Archiv der Kategorie: Allgemein

Die Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft

Die weltwirtschaftliche Bedeutung Chinas hat in den letzten 10 Jahren eindrucksvoll zugenommen. Das Bruttoinlandsprodukt ist in diesem Zeitraum um 126 % gestiegen und überholte im Jahre 2004 die wirtschaftliche Leistung Italiens. Inzwischen nimmt China den sechsten Rang unter den größten Volkswirtschaft ein.

Diese dynamische Entwicklung geht vor allem auf die Wirtschaftskraft des chinesischen Binnenmarktes mit 1,3 Mrd. Menschen, die eingeschlagenen Wachstumsstrategie und die durch den WTO-Beitritt in 2001 zunehmende Integration Chinas in die internationale Arbeitsteilung zurück.

Im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern ist die Solidität der Staatsfinanzen, die Stabilität des Preisniveaus und die hohe Attraktivität des Standortes für Investoren weiter positiv hervorzuheben. Risiken liegen im Sanierungsbedarf des Bankensektors, der immer noch die Verluste von zahlreichen staatlichen Unternehmen alimentiert sowie in den sozialen Spannungen, die durch die hohe Arbeitslosigkeit und die extrem ungleiche Einkommen- und Vermögensverteilung latent vorhanden sind. Ebenfalls erschwerend ist der rigorose Eingriff der Staatsregierung in das Marktgeschehen mit dem Ziel, Technologie- und Know-how-Transfer für die Entwicklung der chinesischen Industrie zu sichern. Der Abfluss von Know How und der Schutz des geistigen Eigentums können für die in China investierenden ausländischen Unternehmen mittelfristig eine potentielle Gefahr darstellen.

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China und die WTO

Die Bedeutung des Außenhandels für Deutschland braucht nicht hervorgehoben zu werden. Bei den Exporten stellt Deutschland erstmals seit der Wiedervereinigung in absoluten Zahlen wieder die Nr. 1 dar (ab 2003).  Der chinesische Außenhandel entwickelt sich angesichts der weltwirtschaftlichen Lage spektakulär und steigt in einem außergewöhnlichen Umfang, so dass es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis Japan, die Vereinigten Staaten und Deutschland von den vorderen Plätzen verdrängt werden.

Hinweis: Dass regelmäßig  hohe Exportüberschüsse keineswegs unproblematisch sind, wird nicht erörtert.

2003 ist China vom sechsten auf den vierten Platz der größten Handelsnationen der Welt vorgerückt. Maschinen, Kraftfahrzeuge, mineralische und chemische Produkte sowie Metalle und Textilien sind die dominierenden Produkte des chinesischen Imports. Die wichtigsten Exportgüter sind Maschinen, elektronische Produkte sowie Textilien. Ex- wie Importe stiegen jeweils um mehr als 30 Prozent. Das Außenhandelsvolumen stieg von 620 Mrd. US-$ auf mehr als 851 Mrd. US-$. Der Handelsbilanzüberschuss ging auf 25,5 Mrd. US-$ zurück. Berücksichtigt man, dass China allein mit den Vereinigten Staaten einen Überschuss von 124,1 Mrd. US-$ erwirtschaftet hat, zeigt sich allerdings, dass China mit zahlreichen anderen Staaten eine negative Bilanz haben muss. Deutschland selber hat nach deutschen Daten seit rd. 10 Jahren regelmäßig eine negative Bilanz von 6-8 Mrd. EUR. Da das Handelsvolumen mit Deutschland ständig steigt, verschiebt sich das relative Verhältnis immer weiter zu Gunsten Deutschlands.

Für Deutschland wird der Außenhandel fast ausschließlich durch die Europäische Union geregelt. Titel IX und X (Art. 131-135) des EG-Vertrages betreffen die »Gemeinsame Handelspolitik« und die »Zusammenarbeit im Zollwesen«. Art. 133 EG-Vertrag sieht vor, dass die gemeinsame Handelspolitik die Änderung von Zollsätzen, der Abchluss von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen (etwa bei Dumping oder Subventionen) umfasst. Insoweit ist die Europäische Union zuständig. Die Zollunion der EU (Art. 23 Abs. 1 EG-Vertrag) sieht ein Verbot der Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung für den innergemeinschaftlichen Handel und die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern vor.

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Vorbereitungen für ein neues Energieforschungsprogramm

Auf Einladung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie kamen am 26. Mai 2009 in Berlin rund 200 Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen,um über die künftigen energieforschungspolitischen Ziele, Strategien und Maßnahmen zu diskutieren.

Im Zentrum der Konferenz „Energietechnologien 2050 – Neue Akzente für Forschung und Entwicklung“ standen die Ergebnisse einer gleichnamigen Studie zu den Energietechnologien der Zukunft, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Auftrag gegeben hat.

Darüber hinaus stellte die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren stellte die Einschätzungen und Empfehlungen für die künftige staatliche Forschungsförderung im Energiebereich vor. Die Teilnehmer waren sich einig über die zentrale Bedeutung neuer innovativer Energietechnologien für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland und der Welt.

