen noch heute auf Gehör bei den Politikern. So hat die Kommission zwar in einer Konsultationsrunde unter anderem die Frage gestellt, ob man die Richtlinie wieder aufheben oder den Anwendungsbereich stark reduzieren solle. Allerdings — so das Max Planck Institut (MPI) für geistiges Eigentum, Wettbewerb und Steuerrecht — sei bereits anhand der allgemeinen Bemerkungen klar geworden, dass eine Aufhebung (trotz des offenkundigen Misserfolges) als nicht realistisch eingestuft wurde. Dementsprechend hat das MPI zu der Feigenblatt-Frage auch überhaupt keine Stellung genommen, obwohl die Rücknahme offenbar die richtige Entscheidung gewesen wäre.

Der Zauberlehrling
Der Zauberlehrling von Ferdinand Barth

Die Äußerungen der Kommission sind wenig hoffnungsvoll. Beim geistigen Eigentum scheint man in den Industriestaaten inzwischen eine neue Rechtfertigungsmethode gefunden zu haben. Sie ist wohl ganz im Sinne von Fritz Machlups Äußerungen aus der Zeit um 1960: Wenn wir im 19. Jahrhundert gewusst hätten, was wir heute wissen (1960), dann hätten wir das Patentrecht wohl nicht eingeführt. Jetzt, wo wir es haben, können wir es aber schwerlich wieder abschaffen, scheint die Devise zu sein. Das alles klingt nun nicht nach Innovation oder Dynamik in der Politik, sondern verheißt vor allem Stillstand. Die Kommission reagiert mit Nichtstun: Man führt ein abstraktes Schutzrecht „auf Probe“ ein — zur Evaluierung — und entschuldigt sich hinterher, dass man den neuen Besen nicht mehr kontrollieren kann. Da wird auch verständlich, wieso es bislang anstelle von drei oder vier Berichten über die Erfolge der Datenbankrichtlinie nur einen über den Misserfolg gab. Die Berichte über die Erfolge fallen offenbar sehr kurz aus, nämlich gar nicht: Wenn es keine Erfolge zu vermelden gibt, wird geschwiegen.

Wo bleibt der Hexenmeister, der dem Spuk der Lehrlinge ein Ende bereitet?


Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort’ und Werke
merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.

Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
bist schon lange Knecht gewesen;
nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
oben sei ein Kopf,
eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!

Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder,
wahrlich! ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe!
Denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen!
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
kann ichs lassen;
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!

Willsts am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.

Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!

Wehe! wehe!
Beide Teile
stehn in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach, ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Naß und nässer
wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.

»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur, zu diesem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.«

Johann Wolfgang von Goethe

Patent zur Herstellung von Geldscheinen

Der für das Patentrecht zuständige Xa-Zivilsenat hat am 8. Juli 2010 über eine Nichtigkeitsklage der Europäischen Zentralbank gegen ein Patent entschieden, das ein Verfahren zur Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments, zum Beispiel von Geldscheinen, betrifft.

Das angegriffene Patent, das vom Europäischen Patentamt mit Wirkung für zahlreiche europäische Länder erteilt worden ist, betrifft ein Verfahren, mit dem Geldscheine insbesondere vor Fälschung mittels modernen Farbkopiergeräten geschützt werden sollen. Hierzu sollen die Geldscheine mit bestimmten Strukturen versehen werden, die beim Kopiervorgang ein so genanntes Moirémuster erzeugen, das die Kopie leicht erkennbar als Fälschung entlarvt.

Die Patentinhaberin führt gegen die Europäische Zentralbank in mehreren europäischen Ländern Rechtsstreitigkeiten. Sie macht geltend, bei der Herstellung der Euro-Banknoten werden von der patentierten Lehre Gebrauch gemacht. Die Europäische Zentralbank wehrt sich dagegen mit einer Nichtigkeitsklage, die in jedem Land, für das das Patent erteilt worden ist, gesondert erhoben werden muss. In verschiedenen Staaten, darunter Großbritannien und Frankreich, ist das Patent mit Wirkung für das jeweilige Land bereits rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In den Niederlanden und Spanien ist die Nichtigkeitsklage in erster Instanz erfolglos geblieben.

In Deutschland hat das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Nach seiner Auffassung greift keiner der von der Klägerin vorgetragenen Nichtigkeitsgründe.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Bundespatentgerichts abgeändert und das Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Er ist ähnlich wie die englischen und französischen Gerichte und wie das österreichische Patentamt zu der Auffassung gelangt, dass die erteilte Fassung des Patents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind die Rechtswirkungen des Patents damit rückwirkend entfallen. Man kann also die Technik kopieren, die das Kopieren der Geldscheine erschweren soll.

Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07

Freier Kapitalverkehr und Genehmigungserfordernis beim Grundstückskauf

Der freie Kapitalverkehr verwehrt es nicht, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von der Erteilung einer vorherigen Genehmigung, wie sie das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vorsieht, abhängig gemacht wird. Er verbietet es jedoch, dass diese Genehmigung in jedem Fall versagt wird, wenn der Erwerber die betreffenden Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und in diesem Betrieb wohnt.

Frau Ospelt, eine Staatsangehörige des Fürstentums Liechtenstein, ist Eigentümerin einer etwa 43 500 qm großen Liegenschaft im Land Vorarlberg (Österreich), auf der sie wohnt. Die meisten Flurstücke dieses Besitztums sind an Landwirte verpachtete landwirtschaftliche Flächen.

Im April 1998 wurde die gesamte Liegenschaft mit notarieller Urkunde einer Stiftung gewidmet, die ihren Sitz im Fürstentum Liechtenstein hat und deren Erstbegünstigte Frau Ospelt ist. Die Stiftung hatte die Absicht, die Bewirtschaftung der Grundstücke weiterhin den Landwirten zu überlassen, die bereits damit betraut waren.

Die nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz (VGVG) erforderliche Genehmigung wurde bei den Behörden des Landes beantragt und von diesen mit der Begründung versagt, dass die Voraussetzungen für den Erwerb durch Ausländer nicht erfüllt seien. § 5 VGVG sieht vor, dass der Rechtserwerb im Falle landwirtschaftlicher Grundstücke nur genehmigt werden darf, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht und der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet und im Betrieb auch seinen ständigen Wohnsitz hat oder, soweit ein solches nicht in Frage kommt, er der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht.

Auch der Unabhängige Verwaltungssenat von Vorarlberg, bei dem Berufung eingelegt wurde, versagte die vorherige Genehmigung, da die Stiftung ebenso wie Frau Ospelt keine Landwirtschaft betreibe und dies auch in Zukunft nicht beabsichtige und da eine solche Transaktion daher nicht im Einklang mit den im öffentlichen Interesse liegenden Zielen des VGVG hinsichtlich der Erhaltung und Schaffung wirtschaftlich lebensfähiger kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe stehe.

Der in letzter Instanz befasste Verwaltungsgerichtshof möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr einem Verfahren der vorherigen Genehmigung, wie es das VGVG für Transaktionen in Bezug auf landwirtschaftliche Grundstücke vorsieht, entgegenstehen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die vom VGVG aufgestellten Voraussetzungen den freien Kapitalverkehr beschränken. Aufgrund der liechtensteinischen Staatsangehörigkeit der Frau Ospelt waren die Vorschriften des EWR-Abkommens zu überprüfen. Die Bestimmungen des EWR-Abkommens (Artikel 40 und Anhang XII EWR-Abkommenh) würden dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen von Artikel 73b EG-Vertrag aufweisen. Doch verfolgt das VGVG seiner Auffassung nach im Allgemeininteresse liegende Ziele, mit denen solche Beschränkungen grundsätzlich gerechtfertigt werden können.

Die von den zuständigen Stellen im Voraus ausgeübte Kontrolle solle sicherstellen, dass die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke nicht die Einstellung ihrer Bewirtschaftung zur Folge habe. Der Gerichtshof betont, dass eine Kontrolle durch die nationalen Stellen nach der Veräußerung dieser Grundstücke nicht dieselben Sicherheiten böte, und kommt zu dem Schluss, dass ein System vorheriger Genehmigungen im Grundsatz nicht zu beanstanden sei.

Allerdings sei die Transaktion zwischen Frau Ospelt und der Stiftung nicht genehmigt worden, da die Stiftung ebenso wie Frau Ospelt keinen landwirtschaftlichen Betrieb führe. Dies gehe über das hinaus, was zur Erreichung der mit dem VGVG verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden Ziele erforderlich sei.

Eine andere, den freien Kapitalverkehr in geringerem Maße beeinträchtigende Maßnahme wäre z. B., die Veräußerung von landwirtschaftlichen Grundstücken an eine juristische Person an besondere Verpflichtungen wie die langfristige Verpachtung des Grundstücks zu knüpfen.

Sofern das VGVG von den nationalen Stellen dahin ausgelegt würde, dass die vorherige Genehmigung anderen Personen als Landwirten, die auf den betreffenden Grundstücken wohnten, erteilt werden könne, wenn sie die erforderlichen Garantien hinsichtlich der Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Grundstücke abgäben, dann beschränkte das VGVG den freien Kapitalverkehr nicht über das hinaus, was zur Erreichung seiner Ziele erforderlich sei.

Kommentar

Der EuGH bestätigte die Befugnis der Mitgliedstaaten, Regelungen für den Erwerb von Grundeigentum zu schaffen, die spezielle Maßnahmen für Transaktionen vorsehen, die land- und forstwirtschaftliche Grundstücke betreffen. Allerdings würden für solche Regelungen die grundlegenden Normen des Gemeinschaftsrechts und namentlich die Vorschriften über die Nichtdiskriminierung, die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr gelten. Eine vorhergehende Genehmigung zum Erwerb von Grundeigentum würde den freien Kapitalverkehr beschränken.

