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René Röspel zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (RechtBildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Wirtschaft und Technologie sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede René Röspel (Diplombiologe), SPD

Wie ermöglicht man einen umfassenden Zugriff auf das wissenschaftliche Wissen der Welt? Diese ebenso grundsätzliche wie wichtige Frage steht im Zentrum des von der SPD-Bundestagsfraktion heute vorgelegten Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Urheberrechts.

Wir alle kennen die klassischen Wege der schriftlichen Wissenschaftskommunikation. Es werden zunächst Forschungsprojekte betrieben, die zu neuen oder erweiterten Erkenntnissen führen. Diese werden durch den oder die Forscher in einem Textbeitrag dargestellt und dann in einem Buch, einem Sammelband oder in einer Zeitschrift veröffentlicht. Idealerweise stehen diese Werke dann allen am Thema interessierten Forscherinnen und Forschern zur Verfügung, damit sie Rückschlüsse ziehen und Anregungen aufnehmen können für ihre eigene Arbeit.

Nun werden seit einigen Jahren die Grenzen dieses klassischen Modells deutlich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So hat sich die Dynamik der wissenschaftlichen Kommunikation in einer Art und Weise verstärkt, wie es zu Zeiten vor Internet und Web 2.0 undenkbar war. Der Bedeutung des Internets für die wissenschaftliche Kommunikation muss der Gesetzgeber Rechnung tragen, wenn die deutsche Wissenschaft von dieser Entwicklung nicht abgekoppelt werden soll.

Die Verlage wiederum haben in den letzten Jahren verstärkt ihre marktbeherrschende Rolle in der Wissenschaftskommunikation für teilweise extreme Preissteigerungen genutzt. Ein Beispiel aus den USA ist die Ankündigung der Nature Publishing Group gegenüber der University of California, den Preis für die Onlinelizenz für die Universität von 2011 an um sage und schreibe 400 Prozent zu erhöhen. Erst nach einer Boykottdrohung kam es zu einer Annährung zwischen der Verlagsgruppe und der Universität. Das Verhalten der Verlagsgruppe zeigt, mit welcher Aggressivität einige Verlage versuchen, die Abhängigkeit von Hochschulen auszunutzen. Übrigens waren die Kosten für die Lizenz der Nature Publishing Group zwischen 2005 und 2009 bereits um 137 Prozent gestiegen.

Die Folgen dieser Abhängigkeit sind insbesondere in Bezug auf die staatliche Forschungsförderung für einen unabhängigen Beobachter kaum mehr vermittelbar. Da fördern der Bund und die Länder mit Milliardenbeträgen die Wissenschaft und Forschung in Deutschland über Projektmittel und Gehaltszahlungen. Ein Ergebnis dieser Förderung sind neue Erkenntnisse, welche die Wissenschaftler in Schriftform einem weiten Kreis von Interessenten bekannt machen wollen. Hier treffen sie auf das „Nadelöhr“: Verlage, die sich meist alle Rechte an den Texten abtreten lassen. Meist wird sogar die Formatierung des Textes, ausgehend von einer Formatvorlage, als Aufgabe an den oder die Autoren delegiert. Der Verlag verkauft dann sein Printprodukt bzw. seine Lizenzen an Hochschulen, Bibliotheken, Einzelpersonen usw. In den ersten beiden Fällen kauft der Steuerzahler – vertreten durch Bund und Länder – also die von ihm finanzierten Forschungserkenntnisse erneut zu hohen Kosten ein, damit Dritte Zugang zu ihnen erlangen können. Aus Sicht der Verlage hat dieses Vorgehen nur Vorteile; ein Modell für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation ist dieses Verfahren aber nicht.

Diese Erkenntnis ist nicht erst wenige Wochen oder Monate alt. Bereits im Rahmen der Beratungen des „Zweiten Korbes“ zur Reform des Urheberrechts hat sich der Deutsche Bundestag für die Prüfung eines sogenannten unabdingbaren Zweitverwertungsrechts ausgesprochen. Dieser etwas sperrige Begriff bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Recht erhalten, nach einer im Gesetz festgelegten Embargofrist ihre – überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten – Texte nach einer Erstveröffentlichung etwa in einer Zeitschrift nach Belieben an einer anderen Stelle zweitzuveröffentlichen. Der Bundesrat hat in den Beratungen zum „Zweiten Korb“ sogar einen dezidierten Vorschlag für die Festschreibung eines solchen Zweitverwertungsrechts vorgelegt, den die damalige Bundesregierung jedoch bedauerlicherweise nicht aufgegriffen hat.

Nun steht seit einigen Monaten der Regierungsentwurf eines „Dritten Korbes“ zur Reform des Urheberrechts aus. Die Signale, die man bisher empfangen konnte, deuten leider stark darauf hin, dass die Regierung die Chance zur Vorlage eines Entwurfs für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung und für eine Stärkung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland erneut vergeben wird. Dies ist sehr bedauerlich, hat sich doch der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der Verabschiedung des „Zweiten Korbes“ einstimmig für einen „Dritten Korb“ für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgesprochen. Ein modernes wissenschaftsfreundliches Urheberrecht ist ein wichtiger Standortvorteil für unser Land.

Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns daher dazu entschlossen, den Aspekt „Zweitverwertungsrecht“ in einem eigenständigen Gesetzentwurf in die parlamentarische Debatte einzubringen. Wir wollen nicht, dass diese wichtige Frage zwischen den vielen anderen Fragen im Rahmen eines „Dritten Korbes“ untergeht oder, wie üblich, weiterhin auf die lange Bank geschoben wird. Auch wollen wir deutlich machen, dass eine Regelung zum Zweitverwertungsrecht kein Spezial- oder Randthema ist.

Was fordern wir nun konkret? Mit unserem Gesetzentwurf soll ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Beiträge eingeführt werden, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind. Damit sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Open-Access-Publikationen zu ermöglichen. Dabei ist uns klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann und dass es weiterer flankierender Maßnahmen bedarf, um Open Access zu unterstützen, beispielsweise hinsichtlich der Förderrichtlinien der Forschungsförderung oder hinsichtlich der Unterstützung der Universitäten und der wissenschaftlichen Fachgesellschaften bei der Einrichtung entsprechender Plattformen.

Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates differenzieren wir hinsichtlich der Embargofrist zwischen sechs Monaten für Zeitschriftenbeiträge und zwölf Monaten für Beiträge in Sammelwerken. Jeder Urheberin und jedem Urheber steht frei, wie er mit diesem Recht umgeht und die Möglichkeit zur Zweitverwertung nutzt.

Die Autoren erhalten das Recht, ihre Beiträge im Originalformat der Erstveröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Dies ist keine „Enteignung“ der Verlage, die das Layout entwickelt haben, sondern es ist eine unerlässliche Voraussetzung, damit etwa die Zitierfähigkeit erhalten bleibt. Durch die Verpflichtung, dass im Rahmen einer Zweitverwertung der Ort der Erstpublikation anzugeben ist, kann und soll sogar eine Werbewirkung für die betreffenden Zeitschriften bzw. Verlage entstehen.

Mit unserem Vorschlag befinden wir uns damit sehr nah an den Vorstellungen der großen Wissenschaftsorganisationen sowie der Bundesländer. Auch die bisherigen Stellungnahmen der anderen im Bundestag vertretenen Parteien lassen sich aus unserer Sicht dahin gehend interpretieren, dass man über die Parteigrenzen hinweg offen sein sollte bzw. ist für unseren Regelungsvorschlag. Wir hoffen daher auf eine konstruktive Debatte und eine Zustimmung über unsere Fraktion hinaus.

Zu einer Debatte gehört selbstverständlich auch eine Bewertung der Kritik an einem unabdingbaren Zweitverwertungsrecht. Nur darf man hierbei nicht vergessen, dass für Wissenschaft und Forschung im Urheberrecht andere Maßstäbe gelten müssen als für andere Publikationsformen und -felder. So verdienen Wissenschaftler selten einen Großteil ihres Einkommens mit Veröffentlichungen. Bestenfalls kann man Einnahmen aus Veröffentlichungen als Nebenverdienst in Wissenschaft und Forschung bewerten. Vielmehr ist es – gerade bei Buchpublikationen – durchaus möglich, dass eine Veröffentlichung wissenschaftlicher Werke sogar Kosten für den Autor zur Folge hat.

Der freie Fluss von Informationen ist außerdem konstitutiv für eine erfolgreiche wissenschaftliche Tätigkeit. Diese Freiheit von Informationen durch Hürden wie Gebühren für den Zugriff auf Artikel und Beiträge – auch noch Jahre und Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung – einzuschränken, behindert immer mehr auch die Wissenschaft. Zwar mag der Grad der Einschränkung der wissenschaftlichen Forschung und der Wissenschaftsfreiheit durch diese finanziellen, verlagsseitigen Hürden kaum bezifferbar sein; klar ist jedoch, dass die Abwesenheit eines Zweitverwertungsrechts den freien Fluss von Informationen erheblich behindert. All diejenigen, die sich folglich gegen ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht aussprechen, müssen diese negativen Effekte ausdrücklich in Kauf nehmen.

Unser Gesetzentwurf ist sicherlich nur ein erster, aus unserer Sicht wichtiger, Schritt auf dem Weg zur Umsetzung eines echten Open Access – also offenen Zugangs – zu wissenschaftlichem Wissen. Wir haben – auch und gerade durch das Engagement vieler Menschen in zahllosen Gremien und Netzwerken – hier schon viel erreicht. Wir werden aber mit unserem heute vorgelegten Entwurf nicht stehen bleiben im Bemühen für eine umfassende wissenschaftsfreundliche Reform des bundesdeutschen Urheberrechts. Nicht zuletzt aus diesem Grund und um dem Paradigmenwechsel wirklich mittelfristig Rechnung tragen zu können, haben wir den Gesetzentwurf mit einer Evaluierungsklausel versehen. Drei Jahre nach Inkrafttreten soll diese Regelung dahin gehend evaluiert werden, ob das Ziel des Gesetzgebers, Open Access zu ermöglichen, tatsächlich erreicht werden kann und ob es gegebenenfalls weiteren rechtlichen Klarstellungsbedarf gibt.

Übrigens hat unsere Debatte von heute natürlich Auswirkungen über die Landesgrenzen hinweg. Wir debattieren ja auch auf europäischer Ebene über die Zukunft des Urheberrechts, und viele andere Staaten in Europa werden unser Bemühen für ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht mit großem Interesse verfolgen. Deutschland ist schon in der Vergangenheit in Europa mutig vorangeschritten, wenn es darum ging, auch dort sinnvolle Regelungen auf den Weg zu bringen, wo andere vielleicht noch zögern.

Perspektivisch können wir es – wie bereits angedeutet – aber nicht bei der Festschreibung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts belassen; dies schafft lediglich die rechtliche Grundvoraussetzung. Wir müssen auch intensiv prüfen, welcher flankierender Maßnahmen es bedarf und wie beispielsweise die einschlägigen Förderrichtlinien des Bundes dahin gehend verändert werden müssen, sodass Open Access in allen Wissenschaftsbereichen ermöglicht und gefördert wird. Auch wird zu prüfen sein, wie die Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen oder Bibliotheken und die wissenschaftlichen Fachgesellschaften unterstützt werden können bei der Errichtung entsprechender Open-Access-Publikationsplattformen. Schließlich gilt es auch bei den wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren dafür zu werben, von diesem Zweitverwertungsrecht tatsächlich Gebrauch zu machen. Auch bei den Wissenschaftsverlagen müssen wir dafür werben, neue Publikationsformen und -modelle zu erproben und anzubieten.

Selbstverständlich müssen wir auch mit den Ländern sprechen, um sicherzustellen, dass wir in Deutschland eine vergleichbare Infrastruktur an den Hochschulen erhalten, die es erlaubt, das Zweitverwertungsrecht in der Forschungspraxis zu leben. Mit den Bibliotheken haben wir bereits leistungsstarke Dienstleister, die ein wichtiger Partner bei der Umsetzung des Zweitverwertungsrechts sein können. Nur haben die Länder in der Vergangenheit leider Sparmaßnahmen auf den Weg gebracht, die den Universitäten die Aufrechterhaltung dieser Infrastrukturen erschwert haben. Hier muss der Bund helfen. Wir als SPD sind bereit, hier unterstützend tätig zu werden.

Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, hierbei insbesondere Johannes Kollbeck, danken, die sich in den letzten Jahren für die Festschreibung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts eingesetzt und die uns bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs unterstützt haben.

Lassen Sie uns nun ergebnisoffen in die Ausschussberatungen gehen, gegebenenfalls auch eine Sachverständigenanhörung, möglicherweise zu unterschiedlichen Regelungsentwürfen, durchführen und zu einem gemeinsamen Weg finden, der das von unserem Gesetzentwurf präsentierte Ziel – und zwar sowohl hinsichtlich der dafür notwendigen Rechtsgrundlagen als auch hinsichtlich der ebenso notwendigen flankierenden Maßnahmen – erreichbar macht.


Hier geht es zu Homepage von René Röspel.

Petra Sitte zum Vorschlag Open Access

Am 24. März 2011 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf der SPD über ein vertraglich nicht abdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Veröffentlichungen beraten. Die Reden der Bundestagsabgeordneten wurden (wie in vielen anderen Fällen auch) nicht gehalten, sondern zu Protokoll erklärt (der Redetext wurde eingereicht, die Rede gilt damit als gehalten). Da es die erste Lesung war, wurde zunächst nur entschieden, dass der Vorschlag an verschiedene Ausschüsse (Recht, Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung sowie Kultur und Medien)  verwiesen wird. Diese Ausschüsse werden den Vorschlag weiter beraten.


Rede Dr. Petra Sitte (Diplom-Volkswirtin), DIE LINKE

Sehr geehrte Damen und Herren,

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Ergebnisse von öffentlich geförderter Wissenschaft werden heute all zu oft in privatwirtschaftlichen Wissenschaftsverlagen publiziert. Dafür erhält der Verlag bis zu 80 % seiner Kosten durch Zuschüsse des Autors oder Herausgebers abgesichert. In der Regel geben Wissenschaftler diese Kosten an ihre Auftrags- und Arbeitgeber, also erneut die öffentliche Hand, ab. Bei stetig steigenden Endpreisen kaufen dann die Bibliotheken und Archive der Wissenschaftseinrichtungen wiederum mit öffentlichen Geldern diese Publikationen. Falls ihr Etat dafür ausreicht.

Durch diese Praxis werden die Verlage mehrfach aus der öffentlichen Hand subventioniert. Weiter wird es für Wissenschaftseinrichtungen immer schwerer, Forschungsergebnisse auch in den Archiven bereitzustellen. Durch diese Praxis wird öffentliches Geld privatisiert und freier Informations- und Wissensfluss eingeschränkt.

Einem Versuch, dieses System zu durchbrechen, stehe ich deshalb zunächst immer positiv gegenüber. Entsprechend begrüße ich grundsätzlich den Gesetzentwurf der SPD zum Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Publikationen.

Würde Wissenschaftlern ein solches Recht unabdingbar eingeräumt, wäre die Grundlage dafür geschaffen, dass Wissenschaftler mit der Zweitveröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse eine allgemein zugängliche Wissensdatenbank ohne Bezahlschranken aufbauen könnten. Es wäre ein großer Schritt auf dem Weg zur Förderung und Durchsetzung von Open Access Publikationen.

Der Entwurf der SPD steht im Einklang mit den Forderungen des Bundesrates und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die beide seit 2006 beziehungsweise Sommer 2010 die Einführung eines Zweitverwertungsrechts vorschlagen. Auch wird die Zweitverwertung explizit als Recht des Urhebers und nicht als Pflicht ausgestaltet. Es sollte also mit der gängigen Rechtsauslegung der Wissenschaftsfreiheit kompatibel sein, die diese interpretiert als Freiheit der Wissenschaftler, über die Art und Weise der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse zu entscheiden.

Um es ganz klar und deutlich zu sagen: die Einführung eines Rechtes auf Zweitveröffentlichung stärkt die Urheber. Kein Verlag darf von ihnen verlangen, alle Veröffentlichungsrechte exklusiv und auf Dauer abzutreten.

Dennoch, der Entwurf der SPD geht an einigen Stellen nicht weit genug. Es ist mir nicht ersichtlich, warum das Zweitverwertungsrecht nur für Beiträge in Sammelwerken und Periodika gelten soll. Auch Monographien wie Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften werden aus öffentlichen Mitteln gefördert. Warum muss ein zweifelsfrei dringend nötiges Zweitverwertungsrecht an den §38 angebunden sein, der sich auf Sammelwerke beschränkt?

Auch die unterschiedlichen Embargofristen bei Erst- und Zweitverwertung mit sechs beziehungsweise zwölf Monaten erschließen sich mir noch nicht. Warum sieht der Entwurf im Vergleich zum bestehenden §38 (1) die Verkürzung auf ein halbes Jahr nur bei Periodika, nicht aber bei Sammelwerken vor? Ist eine Embargofrist überhaupt nötig oder könnten wir nicht etwa auf Formatgleichheit der Zweitpublikation verzichten und dafür die Embargofristen deutlich verkürzen oder weglassen?

Nicht zuletzt erscheint mir die Beschränkung des Zweitverwertungsrechts auf nichtkommerzielle Publikationen problematisch. Geschäftsmodelle wie hybrides Publizieren, in der nur die digitale Version der Publikation frei zugänglich ist, der Kauf des gedruckten Werks aber kostenpflichtig ist, werden so schwieriger durchzuführen sein.
Das von der SPD verfolgte richtige Ziel, durch die Einführung eines Zweitverwertungsrecht Open Access Publikationen zu erleichtern und zu fördern, wird so teilweise gefährdet.

Dies ist übrigens ein Punkt, den es generell zu bedenken gilt: Ein Zweitverwertungsrecht erleichtert Open Access. Eine umfassende Open Access Strategie aber ist damit nicht erreicht. Damit offener Zugang(!) zu wissenschaftlichen Publikationen in der Breite möglich wird, muss Open Access als Nutzungsrecht verstanden werden. Da von würden auch Wissenschaftler in ihrer Recherche profitieren, die dann aber gegebenenfalls zur Open Access-Publikation ihrer Ergebnisse verpflichtet werden sollten. Dass dies im gegebenen rechtlichen Rahmen viel schwieriger umzusetzen ist als der von der SPD vorgeschlagene erste Schritt, ist mir bewusst. Wir sollten dennoch hier nicht stehen bleiben.