Kommission schlägt Stärkung der Finanzaufsicht in Europa vor

Hinterher weiß man es immer besser: Die Europäische Kommission hat eine Mitteilung zur europäischen Finanzaufsicht vorgelegt. Sie schlägt darin Reformen an der derzeitigen Struktur der Finanzdienstleistungsausschüsse vor, insbesondere die Schaffung eines Europäischen Rates für Systemrisiken (European Systemic Risk Council, ESRC), eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors, ESFS) und neuer europäischer Aufsichtsbehörden. Die zur Umsetzung dieser Vorschläge erforderlichen Rechtsvorschriften sollen im Herbst folgen. Die Kommission fordert alle interessierten Kreise auf, bis zum 15. Juli zu dieser Mitteilung Stellung zu nehmen.

Im Bereich Finanzdienstleistungen existieren derzeit drei Ausschüsse, die für die Beaufsichtigung auf Mikroebene (d.h. die Beaufsichtigung einzelner Finanzinstitute) zuständig sind, allerdings nur beratende Funktionen besitzen: der Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS), der Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (CEIOPS) und der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden, oft auch nur als „Stufe-3-Ausschüsse“ im Lamfalussy-Verfahren bezeichnet. Eine Einrichtung, die für die Beaufsichtigung von Systemrisiken (Aufsicht auf Makroebene) in Europa zuständig wäre, fehlt hingegen.

Die de Larosière-Gruppe, die von Präsident Barroso damit beauftragt wurde, Vorschläge für die Finanzaufsicht in Europa zu unterbreiten, legte ihren Bericht am 25. Februar 2009 vor. Darin wurde vorgeschlagen, als Eckpfeiler einer verbesserten europäischen Finanzaufsicht das ESFS und den ESRC ins Leben zu rufen. Wie in der Mitteilung der Kommission an die Frühjahrstagung des Europäischen Rates „Impulse für den Aufschwung in Europa” vom 4. März angekündigt, stützt die Kommission ihr weiteres Vorgehen auf die de Larosière-Vorschläge und hat sich in diesem Zusammenhang dazu verpflichtet, bis Ende Mai eine Mitteilung zur Finanzaufsicht vorzulegen. Die entsprechenden Legislativvorschläge werden im Herbst folgen.

Das in dieser Mitteilung vorgeschlagene Finanzaufsichtssystem ruht auf zwei Säulen:

  • einem Europäischen Rat für Systemrisiken (ESRC), der Risiken für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt überwachen und bewerten soll („Aufsicht auf Makroebene”). Der ESRC wird frühzeitig vor sich abzeichnenden Systemrisiken warnen und erforderlichenfalls Empfehlungen zur Eindämmung dieser Risiken ausgeben. Mit der Einsetzung des ESRC würde einer der größten Schwachstellen, die in der Krise zutage getreten sind, nämlich der Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber zusammenhängenden, komplexen sektoralen und sektorübergreifenden Systemrisiken entgegengewirkt und
  • einem Europäischen Finanzaufsichtssystem (ESFS) für die Beaufsichtigung einzelner Finanzinstitute („Aufsicht auf Mikroebene”), bestehend aus einem Netzverbund, in dem die nationalen Finanzaufsichtsbehörden mit den neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, die aus den bestehenden Ausschüssen für Banken, Wertpapiere und Versicherungen und betriebliche Altersversorgung hervorgehen sollen, zusammenarbeiten („Aufsicht auf Mikroebene”).

Das ESFS wird auf Aufgabenteilung und gegenseitiger Unterstützung beruhen und neben der Beaufsichtigung von Einzelunternehmen auf nationaler Ebene gewisse Aufgaben auf europäischer Ebene bündeln. Es soll harmonisierte Vorschriften sowie kohärente Aufsichtspraktiken und eine kohärente Durchsetzung fördern. Dem Netz sollten die Prinzipien Partnerschaft, Flexibilität und Subsidiarität zugrunde liegen. Ferner sollte es das Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden stärken und zu diesem Zweck u.a. sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Festlegung von Strategien in den Bereichen Finanzmarktstabilität und Anlegerschutz ein Wort mitzureden haben und grenzübergreifenden Risiken so besser entgegengewirkt werden kann.

Die Umsetzung der oben beschriebenen Abläufe muss überwacht und ihre Wirksamkeit sorgfältig bewertet werden. Spätestens drei Jahre nach Schaffung dieser beiden Säulen des in der Mitteilung vorgeschlagenen europäischen Finanzaufsichtsrahmens (allerspätestens aber 2013) sollte eine umfassende Überprüfung stattfinden. Die Ergebnisse dieser Überprüfung werden darüber entscheiden, ob zur Stärkung von ESRC und ESFS weitere Schritte erforderlich sind.