Maßnahmen, die eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zum Gegenstand haben, könnten gleichwohl zulässig sein, wenn mit ihnen in nicht diskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird und wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen, d. h. geeignet sind, die Erreichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist. Da es sich um die Erteilung einer vorherigen Genehmigung handele, müssten sich diese Maßnahmen zudem auf objektive und im Voraus bekannte Kriterien stützen, und jedem, der von einer solchen einschränkenden Maßnahme betroffen ist, muss der Rechtsweg offen stehen.

Auch dieses Urteil belegt die Reichweite der im EG-Vertrag niedergelgten Grundfreiheiten nach der Rechtsprechung des EuGH. Obwohl der Regelungsgegenstand in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt und obwohl keine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorgesehen ist, überprüft der EuGH die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der österreichischen Bestimmungen.

Es zeigt sich, dass die Zuständigkeits- und Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten in fast allen wirtschaftlich relevanten Bereichen aufgrund der Grundfreiheiten oftmals keine „echte“ Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten ermöglichen, denn alle diese Maßnahmen unterliegen der Überprüfung des EuGH auf Erforderlichkeit, Zweck- und Verhältnismäßigkeit.

Bulgarien — historischer Überblick

bis zum 6. Jh. Das Land war u.a. von hellenisierten oder romanisierten Thrakern bewohnt.
Um 680 Chan Asparuch überschritt mit einem Teil der nichtslawischen Protobulgaren die untere Donau und eroberte die nordbulgarische Ebene.
681 Anerkennung des Ersten Bulgarischen Reiches durch Byzanz.
681 – 1018 Im 9. Jh. schloss Chan Boris sich der griechischen Ostkirche an. Sein Sohn Simenon I. (893-927, seit 917 Zar) verkörperte die die kulturelle Blüte und größte Machtentfaltung des Ersten Bulgarischen Reichs. Unter seinen Nachfolgern setzte der Zerfall des Reiches ein: Zunächst wurde Ostbulgarien byzantinische Provinz (971). Der Reststaat wurde 1018 von Basileios vernichtend geschlagen und unterwarf sich Byzanz.
1018 – 1186 Byzantinische Herrschaft
1186 – 1396 1186 gelang die Befreiung von Byzanz. Es wurde das Zweite Bulgarische Reich gegründet. Dieses Reich musste sich den Osmanen unterwerfen (1393 fiel Tarnowo, 1396 fiel als letzter Teil Vidin unter osmansiche Herrschaft). 1396 wurde Bulgarien türkische Provinz.
1396 – 1876 Türkische Herrschaft.
1877/1878 Der Russisch-Türkische Krieg, der Frieden von San Stefano und der Berliner Kongress führten zur Gründung des Großbulgarichen Reíches. Der nördlichte Teil Bulgariens wurde ein autonomes Fürstentum. der südliche Teil türkische Provinz.
1879 Die erste demokratische Verfassung wurde erlassen.
1908 Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Koháry (Sachsen-Coburg-Gotha) erklärt Bulgarien zu einem unabhängigen Königreich. Die Anerkennnung durch die Türkei und andere Staaten erfolgte 1909.
1912
Schöne Kirche in Varna Bulgarien
Schöne Kirche in Varna. Bild von hecht1969. Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de

Griechenland, Serbien, Bulgarien und Montenegro schließen sich zum Balkanbund zusammen und erorberten im 1. Balkankrieg einen Teil des türkischen Reiches. Die Verteilung des eroberten Gebietes führte zu Auseinandersetzungen und zwischen den Verbündeten, die im zweiten Balkankireg mündeten. Im Frieden von Bukarest (10. Aug.1913) trat Bulgarien die Süd-Dobrudscha an Rumänien ab und musste auf fast ganz Mazedonien zugunsten Serbiens und Griechenlands verzichten. Adrianopel wurde an die Türkei zurück gegeben.