Hier geht es zur Homepage von Dr. Petra Sitte.

Vorschlag der SPD zu Open Access

Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (BT-Drs. 17/5053) initiiert, der ein Zweitverwertungsrecht insbesondere für wissenschaftliche Artikel zwingend vorsieht.  Der konkrete Vorschlag lautet:

§ 38 a

Zweitveröffentlichungsrecht

An wissenschaftlichen Beiträge, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Foschungstätigkeit entstanden sind und in Periodika oder Sammelwerken nach § 38 Abs. 2 [UrhG] erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, den Inhalt längstens nach Ablauf von sechs Monaten bei Periodika und von zwölf Monaten bei Sammelwerken seit der Erstveröffentlichung anderweitig nicht kommerziell öffentlich zugänglich zu machen. Die Zweitveröffentlichung ist in der Formatierung der Erstveröffentlichung zulässig; die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Ein dem Verleger eingeräumtes ausschließliches Nutzungsrecht bleibt im Übrigen unberührt. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Der Vorschlag weist in die richtige Richtung und stellt eine geeignete Grundlage für die weitere Diskussion der notwendigen Urheberrechtsreform überhaupt dar. Allerdings kann ein nur auf der vertraglichen Ebene ansetzendes Instrument durch entsprechende vertragliche Gestaltung, durch die Wahl ausländischen Rechts, grundsätzlich ausgehebelt werden (vor allem, wenn die Verträge mit Verlagen mit ausländischem Sitz geschlossen werden).

Für eine allgemeine Regelung ist der Vorschlag noch zu sehr an der aktuellen Open-Access-Diskussion orientiert. Er erlaubt insbesondere nur eine anderweitige nicht kommerzielle Veröffentlichung. Diese Einschränkung mag aufgrund der (überwiegeden) Finanzierung durch öffentliche Mittel gerechtfertigt sein. Sie ist aber für eine grundsätzliche Regelung  nicht sinnvoll. Vielmehr sollte jedem Urheber ein Zweit-, Dritt- oder Viertveröffentlichungsrecht auch auf kommerziellem Wege nach Ablauf einer Zeitspanne eingeräumt werden. Oder umgekehrt  (vgl. hier oder hier): die Übertragung von exklusiven Nutzungsrechten wird nicht zugelassen, sondern nur ein angemessener Zeitvorsprung für den ersten Veröffentlicher (im SPD-Vorschlag „Embargo-Frist“ genannt).

Eine entsprechende Regelung würde das Urheberrecht wieder auf die Füße stellen.


Ergänzung [21. 3. 2011]: Hierzu auch

  • Pressemitteilung von Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Sprecher des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” sowie
  • ein längerer Kommentar zu dem Vorschlag auf IUWIS.

Der Abgeordnete Dr. Braun hat das Wort

Aus gegebenem Anlass wollen wir auf die kürzlich (? — sie hinterlässt jedenfalls einen durchaus aktuellen Eindruck) gehaltene Rede des Abgeordneten Karl Braun zum neuen Urheberrecht hinweisen:


Abgeordneter Dr. Braun (Wiesbaden): Herr Präsident!

Ich habe mir das Wort erbeten, weil ich schwere Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf habe, sowohl bezüglich des Inhalts als auch bezüglich der Form Bedenken, die so schwer sind, daß ich zweifle, ob es uns, wenn wir die Generaldiskussion beendigt haben, in dem gegenwärtigen Augenblicke schon möglich sein wird, in die Specialdiskussion einzutreten; denn es handelt sich um große Principienfragen und außerdem noch um eine Menge wichtiger Detailfragen.

[…]

Es ist richtig, unsere Bundesverfassung spricht von ,,geistigem Eigenthum“, aber man würde Unrecht thun, wenn man aus diesem Ausdruck eine bestimmte Schlußfolgerung, eine bestimmte Verpflichtung, eine Vinkulierung für unsere Berathungen ableiten wollte. Die Bundesverfassung beschränkt sich darauf, das Gebiet des sogenannten ,,geistigen Eigenthums“ zur Kompetenz der Bundesverfassung zu reklamieren; was aber die Bundesgesetzgebungsfaktoren damit machen wollen, darin haben sie vollständig freie Hand. Es verhält sich das ebenso mit der Patentgesetzgebung. Auch diese unterliegt unserer Kompetenz; wenn wir morgen an die Patentgesetzgebung gehen, so sind wir durch die Bundesverfassung nicht vinkuliert, die Patente aufrecht zu erhalten, sondern wir können ebenso gut kraft unserer gesetzgebenden Gewalt ihre Abschaffung beschließen. Ebensowenig bindet uns der Ausdruck ,,Eigenthum“. Wir sind ja Alle, vielleicht mehr oder weniger, darin einig, daß das Eigenthum heilig ist

(Heiterkeit)

und es wird daher Jeder von uns mehr oder weniger schwere Bedenken haben, sich einer Verletzung des Eigenthums auf dem Wege der Gesetzgebung schuldig zu machen; aber daß dasjenige Monopol, welches die Gesetzgebung bisher den Autoren und unter Umständen den Verlegern zugesprochen hat, ein Eigenthumsrecht oder ein Ausfluß eines Eigenthumsrechts oder auch nur etwa dem entfernt Verwandtes sei, das behauptet heute von unseren Rechtslehrern Niemand mehr; sie geben zu, daß es nicht ein aus unabänderlichen Rechtsgrundsätzen gerechtfertigter Ausfluß des Eigenthums sei, gegen das man so wenig verstoßen kann, als man durch das Gesetz z. B. vorschreiben kann, daß einem unschuldigen Menschen der Kopf heruntergeschlagen wird; sie geben vielmehr Alle zu, daß es sich um ein Verbietungsrecht handelt, welches sich stützt auf Utilitätsgründe. Wir haben also zu untersuchen, ob überhaupt Utilitätsgründe für ein solches Verbietungsrecht vorliegen, und ob diese Utilitätsgründe so weit reichen, so exorbitant weitgehende Vorschriften rechtfertigen, wie sie der gegenwärtige Gesetzesentwurf enthält.