Die Kommission bittet alle interessierten Kreise, bis zum 15. Juli zu den darin enthaltenen Vorschlägen Stellung zu nehmen. Alle Beiträge sollten gerichtet werden an: http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/fin_supervision_may_en.htm

José Manuel Barroso: „Eine bessere Beaufsichtigung der grenzübergreifenden Finanzmärkte ist aus ethischen wie ökonomischen Gründen unverzichtbar. Aus diesem Grund habe ich Jacques de Larosière und seine Gruppe um Erstellung ihres Berichts gebeten. Die heute von der Kommission vorgelegten Vorschläge sollen das Vertrauen wiederherstellen, künftigen Krisen vorbeugen und Wachstum und Beschäftigung schützen. Das neue System wird der EU und ihren Mitgliedstaaten dabei helfen, sowohl Problemen bei grenzübergreifend tätigen Unternehmen als auch der Akkumulierung von Risiken im Finanzsystem insgesamt entgegenzuwirken. Ich bin höchst erfreut, dass die Mitgliedstaaten den de Larosière-Bericht auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rats einhellig befürwortet haben. Ich fordere die Staats- und Regierungschefs der EU nun dringend auf, die heute von uns vorgeschlagenen konkreten Schritte samt des dafür vorgesehenen Zeitplans auf der Juni-Tagung des Europäischen Rats zu billigen, damit die neue Architektur 2010 voll funktionsfähig ist.“

Schadstoffregister PRTR-Deutschland

Wie viel Kohlendioxid blast der Industriebetrieb in der Nachbarschaft in die Luft? Welche Schwermetalle leitet er in Flüsse ein? Und in welche Länder exportiert der Betrieb seine Abfälle? Wer aus privatem oder beruflichem Interesse Informationen über Freisetzungen von Schadstoffen sucht, findet diese ab sofort im neuen Schadstoffregister PRTR-Deutschland (Pollutant Release and Transfer Register). Nie war der Blick hinter die Werkstore bequemer als heute. Der Zugriff erfolgt online unter www.prtr.bund.de und ist kostenlos.

Das PRTR-Portal soll einen bedeutenden Beitrag zu mehr Transparenz bei Umweltinformationen für die Öffentlichkeit schaffen. Dr. Thomas Holzmann, Vizepräsident des Umweltbundesamtes (UBA) sagte: Brügerinnen und Bürger können mit wenigen Mausklicks kostenlos und uneingeschränkt Informationen zu Schadstofffreisetzungen und Abfällen aus großen Industriebetrieben erhalten. Ab Ende September sind mit der Eröffnung der EU Register dann auch endlich internationale Vergleiche von Manahmen zu Emissionsminderung möglich.

Der Beauftrage der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Dr. Hans-Bernhard Beus, lobte das elektronische PRTR als eines der erfolgreichsten E-Government 2.0 Projekte im Handlungsfeld Prozessketten: Die frühe Einbeziehung der Wirtschaft und die konsequente Umsetzung von Datensicherheitsanforderungen sind nur zwei Aspekte, die das elektronische PRTR umsetzt. Das PRTR gehrt seit 2008 zu den Projekten der neuen IT-Strategie der Bundesregierung und wird durch das BMI auch finanziell gefördert.

Für das neue Schadstoff-Freisetzungs- und -Verbringungsregister PRTR berichten über 4.000 Unternehmen ab sofort jährlich ihre Daten zu Schadstoffeintrgen in Luft, Wasser und Boden sowie über den Verbleib des Abfalls und des Abwassers. Verpflichtet dazu sind große Industriebetriebe und andere Organisationen, etwa aus der Energiewirtschaft, der chemischen Industrie, aber auch die Intensivtierhaltungen und große Kläranlagen. Die berichtspflichtigen Unternehmen übermitteln jährlich ihre Daten online in der neuen Erfassungssoftware BUBE-Online (Betriebliche Umweltdatenberichterstattung) an die zuständigen Behrden. Die Länder prfen diese Daten, leiten sie an das UBA weiter, das die Informationen aufbereitet und in der neuen Internetplattform www.prtr.bund.de aktualisiert.

Der Aufbau und Betrieb des Schadstoffregisters basiert auf einem internationalen Abkommen der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN-ECE), das Deutschland und 35 weiteren Staaten unterzeichnet haben, sowie der EU-Verordnung über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters (E-PRTR-Verordnung) vom 18. Januar 2006. Deutschland hat diese Verordnung mit dem Gesetz zur Ausführung des Protokolls über Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister vom 21. Mai 2003 sowie zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 166/2006 (SchadRegProtAG) am 6. Juni 2007 in nationales Recht umgesetzt.

Weitere Informationen zu den Schadstoffen liefert das kürzlich ebenfalls zugängliche Schadstoffregister, das mehrere verschiedene Datensätze vereinigt. Der gemeinsame zentrale Stoffdatenpool des Bundes und der Länder (GSBL) listet über 60.000 Reinstoffe und 325.000 Stoffgemische auf. Physikalische, chemische und toxikologische Parameter werden genauso aufgeführt wie Informationen, die Umwelt-, Verbraucher-, Katastrophen- und Arbeitschutz benötigen.