1915 Bulgarien schließt sich im ersten Weltkrieg den Mittelmächten an.
2. Weltkrieg Bulgarien schließt sich den Achsenmächen und isolierte sich so von den anderen Balkanstaaten. Bulgarien beteiligte sich am Krieg gegen die Achsenmächte gegen Jugoslawien und Griechenland und erklärte den USA und Großbritannien den Krieg.
1943 Nach dem Tod Boris III. bildet sich ein Regenschaftsrat für den minderjährigen Kronprinzen Simeon
1944 Im September 1944 erklärt die UDSSR Bulgarien den Krieg und besetz das Land. Es wird eine kommunistische Regierung der Vaterländischen Front unter Ministerpräsident K. Georgiew installiert
1946 – 1989 Es wird eine Volksdemokratie ausgerufen, die Agrarreform vollendet. 1947 wird eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild in Kraft gesetzt. Durch den Beitritt zum COMECON (1949) und dem Warschauer Pakt (1955) wurde die Einbindung Bulgariens in den Ostblock befestigt.
1989 Im Rahmen der ersten Wende wurde in Bulgarien die Einparteienherrschaft und die Kommandowirtschaft beseitigt. Die ersten demokratischen Wahlen fanden im Jahre 1990 statt.
1991 Die neue Verfassung wurde verabschiedet, Bulgarien zu einer parlamentarischen Republik erklärt. In den Ersten Jahren gab es in Bulgarien zahlreiche Regierungswechsel. Ökonomische Reformen wurden nur zögernd eingeleitet. Ende 1994 gewann die Bulgarische Sozoialistische Partei die Wahlen; die von Jan Viedenov geführte Regierung brachte den Transformationsprozess fast völlig zum Stillstand.
1996 Mitte 1996 kam es zu einer Bankenkrise mit Hyperinflation, die zu Beginn 1997 ihren Höhepunkt fand. Ende 1996 wurde Petar Stoyanov von der Opposition ODS (Vereinigte demokratische Kräfte) zum Präsidenten gewählt.
1997 Die Wirtschaftskrise und die eindeutige Wahl von Petar Stoyanov spitzten die politische Krise zu, die am 10. Januar 1997 Stürmung des Parlaments ihren Höhepunkt fand. Es wurde eine Übergangsregierung unter Stefan Sofijanski gebildet und am 19. April 1997 entschied sich die bulgarische Bevölkerung mit 52% der abgegebenen Stimmen für die bulgarische Rechte und den Ministerpräsidenten Iwan Kostow, dem Chef der Union der demokratischen Kräfte (SDS).
1997-2001 Ministerpräsident Kostow beginnt zügig mit der Umsetzung von Reformen: zunächst wurde zur Bekämpfung der Inflation ein Währungsrat eingesetzt und die bulgarische Währung an die DM gebunden (1999 an den EURO). Die Privatisierung wurde vorangetrieben, die Gesetze an die Marktwirtschaft angepasst. Der Regierung gelang trotz der für die Wirtschaft Bulgariens äußerst nachteiligen Jugoslawienkrise eine eindrucksvolle Wende mit der Folge einer politischen und volkswirtschaftlichen Stabilisierung. Bulgarien setzt sich für einen Beitritt zur EU ein, im Dezember 1999 wurde von der EU die offizielle Einladung zu Aufnahmegesprächen ausgesprochen.
2001 Im Juni 2001 gewinnt die gerade einmal zwei Monate zuvor gegründete Nationale Bewegung Simenon II. (NDSW) um den früheren Zaren Simeon II. (Simeon Sakskoburggotski – Sachsen-Coburg-Gotha) die Parlamentswahlen in Bulgarien und verfehlt nur knapp die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Simenon II., der bislang als Politiker keine Rolle in Bulgarien gespielt hat, kündigt nach den Wahlen in den wesentlichen Punkten eine Fortsetzung der Politik Kostows an. Simeon Sakskoburggotski und die von ihm zusammengestellte Regierung wird am 24.Juli 2001 vom Parlament bestätigt.

Albanien — Historischer Überblick

Ursprung In der politschen Geschichte Südosteuropas spielte Albanien eine wichtige Rolle, war es doch das Tor zur Adria.
Die Albaner führen ihre Ursprünge auf die Illyrier zurück, einem der ältesten Völker Europas. Zentren des illyrischen Staates waren Durres (Durazzo) und Skutari. Die albanische Sprache soll zwischen dem 6. und dem 4. Jahrhundert v. Chr. sich aus dem Illyrischen entwickelt haben.
Rom Der letzte König der Illyren, Gentius, wurde von den Römern besiegt, Albanien wurde 167/165 v. Chr. Bestandteil des römischen Reichs (Illyricum).
395-1468 Bei der Reichsteilung kam Illyricum zum Byzantinischen Reich. In der Zeit vom 10. bis zum 15. Jahrhundert war das Gebiet Streitobjekt zwischen dem ersten Bulgarischen Reich, dem Serbenreich, dem Depotastat von Epirius und dem Königreich Neapel. Der Begriff „Albaner“ tauchte erstmals im 11. Jh. auf.
Dem heutigen Nationalhelden Albaniens, Fürst Gjergj Kastrioti (1405-68), bekannt als Skenderbeg, gelang es 1444, die Albaner erstmals zu vereinen und die eindringenden Osmanen abzuwehren.
1468-20. Jh. Nach dem Tod Skenderbegs 1468 fiel das Land an das Osmanische Reich. Bis auf einige Häfen besetzen die Türken 1468 das gesamte Land.
1910 – 1912 Die erstmals 1878 in der Liga von Prizren – eine Stadt im heutigen Gebiet Kosovo zum Ausdruck gekommenen Autonomiebestrebungen führten 1910 zu einer offenen Rebellion gegen die Türken. Serben, Montenegriner und Griechen erklärten der Türkei den Krieg und marschierten im Oktober 1912 in das albanische Terretorium ein. Nach Ausbruch des ersten Balkankrieges rief Ismail Kemal Bei am 28. Nov. 1912 in Valona die Unabhängigkeit Albaniens aus. Der 28. Nov. 1912 ist heute der Nationalfeiertag in Albanien. Die volle Unabhängigkeit sollte Albanien erst 8 Jahre später erlangen.
1912-1919 Die europäischen Großmächte (England, Deutschland, Russland, Österreich-Ungarn, Frankreich and Italien) einigten sich am 29. Juli 1913 in London auf die Schaffung eines unabhängigen Fürstentums. Diese sollte wohl auch verhindern, dass Serbien einen eigenen Adriahafen bekommt. Der deutsche Prinz Wilhelm zu Wied wurde zum Fürsten von Albanien bestimmt und kam im März 1914 nach Albanien. Es gelang ihm jedoch nicht, seine Macht durchzusetzen, so das er das Land 6 Monate später wieder verließ.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war der nördliche Teil Albaniens von deutschen, österreichisch-ungarischen, griechischen, französischen und serbischen Truppen, der südliche Teil von den Italienern besetzt.