,,Eigenthum an einer Idee!“ Ja, meine Herren, was ist das?  So lange ich meine Idee für mich behalte, bin ich ganz unzweifelhaft ihr Eigenthümer; aber ich habe sehr große Zweifel, ob eine heruntergeschluckte Idee überhaupt eine Idee ist, sie ist es vielleicht so wenig wie ein unaufgeschlossenes Bergwerk ein Werthobjekt ist; da weiß man auch nicht, was darin enthalten ist. Sobald ich aber meine Idee mittheile, ich will nicht sagen auf dem Wege der Schrift oder des Druckes, sondern nur auf dem Wege der mündlichen Unterhaltung, so entäußere ich mich selbst dieser Idee und mache sie zu einem Gemeingut derjenigen, welchen ich sie mittheile, ohne dieselben irgendwie zu verpflichten, diese Idee nicht weiter fortzupflanzen. Ich glaube also nicht an ein körperliches Eigenthum an Geisteswerken. Ich glaube nicht weitere Ausführungen darüber nöthig zu haben einer so erleuchteten Versammlung gegenüber, wie es der Reichstag des Norddeutschen Bundes ist, denn wir Alle, meine Herren sind ja Autoren kraft der Worte, die wir hier sprechen. Die Worte, die wir hier sprechen, sind ja auch, so hoffe ich, Geistesprodukte; es ist aber noch Niemanden eingefallen, an diesen Geistesprodukten ein ,,Eigenthumsrecht“ in Anspruch zu nehmen, um deren weitere Verbreitung zu verbieten, im Gegentheil, wir sind den Herren Berichterstattern der Zeitungen umsomehr zu Dank verpflichtet, je ausführlicher und vollständiger und korrekter sie diese unsere Geistesprodukte in möglichst ausgedehnte Kreise verbreiten. Das geht so weit, daß wir, weit entfernt einen Anspruch auf Honorar zu erheben, für diese unsere Geistesprodukte, ja noch nicht einmal Diäten genießen,

(Heiterkeit)

und daß sogar ein Vorschlag aufgetaucht ist, jedes Wort, das hier gesprochen wird, zu Lasten des Sprechenden mit einem Silbergroschen Steuer zu beleben,

(Heiterkeit)

ein Vorschlag, der vielleicht durch einen bloßen Zufall bei der großen Steuerrazzia des vorigen Jahres im Portefeuille liegen geblieben ist.

(Heiterkeit)

Nun sagt man freilich: Wenn man kein Autorrecht, kein Verlegerrecht, kein Honorar statuiert, so bleibt die geistige Arbeit ungetan. Meine Herren, ein Blick auf die Jahrtausende lange Geschichte des menschlichen Geschlechts liefert doch dafür den handgreiflichen Gegenbeweis. Ich habe wenigstens noch nie etwas davon vernommen, daß Homeros für seine unsterblichen Gesänge, daß Sokrates für seine philosophischen Konversationen, daß Plato für seine Werke irgend ein Honorar bekommen hat; sie haben diese Geistesarbeit verrichtet, weil der Geist sie trieb; und ich halte unser Jahrhundert nicht für so tief heruntergekommen, daß nicht auch heute noch dergleichen Fälle vorkommen werden. Gehen wir freilich weiter in der Geschichte, so wird man mir sagen: ja aber Aristoteles hatte doch schon seinen Alexander und Horaz seinen Mäcen, und in späteren Zeitaltern hatten die Schriftsteller ihre Medicis, ihre Louis XIV. und sonstige hohe Gönner, die ihre geistige Arbeit, nota bene wenn sie ihnen gefiel, zur Genüge zu belohnen wußten. Nun ist es ja richtig, daß es heut zu Tage in dieser Welt, die auf anderen materiellen Voraussetzungen aufgebaut ist, als das Alterthum, größerer Anlockungen zur geistigen Thätigkeit bedarf, und man hat sich denn am Ende zwischen zwei Systemen zu entscheiden, wie sie auch bei der Patentgesetzgebung zur Sprache gekommen sind; das eine derselben ist freilich noch nicht zur Genüge praktisch durchgeführt. Es ist nämlich das System des Monopols auf der einen Seite und das der Nationalbelohnung auf der anderen. Nun hat die Nationalbelohnung auch auf dem Gebiete der geistigen Produktion gewiß sehr Vieles für sich und obgleich sie nicht gesetzlich geregelt ist, findet sich doch jeden Tag Anwendung seitens solcher Personen, welchen ihre erhabene Stellung oder ihr bedeutender Besitz die Ausübung dieser auf der Gesellschaft lastenden Pflicht möglich macht. Aber nach sorgfältiger Überlegung bin ich zu dem Resultat gekommen, daß das System der Nationalbelohnung in der gegenwärtigen Zeit schon als ausreichend betrachtet werden dürfte; und daß dies namentlich auf dem Gebiete der Schriftstellerei der Fall sein wird, denn in einer Zeit wie die gegenwärtige, welche so sehr von Parteigegensätzen und Kämpfen zerrissen wird, fürchte ich sehr, daß solche Rücksichten ihr Gewicht auch bei denjenigen geltend machen würden, die über die Vertheilung solcher Nationalbelohnung zu verfügen haben.

Ich bekämpfe deshalb das Autorrecht nicht principiell, ich gebe zu, dass wir es bis zu einem gewissen Grade für den gegenwärtigen Augenblick nicht entbehren können.

