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Titel für das MPI in München gesucht

1966 wurde das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht gegründet. Irgendwann — 1993? — wurde das von dem Institut behandelte Rechtsgebiet umbenannt in gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht und dann — 2002? —  in Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht. Man findet dementsprechend noch einige Reste der Bezeichnung: MPI für Geistiges Eigentum auf der Website dieses Instituts. Der Begriff des geistigen Eigentums hat nun offenbar ausgedient und wurde wieder in den begriffsjuristischen M(ar)ottenschrank verbannt.

Zum 1. Januar 2011 — nachdem das Steuerrecht von dem anderen Rechtsgebiet getrennt wurde  — wählte man die Bezeichnung Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht.

Wir rätseln zur Zeit, welche Bezeichnung als nächstes für das Rechtsgebiet Du weißt schon welches  kommen wird.  Bislang wurden vorgeschlagen:

  • MPI für das Recht des  geistigen Schaffens
  • MPI für das Recht der kulturellen Produktion
  • MPI für das Recht der Objektvergleichung und die Verbotsüberschreitungsfolgen
  • MPI zur Vermeidung der Ausweitung des Eigentumsbegriffes und geistiger Monopolbildung
  • Es, dessen Name nicht genannt werden darf (Nein! nicht Voldemort)
Weitere Ideen sind willkommen. Vorgeschlagen wurden bereits (teilweise nur als Kategorie):
  • geistiges Eigentum
  • Autorrecht und Erfinderrecht
  • literarisches Eigentum
  • Recht der Persönlichkeit
  • Immaterialgüterrecht
  • gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
  • Individualrecht
  • Schutz der Persönlichkeitssphäre
  • Privileg
  • künstlerisches Eigentum
  • Reflex einer Verbotsnorm
  • Monopol
  • persönliches Recht
  • Schrifteigentum
  • Persönlichkeitsrecht
  • Verlagsrecht
  • unzweifelhaftes Eigentum
  • unbestreitbares Eigentum
  • heiliges Eigentum
  • Menschenrecht
  • Ausschließlichkeitsrecht
  • Werkherrschaft

 


[Ergänzung: 25. 3. 2011]: Wie so oft in diesem Bereich handelt es sich bei der Frage nach der „richtigen Bezeichnung“ um aufgewärmte Debatten, die ähnlich sinnvoll sind wie die Frage nach der Henne und dem Ei. 1838 hat der Franzose Augustin Charles Renouard (von dem ungefähr 50 % der deutschen Juristen im 19. Jahrhundert abgeschrieben haben, wenn es ums Urheberrecht ging) schon festgestellt, dass das droit d’auteur eigentlich ein Monopol sei (allerdings ein notwendiges).  Eigentum (propriété) würde in den Ohren der Allgemeinheit aber besser klingen. Man könnte jeder Kritik entgegenhalten, dass man das Eigentum nicht im Namen des Monopols oder Privilegs angreifen dürfe.

Mit einer so dürftigen Begründung wollte man sich aber nicht zufrieden gegeben und es wurde hart daran gearbeitet, die richtige Begründung herauszustellen.  Viktor Böhmert etwa hat 1869 zum Patentschutz (es  lässt  sich Eins zu Eins auf das Urheberrecht übertragen) folgendes festgestellt:

Der Patentschutz wird nicht blos in Rücksichten der Zweckmässigkeit und Nützlichkeit, sondern auch aus Gründen des Rechts und der Billigkeit gefordert. Um dieser Institution eine möglichst unerschütterliche Rechtsbasis zu geben, stützt man sich entweder auf die Lehre vom sogenannten geistigen Eigenthum, oder man behauptet, dass die einseitige gewerbliche Ausbeutung der Geistesarbeit Anderer durch Reproduktion ihrer Erzeugnisse als ein Eingriff in die berechtigte Erwerbssphäre des Autors und als eine Störung der naturgemässen Ordnung der Wirthschaftsgemeinschaft zu betrachten sei.

Wenn es ums liebe Geld ging, wurden schon im 19. Jahrhundert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels  oder der Verein der deutschen Ingenieure zu großen Philosophen. Wir zitieren hier die Ingenieure:  „Wenn wir sagen, der Erfinder habe ein Recht auf ein Erfindungspatent, so stehen wir damit nicht auf dem Boden des positiven Rechts, sondern auf dem Boden der Rechtsphilosophie. Wir sprechen damit aus, dass der Staat aus rechtsphilosophischen Gründen das geistige Eigenthum des Erfinders schützen soll.“ 1877 hat diese rechtsphilosophische Sicht sich durchgesetzt und es wurde ein Patentgesetz für das Kaiserreich erlassen.

Das Mittel des Urheberrechts nützt dem durchschnittlichen Urheber nicht

Das Urheberrecht verfolgt einen legitimen öffentlichen Zweck. Es ist in der geltenden Fassung aber nicht geeignet, die Erreichung des Zwecks zu fördern.

Das Mittel des Urheberrechts, das vor allem über die Erhöhung des Preises arbeitet, nützt dem durchschnittlichen Urheber nicht, weil es die Nachfrage reduziert. Geistiges Eigentum ohne Nachfrage hat aber keinen wirtschaftlichen Wert. Die künstliche Verknappung des Angebots durch geistiges Eigentum erhöht weder den Wert des Guts, noch schafft sie eine Nachfrage. Wie in allen anderen Branchen gilt auch für die Urheber: »Das schönste Privilegium stampft noch keine Kundschaft aus dem Boden.«

Sackgasse?
Das durchschnittliche Honorar fällt langfristig niedriger aus als es bei einer besseren Gestaltung möglich wäre. Zugleich wird die Verbreitung der Werke reduziert, was ebenfalls nicht dem Interesse der Urheber entspricht. Wenn die Preise exzessiv hoch sind (und sie können bei allgemeiner Verfügbarkeit von Kopiertechniken nur mit einem Ausschlussrecht hoch sein), fügt man dem Publikum und dem Großteil der Urheber (wohl auch den kleinen Verlegern) bedeutende Nachteile zu.

Erweiterter Vortrag von Eckhard Höffner: Vortrag Berlin (14. 12. 2010)

[Ergänzung: 18. 1. 2011]: Hier gibt es Aufnahmen.