1920 Die Albaner verdanken es dem Veto von US-Präsident Woodrow Wilson, der einem Plan, Albanien nach dem I. Weltkrieg auf die Nachbarländer aufzuteilen, widersprach. Mit dem Verzicht Italiens auf Albanien in 1919 und dem Abzug der Truppen in 1920 gewann Albanien seine Unabhängigkeit in den Grenzen von 1913. Es wurde 1920 in den Völkerbund aufgenommen.
1920-1944 Ahmed Bei Zogu (8. Okt. 1895 bis 9. April 1961) kam 1922 mit jugoslawischer Hilfe an die Macht. Er musste Mitte 1924 aufgrund einer öffentlichen Revolte nach Jugoslawien fliehen. Die neue Regierung mit Noli als Premierminster richtete eine westlich orientierte Demokratie ein und begann mit verschiedenen Reformen, die jedoch angesichts leerer Staatskassen und fehlender Anerkennung der als moderast sozialistisch eingestuften Regierung scheiterte. Zogu erobert mit bewaffneter Unterstützung keine sechs Monate später das Land zurück, rief 1925 die Republik aus, wurde deren Staatspräsdident und nahm 1928 als Zogu I. (1928-1939) den Königstitel an. Eingeengt zwischen den Mächten Jugoslawiens, Griechenlands und Italiens orienierte sich Albanien zu dem faschistischen Italien und Mussolini (1. (1926) und 2. Vertrag (1927) von Tirana).

Italien macht Albanien zu seinem Brückenkopf im Balkan und kontrollierte mit der Zeit die Armee und die Finanzen. Schließlich besetzte Italien 1939 Albanien – Zogu floh ins Ausland – Albanien war in Personalunion mit Italien vereinigt. Von Albanien aus griff Italien – ohne Erfolg – Griechenland an. Als das nationalsozialistische Deutschland 1941 Griechenland und Jugoslawien geschlagen hatte, wurde Albanien das Kosovogebiet zugeordnet. Dieser neue Staat (Deuschland ersetzte 1943 Italien als Besatzungsmacht) dauerte bis 1944. Als die Deutschen im November 1994 sich zurückzogen, wurde Kosovo wieder jugoslawisch.

1944-1991
Der Führer der 1941 gegründeten kommunistischen Partei, Enver Hodscha (16. 10. 1908 bis 11. April 1985 – Hoxha), bildete nach dem Abzug der deutschen Truppen mit Unterstützung des jugoslawischen kommunistischen Führers Tito eine Volksfrontregierung.

Hodscha wandelte 1946 unter Ausschaltung der Opposition Albanien in eine Volksrepublik um. Er war Generalsekretär der kommunistischen Partei (1944-1954) und zugleich Minsterpräsident (1944-1954). Es wurden Bodenreformen duchgeführt, die Wirtschaft wurde verstaatlicht und die mächtige Klasse der „Bei“ abgeschafft. In den folgenden Jahren isolierte Albanien sich mehr und mehr von den anderen Staaten. 