Nun stehen wir angesichts eines umfangreichen Gesetzes, welches viel Neues enthält, und es wird uns angesichts dieses Gesetzentwurfs von den Vertheidigern desselben gesagt: ,,beschränken wir uns darauf zu kodifizieren;  alles Uebrige wollen wir unterlassen.“ Meine Herren, das halte ich für einen ganz verkehrten Standpunkt, wenn wir einem Gesetz, das aus der Blüthezeit des alten Bundestages datirt, und welches auf den einseitigen Antrag bestimmter Interessenten erlassen ist; einem Gesetz,  welches dreißig Jahre alt ist; welches sich während dieser dreißig Jahre nicht bewährt hat; welches nicht im Stande war, eine einheitliche Rechtsprechung herbeizuführen;  welches nicht im Stande war, die kollidierenden Interessen zu versöhnen; welches nicht im Stande war, der geistigen Produktion in Deutschland denjenigen Aufschwung zu geben, den man von ihr erwarten könnte in Anbetracht des hohen Grades der Kultur unserer Nation, — wenn wir einem solchen nicht bewährten, ich möchte geradezu sagen, schlechtem Gesetz aus der alten Zeit den Stempel der Autorität der aufsteigenden neuen Zeit ohne Weiteres aufprägen. Ich, meine Herren, würde Ihnen vorschlagen, mit diesem alten Gesetz vor allen Dingen einmal questio status zu machen und es nach seiner Berechtigung bis auf’s Gründlichste aus- und durchzufragen. Und wenn wir das thun, meine Herren, dann dürfen wir uns nicht auf den einseitigen Standpunkt der Interessenten stellen, oder, um es richtig zu sagen, der einen Seite der Interessenten; wir dürfen uns nicht einseitig als Vertrauensmänner der Verlagsbuchhändler auffassen; wir müssen vor allen Dingen das Interesse der Masse im Auge haben, das Interesse der Nation, der wir ihre geistige Nahrung zuführen und sichern wollen, das Interesse der Konsumenten, die man leider in solchen Fällen so wenig zu hören gewöhnt ist. Ich, meine Herren, sage nicht, man solle die Interessenten nicht fragen; [sie] sind gefragt worden, ich habe nichts dagegen, daß sie gefragt worden sind: aber, meine Herren, man soll auch die anderen fragen, und man soll sich nicht dem veralteten Irrthum hingegeben, daß die Interessenten die einzigen Sachverständigen sind. Es sind Leute, die mit ihrem Geldbeutel an diese Frage gefesselt sind; ob aber der Geldbeutel derjenige spiritus familiaris ist, der ihnen die Rathschläge giebt, welche zugleich dem Interesse der Gesammtheit entsprechen, das ist eine ganz andere Frage, die wir doch mindestens zu prüfen berechtigt sind, wenn wir sie auch nicht von vornherein verneinen wollen.

Fortsetzung folgt  bei Gelegenheit …


Rede des Abgeordneten Karl Braun vom 21. Februar 1870 im Reichstag des Norddeutschen Bundes zum neuen Urheberrecht. Hervorhebungen in fett gab es in der Rede selbstverständlich nicht.

Titel für das MPI in München gesucht

1966 wurde das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht gegründet. Irgendwann — 1993? — wurde das von dem Institut behandelte Rechtsgebiet umbenannt in gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht und dann — 2002? —  in Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht. Man findet dementsprechend noch einige Reste der Bezeichnung: MPI für Geistiges Eigentum auf der Website dieses Instituts. Der Begriff des geistigen Eigentums hat nun offenbar ausgedient und wurde wieder in den begriffsjuristischen M(ar)ottenschrank verbannt.

Zum 1. Januar 2011 — nachdem das Steuerrecht von dem anderen Rechtsgebiet getrennt wurde  — wählte man die Bezeichnung Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht.

Wir rätseln zur Zeit, welche Bezeichnung als nächstes für das Rechtsgebiet Du weißt schon welches  kommen wird.  Bislang wurden vorgeschlagen:

  • MPI für das Recht des  geistigen Schaffens
  • MPI für das Recht der kulturellen Produktion
  • MPI für das Recht der Objektvergleichung und die Verbotsüberschreitungsfolgen
  • MPI zur Vermeidung der Ausweitung des Eigentumsbegriffes und geistiger Monopolbildung
  • Es, dessen Name nicht genannt werden darf (Nein! nicht Voldemort)
Weitere Ideen sind willkommen. Vorgeschlagen wurden bereits (teilweise nur als Kategorie):
  • geistiges Eigentum
  • Autorrecht und Erfinderrecht
  • literarisches Eigentum
  • Recht der Persönlichkeit
  • Immaterialgüterrecht
  • gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
  • Individualrecht
  • Schutz der Persönlichkeitssphäre
  • Privileg
  • künstlerisches Eigentum
  • Reflex einer Verbotsnorm
  • Monopol
  • persönliches Recht
  • Schrifteigentum
  • Persönlichkeitsrecht
  • Verlagsrecht
  • unzweifelhaftes Eigentum
  • unbestreitbares Eigentum
  • heiliges Eigentum
  • Menschenrecht
  • Ausschließlichkeitsrecht
  • Werkherrschaft

 


[Ergänzung: 25. 3. 2011]: Wie so oft in diesem Bereich handelt es sich bei der Frage nach der „richtigen Bezeichnung“ um aufgewärmte Debatten, die ähnlich sinnvoll sind wie die Frage nach der Henne und dem Ei. 1838 hat der Franzose Augustin Charles Renouard (von dem ungefähr 50 % der deutschen Juristen im 19. Jahrhundert abgeschrieben haben, wenn es ums Urheberrecht ging) schon festgestellt, dass das droit d’auteur eigentlich ein Monopol sei (allerdings ein notwendiges).  Eigentum (propriété) würde in den Ohren der Allgemeinheit aber besser klingen. Man könnte jeder Kritik entgegenhalten, dass man das Eigentum nicht im Namen des Monopols oder Privilegs angreifen dürfe.

Mit einer so dürftigen Begründung wollte man sich aber nicht zufrieden gegeben und es wurde hart daran gearbeitet, die richtige Begründung herauszustellen.  Viktor Böhmert etwa hat 1869 zum Patentschutz (es  lässt  sich Eins zu Eins auf das Urheberrecht übertragen) folgendes festgestellt:

Der Patentschutz wird nicht blos in Rücksichten der Zweckmässigkeit und Nützlichkeit, sondern auch aus Gründen des Rechts und der Billigkeit gefordert. Um dieser Institution eine möglichst unerschütterliche Rechtsbasis zu geben, stützt man sich entweder auf die Lehre vom sogenannten geistigen Eigenthum, oder man behauptet, dass die einseitige gewerbliche Ausbeutung der Geistesarbeit Anderer durch Reproduktion ihrer Erzeugnisse als ein Eingriff in die berechtigte Erwerbssphäre des Autors und als eine Störung der naturgemässen Ordnung der Wirthschaftsgemeinschaft zu betrachten sei.

Wenn es ums liebe Geld ging, wurden schon im 19. Jahrhundert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels  oder der Verein der deutschen Ingenieure zu großen Philosophen. Wir zitieren hier die Ingenieure:  „Wenn wir sagen, der Erfinder habe ein Recht auf ein Erfindungspatent, so stehen wir damit nicht auf dem Boden des positiven Rechts, sondern auf dem Boden der Rechtsphilosophie. Wir sprechen damit aus, dass der Staat aus rechtsphilosophischen Gründen das geistige Eigenthum des Erfinders schützen soll.“ 1877 hat diese rechtsphilosophische Sicht sich durchgesetzt und es wurde ein Patentgesetz für das Kaiserreich erlassen.