[Ergänzung: 24. 3. 2011]: Stellungnahme des  Aktionsbündnisses ,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ zu der Veranstaltung Internet & Gesellschaft Collaboratory

Refinancing of CEE countries after Greece’s financial crisis

In the following paper I analysed the development of the refinancing costs of the central european countries after the financial crisis of Greece. The financial status of most of the CEE countries is better than the average of the members of the EU and the Eurozone. Even though Hungary is suffering from a financial crisis, it still manages to achieve the average of the members of the EU. During 2010 we see an improvement of the financial status of most of the CEE countries, while EU members like Spain, Greece, Portugal and Ireland had to suffer from increasing refinancing costs. The consolidation of the national budget will be easier in the CEE countries due to lower debt, the positive economic outlook and the absence of powerful unions. Due to the financial crises of Portugal, Ireland,Greece and Spain (PIGS) superfluous liquidity went out of these bonds and went into safe bonds like Germany, where the nominal interest rates declined. Most of the CEE countries were able to benefit from this development too. Their refinancing costs declined. The correlation proves this. Refinancing conditions will be further upgraded by entry into the EMU if the CEE countries still desire this membership in view of the change of the EMU from a monetary to a transfer union.

See slides: Refinancing CEE Countries

Result

The refinancing cost of the CEE countries has not increased due to the financial crisis in Greece. The contrary is true as a result of the high liquidity and positive financial status of most of the countries. The stability of the Euro and a potential membership of the C.E.E. counties in the EMU, we saw that these countries would not be a problem for the Euro, but rather the membership of the PIGS countries.

Economics in a Nutshell

Das Zitat von John Kenneth Galbraith: »Der moderne Konservative übt sich in einer der ältesten Beschäftigungen der  Moralphilosophie, das ist die Suche nach einer überlegenen moralischen Rechtfertigung für seinen Egoismus«, und viele mehr wurden in München zusammengestellt. Mitarbeiter von Prof. Dr. Ekkehart Schlicht haben eben diesem die Sammlung als Erinnerung an den Münchner Lehrstuhl Seminar für Theorie und Politik der Einkommensverteilung, den früher unter anderen Lujo Brentano und Max Weber innehatten, als Büchlein geschenkt. Wir dürfen Economics in a Nutshell hier einen breiteren Öffentlichkeit vorstellen, wofür wir Prof. Schlicht herzlich danken.

Wir wollen an dieser Stelle aber auch auf die jüngsten Veröffentlichungen von Prof. Schlicht hinweisen:

Sie finden die bislang veröffentlichten Arbeiten von Prof. Schlicht  hier: Veröffentlichungen

Access to Knowledge in Africa

Sisule F. Musungu hat im Januar 2010 in einem Interview die Positionen im Staatenwettbewerb überschlägig wie folgt abgesteckt: Sollte die Liberalisierung des internationalen Handels weiter fortschreiten, könnten die industrialisierten Regionen im landwirtschaftlichen Bereich möglicherweise nicht mehr mit Staaten wie Brasilien konkurrieren. Auch bei den Industrieprodukten wäre der Wettbewerb gegen China und India bereits verloren. Das einzige, was den industrialisierten Staaten im internationalen Handel verblieben sei, wäre das geistige Eigentum. Dieses würde den wesentlichen Wettbewerbsvorsprung ausmachen. Dementsprechend würden die Europäische Union oder die Gruppe der Acht (G8, sie fasst die größten Industrienationen der Welt zusammen) das geistige Eigentum mit besonderem Nachdruck in der gesamten Welt durchsetzen wollen. Sisule Musungu hat auch das Vorwort zu dem im Juli 2010 veröffentlichen Buch Access to Knowledge in Africa geschrieben.

In Access to Knowledge in Africa geht es nicht um Patent- oder Markenrechte, sondern um den Einfluss des Urheberrechts auf den Zugang zum Wissen. Hier unterscheiden sich Urheberrecht und die technischen Schutzrechte, denn urheberrechtlich geschütztes Material kann für die essentielle Schul- und Ausbildung von Bedeutung sein, während Patente zumindest der Idee nach jeweils den neusten Stand der Technik zum Gegenstand haben sollten. Die Lesefähigkeit einerseits als persönliches Vermögen, andererseits als der Zugang zum geeigneten Lesestoff (ohne den die Lesefähigkeit nutzlos wäre und mangels Übung verkümmert), gehört in unserer Zeit zum Grundbedarf eines Menschen.  Inwieweit können die Bürger aus dem vorhandenen Wissen schöpfen? Die Herausgeber verweisen in der Einleitung auf die essentielle Bedeutung der Bildung für die gesellschaftliche und individuelle Entwicklung, sei es Armutsbekämpfung, wirtschaftliche Entwickung, Gesundheit oder Erweiterung der Entfaltungsmöglichkeiten des individuellen Potentials.

Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, verabschiedet am 10. Dezember 1948 durch die Resolution 217 A (III) der Vollversammlung der Vereinten Nationen
  1. Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.
  2. Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.
  3. . . .

In der Milleniums-Erklärung der Vereinten Nationen (September 2000) wurde feierlich beschlossen, dass bis 2015 sicherzustellen sei, dass Kinder in der ganzen Welt, Jungen wie Mädchen, eine Primarschulbildung vollständig abschließen können und dass Mädchen wie Jungen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungsebenen haben. Allein die Notwendigkeit der Erklärung zeigt die unzureichende Umsetzung der Ziele, auch wenn in Afrika inzwischen drei Viertel der Kinder eine Grundschulbildung erhalten sollen.

In Access to Knowledge in Africa untersucht einen bislang zu wenig beachteten Aspekt. In dem Buch werden in acht Kapiteln die Staaten Marokko, Ägypten, Ghana, Kenia, Uganda Mosambik, Südafrika und Senegal vorgestellt und dabei der Frage nachgegangen, ob und inwieweit das jedermann zustehende Recht auf Bildung durch das Urheberrecht beeinflusst wird. Es ist ein wichtiges Buch, dass Aspekte jenseits der gängigen Entwicklungshilfe untersucht. Der grobe Aufbau der einzelnen Beiträge ist jeweils gleich.

  • Kurzübersicht über die Staaten
  • Darstellung der gesetzlichen Regelungen zum Urheberrecht
  • Praxisbericht: Urheberrecht auf der einen, Zugang zu Information auf der anderen Seite
  • Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Ergänzt werden diese durch eine Einleitung und eine Zusammenfassung von den Herausgebern. Dieses etwas starre Schema ist manchmal zu strikt. So beschweren sich die Autoren Bassem Awad, Moatasem El-Gheriani und Perihan Abou Zeid sicherlich zu Recht, dass es schwer sei, die politische Geschichte Ägyptens in wenigen Zeilen zu schildern.