Der GSBL ist die größte deutschsprachige, den Behörden zugängliche Stoffdatenbank. Polizeibehörden können etwa mit dem GSBL das von einem Gefahrguttransporter ausgehende Risiko schnell und sicher bewerten. Der GSBL bietet Feuerwehreinsatzkräften Informationen bei Bränden oder der Freisetzung von Gefahrenstoffen. Umweltbehörden auf allen Verwaltungsebenen nutzen die Daten in der Gewerbeaufsicht, im Arbeitsschutz und beim Umgang mit und der Entsorgung von gefährlichen Stoffen.

Aber auch andere Personen können, wenn auch in eingeschränktem Umfang, die Information nutzen. Beteiligt sind an dem gemeinsamen Webserverdienst neben dem Umweltbundesamt und Sachsen-Anhalt die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Sachsen-Anhalt ist in dem Kooperationsprojekt derzeit federführend.

Der Zugang zum GSBL für die Öffentlichkeit erfolgt über das Umweltbundesamt: www.uba.de.

Neues Bilanzrecht in Kraft

Am 28. Mai 2009 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) in Kraft (BGBl. I 2009, 1102). Das Gesetz nähert das Bilanzrecht des Handelsgesetzbuches an die internationalen Rechnungslegungsstandards. Das einfache HGB-Bilanzrecht bleibt jedochim Kern beibehalten. Der handelsrechtliche Jahresabschluss bleibt die Grundlage der Gewinnausschüttung und der steuerlichen Gewinnermittlung.

1. Deregulierung

Die Neuregelung entlastet die Unternehmen von vermeidbarem Bilanzierungsaufwand. Mittelständische Einzelkaufleute, die nur einen kleinen Geschäftsbetrieb unterhalten, werden von der handelsrechtlichen Buchführungs-, Inventur- und Bilanzierungspflicht befreit. Für Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH werden ebenfalls Befreiungen und Erleichterungen bei der Bilanzierung vorgesehen. Insgesamt ist aufgrund dieser Maßnahmen mit einer Senkung der Bilanzierungskosten in Höhe von 1,3 Mrd. Euro zu rechnen. Laut Jahresbericht der Bundesregierung 2008 zum Bürokratieabbau ergibt sich unter Berücksichtigung auch der Buchführungs- und Inventurerleichterungen nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes insgesamt sogar ein Einsparpotential von etwa 2,5 Mrd. Euro pro Jahr. Konkret geht es um folgende Maßnahmen:

  • Einzelkaufleute, die bestimmte Schwellenwerte (500.000,- Euro Umsatz und 50.000,- Euro Gewinn pro Geschäftsjahr) nicht überschreiten, werden von der Verpflichtung zur Buchführung, Inventur und Bilanzierung nach den handelsrechtlichen Vorschriften befreit.
  • Die Größenklassen, die darüber entscheiden, welche Informationspflichten ein Unternehmen treffen, werden angehoben: Die Schwellenwerte für Bilanzsumme und Umsatzerlöse in § 267 HGB werden um 20% erhöht. So kommen mehr Unternehmen als bisher in den Genuss der Erleichterungen, die für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften gelten. Der Aufwand bei der handelrechtlichen Rechnungslegung wird verringert. Abhängig davon, ob eine Kapitalgesellschaft als klein, mittelgroß und groß einzustufen ist, muss sie mehr oder weniger weit reichende Informationspflichten erfüllen. Kleine Kapitalgesellschaften brauchen z. B. ihren Jahresabschluss nicht von einem Abschlussprüfer prüfen zu lassen und müssen nur die Bilanz, nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung offenlegen. Mittelgroße Kapitalgesellschaften können auf eine Reihe von Angaben verzichten, die große Kapitalgesellschaften
    machen müssen, und dürfen Bilanzpositionen zusammenfassen.
  • Als klein gelten künftig solche Kapitalgesellschaften, die nicht mehr als rd. 4,8 Mio. Euro Bilanzsumme (bisher rd. 4 Mio. Euro), rd. 9,8 Mio. Euro. Umsatzerlöse (bisher rd. 8 Mio. Euro), bzw. 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt aufweisen. Von den Kriterien muss eine Kapitalgesellschaft mindestens zwei erfüllen, um als klein klassifiziert zu werden.
  • Als mittelgroß gelten künftig solche Kapitalgesellschaften, die nicht mehr als rd. 19,2 Mio. Euro Bilanzsumme (bisher rd. 16 Mio. Euro), rd. 38,5 Mio. ¤ Umsatzerlöse (bisher rd. 32 Mio. Euro), bzw. 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt aufweisen.

2. Verbesserung der Aussagekraft der HGB-Abschlüsse

Das modernisierte HGB-Bilanzrecht ist auch eine Antwort auf die International Financial Accounting Standards (IFRS), die vom International Accounting Standards Board (IASB) herausgegeben werden. Die IFRS sind auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zugeschnitten. Sie dienen dem Informationsbedürfnis von Finanzanalysten, berufsmäßigen Investoren und anderen Kapitalmarktteilnehmern.