1948 bracht die kommunistische Partei mit den jugoslawischen Kommunisten, 1961 ordnete sich Albanien in dem Streit zwischen der Sowjetunion und China Mao Tse-tung zu. 1967 wurde die Kirchen und Moscheen geschlossen. 1968 trat Albanien aus Protest gegen den Einmarsch russischer Truppen in die Tschecheslowakei aus dem Warschauer Pakt aus. Schließlich kam es 1978 zum Bruch mit China. Albanien war damit politisch und wirtschaftlich isoliert, mangels Wirtschaftsbeziehnugen und finanzieller Unterstützung verschlechterte sich die wirtschaftliche Siutation.
1985, nach Hodschas Tod, kam der von Hodscha auserwählte Ramiz Alia an die Macht, der das sozialistische System bewahren wollte, jedoch einige wirtschaftliche Reformen durchührte. Unter anderem wurden ausländische Investitionen zulässig. 1990 unterzeichnete er die Erlaubnis, unabhängige politische Parteien zu gründen und gab damit das Signal, dass das sozialistische Einparteiensystem beendet ist.

1991-1992 Seit 1991 ist das Land eine präsidiale Republik. Trotz wirtschaftlicher Erfolge der neuen Regierung gehört Albanien noch immer zu den ärmsten Ländern in Europa.
Im Januar wurde die erste oppositionelle Zeitung, Rilindja Demokratike, herausgegeben. März/April wurde erstmals seit 1920 wieder eine Mehrparteienwahl durchgeführt. Die Arbeiterpartei gewann, 67 % der Stimmen, die Demokrtische Partei rd. 30 %. Alia wurde als Präsident wiedergewählt. Im Juni 1991 trat eine neue Verfassung in Kraft, die Gewaltenteilung vorsah und damit die Verfassung von 1976 außer Kraft setzte. Es kam zu verschiedenen Regierungsbildungen und Regierungskrisen, die 1992 in Neuwahlen mündeten. Diese wurden von den Demokraten gewonnen. Im April 1992 wurde der Führer der Demokratischen Partei, Salia Berisha, zum Präsidenten gwählt.
Im September 1992 wuden unter anderem der ehemalige Präsident Alia und achtzehn weitere ehemalige sozialistische Führer einschließlich der Witwe Hodschas wegen orruption und anderer Vegehen angeklagt und verurteilt.
1996 Aus den Parlamentswahlen ging erneut die Demokratische Partei als Sieger hervor und Sali Berisha wurde Staatspräsident. Im Frühjahr kam es durch den Zusammenbruch hochspekulativer weitverbreiteter Investitionssysteme (Pyramidenspiele) zu politischen Unruhen. Durch massive Plünderungen wurde ein großer Teil der Industrie und der Infrastruktur zerstört, zeitweise Teile des Landes in der Hand von bewaffneten Banden. Zahlreiche der aus den Kasernen gestohlenen Waffen sind noch heute im Umlauf. Das Land wurde wirtschaftlich um 1-2 Jahre zurückgeworfen.
1997 Im August 1997 kam es unter Mitwirkung der OSZE zu Neuwahlen, aus denen eine Koalitionsregierung unter Führung der Sozialistischen Partei als Sieger hervorging. Rexhep Mejdani, ein international anerkannter Physiker, wurde im Juli 1997 zum Staatspräsidenten bestellt, Fatos Nano wurde Ministerpräsident.
1998 Im September 1998 wurde ein enger Mitarbeiter Berishas erschossen, es brachen erneut schwere Unruhen aus. Ministerpräsident Fatos Nano trat am 28. September zurück, sein Nachfolger wurde Pandeli Majko. Durch ein Referendum am 22. November erfolgte die Annahme einer modernen demokratischen Verfassung, die Inkraftsetzung durch Staatspräsident Mejdani am 28. November 1998. Pandeli Majko als Ministerpräsident wurde im Herbst 1999 durch den ebenfalls sozialistischen Ilir Meta abgelöst.
2001 Im Juni 2001 finden die Parlamentswahlen statt, die mit einem Sieg der bislang regierenden sozialistischen Partei über die zweitstärkste Kraft, die Demokratische Partei/Union für den Sieg, enden. Pandeli Majko übernahm von Ilir Meta wiederum das Amt des Regierungsschefs.

Briefkastengesellschaften in der EU erlaubt

In den Vereinigten Staaten haben sich zahlreiche börsennotierte Gesellschaften ihren Sitz in einem Ministaat – Delaware. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH (Urteil März 2005) ermöglicht dies zumindest.

In Delaware, einem kleinen Bundesstaat der Vereinigten Staaten an der Ostküste zwischen New York und der Hauptstadt gelegen, hatten im Frühjahr 2003

  • 50 % aller Aktiengesellschaften (300000 Aktiengesellschaften und 200000 Gesellschaften mit beschränkten Haftung und Personengesellschaften),
  • 58 % der Fortune 500 und
  • 63 % der Going-Public-Gesellschaften (1996-2000)

der US-amerikanischen Kapitalgesellschaften ihren satzungsmäßigen Sitz. In Delaware leben ungefähr 0,27% der US-amerikanischen Bevölkerung. Steht Europa vor einer vergleichbaren Entwicklung, die dazu führt, dass bevölkerungsschwache Staaten mit einem verschärften Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften konkurrieren?