Afrika Satellitenaufnahme
Satellitenbild Afrikas (Wikimedia Commons)

Die Weltbank hat eine im Juli 2010 eine Übersicht über die Einkommen pro Kopf (2009) und die Kaufkraft veröffentlicht. Die Statistik ist, wie es sich in der Wettbewerbsgesellschaft gehört, mit einem Ranking versehen (wobei man sich natürlich auch fragen kann, welche besonderen Leistrungen und Tätigkeiten Monaco, Liechtenstein, Luxemburg, Bermuda, die Kanalinseln oder die Kaimaninseln auf die oberen Plätze gehoben haben).

Sieht man von Südafrika ab, gehören alle Staaten zu den ärmeren. Südafrika hat nach dieser Statistik in etwa das Niveau von Bulgarien oder Serbien mit einem pro-Kopf-Einkommen in Höhe von 5770 US-$ im Jahr. In Uganda oder Mosambik sind es hingegen nur 460 und 440 US-$ im Jahr.

Allerdings sind diese Statistiken nur bedingt aussagekräftig, denn die Verteilung der Einkommen wird nicht hinreichend berücksichtigt und das nominale durchschnittliche Einkommen ist in Relation zum allgemeinen Preisniveau zu setzen. So errechnet die Weltbank für Südafrika eine Kaufkraft pro Kopf von 10 060 US-$, während die EU-Mitglieder Estland, Ungarn und Slowakei in etwa 18 500 US-$ haben. Diese liegen aber noch vor den beiden anderen baltischen Staaten, Rumänien (14 460 US-$) und Bulgarien (12 290 US-$).

Ägypten nimmt trotz deutlich geringerem Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu Südafrika nach einer Untersuchung im Rahmen des United Nations Development Programme (UNDP) auf dem Human Development Index eine vergleichsweise bessere Position ein.

Die anderen Staaten der Studie, also Marokko (4450 US-$), Ägypten (5690 US-$), Senegal (1790 US-$), Ghana (1480 US-$), Kenia (1570 US-$), Uganda (1190 US-$) und Mosambik (880 US-$) haben deutlich niedrigere Einkommen (jeweils in Kaufkraft). Selbst wenn man die niedrigeren Preise für viele Güter in diesen Ländern berücksichtigt: der Kauf von Büchern ist für die meisten Menschen in diesen Regionen eine ökonomische Unmöglichkeit.

Die verbreitete Armut führt dazu, dass die mageren finanziellen Mittel für die Subsistenz verbraucht werden. Lehrbücher sind beispielsweise in Mosambik in aller Regel zu teuer für Studenten. Ein Bibliothekar aus Ghana führt aus, dass der Preis für ein von Kluwer veröffentlichtes Buch 180 US-$ betrage, während es — im Inland produziert — 60 US-$ kosten könnte. Nur ein geringer Teil des Preises sei auf Steuern und Zölle zurückzuführen. Welche Bedeutung bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von ca. 1500 US-$ ein Unterschied von 120 US-$ zukommt, liegt auf der Hand. Ob Studenten bei einem Preis von nur 60 US-$ den tatsächlich Bücher kaufen würden, ist aber auch fraglich. Müsste der Preis nicht auf 6 US-$ sinken? Für diesen Preis lassen sich Bücher herstellen, was jedem klar ist, der die Handelsspannen in Deutschland kennt: Bei Belletristik liegt diese inzwischen bei ungefähr der Hälfte und trotzdem werden Taschenbücher en masse für den Standardpreis von neun oder zehn Euro angeboten. Diese niedrigen Preise würden einhergehen mit dem wirtschaftlichen Potential der jeweiligen Bevölkerung angemessenen Gewinnspannen. Bei Durchschnittseinkommen von 1000 oder auch 3000 US-$ im Jahr müsste der Gewinn je verkauftem Buch sich an diesen Beträgen orientieren und nicht am Standard in den reicheren Staaten. Andernfalls bleibt Bildung ein Luxusgut und die Entwicklung der Länder wird weiterhin unter diesem Mangel leiden. So liegen auch die Preise in Kenia in diesem Bereich wie man etwa der Preisliste des Kenya Literature Bureau (Bookpricelist 2010) entnehmen kann. Dort kostet etwa J.B.M. Ngugis Chicken Production (1980 veröffentlicht) ungefähr 2,50 Euro. Preise über sechs Euro sind eine Seltenheit bei diesem Verlag, der unter anderem für die nationale Bildung zuständig ist.

Praktisch kein Land hat das Urheberrecht auf eigene Initiative eingeführt. Ghana hat das Urheberrecht der ehemaligen Kolonialmacht Großbritanniens von 1911 übernommen, während Kenia die britischen Gesetze aus 1842, 1911 und 1956 miterlebte. In Marokko war es französisches, in Mosambik portugiesisches Recht. [Ergänzung vom 28. 3. 2013. Vgl. hierzu A. Peukert: The Colonial Legacy of the International Copyright System] Und in allen Ländern wird das geltendes Recht maßgeblich durch internationale Verträge geprägt. Die Berner Übereinkunft, das TRIPS-Abkommen (WTO) und die WIPO-Abkommen etwa für den Schutz von Tonträger-Herstellern geben in allen Ländern den Rahmen vor. Keines der Gesetze scheint auch nur annähernd an die Tradition des jeweiligen Landes oder dessen Bedürfnisse angepasst zu sein. In der Bevölkerung wird das Urheberrecht in der Regel nicht verstanden und wohl selten Ernst genommen.

Die Darstellungen des Urheberrechts in den Beiträgen zu den einzelnen Staaten folgt jedenfalls dem etwa in Deutschland bekannten Schema: Es wird jeweils dargestellt, welche Handlungen dem Rechtsinhaber vorbehalten sind, ob über den vermögensrechtlichen Bestandteil des Urheberrechts hinaus auch die sogenannten moral rights erfasst sind, wie lange der Schutz dauert (50 Jahre nach dem Tod des Urhebers sind nach der Revidierten Berner Übereinkunft die Mindestschutzdauer), ob es Schranken etwa für die Nutzung in Bibliotheken oder Schulen oder das dem Common Law eigene Recht auf Fair Use gibt. Hier bietet der Band eine gute und aufschlussreiche Übersicht.