Die weit überwiegende Anzahl der rechnungslegungspflichtigen deutschen Unternehmen nimmt den Kapitalmarkt aber gar nicht in Anspruch. Es ist deshalb nicht zu rechtfertigen, alle rechnungslegungspflichtigen Unternehmen auf die kostenintensiven und hochkomplexen IFRS zu verpflichten. Auch der vom IASB beratene Entwurf eines Standards „IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen“ ist keine gute Alternative für die Aufstellung eines informativen Jahresabschlusses. Die Praxis in Deutschland hat den Entwurf des IASB scharf kritisiert, weil seine Anwendung – im Verhältnis zum HGB-Bilanzrecht – immer noch zu kompliziert und kostenträchtig wäre.

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz wählt deshalb einen anderen Ansatz: Es baut das bewährte HGB-Bilanzrecht zu einem Regelwerk aus, das den internationalen Rechnungslegungsstandards gleichwertig, aber wesentlich kostengünstiger und in der Praxis einfacher zu handhaben ist. Insbesondere bleibt es dabei, dass die HGB-Bilanz Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung und der Ausschüttungsbemessung ist. Dies ermöglicht insbesondere den mittelständischen Unternehmen, weiterhin nur ein Rechenwerk – die sog. Einheitsbilanz – aufzustellen, das Grundlage für alle genannten Zwecke ist.

Mit folgenden Maßnahmen wird die Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses verbessert:

  • Selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens Immaterielle selbstgeschaffene Vermögensgegenstände des Anlagevermögens wie zum Beispiel Patente oder Know-how können künftig in der HGB-Bilanz angesetzt werden. Das ist vor allem für innovative Unternehmen wichtig, die intensiv forschen und entwickeln – beispielsweise die chemische oder pharmazeutische Industrie oder die Automobilindustrie nebst ihren Zulieferern. Insbesondere profitieren auch kleine und sogenannte Start-up-Unternehmen von der Vorschrift. Auch sie können ihre Entwicklungen – ihr Potential – künftig in der Handelsbilanz zeigen. Dadurch können die Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis ausbauen und ihre Fähigkeit verbessern, sich am Markt kostengünstig weiteres Kapital zu beschaffen. Steuerlich bleiben die Aufwendungen nach wie vor abzugsfähig; sie stehen auch nicht für die Gewinnausschüttung zur Verfügung. Das fördert die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Standort für innovative Unternehmen.Beispiele:
    (1) Ein großer Teil der in der pharmazeutischen Industrie anfallenden Kosten entfällt auf die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente. Wenn sich künftig beispielsweise aus klinischen Studien ergibt, dass ein Medikament die Marktzulassung erhalten wird, können die Entwicklungskosten als Herstellungskosten eines selbst erstellten Vermögensgegenstandes des Anlagevermögens, beispielweise eines Patents oder von einfachem Know-how aktiviert werden. Das heißt, die Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens wird nicht belastet, und der bilanzielle Gewinn fällt höher aus.
    (2) Ein Start-up-Unternehmen, das sich beispielsweise mit der Entwicklung von Software befasst, kann die Kosten für die Entwicklung der Software als Herstellungskosten der Software innerhalb der selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ausweisen und muss diese nicht, wie bisher, aufwandswirksam erfassen.
  • Bewertung von Finanzinstrumenten zum Marktwert Kreditinstitute müssen Finanzinstrumente wie Aktien, Schuldverschreibungen, Fondsanteile und Derivate, soweit sie im Handelsbestand gehalten werden, künftig zum Bilanzstichtag grundsätzlich mit dem Marktwert (Fair Value) bewerten. Das entspricht der bisherigen Praxis der Kreditinstitute, vereinfacht und vereinheitlicht die handelsrechtliche Rechnungslegung, ist international üblich und wird nun auch im HGB-Bilanzrecht verankert. Dadurch erhöht sich die Aussagekraft des Jahresabschlusses im Hinblick auf jederzeit realisierbare Gewinne und Verluste. Die Kreditinstitute müssen dabei einen angemessenen Risikoabschlag berücksichtigen und einen ausschüttungsgesperrten Sonderposten als zusätzlichen Risikopuffer bilden. Dieser Sonderposten ist in guten Zeiten aus einem Teil der Handelsgewinne aufzubauen und kann in schlechteren Zeiten zum Ausgleich von Handelsverlusten verwendet werden. Er wirkt daher antizyklisch. Hier sind Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen worden.Beispiel: Eine Bank kauft 10 Aktien zu einem Kurs von 100 Euro pro Aktie. Die Aktien wurden mit der Zielsetzung erworben, Kursgewinne zu erzielen und können börsentäglich wieder verkauft werden. Zum Bilanzstichtag haben die Aktien einen Kurs von 125 Euro pro Aktie. Bei Bewertung der Aktien zum Marktwert (125 Euro) abzüglich eines Risikoabschlags (z.B. 5 Euro) sind sie in der Bilanz mit insgesamt 1.200 Euro (10 Stück x 120 Euro) anzusetzen. Es ergibt sich für die Bank ein Gewinn von 200 Euro. Von den Gesamthandelserträgen sind dann noch 10 % in einen gesperrten Sonderposten einzustellen, der bei Handelsverlusten aufgelöst werden kann.
  • Änderung der Rückstellungsbewertung Rückstellungen von Unternehmen für künftige Verpflichtungen werden in Zukunft realistischer bewertet. Die gegenwärtige bilanzrechtliche Behandlung von Rückstellungen ist in der öffentlichen Diskussion immer wieder als Schwachstelle der handelsrechtlichen Rechnungslegung bezeichnet worden. Gerade bei Pensionsrückstellungen lasse sich derzeit die wahre Belastung der Unternehmen nicht aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung ablesen, weil die bisherigen Wertansätze nach übereinstimmender Einschätzung zu niedrig seien. Bei der Bewertung der Rückstellungen sollen deshalb künftige Entwicklungen (Lohn-, Preis- und Personalentwicklungen) stärker als bisher berücksichtigt werden. Zudem sind die Rückstellungen künftig abzuzinsen. Die Bewertung der Rückstellungen wird also dynamisiert. Die Neuregelung wird zumindest bei den Pensionsrückstellungen zu einer Erhöhung führen. Dies ist aber unerlässlich, wenn man zu einer realitätsgerechten Rückstellungsbewertung gelangen will. Um diese Effekte abzumildern, sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, die Rückstellung über einen Zeitraum von mehreren Jahren anzusammeln. Die steuerlichen Vorschriften in diesem Punkt bleiben unverändert, so dass es nicht zu Steuerausfällen kommen wird.Beispiel: Der Grund und Boden eines Unternehmens ist mit Chemikalien verseucht. Die Behörden geben dem Unternehmen auf, die Altlast zu beseitigen, sobald das Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb einstellt. Damit ist in fünf Jahren zu rechnen. Zum Bilanzstichtag betragen die Kosten für den einzusetzenden Bagger 100 Euro /Std. Es ist davon auszugehen, dass die Baggerstunde in fünf Jahren 120 Euro kostet. Nach der bisherigen Rechtslage ist für die Bemessung der Rückstellung – dem Stichtagsprinzip folgend – von 100 Euro /Std. auszugehen, künftig hingegen von 120 Euro, weil die künftigen Entwicklungen zu berücksichtigen sind.
  • Abschaffung nicht mehr zeitgemäßer Wahlrechte Darüber hinaus wird das HGB-Bilanzrecht vom „Ballast“ der vergangenen Jahre befreit. Nicht mehr zeitgemäße Bilanzierungsmöglichkeiten, die den Unternehmen eingeräumt wurden, werden eingeschränkt oder aufgehoben. Diese beeinträchtigten zum Teil den Informationsgehalt und die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen. Dies gilt beispielsweise für die auch steuerlich nicht anerkannte Möglichkeit, Rückstellungen für eigenen künftigen Instandsetzungsaufwand zu bilden.Beispiel: Ein Unternehmen renoviert die ihm gehörenden Verwaltungs- und Betriebsgebäude im Abstand von zehn Jahren. Den zur Durchführung der Renovierung erforderlichen Betrag sammelt das Unternehmen – ohne dass bereits Vereinbarungen über die Durchführung der Renovierung mit Dritten getroffen worden wären – über die Dauer der zehn Jahre in einer steuerlich nicht anerkannten Aufwandsrückstellung an. Derartige steuerlich nicht anerkannte Aufwandsrückstellungen können künftig nicht mehr gebildet werden.
  • Transparenz bezüglich der Zweckgesellschaften Das Gesetz enthält auch Regelungen für mehr Information und Transparenz im handelsbilanziellen Umgang mit Zweckgesellschaften. Die wirtschaftliche Situation der Zweckgesellschaft und das wirtschaftliche Risiko für den Konzern sollen besser aus dem Jahresabschluss des Konzerns abzulesen sein. Zum einen müssen die Unternehmen künftig schon dann in den Konzernabschluss einbezogen werden, wenn das Mutterunternehmen unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Mehrheit der Risiken und Chancen der Zweckgesellschaft trägt. Bisher kommt es darauf an, ob das Mutterunternehmen an der Zweckgesellschaft eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung hält. Zum anderen müssen die Unternehmen künftig im Anhang über Art, Zweck und finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz erscheinenden Geschäften berichten, soweit dies für die Beurteilung der Finanzlage notwendig ist. Damit wird eine EU-rechtliche Vorgabe umgesetzt. Außerdem haben die Unternehmen künftig darzulegen, welche Überlegungen ihrer Risikoeinschätzung im Hinblick auf Eventualverbindlichkeiten zugrunde liegen. Hier genügt es nicht, den Abschlussadressaten nur über die Summe der bestehenden Eventualverbindlichkeiten zu informieren, die dahinter stehenden Risiken und die Einschätzung ihres Eintritts aber im Dunkeln zu lassen.
  • Weitere, aus EU-rechtlichen Vorgaben resultierende Änderungen Sonstige EU-rechtlichen Vorgaben, insbesondere die Vorgaben zum Unternehmensführungsbericht und zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses werden „eins zu eins“ – also mit geringst möglicher Belastung für die Unternehmen – in deutsches Recht umgesetzt. Zum Beispiel müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen, die bereits ein Aufsichtsorgan haben, jedenfalls dann keinen Prüfungsausschuss einrichten, wenn dessen Aufgaben durch das Aufsichtsorgan wahrgenommen werden. Auch werden den Unternehmen keine Vorgaben für die Einrichtung eines internen Risikomanagementsystems gemacht. Die Entscheidung über die Einrichtung und die Art und den Umfang eines Risikomanagementsystems liegt im Aufgabenbereich der geschäftsführenden Organe eines Unternehmens.