Weiterverkauf von Software: EuGH soll klären

Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat dem Gerichtshof der Europäischen Union am 3. Feburaur 2011 Fragen zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Vertriebs von gebrauchter (wie es in der Pressemitteilung in Anführungszeichen heißt)  Softwarelizenzen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gebrauchte Software unterscheidet sich von der nagelneuen dadurch, dass jemand an den Rechtsinhaber bereits Entgelt für die Nutzung der Software bezahlt hat und diese Position unter Aufgabe der eigenen Rechte nun auf einen anderen übertragen will.  Das missfällt manchen Rechtsinhabern, denn der Käufer ist ja offenbar bereit Geld für die Nutzung des Software zu bezahlen (nur an den falschen, nämlich nicht an den Rechtsinhaber).  Geklagt hatte im vom BGH nun dem EuGH vorgelegten Fall der Konzern Oracle, der im geschäftlichen Vertrieb gebrauchter Softwarelizenzen einen Verstoß gegen sein Urheberrecht sah.

Das  OLG München entschied am 3. Juli 2008 (Az. 6 U 2759/07) ebenso wie das LG München I ganz im Sinne des Rechtsinhabers. Der Verkauf von Einzelplatzlizenzen sowie der Vertrieb von — sogenannten — „gebrauchen“ Lizenzen sei auch bei Übergabe eines Originaldatenträgers nicht zulässig.  Oracle  vertreibt in der Regel die Software in der Weise, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Rechner herunterladen. In den Lizenzverträgen der Klägerin ist vorgesehen, dass das Nutzungsrecht, das Oracle seinen Kunden an den Computerprogrammen einräumt, nicht abtretbar ist.

Der Beklagte handelt mit Softwarelizenzen und bot im Oktober 2005 bereits benutzte (bezahlte) Lizenzen für Programme von Oracle  an, bei denen der  ursprüngliche Lizenznehmer bestätigt hatte, dass er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese aber nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe. Kunden des Beklagten laden nach dem Erwerb dieses diffusen Rechts die entsprechende Software von der Internetseite von Oracle auf einen Datenträger herunter. Oracle vertrat die Rechtsauffassung, der Beklagte verletze dadurch, dass er die Erwerber der Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfältigen, das Urheberrecht an diesen Programmen und hat deshalb den  Beklagten  auf Unterlassung in Anspruch genommen. Kompliziert, denn offenbar wurde die Software von Oracle zur Verfügung gestellt und die dürfen die Software ja auf jeden Fall vervielfältigen. Die Kunden des Beklagten glauben aber offenbar, sie dürften rechtmäßig die Software von Oracle beziehen, während Oracle das an bestimmte Bedingungen geknüpft sehen will. Der beklagte Händler hat also selbst gar nicht die Bits und Bytes weitergegeben, sondern nur seinen Kunden — gegen Entgelt — gesagt, sie dürften die Software bei Oracle kopieren und müssten dafür nichts bezahlen, weil dafür bereits einmal bezahlt wurde.

Nachdem der Beklagte beide Instanzen verloren hat, hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Die Kunden des Beklagten greifen durch das Herunterladen der Computerprogramme  in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der Computerprogramme ein. Da der Beklagte seine Kunden durch das Angebot gebrauchter Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, kann er auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls seine Kunden nicht zur Vervielfältigung der Programme berechtigt sind. Die Kunden des Beklagten können sich nach Auffassung des BGH allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms — solange nichts anderes vereinbart ist — nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine gebrauchte Softwarelizenz erworben hat, als ,,rechtmäßiger Erwerber„ des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist. In diesem Zusammenhang kann sich auch die weitere Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in Verkehr gebracht worden ist.

Früher, als die Nutzung von urheberrechtlichem Material noch mit dem klassischen Buch verbunden war, konnte jeder seine gesamte Bibliothek zum Antiquar tragen und gegen einen neue austauschen (aus dieser Vorstellungswelt stammt wohl auch der Begriff der gebrauchten Lizenzen).  Das Recht des Rechtsinhabers an dem einen Exemplar des urheberrechtlich geschützten Werks war „erschöpft“, wie es in der Rechtssprache heißt, wenn der Rechtsinhaber das Werkexemplar in den Verkehr gebracht hatte.  Jetzt gibt es kein Werkexemplar als körperlichen Anknüpfungspunkt mehr, sondern nur noch ein Recht und ein Vertrag.

Nachdem die Digitalisierung die Trennung von Inhalt und dem für die Nutzung notwendigen körperlichen Gerät herbeigeführt hat, dürften sich diese Änderungen bald in vielen Bereichen durchsetzen. Die Verbindung von dem Gerät (device) mit dem Handel (mit den Lizenzen) wird  so zu einem immer einträglicheren Geschäft, bei dem jeder Nutzer für jede Nutzung seinen Obulus wird entrichten müssen.

Morgens beim Device-Lesen und Device-Hören reduziert sich dann in der braven neuen Welt minütlich der Kontostand für die Nutzung des wertvollen Contents. Und wenn wir von einem Filmstar träumen, wird sich daraus  auch noch irgendeine kostenpflichtige Nutzung konstruieren lassen;  zur Not über ein Leistungsschutzrecht, denn ohne die Leistung der Filmfirma hätten wir ja gar nicht den schönen Traum träumen können. Immerhin: Presseerklärungen, Reden der Politiker und Werbung werden wir noch ohne Angst um den Geldbeutel konsumieren können (damit die Volksbildung für die Epsilon-Minus-Menschen nicht auf der Strecke bleibt).

(Keine) Neuigkeiten von der Leistungsschutzfront

Gehen wir einmal davon aus, dass der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) seiner Journalistenpflicht nachgekommen ist und die Pressemitteilung die Diskussion zum Leistungsschutzrecht für Verleger am 24. Januar 2011 gut zusammenfasst hat. Demnach kann man leider  nur mit einer Nicht-Nachricht aufwarten.