Da die Gesetze im Kleinen allerdings — aus hiesiger Sicht — nur unzulänglich beachtet werden, umgekehrt aber die Entstehung einer eigenständigen Produktion von Material auf erhebliche Schwierigkeit stößt, scheinen vor allem die von den kenianischen Autoren Marisella Ouma and Bernard Sihanya dargestellten Kritiken den Kern zu treffen: Ben Sihanya hat in dem Artikel ‘Copyright law, teaching and research in Kenya’ die Funktion des Urheberrechts im Hinblick auf technische, wirtschaftliche und kulturelle Hinsicht untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Urheberrecht im wesentlichen an den westlichen Industriestaaten ausgerichtet sei als Folge der Kolonialisierung und der Tatsache, dass die die Personen, die für die Gestaltung des Rechts zuständig seien, sich an den Regelungen dieser Staaten orientierten. Da die Gesetze in der Praxis nur unzureichend umgesetzt seien, würden die Rechtsinhaber hohe Beträge durch unerlaubte Kopien verlieren.

Ob allerdings eine striktere Umsetzung des Rechts zu einer Besserung führen wird, ist zweifelhaft. Nach Henry Chakavas Buch Publishing in Africa: one man’s perspective ist die kenianische Verlagsindustrie in hohem Maße von der britischen abhängig. Chakava, selbst Autor, Verleger und Vorsitzender der Vereinigung der East African Educational Publishers (EAEP), sieht nur Verluste für die afrikanischen Staaten und Schwierigkeiten beim Aufbau einer eigenen Lesekultur (die schließlich Voraussetzung für eine Schreibkultur ist). Den internationalen Verträgen fehle es an Gerechtigkeit. Die dort festgelegte Reziprozität ist für die afrikanischen Staaten nachteilig. Die Gegenseitigkeit der Regelungen über die urheberrechtlich geschützten Werke sei im Ergebnis eine Einbahnstraße: Afrika hätte ,,very little or nothing to sell to the outside world“. 90 % der kenianischen Buchproduktion seien Textbücher, die sich kaum außerhalb der Grenzen des Nationalstaats vertreiben ließen, wobei der Großteil der Rechte den Verlagen aus dem Norden gehöre. Weil es beim Urheberrecht tatsächlich nicht um den Austausch von Gütern geht, sondern um Marktbeherrschung (Monopolcharakter), liegt der Vorteil bei den Verlagen aus dem Norden. Bei alldem wird auch deutlich, dass eine effizientere Durchsetzung des Rechts Kenia selbst wenig helfen würde.

Dementsprechend unklar fallen auch die Aussagen über die erhofften Wirkungen des Rechts aus. In allen Ländern gibt es Schwierigkeiten, selbst Bibliotheken angemessen auszustatten. Welche Vorteile die Regelungen für die dortige Bevölkerung haben sollen, bleibt völlig im Dunkeln. Es scheint jedenfalls — außerhalb der Folklore und der Musik — sich keine eigenständige Literatur und Verlagslandschaft zu entwickeln. Bücher werde an den Universitäten in der Regel nicht gekauft, sondern kopiert. Hier könnte Wettbewerb helfen, denn wenn Bücher einige hundert Mal kopiert wurden, ist der Druck immer billiger. Im übrigen scheint das Urheberrecht den Staaten so viele Vorteile zu verschaffen wie dem Fisch das Fahrrad. Es ist ein der Situation unangemessenes Instrument, das im Wesentlichen das Lernen überflüssig verteuert.

Access to knowledge in Africa (2010)
Access to knowledge in Africa (2010)

Access to Knowledge in Africa.
The Role of Copyright

Herausgegeben von Chris Armstrong, Jeremy de Beer, Dick Kawooya, Achal Prabhala und Tobias Schonwetter
366 + xvii Seiten, 2010 Claremount (Südafrika): UCT Press/IDRC

Preis (vermutlich in US-$): 51,69 $ zzgl. Versand/Verpackung: Bestellformular
(ISBN 978-1-91989-545-1)

Download: Access to Knowledge in Africa 2010
(e-ISBN 978-1-55250-490-1)

Das Buch wurde unter der Creative Commons Attribution-Noncommercial-Share Alike 2.5 South Africa License veröffentlicht, die Sie über den Link erreichen können. Sie können auch eine Abschrift unter folgender Adresse bekommen: Creative Commons, 171 Second Street, Suite 300, San Francisco, California, 94105, USA).

Reformation der Handwerksinnungen

Auszug aus Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volkswirtschaftlicher Beziehung (1868) von Johannes Falke, der seit 1864 Archivar am Hauptstaatsarchiv in Dresden war.


Während der Regierung dieses Kurfürsten [August von Sachsen] hatte sich eine allgemeine Preissteigerung für die Producte der Land- und Forstwirthschaft sowohl wie des Bergbaus festgestellt, welche zur Folge hatte, dass auch die Handwerker ihre Erzeugnisse im Preise zu heben suchten. Als nach Ueberwindung der grossen Theurung zu Ende des sechsten und in den ersten Jahren des siebenten Jahrzehnts ein Abschlag der Getreidepreise eintrat, so dass dasselbe nach dem allgemeinen Zeugniss im Jahre 1578, »einige Jahre seither in gelindem und ziemlichem Preis« gestanden, erschienen die Preise in allen übrigen Zweigen der Volkswirthschaft, da sie nicht von der eingenommenen Höhe weichen wollten, in einem auffallenden Misverhältniss zu jenen. Mit dem Volk hatte auch die Regierung die Ueberzeugung, dass nach den Getreidepreisen sich auch alle übrigen richten und mit ihnen eben so schnell steigen wie fallen müssten, und schrieb deshalb das Stehenbleiben der gesteigerten Preise in den Handwerken bei fallendem Getreidepreis allein dem Eigennutz und der Habsucht der Producenten zu. Um diese Verhältnisse gründlich zu erforschen und die allgemeinen Preisverhältnisse mit denen des Getreides wieder in Uebereinstimmung zu bringen, beauftragte im Sommer 1578 der Kurfürst seine Räthe, von den Innungen zu Dresden schriftlichen Bericht über die Preisverhältnisse und deren Ursachen in jedem Handwerk besonders zu erfordern und dann solche Berichte zu einem Gesammtbericht zusammenzustellen.