3. Inkrafttreten

Das Gesetz soll unmittelbar nach Zustimmung durch den Bundesrat, Ausfertigung und Verkündung in Kraft treten. Die neuen Bilanzierungsregelungen sind verpflichtend für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2010 anzuwenden. Sie können freiwillig bereits für den Abschluss 2009 angewendet werden, jedoch nur als Gesamtheit. Einige Vorschriften, insbesondere zur Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben, gelten verpflichtend schon für das Geschäftsjahr 2009. Bilanzierungserleichterungen für kleine und mittelgroße Unternehmen können – soweit dies noch möglich ist – schon für das Geschäftsjahr 2008 in Anspruch genommen werden.

Glossar:

Anlagevermögen: Bestandteil des Vermögens, also auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen. Das Anlagevermögen ist das Vermögen, das dazu bestimmt ist, dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen. Dazu gehören beispielsweise die Produktionsgebäude und Produktionsmaschinen eines Produktionsunternehmens.

Bilanz: Gegenüberstellung des Vermögens (Aktivseite der Bilanz) sowie der Schulden und des Eigenkapitals (Passivseite der Bilanz) eines Kaufmanns zum Ende eines Geschäftsjahres.

Derivate: Zusammenfassender Begriff für Finanzprodukte wie Optionen, Swaps oder Forwards zum Kauf oder Verkauf von beispielsweise Wertpapieren auf Termin.

Eigenkapital: Vermögen – Schulden = Eigenkapital.

Eventualverbindlichkeiten: Auf vertraglicher Grundlage beruhende, rechtlich mögliche Inanspruchnahme des Kaufmanns, mit der aus Sicht des Abschlussstichtages nicht konkret zu rechnen ist.

Finanzinstrumente: Vertragliche Verpflichtungen, die mittel- oder unmittelbar auf den Austausch von Zahlungsmitteln gerichtet sind (Aktien, Schuldverschreibungen, Derivate).

Forwards: Verpflichtender Vertrag über den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren o.ä. zu einem vorher bestimmte Preis auf Termin.

Gewinn- und Verlustrechnung: Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres.

Handelsbestand: Finanzinstrumente des Handelsbestandes sind diejenigen Finanzinstrumente von Kreditinstituten, die weder zur Liquiditätsreserve noch zum Anlagebestand zählen.

Internationale Rechnungslegungsstandards: Hier verwandt als synonym für die International Financial Reporting Standards (IFRS). Die IFRS sind innerhalb der EU für kapitalmarktorientierte Unternehmen, die einen Konzernabschluss aufstellen müssen, verbindlich.

International Accounting Standards Board (IASB): Privatrechtlich organisierte Einrichtung mit Sitz in London, die die (International Financial Reporting Standards (IFRS) erarbeitet. Ziel des IASB ist es, die IFRS als weltweit einheitlich anzuwendende Rechnungslegungsstandards durchzusetzen.

Jahresabschluss: Oberbegriff; er umfasst die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und – bei Kapitalgesellschaften – den Anhang.

Kapitalmarktorientiertes Unternehmen: Unternehmen, das Aktien oder Schuldverschreibungen zum Handel auf einem geregelten Markt ausgegeben hat.

Geregelter Markt: Marktsegment an den deutschen Börsen.

Optionen: (Wahl-)Recht zum Kauf eines Wertpapiers zu einem vorher bestimmten Preis.

Swaps: Geschäft über den Austausch von Zahlungsströmen (Bsp. Tausch eines fixen gegen einen variablen Zins).

Zweckgesellschaft: Selbständiger Rechtsträger (meist jur. Person oder Stiftung), der zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient.

Kommission plant intensivere Finanzaufsicht

Die Europäische Kommission will die europäische Finanzaufsicht stärken. Ein Europäischer Rat für Systemrisiken (European Systemic Risk Council, ESRC) soll Risiken für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt überwachen und bewerten. In einem Europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervisors, ESFS) sollen die nationalen Finanzaufsichtsbehörden mit den neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden zusammenarbeiten und einzelne Finanzinstitute beaufsichtigen. Die zur Umsetzung dieser Vorschläge erforderlichen Rechtsvorschriften werden im Herbst folgen. Die EU-Kommission fordert alle interessierten Kreise auf, bis zum 15. Juli zu ihrer Mitteilung Stellung zu nehmen.