Die neueren Entscheidungen des EuGH in den Fällen Centros und Überseering eröffnen zumindest diese Möglichkeit: Eine britische Gesellschaft, gegründet von dänischen Staatsbürgern auf der Basis eines Grundkapitals von 100 £, kann in Ausübung des Niederlassungsrechts ihre Geschäftsleitung nach Dänemark verlegen (bzw. von Anbeginn an die Geschäftsleitung außerhalb des Gründungsstaates haben) und alle Geschäfte dort tätigen.

Die Entfaltung irgendeiner geschäftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat ist nach dem EuGH nicht notwendig – es handelte sich um eine typische Briefkastengesellschaft. Auch dass die Gesellschaft nur deshalb in Großbritanien gegründet wurde, um die dänischen Vorschriften zur Aufbringung des Mindestkapitals zu umgehen, ist nach der Ansicht des EuGH belanglos. Die Ausnutzung des EU-Niederlassungsrechts zur Umgehung des eigenen staatlichen Rechts durch Gründung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen (Rechtswahl), sei nicht mißbräuchlich.

Bis vor kurzem war Deutschland ein Staat der Sitztheorie, ein Staat, der durch die konsequente Anwendung dieser Theorie die Anerkennung von Briefkastengesellschaften unmöglich machte. Eindeutig und konstant hat die deutsche Rechtsprechung unter dem Beifall des überwiegenden Schriftums sich immer wieder zu der Sitztheorie bekannt. Danach muss der Ort der Geschäftsleitung im Gründungsstaat liegen und kann von dort grundsätzlich nicht in das Ausland verlegt werden.

Wer eine Gesellschaft gründen will, hat jedoch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH Rechtswahlfreiheit: Er kann unter den von den Mitgliedstaaten angebotenen, ab Mai 2004 unter 10 weiteren unterschiedlichen nationalen Regelung auswählen, welches der angebotenen Gesellschaftsrechte ihm am genehmsten ist.

Drei Beispiele:

Malta

Malta hat in den vergangenen Jahren die Gesetzgebung darauf ausgerichtet, Offshore-Unternehmen anzuziehen. So genannte International Trading Companies nach maltesischem Recht wurden in weitem Umfang von den Steuerpflichten befreit; Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die Gesellschaft – abgesehen von bloßen Hilfsgeschäften – nicht in Malta werbend tätig wird. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Beitrittsverhandlungen darauf gedrungen, dass diese Regelungen geändert werden. Im Bericht der Kommission (2002) zum Beitritt Maltas wurde folgendes festgehalten: ,,So sollte noch vor Ende des Jahres ein Rechtsakt verabschiedet werden, der dafür sorgt, dass die noch bestehenden Offshore-Gesellschaften mit den bestehenden EG-Gesellschaftsrechtsrichtlinien in Einklang stehen, und dass es vom Tag des Beitritts an in Malta keine derartigen Gesellschaften mehr gibt.

Liechtenstein

Das EWR-Abkommen, das die EFTA-Staaten in den Binnenmarkt der Europäischen Union einbindet und seit dem 1.1. 1994 in Kraft ist, hat nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union an Bedeutung verloren. Art. 31 des EWR-Abkommens räumt den Staatsangehörigen im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit vergleichbare Rechte wie Art. 43 EGV ein. Es sind keine Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines EU/EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten zulässig. Zu den Rechten gehören die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind, insbesondere die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Nach Art. 34 des EWR-Abkommens sind die nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates oder eines EFTA-Staates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines EU- oder EFTA-Staates haben, den natürlichen Personen im Hinblick auf das Niederlassungsrecht gleichgestellt.

Seit dem 1. Mai 1995 gehört allerdings auch das Fürstentum Liechtenstein zum EWR. Durch das Holding- und Sitzprivileg bei der Besteuerung bestimmter in Liechtenstein gegründeter Gesellschaften, das strenge Bankgeheimnis und der Tatsache, dass die liechtensteinische Anstalt in der Regel von einem Treuhänder gegründet wird (die Anonymität des wirtschaftlichen Inhabers bleibt also gewahrt), ist Liechtenstein eine erste Anlaufstelle für Steuerflucht, Scheingeschäfte und zur Steuerumgehung. Der BFH hat mit Urteil vom 26. April 2001 so eine liechtensteinische Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Sitztheorie als nicht rechtsfähig eingestuft und dementsprechend die hinter den Gesellschaften stehende Person als steuerpflichtigen Unternehmer behandelt.