Lucas Cranach: Kurfürst August v. Sachsen
August von Sachsen (Lucas Cranach d. J., um 1550, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden)

Alle stimmten darin überein, dass das Getreide seither in billigem und erträglichem Preise stehe, dass aber alle übrigen Producte, insbesondre alle Arbeitsstoffe der Handwerke um das Doppelte, manche um das Dreifache seit 20–30 Jahren gestiegen seien. Dagegen wollte fast keine Innung die Preissteigerung ihrer Arbeitsergebnisse zugestehen, manche vielmehr einen Preisabschlag derselben gegen früher behaupten. Das Tuchmacherwerk berichtete, früher habe man den Stein Landwolle für 36 gr., 3 fl. oder 2 Thlr. gekauft, jetzt zahle man 1 ? 4 gr. bis 3 Thlr., und dabei wolle jeder Verkäufer sogleich bar bezahlt sein, den Stein Schmeer früher für 1 Thlr. oder 30 gr., jetzt 56–60 gr., den Kübel Weid früher für 10–12 fl., jetzt 25–28 fl., den Centner Gallnüsse früher für 12–15 fl., jetzt 26–32 f., den Centner Röthe früher für 4 fl., jetzt 81/2 fl.; auch Alaun und Weinstein, Schmalz, Honig, Weidasche, so wie alle zu Markt kommenden Waaren seien jetzt fast noch einmal so theuer wie früher, so dass von den 22 Handwerksmeistern 11 die Arbeit ganz hätten einstellen müssen.

Die Fleischhauer klagten, dass sie in Polen, Pommern, Schlesien, Böhmen und Lausitz, woher sie ihr Schlachtvieh holten, seit 30 Jahren mit unerhörten Zöllen beschwert seien; von einem Ochsen müssten sie in Oppeln 5 gr. und darnach in allen Städten und Dörfern bis eine Meile vor Dresden 4, 3 und 1 pf. zahlen, und in ähnlicher Weise von Schöpsen und Schafen. Vor 20 Jahren kostete ein Paar der besten Ochsen 16–18 fl., jetzt 32–40 fl., Kälber jetzt die geringsten 1 fl., ein dippoldiswaldisches Kalb aber 2-2-1/2 Thlr.; dennoch müssten sie jedes Kalbfleisch das Pfd. um 5 pf. geben und hätten auf ihre oft wiederholte Bitte, das Pfd. des bessern um 1 pf. theurer verkaufen zu dürfen, noch nie eine Antwort bekommen. Früher hätten ein Paar Schöpse zu Schwiebus und Grossglogau 1 fl. gekostet, jetzt kosteten sie über 2 Thlr. ohne die Zölle, ein Paar Schafe früher 12–18 gr., jetzt 26–30 gr., Lämmer früher 10–12 gr., jetzt 18–24 gr. Auch klagten sie, dass die Fremden und Landschlächter im Herbst, wenn das Vieh billiger sei, den Markt zu Dresden mit Fleisch überführten, um Johannis bei Theuerung der Viehpreise aber ihnen allein die Versorgung der Stadt überliessen. Dabei fehle es in Dresden an einer Viehweise, so dass, wenn sie nur 100 Ochsen in Vorrath komme liessen, jeder derselben in wenigen Wochen um 3–4 fl. schlechter geworden sei, während die Schlächter zu Leipzig für mehr als 1000 Ochsen vom Rath Weise hätten. In allen umliegenden Städten gäbe man das Rindfleisch das Pfd. für 9 pf., während sie nur 8 pf. nehmen dürften, und desshalb bei allen Ochsenhändlern in Spott und Verachtung gerathen seien.

Ochsenzubereitung bei der Krönung von Maximillian II. (1562)
Ochsenbraten bei der Krönung von Maximillian II.

Die Schuster meinten, früher habe Ochsenleder 1-1/2 Thlr. gekostet, jetzt koste es 3 Thlr., Kuhleder früher 30 gr., jetzt 60 gr., ein Kalbfell früher 4–5 gr., jetzt 18 gr., ein Stein Hanf früher 20 gr., jetzt zwei alte ?. (40 gr.); in demselben Masse sei alles Uebrige, was sie zum Handwerk brauchten, im Preise gestiegen, weil die Gerber von Bautzen, Görlitz, Zittau alle Felle und Leder rings um Dresden aufkauften und in die Sechsstädte und nach Schlesien führten. Ebenso klagten die Lohgerber über den Vorkauf und Wucher im Handel mit Fellen und Leder, die Bäcker über die Platz- und Kuchenbäcker, welche letzteren an allen Thoren und Thüren und auf allen Plätzen zu Dresden sitzen dürften, über die Böhmen und die Bäcker von Siebenlehn, die ungestört Brod hereinbrächten und Korn aufkauften; während kein andere Handwerk Störer leide, habe das Bäckerhandwerk zu Dresden am meisten davon zu leiden. Die Büttner und Tischler klagten über die Theurung des Holzes; früher habe eine Eiche in der dresdnerischen Heide 15 gr. gekostet, jetzt koste sie 2 Thlr., die Fuhre von daher früher 5 gr., jetzt 1 Thlr., ein Schock Fassholz an der Elbe früher 6 gr., jetzt 15–16 gr., eine Tanne früher 8, jetzt 18 gr., ein Stein Leim früher 15–18 gr., jetzt 2 fl. 6 gr.

Leipziger Jungfrau Jost Amman
Leipziger Jungfrau von Jost Amman aus: Im Frauenzimmer wirt vermeldt von allerley schönen Kleidungen und Trachten etc. (1586)