Dazu erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso: „Eine bessere Beaufsichtigung der grenzübergreifenden Finanzmärkte ist aus ethischen wie ökonomischen Gründen unverzichtbar. Aus diesem Grund habe ich Jacques de Larosière und seine Gruppe um die Erstellung ihres Berichts gebeten. Die heute von der Kommission vorgelegten Vorschläge sollen das Vertrauen wiederherstellen, künftigen Krisen vorbeugen und Wachstum und Beschäftigung schützen. Das neue System wird der EU und ihren Mitgliedstaaten dabei helfen, sowohl Problemen bei grenzübergreifend tätigen Unternehmen als auch der Akkumulierung von Risiken im Finanzsystem insgesamt entgegenzuwirken.Ich fordere die Staats? und Regierungschefs der EU nun dringend auf, die heute von uns vorgeschlagenen konkreten Schritte samt des dafür vorgesehenen Zeitplans auf der Juni?Tagung des Europäischen Rats zu billigen, damit die neue Architektur 2010 voll funktionsfähig ist.“

Charlie McCreevy, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, fügte hinzu: „Die Finanzaufsicht in Europa hat mit der Marktintegration nicht Schritt gehalten. Die Krise hat gezeigt, dass die Anpassungsfähigkeit des derzeitigen Systems nicht ausreicht und dieses System für den Finanzdienstleistungsbinnenmarkt nicht geeignet ist. Das neue System wird zum einen die Sachkenntnis aller für die Erhaltung der Finanzmarktstabilität verantwortlichen Akteure nutzen und zum anderen starke europäische Einrichtungen schaffen, die deren Arbeiten koordinieren.” Joaquín Almunia, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, ergänzte: „Der Finanzsektor ist seit der Schaffung des Binnenmarkts Anfang der 90er Jahre einer der größten Wachstumsmotoren, hat die Wirtschaft zur Jahreswende aber fast zum Erliegen gebracht. Mit den heute vorgeschlagenen Reformen würde ein neues europäisches Gremium, der Europäische Rat für Systemrisiken, ins Leben gerufen, der potenzielle Risiken für die Finanzmarktstabilität, die sich aus makroökonomischen Entwicklungen und aus Entwicklungen innerhalb des Finanzsystems insgesamt ergeben könnten, überwachen und bewerten soll.”

Der vorgeschlagene Europäische Rat für Systemrisiken würde einer der größten Schwachstellen, die in der Krise zutage getreten sind, nämlich der Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber zusammenhängenden, komplexen sektoralen und sektorübergreifenden Systemrisiken entgegengewirken. Das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) wird auf Aufgabenteilung und gegenseitiger Unterstützung beruhen und neben der Beaufsichtigung von Einzelunternehmen auf nationaler Ebene gewisse Aufgaben auf europäischer Ebene bündeln. Die neuen europäischen Aufsichtsbehörden sollen aus den bestehenden Ausschüssen für Banken, Wertpapiere und Versicherungen und betriebliche Altersversorgung hervorgehen.

Das vorgeschlagene Finanzaufsichtssystem beruht auf zwei Säulen.

  • einem Europäischen Rat für Systemrisiken (ESRC), der Risiken für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt überwachen und bewerten soll („Aufsicht auf Makroebene”). Der ESRC wird frühzeitig vor sich abzeichnenden Systemrisiken warnen und erforderlichenfalls Empfehlungen zur Eindämmung dieser Risiken ausgeben. Mit der Einsetzung des ESRC würde einer der größten Schwachstellen, die in der Krise zutage getreten sind, nämlich der Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber zusammenhängenden, komplexen sektoralen und sektorübergreifenden Systemrisiken entgegengewirkt;
  • einem Europäischen Finanzaufsichtssystem (ESFS) für die Beaufsichtigung einzelner Finanzinstitute („Aufsicht auf Mikroebene”), bestehend aus einem Netzverbund, in dem die nationalen Finanzaufsichtsbehörden mit den neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, die aus den bestehenden Ausschüssen für Banken, Wertpapiere und Versicherungen und betriebliche Altersversorgung hervorgehen sollen, zusammenarbeiten („Aufsicht auf Mikroebene”). Das ESFS wird auf Aufgabenteilung und gegenseitiger Unterstützung beruhen und neben der Beaufsichtigung von Einzelunternehmen auf nationaler Ebene gewisse Aufgaben auf europäischer Ebene bündeln. Es soll harmonisierte Vorschriften sowie kohärente Aufsichtspraktiken und eine kohärente Durchsetzung fördern. Dem Netz sollten die Prinzipien Partnerschaft, Flexibilität und Subsidiarität zugrunde liegen. Ferner sollte es das Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden stärken und zu diesem Zweck u.a. sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Festlegung von Strategien in den Bereichen Finanzmarktstabilität und Anlegerschutz ein Wort mitzureden haben und grenzübergreifenden Risiken so besser entgegengewirkt werden kann.