Die Gründe, wieso in Liechtenstein Gesellschaften gegründet werden – in aller Regel die Anonymität des wahren Inhabers der Gesellschaft, das strenge Bank- und Steuergeheimnis sowie steuerlicher Aspekte – ziehen Gelder aus der Schattenwirtschaft und andere Gruppen an, die darauf Wert legen, dass sie nicht erkannt werden können. Zwar ist Liechtenstein von der bei der OECD angesiedelten ,,Financial Action Task Force on Money Laundering„ (FATF) im zwölften Bericht vom 22. Juni 2001 von der Liste der unkooperativen Staaten im Bereich der Geldwäsche genommen worden. Hingegen wurde Ungarn, einer der zehn Beitrittstaaten im Rahmen der ersten Osterweiterung der EU, 2001 in diese Liste aufgenommen (nach Änderungen in 2002 wurde Unganrn wieder von der Liste der unkooperativen Staaten genommen und befindet sich bis zum Beitritt Ungarns zu der EU auf der Beobachtungsliste.). Einer der Gründe, wieso Staaten als potentiell die Geldwäsche fördernd angesehen werden, entstammt zumindest dem Gesellschaftsrecht: Wenn der wahre Eigentümer einer rechtlichen oder geschäftlichen Einheit, wozu selbstverständlich in erster Linie juristische Personen zu zählen sind, nicht von den für die Kontrollmaßnahmen im Bereich der Geldwäsche zuständigen Stellen erkannt werden kann.

Die bevölkerungsarmen Gründungsstaaten Liechtenstein und Malta räumen den Gesellschaften (bzw. den Gesellschaftern, je nach der autonomen Regelung) die genannten steuerlichen Vorteile ein, wenn die Unernehmen im Gründungsstaat selber nicht geschäftlich aktiv tätig werden. Ziel einer solchen Gesetzgebung ist, eine möglichst hohe Anzahl an Gesellschaften im Inland zu registrieren. Diese Gesellschaften sollen aber im Gründungsstaat keine Investitionen tätigen oder Arbeitsplätze schaffen. Die steuerlichen Vergünstigen gelten nur dann, wenn den inländischen, werbend tätigen Unternehmen kein Wettbewerb gemacht werden kann. Für die Staaten kann der Anreiz zur Schaffung solcher Regelungen nur in der schieren Anzahl der im eigenen Land registrierten Gesellschaften liegen.

Durch diese Konstruktion entsteht offensichtlich eine Schieflage. Die Gründungsstaaten haben nur ein geringes Interesse an einer konsequenten Aufsicht der konkreten, möglicherweise auch unlauteren geschäftlichen Tätigkeit der Unternehmen, da diese ausschließlich im Ausland ihre Geschäfte abwickeln. Ferner würde so eine wirksame und durchgehenden Aufsicht und Kontrolle die wirtschaftlichen Vorteile die die Staaten durch die Ansiedlung der Sitzgesellschaften haben, höchstwahrscheinlich zunichte machen. Der Staat oder die Staaten, in denen diese Gesellschaften hingegen am Markt auftreten, sind in den aufsichtsrechtlichen Mitteln eingeschränkt. Sie haben die Gesellschaften hinzunehmen und können eigene Wertvorstellungen nicht oder nur eingeschränkt durchsetzen.

Damit machen diese Staaten anderen Staaten Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. Insbesondere das Beispiel der liechtensteinischen Gesellschaften zeigt, dass Staaten im EWR durchaus gewillt sind, durch besonders vorteilhafte Regelungen einen Wettbewerb um die Ansiedlung von Gesellschaften zu führen. Diese angeworbenen Unternehmen dürfen aber den im eigenen Land tätigen Unternehmen keinen Wettbewerb machen. In meinen Augen stellen diese Konstruktionen eine vollkommene Umkehrung der von dem EGV beabsichtigten Ziele dar, denn der privat-wirtschaftliche Wettbewerb wird für den Gründungsstaat unterbunden und lediglich ein Wettbewerb zwischen den Staaten um die Ansiedlung von Gesellschaften geführt.

Pseudo-ausländischer Gesellschaften

Eine weitere Problematik wurde in der Rechtsache Inspire Art vor dem EuGH von der niederländischen Regierung und der Kammer für Koophandel en Fabriekeb voor Amsterdam dargestellt:

,,Wegen der ständig steigenden Zahl pseudo-ausländischer Gesellschaften vor allem nach englischem Recht und dem Recht des US-Staates Delaware, die keinerlei tatsächliche Verbindung mit dem Gründungsstaat hätten, habe sich der niederländische Gesetzgeber (…)
veranlasst gesehen, zum Schutz der Gläubigerinteressen, zur Betrugsbekämpfung, zur Gewährleistung der Effizenz der Steuerkontrolle und zur Vermeidung missbräuchlicher Nutzung ausländischer Gesellschaften (…) bestimmte begrenzte Maßnahmen zu ergreifen. Die Kammer von Koophandel fügt hinzu, dass eine auffallend große Zahl dieser Gesellschaften in Konkurse verwickelt gewesen sei und die Gläubiger fast keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Verluste zu beschränken..“


Siehe auch hier