Die Schneider meinten, dass, während die Arbeit an einem Kleide wegen vermehrter Stickerei schwerer und langwieriger geworden sei, sie doch schlechter bezahlt werden als früher, denn sie erhielten auch jetzt für ein solche Kleid nur 1 Thlr. bis 30 gr.; auch sei der Hauszins von 6–7 fl. auf 15–18 fl. gestiegen. — Die Hutmacher klagten über die Steigerung der Wolle von 1-1/2 fl. auf 3 Thlr., der Karden, des Leims, des Hauszinses von 5–6 fl. auf 10–12 fl.; vor 16 Jahren habe ein Geselle in der Woche 6 braunschweigsche Hüte gemacht, deren jeder für 12–14 gr. verkauft wurde, jetzt mache er zwei aus der besten Wolle und gelte jeder nur 1 fl. oder 1 Thlr., doch dem Bauersmann müssten sie die Hut immer noch um den alten Preis geben. — Die Weissgerber, Sattler, Beutler, Buchbinder klagten über die Steigerung der Felle und des Leders; das Hundert weisser Leder sei von 10 fl. auf 21 fl. gestiegen, Schaffelle von 20 auf 28 fl., Kalbfelle von 20 auf 35 Thlr., Bocksleder von 35 auf 50–55 Thlr., Schweinsleder das Buschel von 30 gr. auf 3 Thlr. — Auch werden, meinten die Buchbinder, ein Buch zu binden nicht mehr bezahlt als früher, und sei jetzt nichts unwerther und verächtlicher als die Bücher und der Handel mit denselben durch Hausirer verdorben. — Die Huf-, Messer- und Nagelschmiede, die Schwertfeger, Sporer, Büchsen- und Uhrmacher klagten über die Steigerung eines Steins Eisen von 5 und 5-1/2 gr. auf 8 gr. 8 pf., eines Pfundes Stahl von 8 pf. auf 18–20 pf., eines Kübels Holzkohlen von 8 pf. auf 3 gr., der Tonne Steinkohlen von 1-1/2 gr. auf 3-1/2 gr., eines Schragens (3 Klafter) Holz von 2 Thlr. auf 6 fl. Den Kupferschmieden war der Ctn. Kupfer von 10 auf 15 fl. gesteigert, den Fischern ein Paar Wasserstiefeln von 1 auf 3 fl., ein Kahn von 1-1/2 Thlr auf 4 Thlr., den Maurern dagegen der Wochenlohn von 30 gr. auf 18 gr. gesunken.

Saxonia Superioris Lusatiae
Schlesien, die Lausitzen und Sachsen im 17. Jahrhundert, Karte von Gerhard Mercator und Henricus Hondius

Der Kurfürst kam bald zu der Ueberzeugung, dass auf Grundlage dieser Berichte keine neue Ordnung zu machen sei, und befahl desshalb am 12. Septbr. 1578, durch die Innungsmeister aus jedem Handwerk zwei Meister wählen zu lassen, die bei Eid und Pflicht eine Satzung machen sollten, wie jede Arbeit zu geben und zu verlohnen sei. Am 18. Septbr. mussten sämmtliche Handwerksmeister schwören, dass die aller Steigerung der Waaren in ihrem Handwerk vorkommen, alle Arbeit zu billigem Preis geben und, so oft sie erfordert würden. mit Rath und That zur Aufrichtung guter Ordnung helfen und die übertheuerten Waaren nach billigem Werth schätzen wollten. Zugleich mussten die Innungen für alle ihre Arbeitserzeugnisse Taxen aufsetzen, welche aber sämmtlich vom Kurfürsten als zu hoch gegriffen verworfen wurden, worauf er dann am 9. Octob. 1578 an den Rath von Dresden ein Rescript folgenden Inhalts erliess: Obwohl die Materia, welche die Handwerker gebrauchen, etwas mehr als vor Alters gestiegen sei, sei es doch nicht so hoch, dass sie eine solche übermässige Steigerung zu machen Ursache hätten, auch sei das Getreide eine gute Zeit her in ziemlichem Kauf gewesen. Sie sollten desshalb forthin alle Artikel über Ordnung und gute Zucht einhalten, die unvermögenden Lehrjungen ohne Lehrgeld gelehrt werden, doch dafür etwa länger dienen, und keine Morgensprachen ohne Beisein eines vom Rathe mehr gehalten werden. Weil aber eine gewisse Taxe aller Arbeit eigentlich nicht angestellt werden könne und die übergebenen alle zu hoch seien, so sollte dieselbe in der Geschwornen Pflicht gestellt werden. Darauf folgten Antworten und Verordnungen auf die Beschwerden der einzelnen Zünfte, z. B. Schreiben an die Räthe von Leipzig und Naumburg wegen Abstellung des Betrugs im Pelzhandel, an eine Anzahl Nachbarstädte wegen Gleichstellung ihrer Fleischtaxe mit der zu Dresden. Die Handwerker, welche bestellte Arbeiten in der versprochenen Zeit nicht fertigten, sollten gestraft, die Strafe der Bäcker, nach welcher sie für jedes am Bridgewicht fehlende Loth 5 gr. zu zahlen hatten, geschärft, und auch die Kornhändler, welche den armen Bäckern Korn und Weizen auf Borg theuer aufhängen würden, gestraft werden. Die Schuster, Gerber, Tuchmacher, Kürschner, Leinweber und andre wurden getadelt, weil die die Waaren theurer gäben, als von Alters, die Maurer und Ziegeldecker, weil sie sich mit dem geordneten Lohn nicht begnügten und für einen Lehrjungen so viel Lohn ansetzten wie für einen Gesellschen. Alle vierzehn Tage sollte eine Schau der Schuhe und Stiefeln, der gegerbten Leder, Tuche, Felle, Leinwand u. a. Waaren gehalten und wenn die Mängel nicht abgeschafft würden, durch unverdächtige Personen eine Probe des Handwerks angestellt und darnach der Steigerung gesteuert werden. Eine solche Handwerksprobe wurde auch wirklich zu Anfang des folgenden Jahres gegen die Schuhmacher ausgeführt. Die beiden zu Hof geschworenen Schuhmachermeister mussten nehmlich eine Rindshaut, zwei Kuhleder, Kalbs- und Schaffelle mit allem Zubehör kaufen und dieselben in Gegenwart von zwei Rathsherren und drei anderen Meistern des Handwerks zu Manns-, Frauen-, Knaben- und Mädchenschuhen, zusammen 26 Paar, zerschneiden und diese Schuhe durch fünf Schuhknechte gegen einen Tagelohn von 8 pf. für jeden und entsprechender Kost fertigen lassen. So kamen die Schuhe zusammen auf 10 fl. 20 gr., nach Abzug des übrig gebliebenen Materials auf 10 fl. 3 pf., im Durchschnitt aber jedes Paar Schuhe auf 8 gr. 4 pf. 1-3/13 h. Als nun aber auf Befehl des Raths die geschworenen und ältesten Meister des Handwerks, ohne die Rechnung de beiden Meister zu kennen, die Schuhe bei Eid und Pflicht schätzen sollten, taxierten die die 26 Paar Schuhe zusammen auf 7 fl. 14 gr. 3 pf., als ein Paar Mannsschuhe zu 7 gr. bis 7 gr. 6 pf., ein Paar Frauenschuhe zu 5 gr. bis 5 gr. 6 pf., ein Paar Knabenschuhe 5 gr. bis 5 gr. 6 pf. und das Paar Mägdeschuhe zu 3 gr. 3 pr., demnach hatte man, so wurde geschlossen, 2 fl. 14 gr. 9 pf. mehr auf die Schuhe verwandt, als sie werth waren. Und noch dazu waren diese Schuhe nach der von der Innung aufgestellten, vom Kurfürsten verworfenen Taxe geschätzt, ein Beweis also, dass, da jene Arbeitern nach allgemeinem Brauche verlohnt und verköstigt wurden und eben so viel arbeiten mussten wie andre, eine Preissteigerung innerhalb dieses Handwerks durchaus gerechtfertigt war.