Das Thema lautete ,,ob ein neues Leistungsschutzrecht überhaupt erforderlich ist und ob die Verlage durch Suchmaschinen wie Google tatsächlich so stark benachteiligt werden.„ Das ist insofern interessant, weil wir zur Zeit eigentlich nur eines wissen: Die Verleger wollen ein Leistungsschutzrecht, weil andere Rechteverwerter auch ein Leistungsschutzrecht haben. Die Filmhersteller, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und  Datenbankhersteller seien bereits mit einem  Leistungsschutzrecht ausgestattet. Es sei daher nicht einzusehen, dass ein solches Recht den Presseverlegern vorenthalten werde.

Aber wie das überhaupt aussehen soll? Fehlanzeige: Anders als erwartet, so der BJV,  gab Prof. Schweizer keine Details dazu bekannt, wie das geplante Leistungsschutzgesetz in der Praxis umgesetzt werden soll. Offen blieb auch, ob eine eigene Verwertungsgesellschaft gegründet oder ob  die VG Wort mit der Beitreibung des erhofften Geldsegens betraut werden soll. Theoretisch kommen noch einzelne Verträge mit den Nutzern der Leistung der Verleger in Betracht, die jeder Presseverleger mit jedem Betroffenen abschließt. Wenn eine Verwertungsgesellschaft gegründet werden sollte, kann man spekulieren, wer die Nutznießer sein werden — wohl kaum die kleinen, die am ehesten Hilfe benötigen.

Tatsächlich weiß man bis heute noch nicht einmal, was überhaupt erfasst werden soll. So sprach Dr. Angelika Niebler, parlamentarische Geschäftsführerin der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, von den Googles und Apples dieser Welt. Nun bieten die beiden Unternehmen bislang — soweit bekannt — im Hinblick auf die Presse vollkommen unterschiedliche Leistungen an (wobei Apple  bis vor kurzem von der Presse hochgejubelt wurde  (vgl. z. B.  hier oder hier), bis ihnen auffiel, dass sie sich nur in die Fänge eines Unternehmens begeben hatten, das ihnen keinen Cent schenken will. Vielleicht ist der Geschäftsführerin der EVP-Fraktion auch nicht bekannt, was die genannten Unternehmen für Leistungen anbieten?

Vollkommen unklar bleibt weiterhin, wie die eigentlich dem Urheberrecht zugeordneten Beiträge der Journalisten sich von dem vom Leistungsschutzrecht erfassten Leistungen der Verleger unterscheiden sollen? Dr. Frey warnte davor, dass die Journalisten zu „Gefangenen des neuen Leistungsschutzrechtes“ werden könnten, wenn ihnen die Zweitverwertung ihrer Beiträge erschwert werde. Das würde aber voraussetzen, dass die Leistungen der Journalisten zugleich von dem Leistungsschutzrecht erfasst werden. Allerdings behauptet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), dass das Urheberrecht der Autoren vom Leistungsschutzrecht für Presseverleger unberührt bleibe. Beide Rechte stünden trennscharf nebeneinander. Wie diese Trennung allerdings mit der anderen  Behauptung des BDZV, nur wer gesetzlich geschützte Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, müsse die Zustimmung des Urhebers und des Leistungsschutzberechtigten einholen, zusammenpassen soll, steht in den Sternen. Entweder sind sie getrennt. Dann muss derjenige, der Werke gewerblich vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, nur einen  fragen. Oder sind sind miteinander verbunden.  Dann  droht allerdings die Gefahr, dass die Journalisten beispielsweise etwaige Zweitnutzungsrechte doch nur mit Zustimmung des Leistungsschutzberechtigten nutzen können.

Die Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes Rainer Reichert und des BJV Jutta Müller sagten, dass sie im Prinzip nicht gegen ein Leistungsschutzrecht seien, wenn es den Journalisten neue Einnahmen beschere. Nachdem das Leistungsschutzrecht offenbar die besonderen Leistungen der Verleger und nicht die der Journalisten erfassen soll, stellt sich allerdings die Frage nach der Berechtigung dieser Position. Erst Recht stellt sich die Frage nach der Berechtigung dieser Hoffnung, denn auf längere Frist werden Zahlungen auf das Leistungsschutzrecht in dieser oder jener Form werden die Zahlungen auf das Gesamtentgelt der Journalisten angerechnet werden. Nutzen wird es auf lange Frist den Verlegern, wie Prof. Peifer zu Recht feststellte.

So bleibt der Kritikpunkt von Dr. Nolte bestehen: Nachdem das Projekt nun einige Jahre alt ist, können wir  weiterhin nur rätseln und orakeln, was  die Verleger überhaupt konkret wollen (außer mehr Geld, das sie sich dann — nach den Vorstellungen der Journalisten — mit diesen teilen sollen).


Ergänzung [3. Feb. 2011]
Nachdem Apple den Verkauf von Zeitungsinhalten, Büchern, Musik etc. zumindest als zwingende Alternative für das Apple gehörende System fordert (mit hochprozentiger Beteiligung für die Apple-Leistung), sofern eine „App“ für das Gerät iPad genutzt wird, müssen nun in der Vorstellung der Verleger die moralischen Rollen getauscht werden: Google wechselt mit dem neuen System Android 3 in das Lager der Guten, während Apple zum Bösewicht erklärt wird. Natürlich ist das alles nur wegen der bösen, bösen Monopole der anderen (Apple, Google etc.) möglich, was aber selbstverständlich kein Hinderungsgrund ist, selbst lautstark eigene Monopole zu fordern, denn die eigenen sind gerecht und notwendig, die der anderen ungerecht und schädlich.


Ergänzung [23. Feb. 2011]

Angelika Niebler teilte in Ihrem Newsletter zu den Planungen auf EU-Ebene mit:  ,,Ende März [2011] werde die Europäische Kommission das Grünbuch für eine Strategie zum Schutz des geistigen Eigentums im Internet vorlegen, das bewusst keinen Vorschlag für ein europäisches Leistungsschutzrecht enthalten werde. Dafür gebe es zu große strukturelle Probleme. So sei z. B. nicht geklärt, wer das Geld eintreiben soll, wer letztendlich bezahlen muss und ob die Gebühr schon beim Ansehen von Seiten gelten soll.“

Ob es sich lediglich um ein rechtstechnisches Problem handelt, wie die Förderung der Presseverleger konkret gestaltet werden soll, blieb aber offen.