Aus Johannes Falke: Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volkswirthschaftlicher Beziehung, Lepzig: 1868.

Die Preisfrage ist nun: Wer hat in diesem verwirrenden Zahlenspiel verloren?

Gustav von Schmoller hat dies 1896 bündig beantwortet: „Die komplizierte Wochenmarkts- und Vorkaufsgesetzgebung ist in Summa nichts als ein raffiniertes System, Angebot und Nachfrage zwischen kaufendem Städter und verkaufendem Landmann so zu gestalten, daß der erstere in möglichst günstiger, der letztere in möglichst ungünstiger Position beim Konkurrenzlaufe sich befinde.“

Der Roman des Advokaten

Der Roman des Advokaten

von Andreas Leitolf

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Geburtstagsfeier des Advokaten
2. Kapitel Der Hungerturm
3. Kapitel Der Runenforscher
4. Kapitel Das Bett
5. Kapital Der Doktor jur.
6. Kapitel Der Architekt
7. Kapitel Tarnhoff
8. Kapitel Die Wohnung des Advokaten und seiner Perserkatze Ursula von der Neiden
9. Kapitel Familie des Advokaten
10. Kapitel Martin Hoffman
11. Kapitel Der Philosoph
12. Kapitel Philosophie des Advokaten
13. Kapitel Das Problem des Alkoholismus
14. Kapitel Die wilde Sigrun
15. Kapitel Roman des Advokaten
16. Kapitel Der Ausflug
17. Kapitel Der Brief
18. Kapitel Der Stadt und die Hunde
19. Kapitel Die Psychosen des Doktor des Doktor jur.
20 Kapitel Ruhe
21. Kapitel Roman der wilden Sigrun
22. Kapitel Semper apaestus
23. Kapitel Am Turm
24. Kapitel Das Fest
25. Kapitel Theorie des psychotischen Romans
26. Kapitel Roman des Doktor jur. in Form eines Gutachtens
27. Kapitel Wir Wunderkinder
28. Kapitel Warten auf den Advokaten
29. Kapitel Im Sog des Wahnsinns
30. Kapitel Die entfesselnde Realität
31. Kapitel De profundis
32. Kapitel Gespräch mit Lektor
33. Kapitel Über Bedienungen
Happy End: Ein Mann aus Hollywood


„Die Leute kommen zu mir,
sie kommen wie die Tauben.“

Zitat des Advokaten

„Die Boote sind noch nicht gekentert.“
Zitat der wilden Sigrun


1. Kapitel: Der Philosoph, Alex und die Schildkröte

Raimund, der Philosoph liebte seine Bea platonisch wie Dante seine Beatrice im Paradies. Mit der wahren Gelassenheit eines Herbergsvaters nahm der Philosoph den wohnungslosen Doktor jur. in seinem Appartement am Westfriedhof auf und stellte ihm seine Regalwand voller Bücher zum Lesen zur Verfügung. Bei Hegel las der Doktor jur. in der „Phänomologie des Geistes“ den Satz: Das Anundfürsichsein ist der Geist. Da in unserer Gesellschaft an und für sich nur das Geld zählt, Geld und Geist nur allzu oft verwechselt wird, wurde der Doktor jur. denkbarer Zuhörer des Advokaten. Dieser wusste zwischen Geld und Geist einen wohltuenden Ausgleich herzustellen und honorierte jede Hilfeleistung großzügig. Die Wohnung des Philosophen war nicht ganz so verschlampt wie die des Advokaten. Raimund war immerhin im Besitz eines kräftigen Siemens-Staubsaugers. Wir schliefen zu Dritt in der engen Wohnung, mit Alex, dem Kunstmaler, der in seiner Jugend Zahntechniker war, und behauptete, Achter (Weißheitszähne) würden nicht mehr gebraucht, weil sich die menschlichen Kaugewohnheiten verändert hätten.

Der frühvollendete Alex hat schon mit 24 Jahren eine mächtige Riesenschildkröte aus Ton modelliert, in brauner Farbe, und sein Lebenswerk steht stolz, Ruhe und Sicherheit ausstrahlend, im Regal des Philosophen unter den Büchern. Seitdem sitzt Alex Tag und Nacht vor dem Fernseher, raucht ununterbrochen, einen Plastiksack mit gelblichen Ton neben sich. Unter dem Dach des Philosophen verkehren auch wunderliche Frauen, wie die mystische Birgit, die auf Jesus wartet, dem sie heiraten will, und trinkt, weil er nicht kommt, oder die langhaarige Marianne, die einen kleinen Hund namens „Maxi“ hat und im Hasenbergl wohnt. Alex kämmt ihr die Haare.

Als Alexander von Humbold im Urwald des Amazonas Indianer sah, die friedlich trunken voller Chicha auf Riesenschildkröten saßen, maß er sie mit den Augen europäischer Intelligenz und hielt sie für blöd. Wie beschränkt muß der europäische Intellekt sein, an dem Natur und Menschheit unseres Globus leiden?

Der blondbärtige Alex Haritos ist indianischer Abstammung, in Chigago geboren und hat ein Idolo geschaffen, eine Plastik in Form einer Schildkröte, die Schutz bietet, ein Kraftzentrum in der Pegnitzstraße. Mit rechtgewendetem Kopf, glänzenden Augen, den Mund offen, atmend, scheint sich das Tier aus meinem Schreibtisch zu bewegen. Die Schildkröte, ein Symbol der Ruhe, Kraft und Langsamkeit. Der Langsame ergreifet den Schnellen, steht in der Odyssee. Der Panzer der Schildkröte mit hellbraunen Kassetten, tiefen Rillen und die vierzehigen Füße, links sich abstoßend, recht angewinkelt.

Alex, ein Künstler, unser Gang durch die Kunstakademie, wo große Topmodels nackter Frauen herumstehen. Seine Schildkröte stellt alles in den Schatten, auch diesen Roman. Sie ist heilig. Dem Philosophen gefiel sie nicht, aber der Doktor jur. hat sie aus dem Keller geholt. Alex meint, der Philosoph sollte seine ganzen Bücher wegwerfen und etwas eigenes schaffen.

2. Kapitel: Geburtstagsfeier des Advokaten

Wir feiern den 50. Geburtstag des Advokaten im Cafe Monopterus. Es gibt den teuersten Sekt Meurs Chandon für 80,– DM die Flasche. Der Runenforscher sitzt dabei, auch Patrick der junge Germanist. Ich, der Doktor jur. ernenne den Advokaten für seine Verdienste fürs Vaterland zum Dr. h.c. kraft meiner Kompetenz der Europäischen Union. Der Advokat kokettiert mit der hübschen, charmanten Bedienung. Sie sagt, sie hätte selten Gelegenheit, so teuren Sekt im Kübel zu servieren. Wir lachen. Der Runenforscher genießt den Sekt. Er grinst verschmitzt hinter seiner Brille und nutzt die Gunst der Stunde. Wir heben die Gläser, lassen den Advokaten und edlen Spender hochleben. Happy birthday to you, happy birthday to you. Er bestellt noch eine Flasche Meurs Chandon, zieht die blauen Scheine und begleicht die Rechnung. Die sexy Bedienung freut sich und der Advokat erzählt von seiner skurilen Tätigkeit beim Bundesnachrichtendienst in Pullach. Es war seine Aufgabe, durch tägliches Auswerten der Zeitungen den 3. Weltkrieg zu verhindern. Dies ist ihm gelungen. Hurra, wir leben noch, würde Johannes Simmel sagen.

Der Advokat hat uns gerettet. Erst war er Afrikaspezialist, hat seine Vorgesetzten über den Biafrakrieg informiert, akribische Generäle und Militärs. Dann war er DDR-Fachmann und besaß den Deckname Stettin. Er litt unter seiner Arbeit, weil er sich vorkam, wie das Häschen in der Grube, über dem die Wellen nachrichtendienstlicher Forschung zusammenschlugen. Seine Vorgesetzten bestellten ihn zum Rapport, weil es nicht verhindern konnte, dass der arabische und israelische Geheimdienst sich auf der Toilette begegneten. Seine Schrift wurde größer und er versteckte abgetragene Wäsche, Socken und Brotzeitreste unter den Büchern seines Dienstzimmers. Deswegen wurde er mit 48 Jahren pensioniert, in Ehren entlassen. Er war Regierungsrat a.D. und ist es, sofern er nicht gestorben ist, noch heute.

3. Kapitel: Der Hungerturm

Ein ambivalentes Verhältnis hat der Advokat zum Hungerturm. Dieser ist einerseits der beste Freund des Advokaten, hat auch schon 7 Wochen bei ihm übernachtet. Allerdings verschüttete er beim Frühstück den Neßcafe auf dem Teppich und erschreckte dadurch die adlige Perserkatze Ursula von der Neiden. Des Advokaten Herzliebste ist seine Katze, die gelbe Augen hat und die er aus einem Schaufenster im Elisenhof gekauft hat. Seit dieser Zeit ist der Hungerturm der schärfste Widersacher des Advokaten. Er hat heute sogar Hausverbot und manchmal meiden sich die beiden wie die Pest. Wenn der Advokat von Amerika erzählt, lauscht die Clique andächtig und der Hungerturm, mit bürgerlichen Namen Jordan, zieht sich verärgert hinter ein Glas Bier zurück und raucht mit großen Bewegungen eine Zigarre.

Herr Jordan ist lang und groß und hat bei der Armee gedient. Einmal geriet er an einen Fallschirmjäger. Dieser sagte: „Ein Fallschirmspringer hat immer Recht“. Der Vater vom Hungerturm war General im 2. Weltkrieg, befehligt die deutsche Luftmarine und wartete vergeblich auf die Wunderwaffe. So wurde der Krieg verloren.

4. Kapitel: Der Runenforscher

Einer der wenigen Runenforscher im Lande ist Gerhard Wiesner, der wichtigste Schluckspecht in der Clique des Advokaten. Er übersetzt zwei Stunden an einer Rune. Bier ist sein Lieblingsgetränk und er gewinnt an Mitteilsamkeit, je mehr er davon trinkt.

Mit 44 Jahren schiebt er noch seine Magisterarbeit vor sich her und träumt davon, eine Marktlücke für ein Taschenbuch über alte Germanen zu finden. Mit der Zahlung seiner Miete von 200,– DM für sein kleines Gartenhäuschen ist er stets einen Monat in Verzug, zum Leidwesen seines Vermieters, den pensionierten Bahnbeamten Ganslmeier.

Der Runenforscher ist klein und zerbrechlich und wohnt in Pasing in der Frankensteinstraße. Er pflanzt Rettiche und knabbert hauptsächlich an rohen Fleischresten, die er nachts aus dem Abfallcontainer des Grossomarkts holt. Unglaublich belesen, steuert der Runenforscher, oder Militärhistoriker sehr zum Esprit des Advokaten bei. Einmal gab es eine Dissonanz im Cafe Schmeller. Der Runenforscher beleidigte den Advokaten beim Windbeutelessen in Gegenwart eines Künstlers. Wochenlang mieden sich beide, bis es dem Doktor jur. (und Autor dieses Erfolgromans) gelang, Runenforscher und Advokat wieder zu versöhnen. Erst signalisierte der Advokat Entgegenkommen, der Runenforscher schmollte noch eine Weile. Dann saßen sie wieder einträchtig beim Bier an einem Tisch.

Man muß wissen, das der Advokat aufgrund seiner 15-jährigen Tätigkeit beim Nachrichtendienst eine Pension von 3.000,– bis 4.000 DM erhält und einen Kreditrahmen bei der Sparkasse von 10.000,– DM hat. Die Begleitung der Zeche obliegt meist dem Advokaten, der gutherzig die Clique einlädt und sozusagen aushält. Ohne den Advokaten wäre manche aus der Clique nicht überlebensfähig.